## Title: Heinrich Schenker an Ferruccio Busoni (vmtl. Wien, 18. Mai 1897) ## Author: Heinrich Schenker ## Version: 0.4 ## Origin: https://busoni-nachlass.org/D0100052 ## License: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/ | 18.V.1897 Hochverehrter Herr! Als ich von Ihnen, entzückt über Ihre liebenswürdige Aufnahme und glücklich über Ihr gesprochenes und geschriebenes Lob meiner Sachen, wegging, begab ich mich zu Meister Goldmark. Ich übergab ihm Ihren Brief und sagte ihm, Sie wären für Peters, der gute alte Meister schrieb mir sofort eine glänzende, wirklich glänzende Empfeh lung an Peters, dessen Verlag er allerdings nicht kannte. Ich schrieb überdies an Peters einen Brief, worin ich ihm Ihr schmeichelhaftes Lob über meine Scherzi und insbesondere Variationen, gleichsam | privat, mitteilte. Denken Sie, sofort traf ein Brief von ihm ein, aus dem ich entnahm, dass er solches seriöses Zeug nicht gern nimmt. Die Variationen ver langte er nicht einmal zur Ansicht, wohl aber die Legende, Scherzi und die 5 Klavierstücke, die Ihnen so sehr gefallen haben. Ich merkte auch, dass er die Dinge nur aus Courtoisie gegen Goldmark zur Ansicht verlange, ohne die Empfehlung sich sonder lich zu Herzen zu nehmen. Nach ein paar Tagen war meine Verlagswerbung zu Ende: Peters bedauerte. Mir selbst ist eigentlich nur die Tatsache peinlich, dass die Empfehlung des alten Meisters an mir zuschanden werden musste. Ich teilte davon Goldmark nichts mit. Im Übrigen glaube ich, Peters gäbe sich wirklich | mit so ganz seriösen Dingen nicht ab. Mitten in meine Deprimiertheit kam zufällig ein herzlicher, sehr herzlicher Brief von d’Albert, der aus Heidelberg mir mitteilt, dass er den kommenden Winter ganz bestimmt von mir etwas spielt. Er lud mich nach Mannheim ein, wo wir vieles besprechen könnten. Vielleicht erscheine ich dort mit meinem Freund Rosé, der Quartett (natürlich mit noch anderen dreien) spielt. Auch Sie treffe ich doch? Wie würde ich mich darüber freuen? Sie taten mir sehr, sehr wohl, nicht, weil sie lobten, sondern durch die Art, wie Sie lobten. Nun, wie Sie sehen, bin ich in der Lage, erst die Manuskripte von mir, die Sie am liebsten sehen haben mochten, zu senden. Es wäre besser, wenn ich die Sachen gedruckt Ihnen schicken könnte! Aber was tun? Wissen Sie einen | Verleger, wollten Sie mich an ihn empfehlen? Etwa Kistner, Rieter-Bie dermann, Aibl, Simrock? Was denken Sie darüber? Oder vielleicht soll ich mit einer Empfehlung von Ihnen auf der Reise bei einigen Verlegern hausieren gehen? Goldmark freute sich sehr darüber, dass Sie so herzlich versprachen, mir zu helfen und etwas von mir zu spielen. Wenn Sie es tun, so ist es mir sicher geholfen! Verzeihen Sie die lange Epistel, aber es war, da ich Goldmark nicht mehr angehen wollte, notwendig, Ihnen alles zu sagen, die Sie so herzlich zu mir waren. Haben Sie vielleicht zufällig meinen Aufsatz über Brahms in Hardens Zukunft Nr. 32 gelesen? In Bezug auf das Tempo in Brahms’ Konzert erlaubte ich mir, Herrn Weingartner in der Wiener Neuen Revue zu belasten. So ist ja recht? Mit besten Grüßen an Sie und ergebenen Handkuss an Ihre hochgeschätzte Frau Gemahlin zeichne Ihr Dr. Heinrich Schenker