Ferruccio Busoni an Hans Huber arrow_backarrow_forward

Zürich · 27. September 1918

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71.27 Sept. 1918

Lieber und Verehrter

durch ihre Bemerkung
„Sie fürchten den Empfang von
Gedanken“
kann ich mich nicht
abhalten lassen Ihnen dennoch
zu schreiben: dieses zu thun liegt
mir zu sehr am Herzen; und ich
schreibe Ihnen d mit diesem mehr,
als mit dem Gehirn. – Locarno,
das Sie sehr zu lieben scheinen, wird
Sie stärken u. aufheitern: – dass Sie
dort mit mir „in der Natur herum
streifen“
wollen, beweist dass Sie
jünger sind als ich. – Ich bin
der richtige Schreibtischhocker ge-
worden und habe in diesem … Zürich
auch verlernt, meine grösseren
städtischen Wanderungen (o,
London!) zu vollziehen. Die
vermisse ich – nächst der stillen
Beschäftigung mit meiner Bibliothek –
fast am Meisten.

71.

Lieber und Verehrter,

durch ihre Bemerkung „Sie fürchten den Empfang von Gedanken“ kann ich mich nicht abhalten lassen, Ihnen dennoch zu schreiben: Dieses zu tun liegt mir zu sehr am Herzen; und ich schreibe Ihnen mit diesem mehr als mit dem Gehirn. – Locarno, das Sie sehr zu lieben scheinen, wird Sie stärken und aufheitern: – Dass Sie dort mit mir „in der Natur herum streifen“ wollen, beweist, dass Sie jünger sind als ich. – Ich bin der richtige Schreibtischhocker geworden und habe in diesem … Zürich auch verlernt, meine größeren städtischen Wanderungen (o, London!) zu vollziehen. Die vermisse ich – nächst der stillen Beschäftigung mit meiner Bibliothek – fast am meisten.

Inzwischen hat die Schweizer Musikwoche in Leipzig Ihnen alle Ihnen gebührenden Ehren eingebracht: – das ist gut und gerecht.

Von der „Campanella“ sagte mir einmal ein Musiker, sie enthielte eine Strophe zu viel. Diese Bemerkung muss ich auf die Berichte über die Schweizer in Leipzig anwenden. Ein Bericht zu viel war zu registrieren!

Warum soll man Zweygberg aus seinem Behagen aufrütteln? Er ist so zufriedener – und die übrigen Cellisten ebenfalls …

Darf ich Ihnen von Zeit zu Zeit „Nova“ senden? Vieles ist bereits gestochen, das nicht gedruckt werden kann: „Das ist Krankheit, so steht es mit der Welt“ – um Ihre eigenen Worte zu variieren.

Mit den wärmsten Wünschen und verehrungsvollen Grüßen

Ihr F. Busoni

27. Septbr. 1918
                                                                
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(2)

Inzwischen hat die Schweizer
Musikwoche in Leipzig Ihnen alle
Ihnen gebührenden Ehren ein-
ge[…] unleserlich. bracht: – das ist gut und gerecht.

Von der „Campanella“ sagte mir ein-
mal ein Musiker, sie enthielte eine
Strophe zu viel. Diese Bemerkung
muss ich auf die Berichte über die
Schweizer in Leipzig anwenden. Ein
Bericht zu viel war zu registrieren!

Warum soll man Zweygberg
aus seinem Behagen aufrütteln?
Er ist so zufriedener – und die
übrigen Cellisten ebenfalls ....

Darf ich Ihnen von Zeit zu
SZeit „Nova“ senden? Vieles ist
bereits gestochen, das nicht gedruckt
werden kann: „Das ist Krankeit,
so steht es mit der Welt“
– um
Ihre eigenen Worte zu variieren.

Mit den wärmsten Wünschen
u. verehrungsvollen Grüssen

Ihr F. Busoni

27 Septbr. 1918
                                                                
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Dokument

warningStatus: in Bearbeitung XML Faksimile Download / Zitation

Überlieferung
Schweiz | Basel | Universitätsbibliothek | NL 30 : 22:A-H:16
Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
2 Blatt, 2 beschriebene Seiten
Kollation
Nur die Vorderseiten beschrieben.
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift Nummerierung und Foliierung vorgenommen und das Datum auf die erste Seite übertragen hat.

Incipit
durch ihre Bemerkung „Sie fürchten den Empfang von Gedanken“

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
unter Mitarbeit von
Stand
24. August 2017: in Bearbeitung (in der Erfassungs-/Codierungsphase)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition
Frühere Ausgaben
Refardt 1939, S. 40