21. Februar 1918Donnerstag Abend.
Sehr Lieber!
Dass äußerer Aufenthalt Ihre
Partitur stocken lässt, erfüllt
mich mit Schmerz – auch egoistischem: sie war mir ein Ansporn, das Höchste zu versuchen! Ich erhoffe
Höchstes vom Faust!!!! –
Ihr Brief macht mich gänzlich
glücklich und
legt mir die höchste Verantwortung auf. –
Ich kann an die Dinge nur herangehen; ob ich sie erfülle, weiß
ich nicht. Oft schaudere ich inmitten der Arbeit und
komme mir kindisch oder
wahnsinnig vor. Dann hält mich
aber wieder die Vernunft aufrecht,
und das Wissen, dass ich selbst
durch die Dinge hindurchgegangen
bin.
Mit einer Bemerkung in der
Neujahrsnacht haben Sie unendlich
recht gehabt. Dies einmal mündlich. Wüsste keinen Menschen, dem
ich das geistige Vertrauen
so schenken müsste wie Ihnen!
Indes – „zur Sprache gewandelte Musik“ ist fast zu stark
für mein Unternehmen. Ich
nehme, absichtlich, meiner Sprache
den schwingenden Klang, ich
nehme ihr die „schönen“ Worte, ich
lasse sie oft so sachlich
sein, dass das normale
Auge sie „hässlich“ nennen
müsste. Ich lasse sie streiten, überzeugen, suggerieren, befehlen –
wenigstens ich versuche das – und in alltäglicher
Sprache.
Ha ragione, ora scorgemi là, dove i suoi voti mi collocavano,
Du hast recht, jetzt siehst du mich dort,wo seine Stimmen mich platziert haben aber ich hatte es im Leben nicht
billiger, ich musste durch manches. Gerade Sie wissen das, denn Sie
haben mich viel genauer beobachtet als irgendjemand; und in den
Kern hinein. Immer vorausgesetzt, dass meine Arbeit gelingt.
Neulich, nachdem ich bisher
nur je eine halbe Minute mit
Huber gesprochen, volle fünf Minuten zusammengesessen. Sie hatten Recht: ein feiner und
sympathischer Mensch, ungewohnt
beweglich für einen Schweizer. Wir werden uns noch sehen.
Doch weiß ich noch nicht, ob nicht
zu viel typische Kunstatmosphäre
um ihn ist.
Ich traf Wolfgang Hartmann,
Hartmann gehörte zu Busonis
Zürcher Freundeskreis (Stuckenschmidt 1967, S. 45 f.). er fragte nach Ihnen, sehr bedrückt, keine Antwort auf einen Brief
Folgende Brief ist bis jetzt noch nirgendwo aufgetaucht
erhalten zu haben. Was
er im
Inneren ist, weiß ich nicht; vielleicht
ist er auch der ewige Neuling,
probiert alles irgendwo bis zu
einem gewissen Grade aus. Er
lockt mich nicht sehr, ist sehr
gequält, aber nicht unsympathisch.
—
Frieden, ja. Natürlich. La paix d’abord.
Frieden zuerstDass aber die
Brutalitätsschnauze General
Hoffmann der „moralische Sieger“
für Generationen sein soll, hat
mich vorlaufig zwei Tage meines
Lebens gekostet. Und er war doch schon
so vernünftig: „Krieg führen wir
nicht, aber mit Ihnen machen wir
keinen Vertrag!“ Nun ist es nichts, und
auch noch 8 Milliarden Rubel Kontributionen!
Max Hoffmann und seine Tätigkeit als Generalstabschef spielte eine wichtige Rolle
bei den Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk . Vor allem war Hoffmann
der Anreger der Friedenskonferenz, infolgedessen am 3. März 1918 ein Friedensvertrag zwischen Sowjetrussland und dem Militärbündnis geschlossen wurde.
Händedruck von Herzen Ihnen