## Title: Arnold Schönberg an Ferruccio Busoni (Steinakirchen am Forst, vmtl. 31. Juli 1909) ## Author: Arnold Schönberg ## Version: 0.4 ## Origin: https://busoni-nachlass.org/D0100010 ## License: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/ | Sehr geehrter Herr, ich [habe] lange über Ihren Einwand gegen meinen Klavierstil nachgedacht und komme zu dem Resultat, dass Sie in einer gewissen Hinsicht unbedingt Recht haben. Die sehr geistreiche Art, auf die Sie an dem Beispiel Ihre Meinung illustrieren, hat mir auch klargemacht, um was es sich Ihnen handelt. Nichtsdestoweniger glaube ich sagen zu dürfen, dass es mir nicht scheint, als ob dieser Mangel einer wäre, der nicht im Wesen dieser Musik begründet wäre. Es ist ja klar, dass stets, wenn irgendeine neue Fähigkeit errungen wird, ältere Vorzüge fallen müssen. Und so scheint mir auch, dass bei einer Musik, die einen so raschen Harmonien konsum betreibt, Breite des Satzes ebenso selten sein muss, als sie bei breiterer Disposition der Akkorde häufig sein kann. Durch Akkord zerlegungen Beiwerk und Aufputz zu schaffen, ist wohl nur dann leicht möglich, wenn der Akkord lang genug liegt. Da aber, wie mir scheint, der Klaviersatz mehr auf das Nacheinander seiner akkordbilden den Bestandteile angewiesen ist als auf deren Miteinandererklingen, ergibt sich von selbst, dass der Satz an Glanz und Pracht relativ verlieren muss. Aber abge sehen davon scheint mir, als ob speziell diese beiden Stücke, deren düstere, ge presste Klangfarbe konstitutionell ist, einen Satz nicht ertrügen, der dem Klangsinn – in der üblichen Bedeutung – allzu sehr schmeichelt. Das hoffe ich Ihnen am besten zu bezeugen durch einige andere Klavierstücke, die – ich weiß nicht wann – fertig werden. Ich hoffe nun, dass Sie mir bald wieder Nachricht geben. Insbesondere bin ich | sehr begierig zu erfahren, ob Ihnen die Stücke gefallen und was sie Ihnen sagen. Vielleicht ist es Ihnen möglich, mir von Ihrer Reise aus zu schreiben. Einstweilen begrüße ich Sie aufs herzlichste und ergebenste Ihr Arnold Schönberg