Ferruccio Busoni an Jella Oppenheimer arrow_backarrow_forward

Zürich · 19. Juni 1917

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Mus.ep. F. Busoni 754 (Busoni-Nachl. B I)
Mus.Nachl. F. Busoni B I, 898
[1]
19 Juni 1917
Zürich

Veehrteste Freundin,

es ist entmuthigend, wie
lange das hingeht, wie
alles erschwert wird: es ist
wie eine Ewigkeit, dass ich von
Ihnen nichts erfahre!

Einen Plan kann man
nicht fassen u. die Entschlüsse
sind halb-unfreiwillige.
Ich stehe wieder hinter
einem abgeschlossenem
Kapitel u. vor der Initialie
eines folgenden. Ein
wenig hatte mir das Glück
gelächelt, als meine neuen
Opern diesmal mit leb-
haftem Erfolge über die
Bühne gingen: zahlreiche Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin

19 Juni 1917 Zürich

Veehrteste Freundin,

es ist entmutigend, wie lange das hingeht, wie alles erschwert wird: es ist wie eine Ewigkeit, dass ich von Ihnen nichts erfahre!

Einen Plan kann man nicht fassen und die Entschlüsse sind halb unfreiwillige. Ich stehe wieder hinter einem abgeschlossenem Kapitel und vor der Initialie eines folgenden. Ein wenig hatte mir das Glück gelächelt, als meine neuen Opern diesmal mit lebhaftem Erfolge über die Bühne gingen: zahlreiche

Aufträge von Theatern und Verlegern meldeten sich: der Augenblick schien gekommen. Indessen sind mir nach allen Richtungen die Hände gebunden, ich kann keine Tätigkeit entfalten, nichts abschließen. – Die gute Begebenheit wird vergeblich gewesen sein. – Noch hoffe ich; aber die Reaktion wirkt dieser Tage auf mein Gemüt: nach rasch geforderter Arbeit (Die Oper Turandot schrieb ich in hundert Tagen) tritt der unausbleibliche Stillstand ein; und obwohl ich ihn von Alters kenne und weiß, dass es vorübergehend ist, drückt er auf mich.

Und vor allem lässt er Raum für andere Gedanken, die ich sonst durch Arbeit übertöne. – Also ziele ich auf ein neues Werk, von dem das Textbuch (Sie wissen es) fertig wartet. –

An Herrn v. Kapff habe ich Sie nicht verraten. Er überlässt es meinem Ermessen, die beiliegenden Zeilen dem „unbekannten Wohltäter“zukommen zu lassen. (Das war gut von Ihnen!)

Pfitzner hat mein kleines Buch angegriffen Pfitzner hatte zuvor Busonis Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst öffentlich mit dem Aufsatz Futuristengefahr kritisiert, auf den Busoni wiederum mit einem offenen Brief antwortete., wurder aber vielerseits wieder bekämpft. (So auch im Wiener Tagblatt.) – Uns geht es gottlob gut; nur von Benni bin ich abgeschnitten und seine Situation hat sich leider bedenklich verschoben! Busonis Sohn, Benvenuto Busoni, hat zu der Zeit des Briefwechsels im ersten Weltkrieg gedient. Inwiefern sich seine Situation zu der Zeit des Briefwechsels verschlechtert hat ist unbekannt.Schreiben Sie doch an Ihren Sie

verehrungsvoll liebenden

treu ergebenen

F. Busoni

                                                                
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[2]B I, 898

Aufträge von Theatern u.
Verlegern meldeten sich: der
Augenblick schien gekommen.
Indessen sind mir nach
allen Richtungen die Hände
gebunden, ich kann keine
Thätigkeit , nichts
abschliessen. – Die gute
Begebenheit wird vergeblich
gewesen sein. – Noch hoffe
ich; aber die Reaktion wirkt
dieser Tage auf mein Gemüth:
nach rasch geforderter Arbeit
(Die Oper Turandot schrieb ich
in 100 Tagen) tritt der unaus-
bleibliche Stillstand ein; und
obwohl ich ihn von Alters
kenne u. weiss, dass es vorüber-
gehend ist, drückt er auf mich.

                                                                
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[3]B I, 898

U. vor allem lässt er Raum
für die andere Gedanken, die
ich sonst durch Arbeit über-
töne. – Also ziele ich auf ein
neues Werk, von dem das
Textbuch (Sie wissen es) fertig
wartet. –

An Herrn v. Kapff habe ich
Sie nicht verrathen. Er über-
lässt es meinem Ermessen, die
beiliegenden Zeilen dem „unbekannten Wohltäter“zukommen
zu lassen. (Das war gut von Ihnen!)

Pfitzner hat mein kleines
Buch angegriffen Pfitzner hatte zuvor Busonis Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst öffentlich mit dem Aufsatz Futuristengefahr kritisiert, auf den Busoni wiederum mit einem offenen Brief antwortete., wurder aber
vielerseits wieder bekämpft. (So
auch im Wiener Tagblatt.) – Uns
geht es gottlob gut; nur von
Benni bin ich abgeschnitten u.
seine Situation hat sich leider
bedenklich verschoben! Busonis Sohn, Benvenuto Busoni, hat zu der Zeit des Briefwechsels im ersten Weltkrieg gedient. Inwiefern sich seine Situation zu der Zeit des Briefwechsels verschlechtert hat ist unbekannt.Schreiben
Sie doch an Ihren Sie

Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
verehrungsvoll liebenden

treu ergebenen

F. Busoni

                                                                
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Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B I, 898+898a+898b | olim: Mus.ep. F. Busoni 751+751a.b |

Nachweis Kalliope

Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
3 Blatt, 3 beschriebene Seiten
Kollation
Seitenfolge: 1, 3, 5, 2, 4, 6
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen und eine Foliierung vorgenommen hat
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 123456

Zusammenfassung
Busoni berichtet von den Erfolgen seiner Opernauffführungen, dankt Oppenheimer für die Spende an Otto von Kapff und berichtet von Pfitzners öffentlicher Kritik.
Incipit
es ist entmüthigend, wie lange das hingeht

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
3. September 2024: in Korrekturphase (Transkription abgeschlossen, Auszeichnungen codiert, zur Korrekturlesung freigegeben)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition