Sehr verehrter Herr Schönberg!
Ich empfing Ihre Stücke und [den
](#D0100008)
begleitenden Brief. Beide zeigen von
einem denkenden u.und fühlenden Menschen,
als welchen ich Sie übrigens schon zu
erkennen geglaubt habe. Ich kenne
von Ihnen ein Quartett,
Es ist nicht vollkommen zu klären, ob Schönbergs Streichquartett Nr. 1 oder Nr. 2 gemeint ist. Die Vermutung, Busoni sei anlässlich seiner Meisterklasse im Februar 1907 und der gleichzeitigen Uraufführung des Streichquartetts Nr. 1 mit diesem Werk in Berührung gekommen (, S. 66 f.), geht insofern fehl, als Busoni seine Lehrtätigkeit am Wiener Konservatorium erst im Oktober begann (, S. 159; , S. 31). Dennoch ist naheliegend, dass Busoni über Kenntnisse des Streichquartetts Nr. 1 verfügte, war das Werk doch bereits 1907 im Dreililien-Verlag in Berlin veröffentlicht worden, das Streichquartett Nr. 2 hingegen erst im Laufe des Februars 1909, noch dazu im Selbstverlag.
Lieder,
Es ist unklar, welche Lieder Schönbergs Busoni zu diesem Zeitpunkt bekannt waren.
und
seinerzeit hatte ich eine Partitur von
Pelleas u.und Melisande in Händen.
Schönberg hatte Busoni bereits 1903 Pelleas und Melisande aus Anlass der Aufführung seiner Instrumentierung von Schenkers Syrischen Tänzen bei den Berliner Orchesterabenden angeboten (vgl. den [Brief vom 10. September 1903](#D0100001)) und eine Partitur zukommen lassen (vgl. den [Brief vom 20. September 1903](#D0100003)). Zu einer Aufführung war es nicht gekommen, da Schönberg eine anderweitige Darbietung des Werks (im Rahmen der Konzerte der Vereinigung schaffender Tonkünstler) in Aussicht hatte und die Partitur zurückforderte (vgl. den [Brief vom 16. Dezember 1903](#D0100005); siehe auch , S. 101 f.). Busoni scheint sich daran offenbar nicht mehr erinnert zu haben.
Die
Instrumentation von
Schenker’s Tänzen
(die ich in
Berlin zur
Aufführung brachte)
Busoni hatte die Syrischen Tänze von Schenker in der Instrumentation von Schönberg im Rahmen des dritten Konzerts der Berliner Orchesterabende am 5. November 1903 aufgeführt (, S. 332 f.).
bewies den bewunderungswürdigen Orchester
-
Vvirtuosen. Von diesen gegebenen Punkten
ausgehend, waren mir
Ihre Klavierstücke
keine Überraschung – d. i.: ich wu
ßsste
beiläufig
, was ich zu erwarten hatte.
Es war mir demgemä
ssß selbstverständlich
,
dass ich mit einer subje
cktiven, eigenartigen
u.und auf das Gefühl gegründeten Kunst
zu t
hun
haben würde – und dass es verfeinerte
künstlerische Gebilde sein würden,
die ich
mit denen Sie mich in Berührung brächten.
Das hat sich Aalles erfüllt, und ich
freue mich innig einer solchen Erscheinung.
Anders steht es mit meinem Eindruck
als Klavierspieler, von welchem ich – sei
es durch Erziehung, sei es durch fach
männische Einseitigkeit – nicht absehen
kann. – Was mir die ersten Bedenken
gegen Ihre Musik als CKlavierstück einflösstßt,
ist die wenige Breite des Satzes und
im Umfange der Zeit u.und ders Raumes.
Das Klavier ist ein kurzathmiges
Instrument, u.und man kann ihm nicht
genug nachhelfen.
Ich habe Ihre Stücke nun den fünften Tag
bei mir u.und habe mich täglich mit ihnen
beschäftigt. Ich glaube Ihre Absichten zu
erfassen u.und getraute
(166) und (384) fälschlich: getraue
(bzw. feel confident
.
mich, nach einiger
Vorbereitung, die Klänge u.und
(166) und (152): und
.
Stimmungen nach
Ihrer Erwartung wiederzugeben. Doch ist die
Aufgabe, durch allzugroße ConcKonzision,
Gedrängtheit, Kürze, Bündigkeit (lat.: concisio).
(das ist das Wort),
erschwert.
Da ich fürchte, missverstanden zu werden, so nehme
ich mir die Freiheit, Ihnen – zu meiner Vertheidigung
(166) und (152): Verteidigung
.
–
eine kleine Illustration meiner Worte zu geben. Sie schreiben:
Arnold Schönberg, Klavierstück op. 11 Nr. 2, T. 40
|
um das
Orchestrale in’s
Pianistische zu
übertragen:
|
Ferruccio Busoni, Bearbeitung von Schönbergs op. 11 Nr. 2, T. 47
Die hier vorliegende Passage erscheint in der Druckfassung von Busonis Bearbeitung leicht verändert – wohl aufgrund der sich in den folgenden Briefen anschließenden Diskussion (vgl. , S. 67).
|
* The * Library * of * Congress *
Aber vielleicht entspricht das ganz und
gar nicht Ihren Absichten.
Ausgehend von dieser Passage aus der Bearbeitung des Klavierstücks op. 11 Nr. 2 durch Busoni entwickelt sich in den folgenden Briefen eine intensive Diskussion um Schönbergs Klavierstil, den Stellenwert einer Transkription sowie um eine mögliche Publikation der Werke. Vgl. hierzu die Briefe bis einschließlich [18. Juli 1910](#D0100022), zu Schönbergs Äußerungen zur Kompositionstechnik v. a. die Briefe vom [13. August 1909](#D0100012), [24. August 1909](#D0100014) und [3. Juli 1910](#D0100020).
Ich werde aber die Sachen noch
durcharbeiten, bis sie mir ganz in’s Blut
gedrungen. Dann denke ich vielleicht anders.
Dieses soll weder ein Urtheil,eil noch eine
Kritik sein – welche beide ich mir (einer
solchen Individualität wie der Ihrigen gegen
über) nie anmaassßen würde, sondern durch nur
mein Bericht des empfangenen Eindrucks
u.und meine Meinung als CKlavierspieler. –
Seien Sie inzwischen bedankt und
freundschaftlich begrüssßt.
Gerne hätte ich weiter
* The * Library * of * Congress *
Ihr Vertrauen, und sagen Sie,
was
wenn
ich
sonst was thun soll. –
Ihr sehr ergebener
Ferruccio Busoni
26. Juli 1909.