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Mus.Nachl. F. Busoni B I, 546
Mus.ep. F. Busoni 48 (Busoni
Nachl. B I)
Zür.Zürich,
24 S.191624. September 1916
Zu lange, verehrter Freund, allzulange
hatte ich nicht die Freude in anre
gendem Gespräche, schriftlichem Verkehre,
mit Ihnen zu sein – u.und dass ich gerade
in Z.Zürich sein muss, als Sie nicht mehr
da sind, ist eine von jenen Ironieen
des Fatums, wie wir ihnen in
dieser Zeit dicht begegnen.., ohne dass
es uns gegen sie abstumpfen könne.
Freund hatte Zürich im
September 1912 verlassen und war in seine Heimatstadt
Budapest zurückgekehrt, wo er bis zu seinem Lebensende blieb. (vgl. Anm. in Freunds
[Brief vom 25.10.1912](#D0100553))
Busoni zog mit seiner Frau erst im Herbst
1915 nach Zürich, um die
Zeit des Ersten Weltkrieges im neutralen Schweizer
Exil zu verbringen. (, S. 41)
Dafür treten Eeinem hier unablässig
u.und überall Ihre Reminiszenzen ent
gegen, die Sympathie u.und Achtung
für Sie ist allerorts lebendig, man
vermisst Sie, man erhofft Ihre Rückkehr.
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
Ich erhoffte sie mit u.und das Gerücht
stärkte meine Hoffnung – –
Im vorigen SaisonJjahre richtete ich
musikalisch hier Mmanches aus,
Vor allem dank Volkmar Andreae wurde Busoni in
Zürich bei seiner Ankunft sofort künstlerisch eingebunden. In einem Brief an
Arrigo Serato (orig. ital.) zeigt er sich überaus angetan: Here
I have had a splendid reception and, no sooner had I arrived, than I received a wide range of offers as pianist, composer and
conductor in Zurich and elsewhere.
(,
Br. 187 vom 07.10.1915, S. 220)
aber
nun erschöpft sich der Stoff; das Land,
die Stadt, sind nicht grossß genug,
zu vielen Anregungen zu entsprechen,
genügende zu geben. Der Dirigenten
stab, den ich in Vertretung Andreaes
Nachlaß Busoni
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B I, 546
führte,
Volkmar Andreae war zum Militärdienst einberufen worden und bekleidete dort (wie nachfolgend erwähnt)
tatsächlich den Rang eines Majors. (, S. 55, Anm. 1) Auf seinen
Vorschlag übernahm Busoni während seiner Abwesenheit die Leitung von vier Abonnementkonzerten
der Zürcher Tonhalle-Gesellschaft.
(, Br. 8 ff., S. 44 ff.)
Das Programm las sich wie folgt: (vgl. , S. 23 f.)
3. Abonnementkonzert ❖ 21. und 22.02.1916
Liszt Les Préludes, Klavierkonzert Nr. 2, Faust-Symphonie
4. Abonnementkonzert ❖ 13. und 14.03.1916
Sibelius Symphonie Nr. 2
Mozart Bald muß ich dich verlassen (Konzertarie)
Tschaikowski Violinkonzert D-Dur op. 35
Wagner Wotans Abschied und Feuerzauber aus Die Walküre
5. Abonnementkonzert ❖ 27. und 28.03.1916
Mendelssohn Bartholdy Sinfonie Nr. 4
Busoni Rondò Arlecchinesco op. 46
Mozart Klavierkonzert Nr. 9 Es-Dur
Berlioz Ouvertüre zu Le Carnaval romain
6. Abonnementkonzert ❖ 17. und 18.04.1916
Mozart Ouvertüre zur Entführung aus dem Serail
(mit hinzugefügtem Konzertschluss von Busoni)
Mozart Maurerische Trauermusik
Beethoven Ouvertüre zu Die Geschöpfe des Prometheus
Haydn Cellokonzert Nr. 2 D-Dur
Beethoven Symphonie Nr. 3 (*)
(*) Bei fälschlich: Vitali Ciacona für Violine, Streichorchester und Orgel
an zweiter Stelle im Programm und Dvořák Violinkonzert a-Moll op. 53
an vierter Stelle. Arrigo Serato, der für die beiden Konzerttermine als Violin-Solist verpflichtet gewesen war,
musste kurzfristig absagen, weil ihm die Reisebewilligung von den italienischen Militärbehörden nicht erteilt wurde
. Stattdessen spielte
Fritz Reitz, Solo-Cellist des Orchesters, das Haydn-Konzert.
(vgl. , NZZ Feuilleton vom 20.04.1916)
Busoni trat nicht das erste Mal als Dirigent in Erscheinung. Das Urteil der Hörer und Kritiker fiel dennoch ambivalent aus:
Busoni als Dirigent […] war eines der merkwürdigsten musikalischen Phänomena.
Ohne jegliche Schlagtechnik, mit souveräner Verachtung alles dessen, was beim Dirigieren Handwerk ist, brachte
er es fertig, […] die Atmosphäre eines Werkes so darzustellen, daß es in herrlichster Wiedergabe erstrahlte. Und
mochten auch die Orchestermusiker an ihren Pulten verzweifeln […] – das Publikum jubelte. Denn ein Meister stand am
Pult, wenn auch kein Kapellmeister.
(, S. 20 f.)
liegt nun wieder in Händen
des Herrn Majors, der mit erstaunlicher
Behendigkeit vom Pferdesattel herunter
u.und auf das KonzertPpodium springt, u.und
vom anbefohlenen Trommelwirbel
zur geleiteten fünften Symphonie
übergeht. – Spielen= gehört hat man
mich ausgiebig,
In seiner ersten Zürcher Saison trat Busoni als Klavier-Solist mit folgenden Programmen in Erscheinung:
1. Abonnementkonzert ❖ 17. und 18.01.1916
(Ltg. Volkmar Andreae)
Beethoven Klavierkonzert Nr. 5
Busoni Indianische Fantasie op. 44
Liszt Totentanz für Klavier und Orchester
1. Klavierabend: Bach ❖ 23.03.1916
Präludium und Fuge Es-Dur, Choralvorspiele (Wachet auf, In dir ist Freude, Nun freut euch),
Capriccio über die Abreise des vielgeliebten Bruders, Chromatische Fantasie und Fuge, Goldberg-Variationen
2. Klavierabend: Beethoven ❖ 06.04.1916
Sonate op. 111, Sechs Bagatellen op. 126, Sonate op. 106
3. Klavierabend: Chopin ❖ 13.04.1916
Zwölf Etüden op. 25, 24 Präludien, Ballade Nr. 4 f-Moll, Scherzo Nr. 3 cis-Moll, Polonaise As-Dur
4. Klavierabend: Liszt ❖ 27.04.1916
Sonate h-Moll, Années de pélerinage La Suisse
, Zwei Legenden
Zugaben: Rigoletto-Paraphrase, La campanella(*)
(, S. 23 und 25 f. und (*) , NZZ Feuilleton vom 02.05.1916)
u.und trotz aller Herz
lichkeit u.und Theilnahme bleibt man
in der Schweiz (wie in England) der
Fremde
, der Auswärtige. – Also waeäre
es eigentlich an der Zeit, seine Zelte
um ein Ländchen weiter zu tragen, wenn
die Grenzen die Überführung der Zelte
gestatteten.
Italien hatte Deutschland am 28.08.1916
den Krieg erklärt. Busonis Situation im Schweizer
Exil gestaltete sich dadurch zunehmend schwieriger. In einem [Brief vom 16.09.1916](#D0100193)
(S. 3) schreibt er an Huber: Die kluge Tat meines Vaterlandes
hat mich völlig isoliert und auch wirtschaftlich eingeschränkt.
Im Süden Italien,
sein Vaterland, im Norden Deutschland, seine geistige Heimat – dass sich beide
nun im Krieg befanden und er sich weder in die eine noch die andere Richtung bewegen konnte, war für den Kosmopoliten (und
Pazifisten) Busoni ein schwerer Schlag. (vgl. , S. 43)
– Das Verzeichnis meiner
Werke gilt vombis 1. Januar 1916 ;
In einem Brief vom 08.01.1916 bittet Busoni
Breitkopf & Härtel: […] möchten Sie mir, von meinem letzten
Kompositionen-Verzeichnis, eine Handvoll Abzüge auf losen Blättern senden?
Die Verleger
reagieren positiv: Gestern Abend sandten wir Ihnen […] 100 Abzüge[n] Ihres Werkverzeichnisses.
(Schreiben vom
13.01.1916) – und Busoni bestätigt 7 Tage später
den Erhalt derselben. (, Bd. 2, S. 102 ff.) Ein solches Verzeichnis
schickte Busoni vmtl. auch an Freund und bezieht
sich hier darauf. Hanau weist darauf hin, dass eine immer stärkere
Hinwendung Busonis zum Sammeln und
Inventarisieren seiner Werke
erfolgte. (, S. 670, Anm. zu Br. 1035)
Nach Busonis Tod, veröffentlichten Breitkopf & Härtel
im Oktober 1924 ein Werk-Verzeichnis, auf Grund der Aufzeichnungen
Busonis zusammengestellt und herausgegeben
.
seitdem ist wieder nNeues entstanden;
so z. B. eine Improvisation zu 2 Czwei Klavieren,
eine 1-aktige Oper, die am Ende gar
in Z.Zürich zur Darstellung kommen mag.
Gemeint ist das theatralische Capriccio
Arlecchino, zu dem Busoni bereits
1914 erste Skizzen gefertigt hatte. Das Gros der Arbeit fiel aber in die Zürcher
Zeit und im August 1916 war sie beendet. Das Stadttheater Zürich
war bereit, die Premiere zu übernehmen, sah aber ein Problem darin, dass der Einakter allein nicht abendfüllend
war. Busoni griff in Folge die Idee einer Turandot-Oper wieder auf
und beendete diese Komposition in nur drei Monaten. Die Uraufführung beider Werke fand am 11.05.1917
unter der Leitung Busonis statt und war ein Erfolg. (, S. 42;
, S. 304 ff. und 319 ff.)
(Das würde meine Zeit gut ausfüllen u.und
mich über Eeiniges hinwegtaeäuschen.)
Die übrigen beiden Druckbeilagen erklären
sich von selbst.
Die Art der Druckbeilagen konnte nicht ermittelt werden. Evtl. handelt es sich um die im [
folgenden Brief](#D0100557) erwähnten Klavierhefte
.
Ich hoffe, von Ihnen (und
Gutes) zu hören. Ich grüssße Sie (u.und die
Schwestern) freundschaftlich. Ihr
F. B.
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