Ferruccio Busoni an Hugo Leichtentritt arrow_backarrow_forward

Zürich · 24. Juni 1916

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24. Juni 1916

Lieber Doktor,

gestern, den 23. Juni 1916, kehrte
ich nach einmonatlicher Abwesen-
heit zurück u. fand (nebenunter einer
halb-Meterhoch aufgeschichtetern Post)
Ihre Karte; Die Karte ist nicht im Nachlass überliefert. der darin enthaltenen
Meldung entgegen, aber nur den
5. Bogen Ihres Buches vor! Leichtentritt hatte Busoni durch Breitkopf & Härtel Korrekturbogen zu seiner Biographie schicken lassen (vgl. Busoni / Breitkopf & Härtel / Hanau 2012, Bd. 2, S. 151).

Darum bitte ich um das
Fehlende. – Auf dem Herrensitz,
wo ich Gast war, Busoni war Ende Mai 1916 auf Einladung von Silvio di Casanova zu dessen Sommersitz am Lago Maggiore (Villa San Remigio bei Pallanza) aufgebrochen. entdeckte ich
die Originalhandschrift einer
ersten Fassung von Liszt’s Todten-
-tanz
, worin ein Intermezzo –
auf den liturgischen De Profundis
gebaut – enthalten ist. Busoni fertigte auf Grundlage dieses Manuskripts eine eigene Ausgabe von dieser Fassung des Liszt’schen Totentanzes an, die 1919 erschien. Der
“Futurist” Boccioni vollendete
dort ein grandioses Portrait
Ihres Ergebenen. Busoni an Edith Andreae: „Es ist ein recht grandioses Portrait geworden, im Freien, mich in ganzer lebensgroßer Figur.“ (Briner 1976, S. 23). Ich entwarf
ein Stück für 2 Klaviere.

* The * Library * of * Congress *

Lieber Doktor,

gestern, den 23. Juni 1916, kehrte ich nach einmonatlicher Abwesenheit zurück und fand (unter einer halbmeterhoch aufgeschichteten Post) Ihre Karte; Die Karte ist nicht im Nachlass überliefert. der darin enthaltenen Meldung entgegen aber nur den 5. Bogen Ihres Buches vor! Leichtentritt hatte Busoni durch Breitkopf & Härtel Korrekturbogen zu seiner Biographie schicken lassen (vgl. Busoni / Breitkopf & Härtel / Hanau 2012, Bd. 2, S. 151).

Darum bitte ich um das Fehlende. – Auf dem Herrensitz, wo ich Gast war, Busoni war Ende Mai 1916 auf Einladung von Silvio di Casanova zu dessen Sommersitz am Lago Maggiore (Villa San Remigio bei Pallanza) aufgebrochen. entdeckte ich die Originalhandschrift einer ersten Fassung von Liszts Totentanz, worin ein Intermezzo – auf den liturgischen De Profundis gebaut – enthalten ist. Busoni fertigte auf Grundlage dieses Manuskripts eine eigene Ausgabe von dieser Fassung des Liszt’schen Totentanzes an, die 1919 erschien. Der „Futurist“ Boccioni vollendete dort ein grandioses Portrait Ihres Ergebenen. Busoni an Edith Andreae: „Es ist ein recht grandioses Portrait geworden, im Freien, mich in ganzer lebensgroßer Figur.“ (Briner 1976, S. 23). Ich entwarf ein Stück für zwei Klaviere.

Nun aber nehme ich die Partitur meines Einakters Arlecchino wieder auf, um sie zu Ende zu bringen. Dieses zu vollführen drängt mich umso mehr, als ich gleich darauf mein „Haupt- und Staatswerk“ in Angriff nehmen will, ein Spiel mit Musik in fünf Bildern oder Akten, Die Oper Doktor Faust sollte schließlich zwei Vorspiele, ein Intermezzo und drei Bilder umfassen. worin endlich niederlegt werden soll, wozu ich die ganze Zeit mich durch Experimente und Betrachtungen vorgebildet habe.

Ich habe also recht vieles vor, worum ich heute mich kurzfassen muss, ohne deshalb weniger herzlich zu verharren als

Ihr

F. Busoni

                                                                
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* The * Library * of * Congress *

Nun aber nehme ich die
Partitur meines Einakters
Arlecchino
wieder auf, um sie zu Ende
zu bringen. Dieses zu vollführen
drängt mich umso mehr, als
ich gleich darauf mein
“Haupt u. Staats Werk”
Bei Beaumont 1987 (239) übersetzt mit: „official standard work“. in
Angriff nehmen will, ein
Spiel mit Musik in 5
Bildern oder Akten, Die Oper Doktor Faust sollte schließlich zwei Vorspiele, ein Intermezzo und drei Bilder umfassen. worin
endlich niederlegt werden soll,
wozu ich die ganze Zeit mich
durch Experimente u. Betracht-
ungen vorgebildet habe.

Ich habe also recht Vieles
vor, worum ich heute mich
kurz fassen muss, ohne des-
halb weniger herzlich zu
verharren als Ihr F. Busoni

                                                                
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Dokument

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Überlieferung
USA | Washington, D.C. | Library of Congress | Ferruccio Busoni Papers Additions, 1866–1924 | ML95 .B94
Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
2 Blatt, 2 beschriebene Seiten
Kollation
Nur die Vorderseiten sind beschrieben.
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte).
  • Hand des Archivars, der auf der ersten Seite das Datum mit Bleistift vermerkt hat.

Zusammenfassung
Busoni bittet um Zusendung fehlender Korrekturbogen zu Leichtentritts Busoni-Biographie; ist am Lago Maggiore von Umberto Boccioni porträtiert worden; hat eine Improvisation für zwei Klaviere komponiert; setzt die Arbeit an Arlecchino fort; will danach sein ‚Haupt- und Staatswerk‘ angehen.
Incipit
gestern, den 23. Juni 1916, kehrte ich

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
25. November 2022: zur Freigabe vorgeschlagen (Auszeichnungen überprüft, korrekturgelesen)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition
Frühere Ausgaben
Beaumont 1987, S. 239