Ferruccio Busoni to Robert Freund arrow_backarrow_forward

Weimar · September 12, 1900

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Sehr verehrter Freund.

Ihre freundlichen
Grüsse will ich persönlich
erwiedern u. Ihnen
dafür danken. Zugleich
darf ich Ihnen ausdrücken
wie sehr wir, dass heisst
ich und die Ihren,
Ihre Anwesenheit in
Weimar ersehnen und
erhoffen, waere sie auch
von nur kurzer Dauer!

Ihre Persönlichkeit,
die mir zuerst Hochachtung
u. Sympathie in reichem
Maasse abzwang, ist
mir in der Folge
nöthig geworden. Ich
bedarf der Nähe eines

Sehr verehrter Freund.

Ihre freundlichen Grüße will ich persönlich erwidern und Ihnen dafür danken. Zugleich darf ich Ihnen ausdrücken wie sehr wir, dass heißt ich und die Ihren, Ihre Anwesenheit in Weimar ersehnen und erhoffen, wäre sie auch von nur kurzer Dauer!

Ihre Persönlichkeit, die mir zuerst Hochachtung und Sympathie in reichem Maße abzwang, ist mir in der Folge nöthig geworden. Ich bedarf der Nähe eines solchen Mannes und Freundes, als Sie einer sind, und wenn ich auch nicht im Mindesten darauf Anspruch erheben kann, dass Sie wegen meiner Ihren Wohnsitz nach Berlin verlegen, so gestehe ich Ihnen doch ein, dass ich einen solchen Entschluss Ihrerseits als ein Geschenk des Schicksals an meinen künstlerischen und menschlichen Menschen betrachten würde.

Als Etel dieser Tage zum ersten Male vor einem größeren Kreise spielte, konnte ich die richtige »perspektivische« Wirkung ihrer Leistung erst übersehen und es sei gleich hinzugefügt, dass ich an dem Spiele Etelkas – deren verschwenderischen Naturgaben ich immer mehr und mit einer gewissen Ergriffenheit hervortreten sehe – doch Einiges vermisste, was für ihren Erfolg bei den »Massen« unentbehrlich ist.

Ohne zu sehr ins Einzelne gehen zu wollen, wage ich den Satz, dass Etelkas Vortrag eine aus Verschämtheit und Stolz gezeugte, scheinbare Gleichgültigkeit hervorkehrt und vielleicht das gegenteilige Bild ihres wahren Inneren wiedergibt. So weit dieser Mangel in klaviertechnischen Gründen wurzelt, glaube ich – dank Etelka’s blitzartiger Auffassung meiner Anweisungen – dass ihm bei konsequenter Berücksichtigung dieses Punktes leicht abgeholfen wird; sofern aber ihre Charaktereigenheiten dabei mitspielen ist abzuwarten, wie das Leben dieselben verarbeiten und zu Mitarbeitern ihrer Kunst gestalten wird.

Ihre technische u. musikalische Beherrschung des pianistischen Materials hat mich indessen von Neuem zur Bewunderung gezwungen und sie spielte die Paganini Variationen v. Brahms, so wie ich – um irgend einen Massstab anzu wenden – in ihrem Alter nicht gekonnt hätte.

Es würde mich freuen und interessieren zu wissen, wie weit Sie, verehrter Freund, diesen meinen Auslassungen beistimmen oder wiedersprechen, so dass ich mir aus Ihrem Urteile darüber eine Richtschnur für mein weiteres Verhalten als Etelka’s Rathgeber bilden könnte.

Indessen grüße ich Sie und Ihre verehrte liebe Frau von ganzem Herzen und mit höchster Schätzung.

Ihr treu ergebener

Ferruccio Busoni

Weimar den 6. Aug. 1900.
                                                                
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Freundes, als Sie einer
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auch nicht im Mindesten
darauf Anspruch
erheben kann, dass
Sie wegen meiner Ihren
Wohnsitz nach Berlin
verlegen, so gestehe
ich Ihnen doch ein,
dass ich einen solchen
Entschluss Ihrerseits
als ein Geschenk des
Schicksals an meinen
künstlerischen und
menschlichen Menschen
betrachten würde.

                                                                
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Als Etel dieser Tage zum ersten Male vor
einem größeren Kreise spielte, konnte
ich die richtige »perspektivische« Wirkung
ihrer Leistung erst übersehen und
es sei gleich hinzugefügt, dass ich
an dem Spiele Etelkas – deren
verschwenderischen Naturgaben ich
immer mehr u. mit einer gewissen
Ergriffenheit hervortreten sehe –
doch Einiges vermisste, was für ihren
Erfolg bei den »Massen« unentbehrlich
ist.

                                                                
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Ohne zu sehr in’s Einzelne gehen
zu wollen, wage ich den Satz, dass Etelkas
Vortrag eine aus Verschämtheit und
Stolz gezeugte, scheinbare Gleichgültigkeit
hervorkehrt u. vielleicht das gegentheilige
Bild ihres wahren Inneren wiedergiebt.
So weit dieser Mangel in claviertechnischen
Gründen wurzelt, glaube ich – dank
Etelka’s blitzartiger Auffassung meiner
Anweisungen – dass ihm bei
consequenter Berücksicht[ig]ung dieses
Punktes leicht abgeholfen wird; sofern
aber ihre Charaktereigenheiten dabei
mitspielen ist abzuwarten, wie das
Leben dieselben verarbeiten u. zu

                                                                
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Kunst gestalten wird.

Ihre technische u.
musikalische Beherr-
schung des pianistischen
Materials hat mich
indessen von Neuem
zur Bewunderung
gezwungen u. sie
spielte die Paganini
Variationen v. Brahms,
so wie ich – um irgend
einen Massstab anzu
wenden – in ihrem
Alter nicht gekonnt
hätte.

Es würde mich
freuen und interessiren
zu wissen, wie weit Sie,
verehrter Freund, diesen
meinen Auslassungen
beistimmen oder

                                                                
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wiedersprechen, so
dass ich mir aus
Ihrem Urtheile
darüber eine Richt-
schnur für mein
weiteres Verhalten
als Etelka’s Rathgeber
bilden könnte.

Indessen grüße ich
Sie und Ihre verehrte
liebe Frau von ganzem
Herzen und mit
höchster Schätzung.

Ihr treu ergebener

Ferruccio Busoni

Weimar den 6. Aug.
1900.
                                                                
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Provenance
Schweiz | Zürich | Zentralbibliothek Zürich | Handschriftenabteilung | Nachlass Robert Freund & Etelka Freund | Ms. Z II 157 a.1.9
Condition
Brief und Umschlag sind gut erhalten.
Extent
2 Bogen, 6 beschriebene Seiten
Collation
Seitenfolge: 1, 3, 4, 2, 5, 7 (2, 4 im Querformat)
Hands/Stamps
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen hat
  • Poststempel (schwarze Tinte)

Editors in charge
Christian Schaper Ullrich Scheideler
prepared by
Revision
February 28, 2019: proposed (transcription and coding done, awaiting proofreading)
Direct context
Preceding Following
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