Ferruccio Busoni an Robert Freund arrow_backarrow_forward

Brüssel · 26. Oktober 1900

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Diplomatische Umschrift
Lesefassung
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11
Le Grand Hôtel
Société Anonyme au Capital 1.500.000
J. Curtet–Hugon, Administrateur–Directeur
[Ansicht Eden Restaurant Hôtel]
Bruxelles
1er Ordre
250 Chambres & Salons
Superbe Restaurant 
Bar & Grill Room
Bureaux de Poste Télégraphe
Chemins de Fer
Wagons–Lits
[Ansicht Le Grand Hôtel Bruxelles]
Le Grand Hôtel
Bruxelles
1er Ordre
Cap d'Ail
1er Ordre
150 Chambres & Salons
 Eden Restaurant
Station
Turbie s/ Mer
à 5 minutes de
Monte Carlo
la plus Belle exposition
du Littoral
plein midi
Télégraphe: Cap d'Ail
Poste: Cap d'Ail par Monaco
Colis Postaux
La Turbie s/ Mer (Gare)
Eden Restaurant
ouvert
du 1er Décembre au 1er Mai
le
26 Oct 900.

Verehrter Freund. Während Sie in
Paris sind, In einem Brief an die zu diesem Zeitpunkt noch in Berlin weilenden Schwestern teilt Freund mit: Ma femme […] sera le 17 ou 18 à Cherbourg. Peut-être j’irai déjà dans quelques jours à Paris pour l’y attendre. La difficulté est d’y trouver des chambres convenables […].“ (Robert Freund an Irma und Etelka Freund; Kleinlaufenburg, 08.10.1900; CH-Zz, Ms. Z II 157.6.3) Freund war also nach Paris gereist, um seine Frau in Empfang zu nehmen und mit ihr noch einige Tage dort zu verweilen. Codman, eine gebürtige Amerikanerin, stattete ihrer alten Heimat regelmäßige Besuche ab (vgl. Freunds Brief vom 05.11.1904) und befand sich evtl. auf der Rückreise von dort. Etelka (und sehr wahrscheinlich auch ihre Schwester Irma) fuhren von Berlin, wo Etelka im Anschluss an den Weimarer Meisterkurs noch ihr Pianisten-Debut mit Busoni vorbereitet hatte, ebenfalls nach Paris. (vgl. dritte Anm. im folgenden Brief)

Eine angemsessene Unterkunft hat Freund mit dem Hôtel de Londres offenbar gefunden. Ein Brief Busonis belegt, dass das Ehepaar Freund bei einem Paris-Aufenthalt im Jahr darauf wieder dort logiert hat. „Tagsüber Mr. und Mrs. Freund beim Louvre begegnet“, berichtet Busoni seiner Frau. Und am Tag darauf: „Mit Freunds im Hôtel de Londres 12 Uhr dejeunirt. Angenehmen Gang und Gespräch mit Robert bis 3 Uhr gehabt.“ (Busoni/Weindel 2015, Bd. 1, Br. 196 vom 02. und 03.05.1901, S. 216)
treffe ich einen vornehmen
Theil des musikalischen Paris auf meinen
Reisen. Busoni war als Konzertpianist unterwegs und spielte u. a. am 28.10.1900 unter der Leitung von Eugène Ysaÿe im Brüsseler Théâtre de l'Alhambra, wo bereits am Tag zuvor nachmittags eine Generalprobe stattgefunden hatte. Für Busoni standen das 4. Klavierkonzert von Beethoven sowie Anton Rubinsteins Thema und Variationen op. 88 auf dem Programm. (vgl. Programm; D-B, Mus.Nachl. F. Busoni E 1900, 12) Weitere Konzerte folgten im November u. a. in London und im Dezember in Köln, Den Haag, Amsterdam und Utrecht. (vgl. diverse Programme; D-B, Mus.Nachl. F. Busoni E 1900, 13 bis 22) In Aachen hörte ich Marteau
Sindings ViolinConcert spielteen; Die Aufführung erfolgte im Rahmen des 1. Städtischen Abonnement-Konzerts in Aachen unter der musikalischen Leitung von Eberhard Schwickerath. (N. N. 1900h, Konzertnotiz im Musikalischen Wochenblatt vom 08.11.1900, S. 616)
Busoni lernte Henri Marteau im folgenden Jahr im Zuge einer Aufführung seiner 2. Violinsonate näher kennen. (vgl. Busoni/Weindel 2015, Bd. 2, Anm. 112, S. 851 f.)
Christian Sinding und Busoni hatten sich bereits 1888 in Leipzig angefreundet. (vgl. Dent 1974, S. 81 f.) 1902 wurde sein Rondo infinito in deutscher Erstaufführung von Busoni ins Programm seines 1. Berliner Orchesterabends aufgenommen (vgl. ebd., S. 332) – eine Auszeichnung in Anbetracht der Vielzahl an Komponisten, die im Rahmen dieser neuen Konzertreihe mit Werken von noch unbekannten zeitgenössischen Künstlern aufgeführt werden wollten.
heute
Mittag trug Fauré seine Variationen Gemeint ist vermutlich Faurés op.73 (Thème et Variations).
bei Ysaye uns vor und Abends werde
ich St-Saëns kennen lernen, der die
50. Aufführung seines Samson et Dalila
dirigirt. Die umjubelte Aufführung fand im Théâtre Royal de la Monnaie statt. Saint-Saëns dirigierte seine Oper allerdings nicht selbst. Als „Beigaben“ wurden weitere seiner Werke ausschnittweise dargeboten, wodurch die Vorstellung de facto zu einem Festakt für den Komponisten avancierte. Dieser war ob der „ihm zutheil gewordenen Aufnahme sehr gerührt“ und zeigte sich zufrieden mit der Ausführung. (N. N. 1900i, Konzertnotiz in den Signalen vom 07.11.1900, S. 949) Busoni greift diesen Abend in seinen Erinnerungen an Saint-Saëns rückblickend noch einmal auf. (vgl. Busoni 1921 [Weindel 2006], S. 112) Sie sehen, manchmal
kommen die Berge zum Propheten.

Sagen Sie, bitte, Etel meinen Dank
für ihren schriftlichen, sehr lieben und
sehr eiligen Gruss; Nicht ermittelt. ich bin froh, dass

Ms. Z II 157 a.1

26. Oktober 1900

Verehrter Freund.

Während Sie in Paris sind, In einem Brief an die zu diesem Zeitpunkt noch in Berlin weilenden Schwestern teilt Freund mit: Ma femme […] sera le 17 ou 18 à Cherbourg. Peut-être j’irai déjà dans quelques jours à Paris pour l’y attendre. La difficulté est d’y trouver des chambres convenables […].“ (Robert Freund an Irma und Etelka Freund; Kleinlaufenburg, 08.10.1900; CH-Zz, Ms. Z II 157.6.3) Freund war also nach Paris gereist, um seine Frau in Empfang zu nehmen und mit ihr noch einige Tage dort zu verweilen. Codman, eine gebürtige Amerikanerin, stattete ihrer alten Heimat regelmäßige Besuche ab (vgl. Freunds Brief vom 05.11.1904) und befand sich evtl. auf der Rückreise von dort. Etelka (und sehr wahrscheinlich auch ihre Schwester Irma) fuhren von Berlin, wo Etelka im Anschluss an den Weimarer Meisterkurs noch ihr Pianisten-Debut mit Busoni vorbereitet hatte, ebenfalls nach Paris. (vgl. dritte Anm. im folgenden Brief)

Eine angemsessene Unterkunft hat Freund mit dem Hôtel de Londres offenbar gefunden. Ein Brief Busonis belegt, dass das Ehepaar Freund bei einem Paris-Aufenthalt im Jahr darauf wieder dort logiert hat. „Tagsüber Mr. und Mrs. Freund beim Louvre begegnet“, berichtet Busoni seiner Frau. Und am Tag darauf: „Mit Freunds im Hôtel de Londres 12 Uhr dejeunirt. Angenehmen Gang und Gespräch mit Robert bis 3 Uhr gehabt.“ (Busoni/Weindel 2015, Bd. 1, Br. 196 vom 02. und 03.05.1901, S. 216)
treffe ich einen vornehmen Teil des musikalischen Paris auf meinen Reisen. Busoni war als Konzertpianist unterwegs und spielte u. a. am 28.10.1900 unter der Leitung von Eugène Ysaÿe im Brüsseler Théâtre de l'Alhambra, wo bereits am Tag zuvor nachmittags eine Generalprobe stattgefunden hatte. Für Busoni standen das 4. Klavierkonzert von Beethoven sowie Anton Rubinsteins Thema und Variationen op. 88 auf dem Programm. (vgl. Programm; D-B, Mus.Nachl. F. Busoni E 1900, 12) Weitere Konzerte folgten im November u. a. in London und im Dezember in Köln, Den Haag, Amsterdam und Utrecht. (vgl. diverse Programme; D-B, Mus.Nachl. F. Busoni E 1900, 13 bis 22) In Aachen hörte ich Marteau Sindings Violinkonzert spielen; Die Aufführung erfolgte im Rahmen des 1. Städtischen Abonnement-Konzerts in Aachen unter der musikalischen Leitung von Eberhard Schwickerath. (N. N. 1900h, Konzertnotiz im Musikalischen Wochenblatt vom 08.11.1900, S. 616)
Busoni lernte Henri Marteau im folgenden Jahr im Zuge einer Aufführung seiner 2. Violinsonate näher kennen. (vgl. Busoni/Weindel 2015, Bd. 2, Anm. 112, S. 851 f.)
Christian Sinding und Busoni hatten sich bereits 1888 in Leipzig angefreundet. (vgl. Dent 1974, S. 81 f.) 1902 wurde sein Rondo infinito in deutscher Erstaufführung von Busoni ins Programm seines 1. Berliner Orchesterabends aufgenommen (vgl. ebd., S. 332) – eine Auszeichnung in Anbetracht der Vielzahl an Komponisten, die im Rahmen dieser neuen Konzertreihe mit Werken von noch unbekannten zeitgenössischen Künstlern aufgeführt werden wollten.
heute Mittag trug Fauré seine Variationen Gemeint ist vermutlich Faurés op.73 (Thème et Variations). bei Ysaÿe uns vor und abends werde ich Saint-Saëns kennenlernen, der die 50. Aufführung seines Samson et Dalila dirigiert. Die umjubelte Aufführung fand im Théâtre Royal de la Monnaie statt. Saint-Saëns dirigierte seine Oper allerdings nicht selbst. Als „Beigaben“ wurden weitere seiner Werke ausschnittweise dargeboten, wodurch die Vorstellung de facto zu einem Festakt für den Komponisten avancierte. Dieser war ob der „ihm zutheil gewordenen Aufnahme sehr gerührt“ und zeigte sich zufrieden mit der Ausführung. (N. N. 1900i, Konzertnotiz in den Signalen vom 07.11.1900, S. 949) Busoni greift diesen Abend in seinen Erinnerungen an Saint-Saëns rückblickend noch einmal auf. (vgl. Busoni 1921 [Weindel 2006], S. 112) Sie sehen, manchmal kommen die Berge zum Propheten.

Sagen Sie bitte Etel meinen Dank für ihren schriftlichen, sehr lieben und sehr eiligen Gruß; Nicht ermittelt. ich bin froh, dass sie sich dort ihrer Jugend freut und ihres Umganges genießt. Ich möchte, dass sie sich in diesem Augenblicke nicht zu sehr zerstreut; zwei kurze Monate noch zu einem wichtigen Schritt ihres Lebens, die ausgenutzt werden sollen! Knapp zwei Monate später – am 17.01.1901 – gab Etelka Freund ihr Debut als Konzertpianistin im Beethoven-Saal in Berlin. Gemeinsam mit dem Philharmonischen Orchester und unter der Leitung von Busoni brachte sie ein äußerst umfangreiches Programm zu Gehör: Beethovens 3. Klavierkonzert, Brahms1. Klavierkonzert sowie die Spanische Rhapsodie für Klavier und Orchester von Liszt/Busoni. Ein zweites Konzert – diesmal ein Klavier-Abend solo – fand am 24.01.1901 im Bechstein-Saal statt. Dort spielte sie Präludium und Fuge Es-Dur von Bach/Busoni, Liszts h-Moll-Sonate sowie die 12 Etüden op. 10 von Chopin. (vgl. Programme; CH-Zz, Ms. Z II 157.36)

Mit Bezug auf ihr Debut konnte man später in der Allgemeinen Musikzeitung lesen: „Als eine begabte Pianistin stellte sich Frl. Etelka Freund vor […] Wohl liefen noch manche Unebenheiten mit unter, die aus einem Mangel an Konzentration, hier und dort auch wohl aus einem nicht völlig zulangenden Verständniß für den Inhalt ihrer Aufgaben resultiren mochten, aber der größte Theil ihrer Interpretation gelang Frl. Freund so über das landläufige Maß hinaus gut, daß die Aufmerksamkeit auf die junge Dame als auf ein echtes Klaviertalent hingelenkt wurde. Mit virtuoser Lebendigkeit wurde Vieles im ersten Satz des Beethoven-Konzertes in effektvolle Beleuchtung gerückt, mit Eindringlichkeit, edlem Ausdruck und trefflicher Phrasirung wurden die Eingangstakte des ‚Largo‘ gespielt. In dem letzten Satz hatte Frl. Freund das Unglück zu entgleisen. Hätte sie die Sache nicht gar zu leicht genommen, wäre das Ziel auch wohl ohne Stockung erreicht worden; es war nämlich auffallend, mit welcher Ernsthaftigkeit die Pianistin sich nach diesem Zwischenfall in ihre Aufgabe versenkte. […]“ (Buck 1901, Kritik in der AMZ vom 25.01.1901, S. 63 f.)
Dazwischen fallen noch Reisen, Weihnachten, Neujahr – und was noch? –, was sie zur Genüge aus der Sammlung bringen kann. Ich bitte Etel, nicht ungeduldig zu sein, wenn ich die höchst unamüsante Stimme des Gewissens repräsentiere – unnötig zu sagen, wie ehrlich ich es meine.

Grüßen Sie Ihre sehr verehrte und liebe Frau, Etel und Irma, wenn sie mit ist (was nicht deutlich zu entnehmen war).

Ihnen ein herzliches Lebewohl von Ihrem freundschaftlichst ergebenen

Ferruccio Busoni

                                                                
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(vgl. <bibl><ref target="#E0800218"/>, S. 81 f.</bibl>) <date when-iso="1902">1902</date> wurde sein <title key="E0400345">Rondo infinito</title> in deutscher Erstaufführung von <persName key="E0300017">Busoni</persName> ins Programm seines 1. <orgName key="E0600003"><placeName key="E0500029">Berliner</placeName> Orchesterabends</orgName> aufgenommen (vgl. <bibl><ref target="#E0800218">ebd.</ref></bibl>, S. 332) – eine Auszeichnung in Anbetracht der Vielzahl an Komponisten, die im Rahmen dieser neuen Konzertreihe mit Werken von noch unbekannten zeitgenössischen Künstlern aufgeführt werden wollten. </note> <date when-iso="1900-10-26">heute</date> <lb/>Mittag trug <hi rend="underline"><persName key="E0300475">Fauré</persName></hi> seine Variationen <note type="commentary" resp="#E0300361"> Gemeint ist vermutlich <persName key="E0300475" type="automated" nymRef="Gabriel Fauré">Faurés</persName> <title key="E0400426">op.73 (<foreign xml:lang="fr">Thème et Variations</foreign>)</title>. </note> <lb/>bei <persName key="E0300493">Ysa<choice><orig>y</orig><reg>ÿ</reg></choice>e</persName> uns vor und <choice><orig>A</orig><reg>a</reg></choice>bends werde <lb/>ich <hi rend="underline"><persName key="E0300161"><choice><abbr>St</abbr><expan>Saint</expan></choice>-Saëns</persName></hi> kennen<orig> </orig>lernen, der die <lb/>50. Aufführung seines <title key="E0400427">Samson et Dalila</title> <lb/>dirigi<reg>e</reg>rt. <note type="commentary" resp="#E0300361"> Die umjubelte Aufführung fand im <placeName key="E0500617">Théâtre Royal de la Monnaie</placeName> statt. <persName key="E0300161">Saint-Saëns</persName> dirigierte seine <rs key="E0400427">Oper</rs> allerdings nicht selbst. Als <q>Beigaben</q> wurden weitere seiner Werke ausschnittweise dargeboten, wodurch die Vorstellung de facto zu einem Festakt für den <rs key="E0300161">Komponisten</rs> avancierte. Dieser war ob der <q>ihm zutheil gewordenen Aufnahme sehr gerührt</q> und zeigte sich zufrieden mit der Ausführung. (<bibl><ref target="#E0800270">N. N. 1900i</ref>, Konzertnotiz in den <orgName key="E0600067">Signalen</orgName> vom <date when-iso="1900-11-07">07.11.1900</date>, S. 949</bibl>) <persName key="E0300017">Busoni</persName> greift diesen Abend in seinen Erinnerungen an <persName key="E0300161">Saint-Saëns</persName> rückblickend noch einmal auf. (vgl. <bibl><ref target="#E0800276">Busoni 1921 [Weindel 2006]</ref>, S. 112</bibl>) </note> Sie sehen, manchmal <lb/>kommen die Berge zum Propheten.</p> <p type="pre-split" rend="indent-first">Sagen Sie<orig>,</orig> bitte<orig>,</orig> <persName key="E0300420">Etel</persName> meinen Dank <lb/>für ihren schriftlichen, sehr lieben und <lb/>sehr eiligen Gru<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>; <note type="commentary" resp="#E0300361">Nicht ermittelt.</note> ich bin froh, dass <note type="shelfmark" place="bottom-left" rend="small space-above" resp="#archive">Ms. Z II 157 a.1</note> </p></div>
2Faksimile
2Diplomatische Umschrift
2XML

Sie sich dort und […] mindestens 1 Zeichen: durchgestrichen. ihrer Jugend
freut und Ihres Umganges
geniesst. Ich möchte, dass Sie sich
in diesem Augenblicke nicht zu
sehr zerstreut; zwei kurze Monate
noch zu einem wichtigen Schritt ihres
Lebens, die ausgenutzt werden sollen! Knapp zwei Monate später – am 17.01.1901 – gab Etelka Freund ihr Debut als Konzertpianistin im Beethoven-Saal in Berlin. Gemeinsam mit dem Philharmonischen Orchester und unter der Leitung von Busoni brachte sie ein äußerst umfangreiches Programm zu Gehör: Beethovens 3. Klavierkonzert, Brahms1. Klavierkonzert sowie die Spanische Rhapsodie für Klavier und Orchester von Liszt/Busoni. Ein zweites Konzert – diesmal ein Klavier-Abend solo – fand am 24.01.1901 im Bechstein-Saal statt. Dort spielte sie Präludium und Fuge Es-Dur von Bach/Busoni, Liszts h-Moll-Sonate sowie die 12 Etüden op. 10 von Chopin. (vgl. Programme; CH-Zz, Ms. Z II 157.36)

Mit Bezug auf ihr Debut konnte man später in der Allgemeinen Musikzeitung lesen: „Als eine begabte Pianistin stellte sich Frl. Etelka Freund vor […] Wohl liefen noch manche Unebenheiten mit unter, die aus einem Mangel an Konzentration, hier und dort auch wohl aus einem nicht völlig zulangenden Verständniß für den Inhalt ihrer Aufgaben resultiren mochten, aber der größte Theil ihrer Interpretation gelang Frl. Freund so über das landläufige Maß hinaus gut, daß die Aufmerksamkeit auf die junge Dame als auf ein echtes Klaviertalent hingelenkt wurde. Mit virtuoser Lebendigkeit wurde Vieles im ersten Satz des Beethoven-Konzertes in effektvolle Beleuchtung gerückt, mit Eindringlichkeit, edlem Ausdruck und trefflicher Phrasirung wurden die Eingangstakte des ‚Largo‘ gespielt. In dem letzten Satz hatte Frl. Freund das Unglück zu entgleisen. Hätte sie die Sache nicht gar zu leicht genommen, wäre das Ziel auch wohl ohne Stockung erreicht worden; es war nämlich auffallend, mit welcher Ernsthaftigkeit die Pianistin sich nach diesem Zwischenfall in ihre Aufgabe versenkte. […]“ (Buck 1901, Kritik in der AMZ vom 25.01.1901, S. 63 f.)

Dazwischen fallen noch Reisen, Weinach
Weihnachten, Neujahr – und was noch? –
was Sie zur Genüge aus der Sammlung
bringen kann. Ich bitte Etel nicht
ungeduldig zu sein, wenn ich die
höchst unamüsante Stimme des
Gewissens repräsentire – unnöthig
zu sagen, wie ehrlich ich es meine.

Grüßen Sie Ihre sehr verehrte u.
liebe Frau, Etel u. Irma, wenn
Sie mit ist, (was nicht deutlich
zu entnehmen war). Ihnen
ein herzliches Lebewohl von
Ihrem freundschaf[t]lichst ergebenen
Ferruccio Busoni

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split"> <choice><sic>S</sic><corr>s</corr></choice>ie sich <rs key="E0500012">dort</rs> <del rend="strikethrough">und <gap atLeast="1" unit="char" reason="strikethrough"/></del> ihrer Jugend <lb/>freut und <choice><sic>I</sic><corr>i</corr></choice>hres Umganges <lb/>genie<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>t. Ich möchte, dass <choice><sic>S</sic><corr>s</corr></choice>ie sich <lb/>in diesem Augenblicke nicht <hi rend="underline">zu</hi> <lb/>sehr zerstreut; zwei kurze Monate <lb/>noch zu einem wichtigen Schritt ihres <lb/>Lebens, die ausgenutzt werden sollen! <note type="commentary" resp="#E0300361"> Knapp zwei Monate später – am <date when-iso="1901-01-17">17.01.1901</date> – gab <persName key="E0300420">Etelka Freund</persName> ihr Debut als Konzertpianistin im <placeName key="E0500074">Beethoven-Saal</placeName> in <placeName key="E0500029">Berlin</placeName>. Gemeinsam mit dem <orgName key="E0600007">Philharmonischen Orchester</orgName> und unter der Leitung von <persName key="E0300017">Busoni</persName> brachte sie ein äußerst umfangreiches Programm zu Gehör: <persName key="E0300001">Beethovens</persName> <title key="E0400010">3. Klavierkonzert</title>, <persName key="E0300009">Brahms</persName>’ <title key="E0400303">1. Klavierkonzert</title> sowie die <title key="E0400360">Spanische Rhapsodie für Klavier und Orchester</title> von <persName key="E0300013">Liszt</persName>/<persName key="E0300017">Busoni</persName>. Ein zweites Konzert – diesmal ein Klavier-Abend solo – fand am <date when-iso="1901-01-24">24.01.1901</date> im <placeName key="E0500609">Bechstein-Saal</placeName> statt. Dort spielte sie <title key="E0400377">Präludium und Fuge Es-Dur</title> von <persName key="E0300012">Bach</persName>/<persName key="E0300017">Busoni</persName>, <persName key="E0300013">Liszts</persName> <title key="E0400157">h-Moll-Sonate</title> sowie die <title key="E0400125">12 Etüden op. 10</title> von <persName key="E0300137">Chopin</persName>. (vgl. Programme; CH-Zz, Ms. Z II 157.36) <lb/><lb/>Mit Bezug auf ihr Debut konnte man später in der <orgName key="E0600014">Allgemeinen Musikzeitung</orgName> lesen: <q>Als eine begabte Pianistin stellte sich <persName key="E0300420">Frl. Etelka Freund</persName> vor […] Wohl liefen noch manche Unebenheiten mit unter, die aus einem Mangel an Konzentration, hier und dort auch wohl aus einem nicht völlig zulangenden Verständniß für den Inhalt ihrer Aufgaben resultiren mochten, aber der größte Theil ihrer Interpretation gelang <persName key="E0300420">Frl. Freund</persName> so über das landläufige Maß hinaus gut, daß die Aufmerksamkeit auf die junge Dame als auf ein echtes Klaviertalent hingelenkt wurde. Mit virtuoser Lebendigkeit wurde Vieles im ersten Satz des <persName key="E0300001">Beethoven</persName>-<rs key="E0400010">Konzertes</rs> in effektvolle Beleuchtung gerückt, mit Eindringlichkeit, edlem Ausdruck und trefflicher Phrasirung wurden die Eingangstakte des <q>Largo</q> gespielt. In dem letzten Satz hatte <persName key="E0300420">Frl. Freund</persName> das Unglück zu entgleisen. Hätte sie die Sache nicht gar zu leicht genommen, wäre das Ziel auch wohl ohne Stockung erreicht worden; es war nämlich auffallend, mit welcher Ernsthaftigkeit die Pianistin sich nach diesem Zwischenfall in ihre Aufgabe versenkte. […]</q> (<bibl><ref target="#E0800263"/>, Kritik in der <orgName key="E0600014">AMZ</orgName> vom <date when-iso="1901-01-25">25.01.1901</date>, S. 63 f.</bibl>) </note> <lb/>Dazwischen fallen noch Reisen, <del rend="strikethrough">Weinach</del> <lb/>Weihnachten, <date when-iso="1901-01-01">Neujahr</date> – und was noch? –<reg>,</reg> <lb/>was <choice><sic>S</sic><corr>s</corr></choice>ie zur Genüge aus der Sammlung <lb/>bringen kann. Ich bitte <persName key="E0300420">Etel</persName><reg>,</reg> nicht <lb/>ungeduldig zu sein, wenn ich die <lb/>höchst unamüsante Stimme des <lb/>Gewissens repräsenti<reg>e</reg>re – unnöt<orig>h</orig>ig <lb/>zu sagen, wie ehrlich ich es meine.</p> <p rend="indent-first">Grüßen Sie Ihre sehr verehrte <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> <lb/>liebe <rs key="E0300434">Frau</rs>, <persName key="E0300420">Etel</persName> <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> <persName key="E0300432">Irma</persName>, wenn <lb/><choice><sic>S</sic><corr>s</corr></choice>ie mit ist<orig>,</orig> (was nicht deutlich <lb/>zu entnehmen war). <seg type="closer" subtype="salute">Ihnen <lb/>ein herzliches Lebewohl von <lb/>Ihrem freundschaf<supplied reason="omitted">t</supplied>lichst ergebenen</seg> <seg type="closer" subtype="signed" rend="align(right)"><persName key="E0300017">Ferruccio Busoni</persName></seg> </p> </div>
3Faksimile
3Diplomatische Umschrift
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11
Bruxelles
26
Octo
18–19
00
Depart
Le Grand Hôtel
Bruxelles
[Ansicht Le Grand Hôtel Bruxelles]
J. Curtet·Hugon
Administrateur·Directeur
Herrn/sa[…] mindestens 2 Zeichen: unleserlich.
Robert Freund
Hôtel de Londres
Paris
                                                                <note xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="shelfmark" place="top-right" rend="tiny" resp="#archive">11</note>
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4Faksimile
4Diplomatische Umschrift
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[Rückseite Umschlag, vacat]
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Dokument

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Überlieferung
Schweiz | Zürich | Zentralbibliothek Zürich | Handschriftenabteilung | Nachlass Robert Freund & Etelka Freund | Ms. Z II 157 a.1.11
Zustand
Der Brief ist gut erhalten; Umschlag mit Aufriss oben (ohne Textverlust).
Umfang
1 Blatt, 2 beschriebene Seiten
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen hat
  • vmtl. Hand eines Postangestellten, der mit blauem Buntstift einen Vermerk auf der Umschlagvorderseite gemacht hat
  • Poststempel (schwarze Tinte)

Zusammenfassung
Busoni berichtet von seinen Begegnungen mit französischen Musikern (Konzert mit Marteau in Aachen, privates Vorspiel von Fauré bei Ysaÿe, Opernvorstellung mit Saint-Saëns); lässt Etelka für ihre Grüße danken und bittet darum, dass sie sich „zwei kurze Monate“ vor einem „wichtigen Schritt ihres Lebens“ nicht zu sehr zerstreut und die Zeit ausnutzt.
Incipit
Während Sie in Paris sind

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
6. März 2019: in Korrekturphase (Transkription abgeschlossen, Auszeichnungen codiert, zur Korrekturlesung freigegeben)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition

Personen
Institutionen
Werke
Orte