## Title: Heinrich Schenker an Ferruccio Busoni (Gmunden, zw. 27. u. 30. August 1903) ## Author: Heinrich Schenker ## Version: 0.4 ## Origin: https://busoni-nachlass.org/D0100081 ## License: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/ | (Oberösterreich) Gmunden, Esplanade 13. Lieber und sehr verehrter Freund! Die Post hatte manche Wege zu mir, bis sie mir Ihren liebenswürdigen Brief gebracht; daher das gewünschte Umgehende meiner Ant wort nicht schon früher sich ereignen konnte. Wie glücklich bin ich über Ihren Brief, und überhaupt darüber, dass ein Mann Ihres Ranges mich zu fördern willens ist! Nun muss ich sagen, wie die Sache steht. Vor etwa drei Jahren habe ich die Syrischen Tänze mit einem Freund im Bösendorfersaal gespielt. Dort gefielen sie einem Musiker namens Arnold Schönberg (der seither nach Berlin ausgewandert, und über Empfehlung von Richard Strauss | das Liszt-Stipendium für drei Jahre erhalten hat) derart, dass er mich gebeten hat, die Sachen instrumentieren zu dürfen: Er ist nämlich ein virtuoser Instrumentator (soll auch interessante Partituren haben, wie man mir sagt) und müht sich in Not mit Instrumentierung, genauso wie ich mit vor Jahren mich mit Schriftstel lern zum Teil fortbringen musste. Mir blieb nichts übrig, als mich über den spontanen An trag Schönbergs zu freuen, verwies ihn aber auf den Verleger, dem ich die Sachen leider (in Anbetracht dessen, dass sie sehr gut gehen) nur zu billig verkauft habe, ganz und mit Umarbeitungen usw. Und nun glaube ich, dass die Sachen bereits instrumentiert beim Verleger liegen, | nur dass sie entweder der Verleger niemandem angetragen oder niemand akzeptiert hat. Ich selbst hatte Bedenken, die Sachen von vornherein selbst zu instrumentieren: Mir schien es takt voller, künstlerischer, sie zunächst in vierhändiger Form zu geben, obgleich ich deutlich das Orchester im Kopfe hatte. – Nun bitte ich Sie, lieber, guter Freund, mir zu sagen, ob Sie die Sachen in meiner eigenen Instrumentierung wünschen oder ob Sie sie, als von Arnold Schönberg instrumen tiert, aufführen können. Im ersten Falle müsste ich sie schleunigst über Hals und Kopf machen und kopieren lassen etc. Ich schrieb an den Verleger um Auskunft, ob Schön berg seinerzeit für ihn die Sache besorgt hat. Ich möchte durchaus die glückliche Wendung, die mir von Ihrer Seite kommt, festhalten, | und gerne möchte ich Ihnen meinen ersten Erfolg (denn an einen solchen glaube ich fest) ver danken! So haben Sie denn die Güte, mir zu antworten, ob die Instrumentierung Schönbergs Ihnen genügt: Inzwischen wird auch hoffentlich mein Verleger Antwort geben und sich so alles klarstellen. Es wird Sie freuen zu hören, dass die Gesellschafts konzerte und die Singakademie einiges von mir bringen wollen. Ach, käme das alles zustande nur, denn ich habe es schon sehr, sehr not; der Kampf, den ich, wenig gefördert, seit meinem 13. Lebensjahre führe, hat mich fast ganz aufgerieben. Dank, besten Dank für Ihre so warme Teilnahme! Beste Grüße an Sie und Ihre Frau Gemahlin sendet Ihr stets treu ergebener Heinrich Schenker