## Title: Hans Huber an Ferruccio Busoni (Basel, 15. Oktober 1910) ## Author: Hans Huber ## Version: 0.4 ## Origin: https://busoni-nachlass.org/D0100106 ## License: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/ | #lb# Basel, Angensteinerstr. 30. Musikschule und Konservatorium Basel. Mein lieber Freund! There are more things in heaven and earth, Horatio, Than are dreamt of in your philosophy. – Ja, diese deutsche Schulweisheit! Der Lehrer dieses Skribenten in den Basler Nachrichten heißt Professor Kret[z]schmear in Berlin, der sich mit seinem zweiten Thema in der Brahm[s]’schen Passacaglia (e-Moll-Symphonie) unsterblich blamiert hat. Es kommt immer darauf heraus, dass derjenige, der Profession von der Sache macht, nicht die Sache liebt, sondern den Erwerb. Da fällt mir die reizende französische Anekdote ein, die Schopenhauer irgendwo erzählt von einem französischen curé, der, um nicht, wie die anderen Bürger mussten, die Straße vor seinem Hause zu pflastern, den biblischen Spruch anführte: paveant illi, – | ego non pavebo! Das überzeugte den ungelehrten sindaco! – Nur mit der deutschen Kritik steht es um kein Haar besser – mit sehr wenig Ausnahmen. Jedenfalls stehen Sie mir mit Ihrer vollständig ausgebildeten Individualität – meinetwegen mit oder ohne Tiefe – tausendmal höher da wie die Herren, die als erstes Wort Klassizität und als zweites Tradition im Munde führen. Was hat uns nur die Tradition schon für Unheil gebracht! – Die Angelegenheit mit Dr. Nef hat unter Umständen ein Nachspiel, da Letzterer sich mit solcher Unart dem Urteile unseres Präsidiums entgegenstellte, dass Herr His die Sache nicht auf sich beruhen lassen will. Nef ist unser angestellter Lehrer, der überdies dem Institute zu allem Danke verpflichtet sein soll. – Noch überall tönt der Name Busoni, | Musikschule und Konservatorium Basel. und als ich gestern Abend im Kreise gescheiter Menschen dem edlen Veltliner zusprach, wurde manch’ erfreuliches (für Sie!) Wort laut, und man fand allgemein Ihre Briefbemerkungen zu dem dreidimensionalen Deutschland gescheit und mutig. – Im Innersten danke ich Gott, dass ich in Bescheidenheit diesseits des Rheins meine weniger tiefen Erzeugnisse schreiben darf! – Das Konzert hat immer noch keinen Abschluss! Sobald der letzte Strich etwas Gutes bedeutet, so erlaube ich mir, Ihnen die Partitur zuzusenden! – | Wir sind nun wieder in ruhiger Aktion. Im Hofe hört man nur noch Baslerditsch und die Theegöttin Frau Stehelin denkt mit Wehmut an die goldenen Zeiten des Meisterkurses! – Und nun Addio! Schreiben Sie wieder einmal, und wenn es Ihnen möglich ist, so kommen Sie nach Mülhausen. In herzlichster Freundschaft und mit vielen Grüßen an Sie und Ihre liebe Frau bin [ich] Ihr treu ergebener Huber