Ludwig Rubiner an Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

Muralto · 29. März 1918

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Mus.ep. L. Rubiner 18 (Busoni-Nachl. B II)
[1]
27. März 1918.
Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4277
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin

Lieber Verehrter!

Zuerst will ich Ihnen noch schnell
eine ganze Kleinigkeit sagen, die
sachlich unwichtig ist, die Ihnen aber
Spass machen wird; gleich sagen,
sonst vergess ich es, wie ich es schon
ein paar Mal vergass: Also das
Gedichtbuch „Kondor“, das Sie am
Helmhaus für 3 frcs kauften (oder
gar für 2,50), ist heute vergriffen
und selten, und erzielte in Berlin
auf einer Versteigerung (durch Perl)
65 Mark. – Genau den Aufsatz
über d’Albert, den Sie mir sandten,
hatte ich gelesen, er hatte mein Herz
nicht ganz gleichgültig gelassen, mich
mit Wut und Ekel erfüllt und
einen Niederschlag in einem Brief an
Sie gefunden. – Ich finde, dass der
Aufsatz von Goetz im Programmheft

27. März 1918.

Lieber Verehrter!

Zuerst will ich Ihnen noch schnell eine ganze Kleinigkeit sagen, die sachlich unwichtig ist, die Ihnen aber Spaß machen wird; gleich sagen, sonst vergesse ich es, wie ich es schon ein paar Mal vergaß: Also das Gedichtbuch „Kondor“, das Sie am Helmhaus für 3 Francs kauften (oder gar für 2,50), ist heute vergriffen und selten und erzielte in Berlin auf einer Versteigerung (durch Perl) 65 Mark. – Genau den Aufsatz über d’Albert, den Sie mir sandten, hatte ich gelesen, er hatte mein Herz nicht ganz gleichgültig gelassen, mich mit Wut und Ekel erfüllt und einen Niederschlag in einem Brief an Sie gefunden. – Ich finde, dass der Aufsatz von Goetz im Programmheft des Theaters eine ausgezeichnete Arbeit ist. Ich nehme an, dass ich, wenn ich im April in Zürich bin, die Opern hören werde, denn nach allem, was ich höre, scheint doch auch diesmal ein klarer Erfolg dazusein, und es werden wohl Repertoire-Opern werden. Ein klein wenig Angst, als ich las: Denzler und Conrad – hatte ich ja, dass mir das strahlende innere Abbild, das der Klavierauszug gefestigt hat, verschoben würde. Jedoch scheint das nach Ihrem eigenen Urteil, das Sie mir schrieben, nicht der Fall zu sein. Denzler, jedenfalls, muss dann viel gelernt und Conrad seine widerwärtige Routine beiseite gelassen haben. Nur die drei Schriftsteller, die Sie mir nennen, sollen im Theater auf Ihrer Seite gewesen sein? Das erscheint mir ernstlich unmöglich! Der inneren Leichtigkeit kann sich niemand entziehen.

Freitag, den 29. März.

Ich musste gestern mitten im Brief aufhören; so furchtbar liegt mir das Gemetzel, das im Westen begonnen hat, in den Deutsche Frühjahrsoffensive 1918 Gliedern. Herr van Beethoven, der mitten im Kanonendonner komponiert hat, mag wohl der vorzüglichste Modekomponist des 19. Jahrhunderts gewesen sein: Mit der Ewigkeit hat dieser Herr nicht zu tun. Dante hätte nicht während einer Schlächterei gedichtet, Goethe nicht, Mozart hätte niemals das fertig bekommen, wie überhaupt kein Mensch, der bei Gott steht. Aber Wagner hätte es gewiss getan, hätte während der Schlacht mit dem Füllfederhalter komponiert und extra ein paar Maschinengewehrschüsse selbst abgegeben, nur um seine Person ultrabeethovenisch zu machen. Es ist auch wohl nicht Wagner, der nur Nachahmer darin ist, sondern Beethoven, dem man das Vorbild des romantisch skrupellosen Kompo-Onanisten verdankt.

Diese Tage hätte ich nie überstanden, hätte ich nicht für die Nacht Manzoni, für den Tag Dante bei mir. Ich habe mich am Paradiso wahrhaft aufrechterhalten. Und ich glaube, gerade das Paradiso war während des ganzen 19. Jahrhunderts als langweilig verrufen, nur darum, weil es voll von der ungeheuersten Weisheit ist, die freilich den Herren Naturwissenschaftlern zu mühevoll ist. (Warum ich Tolstoi liebe? Nicht wegen seiner Fehler, sondern weil der ebenso ursprünglich aus genau denselben urchristlichen Quellen geschöpft hat. „L’amor che muove il Sole e le altre stelle“, Dante, Divina commedia, Schlussvers (Paradiso, 33. Gesang, V. 145): „die Liebe, die die Sonne und die anderen Sterne bewegt“. um nur das Einfachste zu nennen. Unbegreiflich ist mir, wie ganze Generationen diese absolut helle, übernaturwissenschaftliche Gotteserkenntnis haben missverstehen, fälschen und ins elegant Salonmäßige haben umbiegen können.) –

Und bei der Gelegenheit Dante gleich die Frage von dem Zusammentreffen Ihres Geburtstages mit dem Ostersonntage. Habe ich die Frage nun einfach zu verstehen oder mit einer geheimnisvolleren Beziehung? Sie ist, wie Sie wissen, eine astronomische Frage; unabhängig von der Person könnte sie heißen „Wie oft fällt der erste Vollmond nach dem Frühlingsäquinoktium (21. März) in die letzte Märzwoche?“ (Da, wie Sie ja wissen, der Ostersonntag der erste Sonntag nach dem Vollmond ist, der auf die Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche folgt. Der Ostersonntag verschiebt sich also, auch der Pfingstsonntag; ich bin am 12. Juni geboren und habe zweimal im Leben Geburtstag zu Pfingsten gehabt.) Aber über das Kalendermäßige werden Sie ebenso gut Bescheid wissen wie die von Ihnen Angefragten. Hätte ich nur die geringsten astronomischen Hilfsmittel bei der Hand, so könnte ich doch leichtlich finden, wann der 1. April wiederum auf den ersten Sonntag nach Vollmond, der auf den 21. März folgt, treffen wird. – Sollte nun aber Ihre Frage etwa lauten: Wie steht das Zusammentreffen in Verbindung mit den Zahlen:

11. 22. 33. (11 + 22 = 33. 33 + 33 = 66. 1866. Quersumme: 1 + 8 + 6 + 6 = 21, Quersumme 2 + 1 = 3 3 × 11 = 33 Quersumme von 33 = 6 Dazu Ihre Monatszahlen 1. IV. 1 + 4 + 6 = 11)!!! so muss ich Ihnen sagen, dass ich trotz Ihrer äußert interessanten kabbalistischen Quersummen ohne astronomische Hilfsmittel nicht weiß, in welchem Verhältnis Ihre Hauptzahlen zum Mondumlauf stehen. Es ist aber sicherlich eine Beziehung da. Wenn ich in Zürich bin, stürze ich mich in Ihr Horoskopisches! Wollen Sie aber, zur Steuer der Gewissenhaftigkeit, bemerken, dass meine Arbeit mit den Quersummen, durch die ich zu jenen verblüffenden Bestätigungen Ihrer Grundzahlen gekommen bin, nicht naturwissenschaftlicher Art sind, sondern lediglich phantastisch-kabbalistischer. –

Ich persönlich glaube, dass nur ganz einfache Zahlenverhältnisse eine tiefere Bedeutung haben. Alle Jahreszahlen sind aber ungeheuer kompliziert, das heißt, sie sind schon sehr willkürlich. Denn wenn wir solche Vorgänge wie Umlauf der Erde um die Sonne und Umlauf des Mondes um die Erde und überdies noch um die Sonne, dazu noch die Stellung, die der Mond zum Kreuz am Himmel (das die Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche bildet) einnimmt, betrachten, so erscheint uns eine Jahreszahl wie „1918“ als etwas recht Wirres und Willkürliches. Die Welt hat nicht erst vor 1919 Jahren angefangen, die Juden haben eine höhere Jahreszahl, die Buddhisten eine noch höhere, die Veden rechnen nach Millionen Jahren, und die Mohammedaner haben eine viel niedrigere Zahl als das heutige Europa. In Wirklichkeit ist jede Jahreszahl ganz willkürlich, es kommt nur darauf an, auf welchem Turm man steht und nach ihr blickt. Nicht ganz so willkürlich sind die Zahlen unserer Lebensjahre, denn sie richten sich ja nach dem Umlauf der Erde um die Sonne, sie sind aber auch nicht wahrhaft genau, sondern nur zur Bequemlichkeit abgerundet. Ist man aber an einem kalendermäßig so auffallenden Tag geboren wie Sie, am 1. April, das heißt an dem berühmtesten der merkwürdigen Tage der antiken Mythologie (der in Urzeiten wirklich der erste Ostertag war, nicht, wie heute, nur durch gelegentliche Kombination), so hat man schon ein sehr seltsames Prognostikon. (Prognostikon bezieht sich bei Menschen von bewusstem Willen ja stets auf den Willen, denn das Können wird vorausgesetzt.)

Der 1. April ist nämlich nicht zufällig der Tag der Scherze geworden; sondern nach meiner heutigen Einsicht alter Quellen und privater Erkenntnis hat das einen tiefen, mythologischen Sinn. Ich persönlich vermute auch, dass der 1. April der Festtag für die antike Komödie, das Satyrspiel war (der Dionysostag, d. h. auch der Bockstag); und, da in der Götterlehre Zerfleischung und Auferstehung dasselbe ist: der Tag des Lachens und der Wiedergeburt. Ostern hat es, als uraltes Fest dieses Sinnes, schon lange vor der Zeit Christi gegeben; damals – und bis in die ersten Jahrhunderte der christlichen Kirche, fiel es mit dem 1. April zusammen, weil dies der natürliche Erd-Mond-Sonnenzusammenklang ist. Erst seit dem gregorianischen Kalender ist Ostern verschiebbar. Ginge es also natürlich in der Welt her, so müsste Ihr Geburtstag in jedem Jahr auf den Ostersonntag fallen. Dass es das nicht tut, ist Willkürlichkeit der heutigen Zeitrechnung. Und so ist überhaupt die ganze Welt. Immerhin kann man sich gratulieren, dass es einen Menschen gibt, dessen Geburtstag vom 1. April wenigstens einige Male im Leben auf den Ostersonntag fällt, der also, mit meinen Begriffen ausgedrückt, in dieser wirren und willkürlichen Welt wenigstens noch in der Tradition steht, der höchstes Lachen und höchstes Wissen dasselbe ist. Und dies sind meine Gedanken zu Ihrem diesjährigen Geburtstag, die Sie durch Ihre interessante Zahlenfrage angeregt haben.

Frau Gerda, sagen Sie mir, ist in ihrer Krankheit ungeduldig. Lieber Verehrter – die Erkrankung Ihrer lieben Frau Gerda dauert schon lange, und ich frage mich, ob sie nicht am Ende die Krankheit vernachlässigt. Nämlich: vielleicht ist, umgekehrt, die Krankheit mit der Patientin ungeduldig, läuft auf kurze Zeit davon, kommt wieder, macht neuerdings Miene zu verschwinden – und bleibt im ganzen Großen. Habt Ihr auch einen sehr sehr guten Arzt? Vielleicht wird das nun doch wichtig. Ich wünsche Frau Gerda, dass sie Ihre Erkrankung wie einen Nebel, der am Abend dalag, loswird, bald, schnell, im Hauch, in schönem, trockenem, hellem Wetter. Und dass sie zunächst schon über die Ostertage nichts mehr davon merke!

Die Nachricht von Ihrem Klarinetten-Concertino hat mich ordentlich froh gemacht. Ja, so etwas muss man machen, und gerade hinein, mitten in die wichtigsten, ernstesten Dinge. Dass dies nun eine geringe Ausbeute sein soll für 1918, kann ich gar nicht mit Ihnen finden. Im Gegenteil, da doch die Ausbeute unmöglich nach dem Pfundgewicht des beschreibenen Papiers beurteilt werden kann, erscheint es nur als ein Zeichen von unbekümmertster, heiterster Schöpferkraft, mitten unter seinen Arbeiten eine solche zu unternehmen. Ein Beweis, dass man nicht dekorativ arbeitet, sondern aus der wirklichen Ideen-Arbeit herkommt.

„Der Zauberflöte zweiten Teil“ habe ich in meiner Jugend oft gelesen. Nehme ich meine ganze Erinnerung von Goethe zusammen, so erscheint mir dies als das dichterisch und formal gelungenste und edelste seiner ganzen dramatischen Produktion. Ich stell es – in meiner Erinnerung – höher als alle großen „Klassiker“-Dramen Goethes. Dies kleine Werkchen ist gewiss auch gelungener als der Faust. (Meiner Erinnerung nach könnte ich es aber nicht als Opernbuch bezeichnen, sondern eher als Kantate. Doch ist hier ein Erinnerungsirrtum nicht ausgeschlossen.) – Ich würde es heute wohl mit dem größten Nutzen lesen. (In Locarno nicht aufzutreiben. Ich werde Goetz bitten, mir diesen Band Goethe zu leihen. Ebenso Pfitzners musiktheoretische Schriften.) Wahrscheinlich Pfitzners Vom musikalischen Drama. Ich erlaubte mir noch etwas Ketzerisches: Für Goethes edelstes Prosawerk, für den seiner Romane, der am schönsten geschrieben ist, halte ich seine Übersetzung des Benvenuto Cellini. —

Huber war vor einigen Tagen noch in der Arbeit an seinem offenen Brief fürs „Journal de Genève“; er wird ihn jetzt wohl, denk ich, abgeschickt haben. Er ist ein kluger, herzensguter Mensch, höchstgebildet, ungewöhnlich behend für einen Schweizer, und er hätte alle Eigenschaften, um liebenswert zu sein, wäre er nicht so eine Art bejahrter Schmetterling. Ich fürchte, dieser Mann wird nie wagen, etwas Eigenes zu schreiben. Und dabei eben ein wirklich lieber Mensch, und es wäre gut, wenn die Welt aus mehr solchen Menschen wie er bestände. Ob wir uns nahekommen können, weiß ich bis heute nicht. So ungefähr stelle ich mir Mendelssohn vor; mit dem hätte ich auch nur kurze, freundliche Bildungsgespräche gehabt – Herzensgüte vorausgesetzt. Und zum Schluss möchte man dann gern irgendwelche ganz unvermutete Kapriolen machen, nur um zu zeigen, dass das Menschenleben nicht so ein fein geordneter Patrizier-Leihbibliothekskatalog ist.

Es gab einen Tag in Locarno, da wimmelte es hier von Menschen, darunter Bekannte, die nicht zur Arbeit anregen, denen ich dagegen auf Schritt und Tritt begegnen musste, wenn ich einmal in eine „Tabagie“ gehen wollte. Das hinderte mich sehr bedenklich in der Arbeit. Ich telegraphierte meiner Frau; die kam nach größtem Widerstreben auf einige Tage her, nahm die ganze Bande auf sich, und nachdem der erste Schock vorüber war, hatte ich wieder den Kopf frei. Nun ist meine Frau wieder in Zürich.

Ich selbst stelle heute die höchsten Anforderungen an meine Arbeit. Sie geht weiter. An den komischen Stellen am schwersten. Mit großer Bitterkeit erfüllt mich, dass ich die Zeit zur Fertigstellung zu kurz angesetzt hatte. Ich dachte, Ende März mit dem Ganzen fertig zu sein, und dabei bin ich heute noch nicht mit dem II. Akt fertig, wenn ich mich auch seinem Ende nähere. Ich bin aber so in der Arbeit , dass ich einen Vortrag, den ich am 6. April in Zürich halten sollte, deswegen abgesagt habe. – Ich zittre eben heute nur vor dem einen: dass mir etwas passiert, ehe ich fertig werde. —

Ihren Rat, die Ausarbeitung der projektierten Operndichtung, von der ich Ihnen schrieb, auf spätere Jahre aufzuschieben, nahm ich zuerst mit Verblüffung auf. Einige Tage später wurde mir aber klar, dass Sie völlig recht hatten, dass Sie mir geraten hatten aus tiefer Kenntnis der menschlichen Natur heraus, und aus einer ganz besonderen, ungewöhnlich tiefen und genauen Kenntnis meiner speziellen Geistesverfassung. Es gibt nun wirklich in der Welt keinen Menschen, der mich so gut und genau kennt wie Sie, und keinen einzigen, der mir mit solcher Geduld, solchem menschlichen Interesse und solcher Liebe Ratschläge gegeben hat wie Sie. Jedes Mal, wenn ich Ihren Rat befolgte, ist mir das gut ausgeschlagen. So hat auch diesmal schon das Nachdenken über Ihre Worte betr. der Operndichtung mich von irgendwoher mit einer gewissen Freude erfüllt, die mir dann zu der Arbeit an der momentan schwersten Stelle meiner Arbeit verholfen hat. —

Nun ist Locarno für diese Tage des Andranges von Menschen wirklich etwas klein. Indessen soll es üblich sein, dass bald nach Ostern die meisten Leute wieder verschwinden und mir die Kranken, Ruhebedürftigen und Arbeitslustigen übrig bleiben, also die, von denen man nicht viel sieht. —

„Der Mensch“, schrieben Sie mir neulich, „ist dumm und schlecht“. Nur, solange die eine Partei oder die andere siegt, mit brutaler, gemeiner Blutgewalt, mit Gift und mit niederträchtiger List. Dante hat mich auch hier aufgerichtet, und ich weiß von ihm, was ich von mir schon lange wusste, dass der Mensch von Gott abstammt, und nicht von naturwissenschaftlichen Zellen oder von Giftgasen. Ich akzeptiere aber völlig Ihr Wort, mit einem kleinen Zusatz: Der Mensch ist heute dumm und schlecht. Folglich ist er verpflichtet, morgen weise und heilig zu werden. – Ich glaube nicht an eine „Entwicklung“, noch weniger an eine „Entwicklung zum Bessern“ und erst recht nicht an einen „Fortschritt“. Ich glaube aber, dass es gute und böse Zeiten gibt, materielle und geistige Strömungen. Auf den Erfolg, à la Wertheim-Rathenau, kommt es gar nicht an! Sondern nur auf das, was man für wahr erkannt hat. Z. B. ist es gut, dass sich einmal das Urchristentum gebildet hat; die heutige Zeit ist kein Beweis dagegen, da wir ja keine Herzensverkäufer sind, sondern beweist nur, dass sich wieder eins wird bilden müssen. Ebenso bin ich sicher, dass Christus wiederkommen muss, vielleicht sogar in mehreren Gestalten und mehreren Verkörperungen gleichzeitig. —

Genau so, wie man im vorigen Jahrhundert Dantes Paradiso für langweilig und das sog. Böse für „interessant“ gehalten hat, genau so wird man bald alle diese Herrschaften vom Bösen und der Materie als herzlich dumm und grausam langweilig erkennen und mit einem fröhlichen Oster-Wiedergeburts-Gelächter aus dem Gedächtnis der Welt lachen!

In Freundschaft mit einer herzlichen Umarmung

Zusatz:

Ich wage kaum, Ihnen den Vorschlag zu machen. Aber es wäre Ihnen nicht nur wohl, sondern auch im höchsten Grade schön, wenn Sie – zu einer Zeit, wo der Schwarm sich verlaufen hat – nach Locarno kämen. Für Sie eine Erholung höchsten Grades, für andere eine Freude. Und Frau Gerda würde hier in dem gleichmäßigen Klima in wenigen Wochen Ihren Rheumatismus loswerden! Wär das nicht vernünftig und schön?

Ihr L.

Noch eins. Dieses Buch lege ich dazu, in der Erwartung, dass es Ihnen einige weitere Stunden verschaffen wird, so wie es sie mir verschaffte. Der einzige Fall in der Literatur, in der ich die „Unwirklichkeit“ derb zupackend am Werk sah.

                                                                
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ich, wenn ich im April in Zürich
bin, die Opern hören werde, denn
nach allem, was ich höre, scheint
doch auch diesmal ein klarer
Erfolg dazusein, und es werden
wohl Repertoire-Opern werden.
Ein klein wenig hatte ich Angst, als ich las:
Denzler und Conrad – hatte ich
ja, dass mir das strahlende
innere Abbild, dasss der Klavierauszug
gefestigt hat, verschoben würde.
Jedoch scheint das nach Ihrem
eigenen Urteil, das Sie mir
schrieben, nicht der Fall zu sein.
Denzler, jedenfalls, muss dann viel
gelernt, und Conrad seine
widerwärtige Routine beiseite
gelassen haben. Nur die drei
Schriftsteller, die Sie mir nennen,
sollen im Theater auf Ihrer Seite
gewesen sein? Das erscheint
mir ernstlich unmöglich! Der

                                                                
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Ich musste gestern mitten im
Brief aufhören; so furchtbar
liegt mir das Gemetzel, das im
Westen begonnen hat, in den Deutsche Frühjahrsoffensive 1918
Gliedern. Herr van Beethoven,
der mitten im Kanonendonner
komponiert hat, mag wohl der
vorzüglichste Modekomponist
des 19. Jahrhunderts gewesen sein:
Mit der Ewigkeit hat dieser Herr
nicht zu tun. Dante hätte nicht
während einer Schlächterei gedichtet,
Goethe nicht, Mozart hätte niemals
das fertig bekommen, wie überhaupt
kein Mensch, der bei Gott steht.
Aber Wagner hätte es gewiss getan,
hätte während der Schlacht mit
dem Füllfederhalter komponiert
und extra ein paar Maschinen⸗
gewehrschüsse selbst abgegeben, nur

                                                                
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4 um seine Person ultrabeethovenisch
zu machen. Es ist auch wohl
nicht Wagner, der nur Nachahmer
istdarin ist, sondern Beethoven,
dem man das Vorbild des
romantisch scrupellosen
Kompo-Onanisten verdankt.

Diese Tage hätte ich nie
überstanden, hätte ich nicht
für die Nacht Manzoni,
für den Tag Dante bei mir.
Ich habe mich am Paradiso
wahrhaft aufrechterhalten.
Und ich glaube, gerade das
Paradiso war während des
ganzen 19. Jhdts. als langweilig
verrufen, nur darum, weil es
voll von der ungeheuersten
Weisheit ist, die freilich den
Herren Naturwissenschaftlern
zu mühevoll ist. (Warum
ich Tolstoi liebe? Nicht wegen

                                                                
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B II, 4277
5 seiner Fehler, sondern weil der
ebenso ursprünglich aus genau
denselben urchristlichen
Quellen geschöpft hat. „L’amor
che muove il Sole e le altre stelle“
Dante, Divina commedia, Schlussvers (Paradiso, 33. Gesang, V. 145): „die Liebe, die die Sonne und die anderen Sterne bewegt“.
um nur das eEinfachste zu nennen.
Unbegreiflich ist mir, wie
ganze Generationen diese
absolut helle, übernaturwissen⸗
schaftliche Gotteserkenntnis
haben missverstehen, fälschen und
ins elegant Salonmässige haben
umbiegen können.) –

Und bei der Gelegenheit Dante gleich
die Frage von dem Zusammen⸗
treffen Ihres Geburtstages mit
dem Ostersonntage. Habe ich die
Frage nun einfach zu verstehen
oder mit einer geheimnisvolleren
Beziehung? Sie ist, wie Sie wissen,
eine astronomische Frage; unab⸗
hängig von der Person könnte

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><postscript type="split"><p rend="indent-first" type="split"> <note type="shelfmark" place="top-left" resp="#archive">B II, 4277</note> <note type="pagination" resp="#major_hand_pag" place="top-right">5</note> seiner Fehler, sondern weil der <lb/>ebenso ursprünglich aus genau <lb/>denselben urchristlichen <lb/>Quellen geschöpft hat. <q rend="dq-du" xml:lang="it" source="#E0400323">L’amor <lb/>che muove il Sole e le altre stelle</q><reg>,</reg><note type="commentary" resp="#E0300364 #E0300365"><persName key="E0300215">Dante</persName>, <title key="E0400323">Divina commedia</title>, Schlussvers (<title key="E0400605">Paradiso</title>, 33. Gesang, V. 145): <q>die Liebe, die die Sonne und die anderen Sterne bewegt</q>.</note> <lb/>um nur das <subst><del rend="overwritten">e</del><add place="across">E</add></subst>infachste zu nennen. <lb/>Unbegreiflich ist mir, wie <lb/>ganze Generationen diese <lb/>absolut helle, übernaturwissen <lb break="no"/>schaftliche Gotteserkenntnis <lb/>haben missverstehen, fälschen und <lb/>ins elegant Salonmä<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>ige haben <lb/>umbiegen können.) –</p> <p type="pre-split">Und bei der Gelegenheit <persName key="E0300215">Dante</persName> gleich <lb/>die Frage von dem Zusammen <lb break="no"/>treffen Ihres Geburtstages mit <lb/>dem Ostersonntage. Habe ich die <lb/>Frage nun einfach zu verstehen <lb/>oder mit einer geheimnisvolleren <lb/>Beziehung? Sie ist, wie Sie wissen, <lb/>eine astronomische Frage; unab <lb break="no"/>hängig von der Person könnte </p></postscript></div>
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6Diplomatische Umschrift
6XML

6 sie heissen „Wie oft fällt der erste
Vollmond nach dem Frühlings⸗
aequinoctium (21. März) in die
letzte Märzwoche?“
(Da, wie Sie
ja wissen, der Ostersonntag der
1. Sonntag nach dem Vollmond ist,
der auf die Frühlings-TagundNacht⸗
gleiche folgt. Der Ostersonntag
verschiebt sich also, auch der
Pfingstsonntag; ich bin am
12. Juni geboren und habe
zweimal im Leben Geburtstag
zu Pfingsten gehalbbt.) Aber über
das Kalendermässige werden Sie
ebenso gut bescheid wissen wie
die von Ihnen Angefragten.
Hätte ich nur [die] geringsten astrono⸗
mischen Hilfsmittel bei der Hand,
so könnte ich doch leichtlich
finden, wann der 1. April
wiederum auf den 1. Sonntag
nach Vollmond der auf d. 21. März
folgt, treffen wird. – Sollte
nun aber Ihre Frage

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><postscript type="split"><p type="split"> <note type="pagination" resp="#major_hand_pag" place="top-right">6</note> sie hei<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>en <q rend="dq-du">Wie oft fällt der erste <lb/>Vollmond nach dem Frühlings <lb break="no"/><choice><orig>ae</orig><reg>ä</reg></choice>quino<choice><orig>c</orig><reg>k</reg></choice>tium (21. März) in die <lb/>letzte Märzwoche?</q> (Da, wie Sie <lb/>ja wissen, der Ostersonntag der <lb/><choice><orig>1.</orig><reg>erste</reg></choice> Sonntag nach dem Vollmond ist, <lb/>der auf die <choice><orig>Frühlings-TagundNacht <lb break="no"/>gleiche</orig><reg>Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche</reg></choice> folgt. Der Ostersonntag <lb/>verschiebt sich also, auch der <lb/>Pfingstsonntag; ich bin am <lb/><date when-iso="1881-06-12">12. Juni</date> geboren und habe <lb/>zweimal im Leben Geburtstag <lb/>zu Pfingsten geha<subst><del rend="overwritten">lb</del><add place="across">b</add></subst>t.) Aber über <lb/>das Kalendermä<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>ige werden Sie <lb/>ebenso gut <choice><orig>b</orig><reg>B</reg></choice>escheid wissen wie <lb/>die von Ihnen Angefragten. <lb/>Hätte ich nur <supplied reason="omitted">die</supplied> geringsten astrono <lb break="no"/>mischen Hilfsmittel bei der Hand, <lb/>so könnte ich doch leichtlich <lb/>finden, wann der 1. April <lb/>wiederum auf den <choice><orig>1.</orig><reg>ersten</reg></choice> Sonntag <lb/>nach Vollmond<reg>,</reg> der auf <choice><abbr>d.</abbr><expan>den</expan></choice> 21. März <lb/>folgt, treffen wird. – Sollte <lb/>nun aber Ihre Frage </p></postscript></div>
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7Diplomatische Umschrift
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7 etwa lauten: Wie steht das
Zusammentreffen in Verbindung
mit den Zahlen:

11. 22. 33.
(11 + 22 = 33.
33 + 33 = 66.
1866.
Quersumme: 1 + 8 + 6 + 6 = 21, Quersumme 2 + 1 = 3
3 × 11 = 33
Quersumme von 33 = 6
Dazu Ihre Monatszahlen
1. IV
1 + 4 + 6 = 11)!!!
so muss ich Ihnen sagen, dass ich
trotz Ihrer äussert interessanten
kabbalistischen Quersummen
ohne astronomische Hilfsmittel
nicht weiss, wie in welchem
Verhältnis Ihre Hauptzahlen
zum Mondumlauf stehen. Es

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><postscript type="split"><p type="split"> <note type="pagination" resp="#major_hand_pag" place="top-right">7</note> etwa lauten: Wie steht das <lb/>Zusammentreffen in Verbindung <lb/>mit den Zahlen:</p> <p type="pre-split" rend="indent-first"><hi rend="underline2">11</hi>. 22. 33. <lb/>(11 + 22 = 33. <lb/>33 + 33 = 66. <lb/>1866. <lb/>Quersumme: 1 + 8 + 6 + 6 = 21, Quersumme 2 + 1 = 3 <lb/>3 × 11 = <hi rend="underline2">33</hi> <lb/>Quersumme von 33 = 6 <lb/>Dazu Ihre Monatszahlen <lb/><seg rend="indent">1. IV<reg>.</reg></seg> <lb/>1 + 4 + 6 = <hi rend="underline2">11</hi>)!!! <lb/>so muss ich Ihnen sagen, dass ich <lb/>trotz Ihrer äu<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>ert interessanten <lb/>kabbalistischen Quersummen <lb/>ohne astronomische Hilfsmittel <lb/>nicht wei<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>, <del rend="strikethrough">wie</del> in welchem <lb/>Verhältnis Ihre Hauptzahlen <lb/>zum Mondumlauf stehen. Es </p></postscript></div>
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8Diplomatische Umschrift
8XML

8 ist aber sicherlich eine Beziehung
da. Wenn ich in Zürich bin,
stürze ich mich in Ihr
Horoskopisches! Wollen Sie
aber, zur Steuer der Gewissen⸗
haftigkeit, bemerken, dass meine
Arbeit mit den Quersummen,
durch die ich zu jenen verblüffen⸗
den bBestätigungen Ihrer Grund⸗
zahlen gekommen bin, nicht
naturwissenschaftlicher Art sind,
sond[.] lediglich phantastisch=kabbalisti⸗
scher. –

Ich persönlich glaube, dass nur
ganz einfache Zahlenverhältnisse
eine tiefere Bedeutung haben.
Alle Jahreszahlen sind aber
ungeheuer kompliciert, das heisst
sie sind schon sehr willkürlich.
Denn wenn wir solche Vorgänge,
wie Umlauf der Erde um die
Sonne, und Umlauf des Mondes
um die Erde u. überdies noch

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><postscript type="split"><p rend="indent-first" type="split"> <note type="pagination" resp="#major_hand_pag" place="top-right">8</note> ist aber sicherlich eine Beziehung <lb/>da. Wenn ich in <placeName key="E0500132">Zürich</placeName> bin, <lb/>stürze ich mich in Ihr <lb/>Horoskopisches! Wollen Sie <lb/>aber, zur Steuer der Gewissen <lb break="no"/>haftigkeit, bemerken, dass meine <lb/>Arbeit mit den Quersummen, <lb/>durch die ich zu jenen verblüffen <lb break="no"/>den <subst><del rend="overwritten">b</del><add place="across">B</add></subst>estätigungen Ihrer Grund <lb break="no"/>zahlen gekommen bin, nicht <lb/>naturwissenschaftlicher Art sind, <lb/><choice><abbr>sond<supplied reason="omitted">.</supplied></abbr><expan>sondern</expan></choice> lediglich phantastisch<pc>=</pc>kabbalisti <lb break="no"/>scher. –</p> <p type="pre-split">Ich persönlich glaube, dass nur <lb/>ganz einfache Zahlenverhältnisse <lb/>eine tiefere Bedeutung haben. <lb/>Alle <hi rend="underline">Jahreszahlen</hi> sind aber <lb/>ungeheuer kompli<choice><orig>c</orig><reg>z</reg></choice>iert, das hei<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>t<reg>,</reg> <lb/>sie sind schon sehr willkürlich. <lb/>Denn wenn wir solche Vorgänge<orig>,</orig> <lb/>wie Umlauf der Erde um die <lb/>Sonne<orig>,</orig> und Umlauf des Mondes <lb/>um die Erde <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> überdies noch </p></postscript></div>
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9Diplomatische Umschrift
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BII, 4277
9 um die Sonne, dazu noch die
Stellung, die der Mond zum
Kreuz am Himmel (das die Frühlings=
Tag=und Nachtgleiche bildet) einnimmt,
betrachten, so erscheint uns
eine Jahreszahl wie „1918“
als etwas recht wirres und
willkürliches. Die Welt hat
nicht erst vor 1919 Jahren
angefangen, die Juden haben
eine höhere Jahreszahl, die Buddhisten
eine noch höhere, die Veden
rechnen nach Millionen Jahren,
und die Mohammedaner haben
eine viel niedrigere Zahl als das
heutige Europa. In Wirklichkeit
ist jede Jahreszahl ganz will⸗
kürlich, es kommt nur darauf an,
auf welchem Turm man steht
und nach ihr blickt. Nicht ganz
so willkürlich sind die Zahlen
unserer Lebensjahre, denn sie

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><postscript type="split"><p type="split"> <note type="shelfmark" place="top-left" resp="#archive"> <add>BII, 4277</add> </note> <note type="pagination" resp="#major_hand_pag" place="top-right">9</note> um die Sonne, dazu noch die <lb/>Stellung, die der Mond zum <lb/>Kreuz am Himmel (das die Frühlings<pc>=</pc> <lb break="no"/>Tag<pc>=</pc>und<choice><orig> Nachtg</orig><reg>-Nacht-G</reg></choice>leiche bildet) einnimmt, <lb/>betrachten, so erscheint uns <lb/>eine Jahreszahl wie <q rend="dq-du"><date when-iso="1918">1918</date></q> <lb/>als etwas recht <choice><orig>w</orig><reg>W</reg></choice>irres und <lb/><choice><orig>w</orig><reg>W</reg></choice>illkürliches. Die Welt hat <lb/>nicht erst vor 1919 Jahren <lb/>angefangen, die Juden haben <lb/>eine höhere Jahreszahl, die Buddhisten <lb/>eine noch höhere, die Veden <lb/>rechnen nach Millionen Jahren, <lb/>und die Mohammedaner haben <lb/>eine viel niedrigere Zahl als das <lb/>heutige <placeName key="E0500943">Europa</placeName>. In Wirklichkeit <lb/>ist jede Jahreszahl ganz will <lb break="no"/>kürlich, es kommt nur darauf an, <lb/>auf welchem Turm man steht <lb/>und nach ihr blickt. Nicht ganz <lb/>so willkürlich sind die Zahlen <lb/>unserer Lebensjahre, denn sie </p></postscript></div>
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10Diplomatische Umschrift
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10 richten sich ja nach dem Umlauf
der Erde um die Sonne, sie sind
aber auch nicht wahrhaft genau,
sondern nur zur Bequemlichkeit
abgerundet. Ist man aber
an einem kalendermässig so
auffallenden Tag geboren, wie Sie,
am 1. April, dazu das heisst
an dem berühmtesten der
merkwürdigen Tage der antiken
Mythologie (der in Urzeiten
wirklich der erste Ostertag war,
nicht, wie heute, nur durch gele⸗
gentliche Combination), so hat
man schon ein sehr
seltsames Prognostikon.
(Prognostikon bezieht sich
bei Menschen von bewusstem
Willen ja stets auf den
Willen, denn das Können

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><postscript type="split"><p type="split"> <note type="pagination" resp="#major_hand_pag" place="top-right">10</note> richten sich ja nach dem Umlauf <lb/>der Erde um die Sonne, sie sind <lb/>aber auch nicht wahrhaft genau, <lb/>sondern nur zur Bequemlichkeit <lb/>abgerundet. Ist man aber <lb/>an einem kalendermä<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>ig so <lb/>auffallenden Tag geboren<orig>,</orig> wie Sie, <lb/>am 1. April, <del rend="strikethrough">dazu</del> das hei<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>t <lb/>an dem berühmtesten der <lb/>merkwürdigen Tage der antiken <lb/>Mythologie (der in Urzeiten <lb/><hi rend="underline">wirklich</hi> der erste Ostertag war, <lb/>nicht, wie heute, nur durch gele <lb break="no"/>gentliche <choice><orig>C</orig><reg>K</reg></choice>ombination), so hat <lb/>man schon ein sehr <lb/>seltsames Prognostikon. <lb/>(Prognostikon bezieht sich <lb/>bei Menschen von bewusstem <lb/>Willen ja stets auf den <lb/>Willen, denn das Können </p></postscript></div>
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11Diplomatische Umschrift
11XML

11 wird vorausgesetzt.)

Der 1. April ist nämlich nicht
zufällig der Tag der Scherze
geworden; sondern nach
meiner heutigen Einsicht alter
Quellen und privater Erkenntnis
hat das einen tiefen, mytholo⸗
gischen Sinn. Ich persönlich
vermute auch, dass der
erste April, der Festtag für
die antike Komödie, das
Satyrspiel war; (der Dyoniso Transkription unsicher: unleserlich. Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin

Dionysostag, d. h. auch der
Bockstag,) und, da in der
Götterlehre Zerfleischung und
Auferstehung dasselbe ist: Der
Tag des Lachens und der Wiedergeburt.
Ostern hat es, als uraltes
Fest dieses Sinnes, schon lange

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><postscript type="split"><p type="split"> <note type="pagination" resp="#major_hand_pag" place="top-right">11</note> wird vorausgesetzt.)</p> <p type="pre-split">Der 1. April ist nämlich nicht <lb/>zufällig der Tag der Scherze <lb/>geworden; sondern nach <lb/>meiner heutigen Einsicht alter <lb/>Quellen und privater Erkenntnis <lb/>hat das einen tiefen, mytholo <lb break="no"/>gischen Sinn. Ich persönlich <lb/>vermute auch, dass der <lb/><choice><orig>erste </orig><reg>1. </reg></choice>April<orig>,</orig> der Festtag für <lb/>die antike <hi rend="underline">Komödie</hi>, das <lb/>Satyrspiel war<orig>;</orig> (der <del rend="strikethrough"><unclear reason="illegible" cert="high">Dyoniso</unclear></del> <note type="stamp" place="margin-right" resp="#dsb_st_red"> <stamp rend="round border align(center) small">Deutsche <lb/>Staatsbibliothek <lb/><placeName key="E0500029">Berlin</placeName> </stamp> </note> <lb/>Dionysostag, d. h. auch der <lb/>Bockstag<choice><orig>,)</orig><reg>);</reg></choice> und, da in der <lb/>Götterlehre Zerfleischung und <lb/>Auferstehung dasselbe ist: <choice><orig>D</orig><reg>d</reg></choice>er <lb/>Tag des Lachens <hi rend="underline">und</hi> der Wiedergeburt. <lb/>Ostern hat es, als uraltes <lb/>Fest dieses Sinnes, schon lange </p></postscript></div>
12Faksimile
12Diplomatische Umschrift
12XML

12 vor der Zeit Christi gegeben;
damals – und bis in die
ersten Jahrhunderte der christlichen
Kirche, fiel es mit dem ersten
April zusammen, weil dies der
natürliche Erd=Mond=Sonnen⸗
zusammenklang ist. Erst seit
dem gregorianischen Kalender
ist Ostern verschiebbar. Ginge
es also natürlich in der
Welt her, so müsste Ihr Geburts⸗
tag in jedem Jahr auf den
Ostersonntag fallen. Dass es
das nicht tut, ist Willkürlichkeit
der heutigen Zeitrechnung. Und
so ist überhaupt die ganze
Welt. Immerhin kann man
sich gratulieren, dass es einen
Menschen giebt, dessen Geburts⸗
tag vom 1. April wenigstens
einige Male im Leben auf den
Ostersonntag fällt, der also,
mit meinen Begriffen aus⸗

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><postscript type="split"><p type="split"> <note type="pagination" resp="#major_hand_pag" place="top-right">12</note> vor der Zeit Christi gegeben; <lb/>damals – und bis in die <lb/>ersten Jahrhunderte der christlichen <lb/>Kirche, fiel es mit dem <choice><orig>ersten <lb/></orig><reg>1. </reg></choice>April zusammen, weil dies der <lb/><hi rend="underline">natürliche</hi> Erd<pc>=</pc>Mond<pc>=</pc>Sonnen <lb break="no"/>zusammenklang ist. Erst seit <lb/>dem gregorianischen Kalender <lb/>ist Ostern verschiebbar. Ginge <lb/>es also natürlich in der <lb/>Welt her, so müsste Ihr Geburts <lb break="no"/>tag in jedem Jahr auf den <lb/>Ostersonntag fallen. Dass es <lb/>das <hi rend="underline">nicht</hi> tut, ist Willkürlichkeit <lb/>der heutigen Zeitrechnung. Und <lb/>so ist überhaupt die ganze <lb/>Welt. Immerhin kann man <lb/>sich gratulieren, dass es einen <lb/>Menschen gi<orig>e</orig>bt, dessen Geburts <lb break="no"/>tag vom 1. April wenigstens <lb/>einige Male im Leben auf den <lb/>Ostersonntag fällt, der also, <lb/>mit meinen Begriffen aus </p></postscript></div>
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13Diplomatische Umschrift
13XML

B II, 4277
13 gedrückt, in dieser wirren
und willkürlichen Welt wenigs⸗
tens noch in der Tradition
steht, der höchstes Lachen und
höchstes Wissen
dasselbe ist.
Und dies sind meine Gedanken
zu Ihrem diesjährigen Geburts⸗
tag, die Sie durch Ihre interessante
Zahlenfrage angeregt haben.

Frau Gerda, sagen Sie
mir, ist in ihrer Krankheit
ungeduldig. Lieber Verehrter –
die Erkrankung Ihrer lieben
Frau Gerda dauert schon lange,
und ich frage mich, ob sie nicht
am Ende die Krankheit ver⸗
nachlässigt. Nämlich: vielleicht
ist, umgekehrt, die Krankheit
mit der Patientin ungeduldig,

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><postscript type="split"><p type="split"> <note type="shelfmark" place="top-left" resp="#archive">B II, 4277</note> <note type="pagination" resp="#major_hand_pag" place="top-right">13</note> gedrückt, in dieser wirren <lb/>und willkürlichen Welt wenigs <lb break="no"/>tens noch in der Tradition <lb/>steht, der <hi rend="underline">höchstes Lachen und <lb/>höchstes Wissen</hi> <hi rend="underline">dasselbe ist.</hi> <lb/>Und dies sind meine Gedanken <lb/>zu Ihrem diesjährigen Geburts <lb break="no"/>tag, die Sie durch Ihre interessante <lb/>Zahlenfrage angeregt haben.</p> <milestone unit="section" style="—" rend="align(center)"/> <p type="pre-split" rend="indent-first"><persName key="E0300059">Frau Gerda</persName>, sagen Sie <lb/>mir, ist in ihrer Krankheit <lb/>ungeduldig. Lieber Verehrter – <lb/>die Erkrankung Ihrer lieben <lb/><persName key="E0300059">Frau Gerda</persName> dauert schon lange, <lb/>und ich frage mich, ob sie nicht <lb/>am Ende die Krankheit ver <lb break="no"/>nachlässigt. Nämlich: vielleicht <lb/>ist, umgekehrt, die Krankheit <lb/>mit der Patientin ungeduldig, </p></postscript></div>
14Faksimile
14Diplomatische Umschrift
14XML

14 läuft auf kurze Zeit davon,
kommt wieder, macht neuerdings
Miene zu verschwinden – und
bleibt im ganzen Grossen. Habt
Ihr auch einen sehr sehr
guten Arzt? Vielleicht wird
das nun doch wichtig.
Ich wünsche Frau Gerda,
dass sie Ihre Erkrankung
wie einen Nebel, der am Abend
dalag, los wird, bald, schnell,
im Hauch, in schönem, trockenem,
hellen Wetter. Und dass sie
zunächst schon über die
Ostertage nichts mehr davon
merke!

Die Nachricht von Ihrem
Klarinetten-Concertino hat
mich ordentlich froh gemacht.
Ja, so etwas muss man

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><postscript type="split"><p rend="indent-first" type="split"> <note type="pagination" resp="#major_hand_pag" place="top-right">14</note> läuft auf kurze Zeit davon, <lb/>kommt wieder, macht neuerdings <lb/>Miene zu verschwinden – und <lb/>bleibt im ganzen Gro<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>en. Habt <lb/>Ihr auch einen <hi rend="underline">sehr</hi> <hi rend="underline">sehr</hi> <lb/>guten Arzt? Vielleicht wird <lb/>das nun doch wichtig. <lb/>Ich wünsche <persName key="E0300059">Frau Gerda</persName>, <lb/>dass sie Ihre Erkrankung <lb/>wie einen Nebel, der am Abend <lb/>dalag, los<orig> </orig>wird, bald, schnell, <lb/>im Hauch, in schönem, trockenem, <lb/>helle<choice><sic>n</sic><corr>m</corr></choice> Wetter. Und dass sie <lb/>zunächst schon über die <lb/>Ostertage nichts mehr davon <lb/>merke!</p> <milestone unit="section" style="—" rend="align(center)"/> <p type="pre-split" rend="indent-first">Die Nachricht von Ihrem <lb/><title key="E0400330">Klarinetten-Concertino</title> hat <lb/>mich ordentlich froh gemacht. <lb/>Ja, so etwas muss man </p></postscript></div>
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15Diplomatische Umschrift
15XML

15 machen, und gerade hinein,
mitten in die wichtigsten,
ernstesten Dinge. Dass dies
nun eine geringe Ausbeute
sein soll für 1918 kann ich
garnicht mit Ihnen finden.
Im Gegenteil, da doch die
Ausbeute unmöglich nach
dem Pfundgewicht des
beschreibenen Papiers beurteilt
werden kann, erscheint es
nur als ein Zeichen von
unbekümmertster, heiterster
Schöpferkraft, mitten unter
seinen Arbeiten eine solche
zu unternehmen. Ein Beweis,
dass man nicht dekorativ
arbeitet, sondern aus der
wirklichen Ideen-Arbeit
herkommt.

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><postscript type="split"><p rend="indent-first" type="split"> <note type="pagination" resp="#major_hand_pag" place="top-right">15</note> machen, und gerade hinein, <lb/>mitten in die wichtigsten, <lb/>ernstesten Dinge. Dass dies <lb/>nun eine geringe Ausbeute <lb/>sein soll für <date when-iso="1918">1918</date><reg>,</reg> kann ich <lb/>gar<reg> </reg>nicht mit Ihnen finden. <lb/>Im Gegenteil, da doch die <lb/>Ausbeute unmöglich nach <lb/>dem Pfundgewicht des <lb/>beschreibenen Papiers beurteilt <lb/>werden kann, erscheint es <lb/>nur als ein Zeichen von <lb/>unbekümmertster, heiterster <lb/>Schöpferkraft, mitten unter <lb/>seinen Arbeiten eine solche <lb/>zu unternehmen. Ein Beweis, <lb/>dass man nicht dekorativ <lb/>arbeitet, sondern aus der <lb/>wirklichen Ideen-Arbeit <lb/>herkommt. <milestone unit="section" style="—" rend="inline"/></p> </postscript></div>
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16Diplomatische Umschrift
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16

„Der Zauberflöte zweyten Theil“
habe ich in meiner Jugend oft
gelesen. Nehme ich meine ganze
Erinnerung von Goethe zusam⸗
men, so erscheint mir dies
als das dichterisch und formal
gelungenste und edelste
seiner ganzen dramatischen
Produktion. Ich stell es – in
meiner Erinnerung – höher als
alle grossen „Klassiker“-Dramen
Goethes. Dies kleine Werkchen ist
gewiss auch gelungener als der Faust.
(Meiner Erinnerung nach könnte
ich es aber nicht als Opernbuch
bezeichnen, sondern eher als
Cantate. Doch ist hier ein
Erinnerungsirrtum nicht aus⸗
geschlossen.) – Ich […] mindestens 1 Zeichen: überschrieben. würde es heute
wohl mit dem grössten Nutzen
lesen. (In Locarno nicht
aufzutreiben. Ich werde

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><postscript type="split"> <note type="pagination" resp="#major_hand_pag" place="top-right">16</note> <p type="pre-split"><title key="E0400331" rend="dq-du">Der Zauberflöte zwe<choice><orig>y</orig><reg>i</reg></choice>ten T<orig>h</orig>eil</title> <lb/>habe ich in meiner Jugend oft <lb/>gelesen. Nehme ich meine ganze <lb/>Erinnerung von <persName key="E0300124">Goethe</persName> zusam <lb break="no"/>men, so erscheint mir dies <lb/>als das dichterisch und formal <lb/>gelungenste und <hi rend="underline">edelste</hi> <lb/>seiner ganzen dramatischen <lb/>Produktion. Ich stell es – in <lb/>meiner Erinnerung – höher als <lb/><hi rend="underline2">alle</hi> gro<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>en <soCalled rend="dq-du">Klassiker</soCalled>-Dramen <lb/><persName key="E0300124">Goethes</persName>. <rs key="E0400331">Dies kleine Werkchen</rs> ist <lb/>gewiss auch gelungener als der <title key="E0400107">Faust</title>. <lb/>(Meiner Erinnerung nach könnte <lb/>ich es aber nicht als Opernbuch <lb/>bezeichnen, sondern eher als <lb/><choice><orig>C</orig><reg>K</reg></choice>antate. Doch ist hier ein <lb/>Erinnerungsirrtum nicht aus <lb break="no"/>geschlossen.) – Ich <subst><del rend="overwritten"><gap reason="overwritten" atLeast="1" unit="char"/></del><add place="across">w</add></subst>ürde es heute <lb/>wohl mit dem grö<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>ten Nutzen <lb/>lesen. (In <placeName key="E0500183">Locarno</placeName> nicht <lb/>aufzutreiben. Ich werde </p></postscript></div>
17Faksimile
17Diplomatische Umschrift
17XML

B II, 4277
17 Goetz bitten, mir diesen Band
Goethe
zu leihen. Ebenso Pfitzners
musiktheoretische Schriften.) Wahrscheinlich Pfitzners Vom musikalischen Drama. Ich
erlaubte mir noch etwas Ketzerisches:
Für Goethes edelstes Pros[a]werk,
für seine den seiner Romane,
der am schönsten geschrieben ist,
halte ich seine Übersetzung
des Benvenuto Cellini. —

Huber war vor einigen Tagen
noch in der Arbeit an seinem
offenen Brief fürs „Journal
de Genève“
; er wird ihn jetzt
wohl, denk ich, abgeschickt
haben. Er ist ein kluger, herzens⸗
guter Mensch, höchstgebildet,
ungewöhnlich behend für einen
Schweizer, und er hätte alle
Eigenschaften um liebenswert
zu sein, wäre er nicht so eine
Art bejahrter Schmetterling. Ich
fürchte, dieser Mann wird nie

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><postscript type="split"><p type="split"> <note type="shelfmark" place="top-left" resp="#archive">B II, 4277</note> <note type="pagination" resp="#major_hand_pag" place="top-right">17</note> <persName key="E0300192">Goetz</persName> bitten, mir <rs key="E0400331">diesen Band <lb/><persName key="E0300124">Goethe</persName></rs> zu leihen. Ebenso <persName key="E0300084">Pfitzners</persName> <lb/>musiktheoretische Schriften.)<note type="commentary" resp="#E0300364 #E0300365">Wahrscheinlich <persName key="E0300084">Pfitzners</persName> <title key="E0800168">Vom musikalischen Drama</title>.<!-- in den Bibliographie-Index aufnehmen! --> </note> Ich <lb/>erlaubte mir noch etwas Ketzerisches: <lb/>Für <persName key="E0300124">Goethes</persName> edelstes Pros<supplied reason="omitted">a</supplied>werk, <lb/>für <del rend="strikethrough">seine</del> den seiner Romane, <lb/>der am schönsten geschrieben ist, <lb/>halte ich <rs key="E0400332">seine Übersetzung</rs> <lb/>des <title key="E0400342"><persName key="E0300374">Benvenuto Cellini</persName></title>. —</p> <milestone unit="section" style="—" rend="align(center)"/> <p type="pre-split"><persName key="E0300125">Huber</persName> war vor einigen Tagen <lb/>noch in der Arbeit an seinem <lb/>offenen Brief fürs <orgName key="E0600089" rend="dq-du">Journal <lb/>de Genève</orgName>; er wird ihn jetzt <lb/>wohl, denk ich, abgeschickt <lb/>haben. Er ist ein kluger, herzens <lb break="no"/>guter Mensch, höchstgebildet, <lb/>ungewöhnlich behend für einen <lb/>Schweizer, und er hätte alle <lb/>Eigenschaften<reg>,</reg> um liebenswert <lb/>zu sein, wäre er nicht so eine <lb/>Art bejahrter Schmetterling. Ich <lb/>fürchte, dieser Mann wird nie </p></postscript></div>
18Faksimile
18Diplomatische Umschrift
18XML

18 wagen, etwas Eigenes zu schreiben.
Und dabei eben ein wirklich
lieber Mensch, und es wäre
gut, wenn die Welt aus
mehr solchen Menschen wie
er bestände. Ob wir uns
nahekommen können, weiss
ich bis heute nicht. So ungefähr
stelle ich mir Mendelssohn vor;
mit dem hätte ich auch nur
kurze, freundliche Bildungs⸗
gespräche gehabt – Herzensgüte
vorausgesetzt. Und zum Schluss
möchte man dann gern irgend
welche ganz unvermutete
Capriolen machen, nur um
zu zeigen, dass das Menschenleben
nicht so ein fein geordneter
Patricier-Leihbibliothekskatalog
ist.

Es gab einen Tag in
Locarno, da wimmelte

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><postscript type="split"><p type="split"> <note type="pagination" resp="#major_hand_pag" place="top-right">18</note> wagen, etwas Eigenes zu schreiben. <lb/>Und dabei eben ein wirklich <lb/>lieber Mensch, und es wäre <lb/>gut, wenn die Welt aus <lb/>mehr solchen Menschen wie <lb/>er bestände. Ob wir uns <lb/>nahekommen können, wei<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice> <lb/>ich bis heute nicht. So ungefähr <lb/>stelle ich mir <persName key="E0300130">Mendelssohn</persName> vor; <lb/>mit dem hätte ich auch nur <lb/>kurze, freundliche Bildungs <lb break="no"/>gespräche gehabt – Herzensgüte <lb/>vorausgesetzt. Und zum Schluss <lb/>möchte man dann gern irgend<orig><lb/></orig>welche ganz unvermutete <lb/><choice><orig>C</orig><reg>K</reg></choice>apriolen machen, nur um <lb/>zu zeigen, dass das Menschenleben <lb/>nicht so ein fein geordneter <lb/>Patri<choice><orig>c</orig><reg>z</reg></choice>ier-Leihbibliothekskatalog <lb/>ist. <milestone unit="section" style="—" rend="inline"/></p> <p type="pre-split" rend="indent-first">Es gab einen Tag in <lb/><placeName key="E0500183">Locarno</placeName>, da wimmelte </p></postscript></div>
19Faksimile
19Diplomatische Umschrift
19XML

19 es hier von Menschen, darunter
Bekannte, die nicht zur Arbeit
anregen, denen ich dagegen
auf Schritt und Tritt begegnen
musste, wenn ich einmal
in eine „Tabagie“ gehen wollte.
Das hinderte mich sehr bedenklich
in der Arbeit. Ich telegraphierte
meiner Frau; die kam, nach
grösstem Widerstreben auf
einige Tage her, nahm die
ganze Bande auf sich, und
nachdem der erste Chok
vorüber war, hatte ich wieder
den Kopf frei. Nun ist meine Frau
wieder in Zürich.

Ich selbst stelle heute die
höchsten Anforderungen an
meine Arbeit. Sie geht
weiter. An den komischen
Stellen am schwersten. Mit
grosser Bitterkeit erfüllt

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><postscript type="split"><p rend="indent-first" type="split"> <note type="pagination" resp="#major_hand_pag" place="top-right">19</note> es hier von Menschen, darunter <lb/>Bekannte, die nicht zur Arbeit <lb/>anregen, denen ich dagegen <lb/>auf Schritt und Tritt begegnen <lb/>musste, wenn ich einmal <lb/>in eine <soCalled rend="dq-du">Tabagie</soCalled> gehen wollte. <lb/>Das hinderte mich sehr bedenklich <lb/>in der Arbeit. Ich telegraphierte <lb/><rs key="E0300340">meiner Frau</rs>; die kam<orig>,</orig> nach <lb/>grö<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>tem Widerstreben auf <lb/>einige Tage her, nahm die <lb/>ganze Bande auf sich, und <lb/>nachdem der erste <choice><orig>Chok</orig><reg>Schock</reg></choice> <lb/>vorüber war, hatte ich wieder <lb/>den Kopf frei. <add place="inline" rend="small">Nun ist <rs key="E0300340">meine Frau</rs> <lb/>wieder in <placeName key="E0500132">Zürich</placeName>.</add> <milestone unit="section" style="—" rend="inline"/></p> <p type="pre-split">Ich selbst stelle heute die <lb/>höchsten Anforderungen an <lb/><rs key="E0400316">meine Arbeit</rs>. Sie geht <lb/>weiter. An den komischen <lb/>Stellen am schwersten. Mit <lb/>gro<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>er Bitterkeit erfüllt </p></postscript></div>
20Faksimile
20Diplomatische Umschrift
20XML

20 mich, dass ich die Zeit zur Fertig⸗
stellung zu kurz angesetzt hatte. Ich
dachte Ende März mit dem Ganzen
fertig zu sein, und dabei bin
ich heute noch nicht mit dem
II. Akt fertig, wenn ich mich
auch seinem Ende nähere. Ich
bin aber so in der Arbeit , dass
ich einen Vortrag, den ich am
6. April in Zürich halten sollte,
deswegen abgesagt habe. – Ich
zittre eben heute nur vor dem
einen: Dass mir etwas passiert,
ehe ich fertig werde. —

Ihren Rat, die Ausarbeitung
der projektierten Operndichtung,
von der ich Ihnen schrieb,
auf spätere Jahre aufzuschieben,
nahm ich zuerst mit Verblüffung
auf. Einige Tage später wurde
mir aber klar, dass Sie völlig
recht hatten, dass Sie mir
geraten hatten aus tiefer
Kenntnis der menschlichen

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><postscript type="split"><p type="split"> <note type="pagination" resp="#major_hand_pag" place="top-right">20</note> mich, dass ich die Zeit zur Fertig <lb break="no"/>stellung zu kurz angesetzt hatte. Ich <lb/>dachte<reg>,</reg> Ende <date when-iso="1918-03">März</date> mit <rs key="E0400316">dem Ganzen</rs> <lb/>fertig zu sein, und dabei bin <lb/>ich heute noch nicht mit dem <lb/>II. Akt fertig, wenn ich mich <lb/>auch seinem Ende nähere. Ich <lb/>bin aber so in der Arbeit , dass <lb/>ich einen Vortrag, den ich am <lb/><date when-iso="1918-04-06">6. April</date> in <placeName key="E0500132">Zürich</placeName> halten sollte, <lb/>deswegen abgesagt habe. – Ich <lb/>zittre eben heute nur vor dem <lb/>einen: <choice><orig>D</orig><reg>d</reg></choice>ass mir etwas passiert, <lb/>ehe ich fertig werde. —</p> <p type="pre-split" rend="indent-first">Ihren Rat, die Ausarbeitung <lb/>der projektierten Operndichtung, <lb/>von der ich Ihnen schrieb, <lb/>auf spätere Jahre aufzuschieben, <lb/>nahm ich zuerst mit Verblüffung <lb/>auf. Einige Tage später wurde <lb/>mir aber klar, dass Sie völlig <lb/>recht hatten, dass Sie mir <lb/>geraten hatten aus tiefer <lb/>Kenntnis der menschlichen </p></postscript></div>
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21Diplomatische Umschrift
21XML

B II, 4277
21 Natur heraus, und aus einer
ganz besonderen, ungewöhnlich
tiefen und genauen Kenntnis
meiner speciellen Geistesverfassung.
Es giebt nun wirklich in der
Welt keinen Menschen, der
mich so gut und genau kennt
wie Sie, und keinen einzigen,
der mir mit solcher Geduld,
solcherm menschlichen Interesse
und solcher Liebe Ratschläge
gegeben hat wie Sie. Jedes Mal,
wenn ich Ihren Rat befolgte,
ist mir das gut ausgeschlagen.
So hat auch diesmal schon
das Nachdenken über Ihre
Worte betr. der Operndichtung
mit mich von irgendwoher
mit einer gewissen Freude erfüllt,
die mir dann zu der Arbeit
an der momentan schwersten
Stelle meiner Arbeit ver⸗

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><postscript type="split"><p rend="indent-first" type="split"> <note type="shelfmark" place="top-left" resp="#archive">B II, 4277</note> <note type="pagination" resp="#major_hand_pag" place="top-right">21</note> Natur heraus, und aus einer <lb/>ganz besonderen, ungewöhnlich <lb/>tiefen und genauen Kenntnis <lb/>meiner spe<choice><orig>c</orig><reg>z</reg></choice>iellen Geistesverfassung. <lb/>Es gi<orig>e</orig>bt nun wirklich in der <lb/>Welt keinen Menschen, der <lb/>mich so gut und genau kennt <lb/>wie Sie, und keinen einzigen, <lb/>der mir mit solcher Geduld, <lb/>solche<subst><del rend="overwritten">r</del><add place="across">m</add></subst> menschlichen Interesse <lb/>und solcher Liebe Ratschläge <lb/>gegeben hat wie Sie. Jedes Mal, <lb/>wenn ich Ihren Rat befolgte, <lb/>ist mir das gut ausgeschlagen. <lb/>So hat auch diesmal schon <lb/>das Nachdenken über Ihre <lb/>Worte betr. der Operndichtung <lb/><del rend="strikethrough">mit</del> mich von irgendwoher <lb/>mit einer gewissen Freude erfüllt, <lb/>die mir dann zu der Arbeit <lb/>an der momentan schwersten <lb/>Stelle <rs key="E0400316">meiner Arbeit</rs> ver </p></postscript></div>
22Faksimile
22Diplomatische Umschrift
22XML

22 holfen hat. —

Nun ist Locarno für
diese Tage des Andranges
von Menschen wirklich
etwas klein. Indessen
soll es üblich sein, dass bald
nach Ostern die meisten
Leute wieder verschwinden
und mir die Kranken,
Ruhebedürftigen und Arbeits⸗
lustigen übrig bleiben, also
die von denen man nicht
viel sieht. —

Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin

„Der Mensch“, schrieben Sie
mir neulich, „ist dumm
und schlecht“
. Nur, solange
die eine Partei oder die andere
siegt, mit brutaler, gemeiner
Blutgewalt, mit Gift und

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><postscript type="split"><p rend="indent-first" type="split"> <note type="pagination" resp="#major_hand_pag" place="top-right">22</note> holfen hat. — <milestone unit="section" style="—" rend="inline"/></p> <p>Nun ist <placeName key="E0500183">Locarno</placeName> für <lb/>diese Tage des Andranges <lb/>von Menschen wirklich <lb/>etwas klein. Indessen <lb/>soll es üblich sein, dass bald <lb/>nach Ostern die meisten <lb/>Leute wieder verschwinden <lb/>und mir die Kranken, <lb/>Ruhebedürftigen und Arbeits <lb break="no"/>lustigen übrig bleiben, also <lb/>die<reg>,</reg> von denen man nicht <lb/>viel sieht. —</p> <note type="stamp" place="right" resp="#dsb_st_red"> <stamp rend="round border align(center) small">Deutsche <lb/>Staatsbibliothek <lb/><placeName key="E0500029">Berlin</placeName> </stamp> </note> <p type="pre-split" rend="indent-first"><q rend="dq-du">Der Mensch</q>, schrieben Sie <lb/>mir neulich, <q rend="dq-du">ist dumm <lb/>und schlecht</q>. Nur, solange <lb/>die eine Partei oder die andere <lb/>siegt, mit brutaler, gemeiner <lb/>Blutgewalt, mit Gift und </p></postscript></div>
23Faksimile
23Diplomatische Umschrift
23XML

23 mit niederträchtiger List.
Dante hat mich auch hier
aufgerichtet, und ich weiss
von ihm, was ich von mir
schon lange wusste, dass
der Mensch von Gott abstammt,
und nicht von naturwissenschaftli⸗
chen Zellen oder von Giftgasen.
Ich acceptiere aber völlig
Ihr Wort, mit einem kleinen
Zusatz: Der Mensch ist heute
dumm und schlecht. Folglich ist
er verpflichtet morgen weise
und heilig zu werden. – Ich
glaube nicht an eine „Entwicklung“,
noch weniger an eine „Entwicklung
zum Bessern“
und erst recht
nicht an einen „Fortschritt“.
Ich glaube aber, dass es gute
und böse Zeiten giebt, materielle
und geistige Strömungen.

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><postscript type="split"><p rend="indent-first" type="split"> <note type="pagination" resp="#major_hand_pag" place="top-right">23</note> mit niederträchtiger List. <lb/><persName key="E0300215">Dante</persName> hat mich auch hier <lb/>aufgerichtet, und ich wei<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice> <lb/>von ihm, was ich von mir <lb/>schon lange wusste, dass <lb/>der Mensch von Gott abstammt, <lb/>und nicht von naturwissenschaftli <lb break="no"/>chen Zellen oder von Giftgasen. <lb/>Ich a<choice><orig>cc</orig><reg>kz</reg></choice>eptiere aber völlig <lb/>Ihr Wort, mit einem kleinen <lb/>Zusatz: Der Mensch ist <hi rend="underline">heute</hi> <lb/>dumm und schlecht. Folglich ist <lb/>er <hi rend="underline">verpflichtet</hi><reg>,</reg> morgen weise <lb/>und heilig zu werden. – Ich <lb/>glaube <hi rend="underline">nicht</hi> an eine <soCalled rend="dq-du">Entwicklung</soCalled>, <lb/>noch weniger an eine <soCalled rend="dq-du">Entwicklung <lb/>zum Bessern</soCalled> und erst recht <lb/>nicht an einen <soCalled rend="dq-du">Fortschritt</soCalled>. <lb/>Ich glaube aber, dass es gute <lb/>und böse Zeiten gi<orig>e</orig>bt, materielle <lb/>und geistige Strömungen. </p></postscript></div>
24Faksimile
24Diplomatische Umschrift
24XML

24 Auf den Erfolg, à la Wertheim=
Rathenau, kommt es gar nicht an!
Sondern nur auf das, was man
für wahr erkannt hat. Z. B.
ist es gut, dass sich einmal das
Urchristentum gebildet hat; die
heutige Zeit ist kein Beweis dagegen,
da wir ja keine Herzensverkäufer
sind, sondern beweist nur, dass sich
wieder eins wird bilden müssen.
Ebenso bin ich sicher, dass Christus
wiederkommen muss, vielleicht sogar
in mehreren Gestalten und mehreren
Verkörperungen gleichzeitig. —

Genau so, wie man im vorigen Jahr⸗
hundert Dantes Paradiso für lang⸗
weilig und das sog. Böse für „interessant“
gehalten hat, genau so wird man
bald alle diese Herrschaften vom
Bösen und der Materie als herzlich
dumm und grausam langweilig erkennen,
und mit einem fröhlichen Oster=
Wiedergeburts=Gelächter aus dem Gedächt⸗
nis der Welt lachen! In Freundschaft
mit einer herzlichen Umarmung

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><postscript type="split"><p rend="indent-first" type="split"> <note type="pagination" resp="#major_hand_pag" place="top-right">24</note> Auf den <hi rend="underline">Erfolg</hi>, à la <persName key="E0300400">Wertheim</persName><pc>=</pc> <lb break="no"/><persName key="E0300401">Rathenau</persName>, kommt es <hi rend="underline2">gar nicht</hi> an! <lb/>Sondern nur auf das, was man <lb/>für <hi rend="underline2">wahr</hi> erkannt hat. Z. B. <lb/>ist es gut, dass sich einmal das <lb/>Urchristentum gebildet hat; die <lb/>heutige Zeit ist kein Beweis dagegen, <lb/>da wir ja keine Herzensverkäufer <lb/>sind, sondern beweist nur, dass sich <lb/>wieder eins wird bilden müssen. <lb/>Ebenso bin ich sicher, dass Christus <lb/>wiederkommen muss, vielleicht sogar <lb/>in mehreren Gestalten und mehreren <lb/>Verkörperung<add place="below">en</add> gleichzeitig. —</p> <p>Genau so, wie man im vorigen Jahr <lb break="no"/>hundert <persName key="E0300215">Dantes</persName> <title key="E0400605">Paradiso</title> für lang <lb break="no"/>weilig und das sog. Böse für <soCalled rend="dq-du">interessant</soCalled> <lb/>gehalten hat, genau so wird man <lb/>bald alle diese Herrschaften vom <lb/>Bösen und der Materie als herzlich <lb/>dumm und grausam langweilig erkennen<orig>,</orig> <lb/>und mit einem fröhlichen Oster<pc>=</pc> <lb break="no"/>Wiedergeburts<pc>=</pc>Gelächter aus dem Gedächt <lb break="no"/>nis der Welt lachen! <seg type="closer" subtype="salute">In Freundschaft <lb/>mit einer herzlichen Umarmung</seg></p> <closer> <signed>Ihr <persName key="E0300126">Ludwig Rubiner</persName>.</signed> </closer> </postscript> </div>
25Faksimile
25Diplomatische Umschrift
25XML
B II, 4277
[25]

Zusatz:

Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin

Ich wage kaum, Ihnen den
Vorschlag zu machen. Aber
es wäre Ihnen nicht
nur wohl, sondern auch
im höchsten Grade schön,
wenn Sie – zu einer Zeit,
wo der Schwarm sich
verlaufen hat – nach
Locarno kämen. Für
Sie eine Erholung höchsten
Grades, für andere eine
Freude. Und Frau Gerda
würde hier in dem gleich⸗
mässigen Klima in wenigen
Wochen Ihren Rheumatismus
los werden! Wär das nicht
vernünftig und schön? Ihr L.

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <note type="shelfmark" place="top-left" resp="#archive" rend="indent">B II, 4277</note> <note type="pagination" resp="#archive" place="top-right">[25]</note> <postscript> <head rend="underline">Zusatz:</head> <note type="stamp" place="right" resp="#dsb_st_red"> <stamp rend="round border align(center) small">Deutsche <lb/>Staatsbibliothek <lb/><placeName key="E0500029">Berlin</placeName> </stamp> </note> <p>Ich wage kaum, Ihnen den <lb/>Vorschlag zu machen. Aber <lb/>es wäre Ihnen nicht <lb/>nur wohl, sondern auch <lb/>im höchsten Grade schön, <lb/>wenn Sie – zu einer Zeit, <lb/>wo der Schwarm sich <lb/>verlaufen hat – nach <lb/><placeName key="E0500183">Locarno</placeName> kämen. Für <lb/>Sie eine Erholung höchsten <lb/>Grades, für andere eine <lb/>Freude. Und <persName key="E0300059">Frau Gerda</persName> <lb/>würde hier in dem gleich <lb break="no"/>mä<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>igen Klima in wenigen <lb/>Wochen Ihren Rheumatismus <lb/>los<orig> </orig>werden! Wär das nicht <lb/>vernünftig <hi rend="underline">und</hi> schön? <seg type="closer" subtype="signed">Ihr <persName key="E0300126">L.</persName></seg></p> </postscript> </div>
26Faksimile
26Diplomatische Umschrift
26XML

Noch eins. Dieses Buch
lege ich dazu, in
der Erwartung, dass es
Ihnen einige weitere
Stunden verschaffen
wird, so wie es sie mir
verschaffte. Der einzige
Fall in der Literatur, in
der ich die „Unwirklichkeit“
derb zupackend am Werk
sah.

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <postscript> <p>Noch eins. Dieses Buch<!-- ermittelbar? --> <lb/>lege ich dazu, in <lb/>der Erwartung, dass es <lb/>Ihnen einige weitere <lb/>Stunden verschaffen <lb/>wird, so wie es sie mir <lb/>verschaffte. Der einzige <lb/>Fall in der Literatur, in <lb/>der ich die <q rend="dq-du">Unwirklichkeit</q> <lb/>derb zupackend am Werk <lb/>sah.</p> </postscript> </div>
27Faksimile
27Diplomatische Umschrift
27XML
[26] Recte: [27] (irrtümlich Foliierung statt Paginierung).
[Seite 3 des 7. Bogens]
                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <note type="foliation" resp="#archive" place="top-right">[26] <note type="commentary" resp="#E0300314">Recte: [27] (irrtümlich Foliierung statt Paginierung).</note> </note> <note type="objdesc" resp="#E0300314">[Seite 3 des 7. Bogens]</note> </div>
28Faksimile
28Diplomatische Umschrift
28XML
[Seite 4 des 7. Bogens]
27 März 1918
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <note type="objdesc" resp="#E0300314">[Seite 4 des 7. Bogens]</note> <note type="dating" resp="#unknown_hand" place="center" rend="large align(center)" xml:id="unknown_date"> <date when-iso="1918-03-27">27 März 1918</date> </note> <note type="stamp" place="center" resp="#dsb_st_red"> <stamp rend="round border align(center) small">Deutsche <lb/>Staatsbibliothek <lb/><placeName key="E0500029">Berlin</placeName> </stamp> </note> </div>

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Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4277 | olim: Mus.ep. L. Rubiner 18 (Busoni-Nachl. B II) |

Nachweis Kalliope

Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
7 Bogen, 26 beschriebene Seiten
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Ludwig Rubiner, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.
  • Vmtl. Hand des Absenders Ludwig Rubiner, der mit dunklem Stift eine Paginierung vorgenommen hat (S. 2–24)
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen und eine Foliierung vorgenommen hat.
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
  • Unbekannte Hand, die auf der letzten Seite mit Bleistift das Datum notiert hat
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 123456789101112131415161718192021222324252627

Zusammenfassung
Rubiner erinnert an seine bereits geäußerte Kritik an einem Aufsatz über Eugen d’Albert; lobt einen Programmheftbeitrag von Bruno Goetz; will im April in Zürich Arlecchino und Turandot sehen; hält Schaffen im Angesicht des Krieges für gottlos und die Unfähigkeit dazu für einen Ausweis echten Künstlertums; sucht Trost in der Lektüre Manzonis und Dantes; gibt historische, mythologische und kabbalistische Antworten auf eine „Zahlenfrage“ Busonis zum Zusammenfallen von dessen Geburtstag mit dem Ostersonntag; widerspricht Busonis Einschätzung, dessen soeben beendetes Klarinetten-Concertino sei „eine geringe Ausbeute […] für 1918“; nennt Der Zauberflöte zweiten Teil Goethes bestes Drama, die Übersetzung Leben des Benvenuto Cellini Goethes besten Roman; gibt genauere Auskunft über seinen Eindruck von Hans Huber; beklagt die Überlaufenheit Locarnos; kommt in seiner Arbeit nur langsam voran; beherzigt Busonis Rat, den Plan einer Operndichtung zu verschieben; hofft auf eine christliche Ablösung des Materialismus; lädt Busoni nach Locarno ein, auch zwecks Rheuma-Kur für Gerda Busoni; sendet ein Buch mit.
Incipit
Zuerst will ich Ihnen noch schnell eine ganze Kleinigkeit sagen

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
16. Februar 2018: in Korrekturphase (Transkription abgeschlossen, Auszeichnungen codiert, zur Korrekturlesung freigegeben)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition