## Title: Ferruccio Busoni an Arnold Schönberg (Berlin, 27. Juli 1912) ## Author: Ferruccio Busoni ## Version: 0.4 ## Origin: https://busoni-nachlass.org/D0100031 ## License: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/ | Mein sehr verehrter Arnold Schönberg. Ich ließ – mit Clark – im Gespräch eine Idee fallen, die nur im Augenblick und in meinem Gehirne entstanden war. Sie haben die fallen gelassene Idee mit Ihrer Impulsivität sofort aufgehoben und aus eigener, bei Ihnen immer tätigen Fantasie, bereichert – es sei denn, dass Ihnen der Bericht entstellt vorgetragen worden. Ich hatte – bei meiner Äußerung – weder von meinen Meisterkursen, noch von Ihrer Gesamtleitung gesprochen. | Es wäre wünschenswert (so lautete, wenn auch nicht wörtlich, meine Rede), wenn dass einmal eine Art Musik schule auf rein künstlerische Voraussetzungen gestellt würde. Dazu wäre Schönberg in erster Linie in Betracht zu ziehen; von Petri und Kindler bürge ich, dass Sie – in ihren Fächern – ihm im rechten Sinne beistünden. Dazu wäre fer ner Kapital nötig, das Unternehmen von wirtschaftlichen Spekulationen unabhängig zu machen und ein künstlerisch sich bietendes Heim zu gründen. (Ich beichte, dass meine Verehrung für Sie und mein Glaube an Sie, so | sicher und tief sie auch sind, nicht so weit herrschen, um mir an Ihnen einen Vorge setzen zu schaffen: was nicht Sie betrifft – den ich als Freund und Meister begrüße –, sondern meine schwer und langsam errungene Unabhängigkeit.) Dieses nur in Parenthese. Meine Idee richtete sich also dahin, wirkliche Künstler zu einem pädagogischen Werk zu vereinen und in diesem eine Freiheit und Breite zu wahren, wie sie an Konservatorien fehlt. Es würden lauter Meisterkurse werden in zwanglosem Verkehr mit Schülern, innerhalb geschmackvoller Räume. Eine Gesamtleitung schien mir unwichtig, die Begründer würden sich beraten. | Noch einmal: Dazu gehörte viel Geld; dann aber dürfte die Sache mit einem Schlage in erster Reihe stehen. Dass wir uns selten sahen und Sie mir die Schuld dafür anrech nen, ist (beides) bedauerlich. Ich glaube nicht, dass ich Jemanden so viel aufrichtiges und tätiges Interesse widmete als Ihnen: umgekehrt habe ich nichts beansprucht, aber auch nichts empfangen. Ich bin auch acht Monate des Jahres unterwegs und, wie Sie wissen, außerordentlich tätig. Ich bitte Sie, es wenigstens quantitativ zu betrachten. Mit herzlichen Grüßen Ihr ergebener Ferruccio Busoni den 27. Juli 1912.