Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst
Verlag C. Schmidl & Co., Triest
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Entwurf einer neuen |
Entwurf einer neuen Ästhetik der TonkunstAlle Rechte, besonders jene
der Übersetzung, vorbehalten.
Copyright by Ferruccio Busoni, 1907.
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Alle Rechte, besonders jene der
Uebersetzungen, vorbehalten. |
Alle Rechte, besonders jene der
Übersetzungen, vorbehalten.
Copyright including right of performance
by Ferruccio Busoni, Berlin 1907.
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Entwurf einer neuen Aesthetik
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Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst.
„Was sucht Ihr? Sagt! Und was erwartet Ihr?“
– „Ich weiß es nicht; ich will das Unbekannte! Was mir bekannt, ist unbegrenzt. Ich will darüber noch. Mir fehlt das letzte Wort.“
(Der mächtige Zauberer.)
Der literarischen Gestaltung nach recht locker aneinandergefügt, sind diese Aufzeichnungen in Wahrheit das Ergebnis von lange und langsam gereiften Überzeugungen. In ihnen wird ein größtes Problem mit scheinbarer Unbefangenheit aufgestellt, ohne dass der Schlüssel zu seiner letzten Lösung gegeben wird; weil das Problem auf Menschenalter hinaus nicht – wenn überhaupt – lösbar ist. Aber es begreift in sich eine unaufgezählte Reihe minderer Probleme, auf die ich das Nachdenken derjenigen lenke, die es betrifft. Denn recht lange schon hat man in der Musik ernstlichem Suchen nicht sich hingegeben. Wohl entsteht zu jeder Zeit Geniales und Bewunderungswertes, und ich stellte mich stets in die erste Reihe, die vorüberziehenden Fahnenträger freudig zu begrüßen; aber mir will es scheinen, dass die mannigfachen Wege, die beschritten werden, zwar in schöne Weiten führen, aber nicht – nach oben. * * *
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Der Geist eines Kunstwerkes, das Maass der
Geist und Empfindung bewahren ihre Art, so im
Die vergänglichen Eigenschaften machen das
Die Kunstformen sind um so dauernder, je näher
Die Plastik verzichtet auf den Ausdruck der mensch- die Architektur, hat ihre Grundform, die von unten
die Dichtung gebietet über den abstrakten
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Der Geist eines Kunstwerkes, das Maß der Empfindung, das Menschliche, das in ihm ist – sie bleiben durch wechselnde Zeiten unverändert an Wert; die Form, die diese drei aufnahm, die Mittel, die sie ausdrückten, und der Geschmack, den die Epoche ihres Entstehens über sie ausgoss, sie sind vergänglich und rasch alternd. Geist und Empfindung bewahren ihre Art, so im Kunstwerk wie im Menschen; technische Errungenschaften bewundert man, doch sie werden überholt, oder der Geschmack wendet sich von ihnen gesättigt ab. – Die vergänglichen Eigenschaften machen das „Moderne“ eines Werkes aus; die unveränderlichen bewahren es davor, „altmodisch“ zu werden. Im „Modernen“ wie im „Alten“ gibt es Gutes und Schlechtes, Echtes und Unechtes. Eigentlich Modernes existiert nicht – nur früher oder später Entstandenes; länger blühend, oder schneller welkend. Immer gab es Modernes, und immer Altes. – Die Kunstformen sind umso dauernder, je näher sie sich an das Wesen der einzelnen Kunstgattung halten, je reiner sie sich in ihren natürlichen Mitteln und Zielen bewahren. Die Plastik verzichtet auf den Ausdruck der menschlichen Pupille und auf die Farben; die Malerei degradiert, wenn sie die darstellende Fläche verlässt und sich zur Theaterdekoration oder zum Panoramabild kompliziert – die Architektur hat ihre Grundform, die von unten nach oben zu schreiten muss, durch statische Notwendigkeit vorgeschrieben; Fenster und Dach geben notgedrungen die mittlere und abschließende Ausgestaltung; diese Bedingungen sind an ihr bleibend und unverletzbar; – die Dichtung gebietet über den abstrakten Gedanken, den sie in Worte kleidet; sie reicht |
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an die weitesten Grenzen und hat die grössere Unab- aber alle Künste, Mittel und Formen erzielen
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Architektur, Plastik, Dichtung und Malerei sind
Ihnen gegenüber ist die Tonkunst das Kind, das
Sie ist sich selbst noch nicht bewusst dessen, was
* * *
Die Musik als Kunst, die sogenannte abendländische
*
Dessenungeachtet können und werden an ihnen Geschmack
„Tradition“ ist die nach dem Leben abgenommene Gips- |
an die weitesten Grenzen und hat die größere Unabhängigkeit voraus: aber alle Künste, Mittel und Formen erzielen beständig das Eine, nämlich die Abbildung der Natur und die Wiedergabe der menschlichen Empfindungen. * * *
Architektur, Plastik, Dichtung und Malerei sind alte und reife Künste; ihre Begriffe sind gefestigt und ihre Ziele sicher geworden; sie haben durch Jahrtausende den Weg gefunden und beschreiben, wie ein Planet, regelmäßig ihren Kreis1. Ihnen gegenüber ist die Tonkunst das Kind, das zwar gehen gelernt hat, aber noch geführt werden muss. Es ist eine jungfräuliche Kunst, die noch nichts erlebt und gelitten hat. Sie ist sich selbst noch nicht bewusst dessen, was sie kleidet, der Vorzüge, die sie besitzt, und der Fähigkeiten, die in ihr schlummern: Wiederum ist sie ein Wunderkind, das schon viel Schönes bieten kann, schon viele erfreuen konnte und dessen Gaben allgemein für völlig ausgereift gehalten werden. * * *
Die Musik als Kunst, die sogenannte abendländische Musik, ist kaum vierhundert Jahre alt, sie lebt im Zustande der Entwicklung; vielleicht im allerersten Stadium einer noch unabsehbaren Entwicklung, und wir, – wir sprechen von Klassikern und geheiligten Traditionen!2 Und schon lange sprechen wir davon! 1.
Dessenungeachtet können und werden an ihnen Geschmack und Eigenart sich immer wieder verjüngen und erneuern. 2.„Tradition“ ist die nach dem Leben abgenommene Gipsmaske, die – durch den Lauf vieler Jahre und die Hände ungezählter Handwerker gegangen – schließlich ihre Ähnlichkeit mit dem Original nur mehr erraten lässt. |
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Wir haben Regeln formuliert, Prinzipien aufgestellt,
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So jung es ist, dieses Kind, eine strahlende Eigen- * * *
Freiheit ist aber Etwas, was die Menschen nie
Sie verleugnen die Bestimmung dieses Kindes und
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Frei ist die Tonkunst geboren und frei zu werden
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Wir haben Regeln formuliert, Prinzipien aufgestellt, Gesetze vorgeschrieben – – – wir wenden die Gesetze der Erwachsenen auf ein Kind an, das die Verantwortung noch nicht kennt! * * *
So jung es ist, dieses Kind, eine strahlende Eigenschaft ist an ihm schon erkennbar, die es vor allen seinen älteren Geschwistern auszeichnet. Und diese wundersame Eigenschaft wollen die Gesetzgeber nicht sehen, weil ihre Gesetze sonst über den Haufen geworfen würden. Das Kind – es schwebt! Es berührt nicht die Erde mit seinen Füßen. Es ist nicht der Schwere unterworfen. Es ist fast unkörperlich. Seine Materie ist durchsichtig. Es ist tönende Luft. Es ist fast die Natur selbst. Es ist – frei. * * *
Freiheit ist aber etwas, was die Menschen nie völlig begriffen noch gänzlich empfunden haben. Sie können sie nicht erkennen noch anerkennen. Sie verleugnen die Bestimmung dieses Kindes und hängen ihm Gewichte an. Das schwebende Wesen muss unanstößig gehen, wie jeder andere; kaum, dass es hüpfen darf – indessen es seine Lust wäre, der Linie des Regenbogens zu folgen und mit den Wolken Sonnenstrahlen zu brechen. * * *
Frei ist die Tonkunst geboren und frei zu werden ihre Bestimmung. Sie wird der vollständigste aller Natur-Widerscheine werden durch die Ungebundenheit ihrer Unmaterialität. Selbst das dichterische Wort steht ihr an Unkörperlichkeit nach; sie kann sich zusammen- |
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ballen und kann auseinanderfließen, die regloseste Ruhe und
Sie gibt ein Temperament wieder, ohne es zu
Darum sind Darstellung und Beschreibung nicht
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Absolute Musik!
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ballen und kann auseinanderfließen, die regloseste Ruhe und das lebhafteste Stürmen sein; sie hat die höchsten Höhen, die Menschen wahrnehmbar sind – welche andere Kunst hat das? –, und ihre Empfindung trifft die menschliche Brust mit jener Intensität, die vom „Begriffe“ unabhängig ist. Sie gibt ein Temperament wieder, ohne es zu beschreiben, mit der Beweglichkeit der Seele, mit der Lebendigkeit der aufeinanderfolgenden Momente; dort, wo der Maler oder der Bildhauer nur eine Seite oder einen Augenblick, eine „Situation“ darstellen kann und der Dichter ein Temperament und dessen Evolutionen mühsam durch angereihte Worte mitteilt. Darum sind Darstellung und Beschreibung nicht das Wesen der Tonkunst; somit sprechen wir die Negation der Programmmusik aus und gelangen zu der Frage nach den Zielen der Tonkunst. * * *
Absolute Musik!
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denselben Wiederhall erwecken, wie die Vorgänge in
Absolute Musik ist dagegen etwas ganz nüchternes,
Ich höre da den zweiten Geiger sich um eine
„Noch immer glücklich aufgefunden! .
„die Flamme freilich ist verschwunden, „Doch ist mir um die Welt nicht leid. „Hier bleibt genug, Poeten einzuweihen „Zu stiften Gold- und Handwerksneid; „Und kann ich die Talente nicht verleihen, „Verborg’ ich wenigstens das Kleid“ Ist’s nicht eigentümlich, dass man vom Kom- |
denselben Widerhall erwecken, wie die Vorgänge in der Natur. Absolute Musik ist dagegen etwas ganz Nüchternes, welches an geordnet aufgestellte Notenpulte erinnert, an Verhältnis von Tonika und Dominante, an Durchführungen und Codas. Ich höre da den zweiten Geiger sich um eine Quart tiefer abmühen, den gewandteren ersten nachzuahmen, und einen unnötigen Kampf auskämpfen, um dahin zu gelangen, wo man schon am Anfang stand. Diese Musik sollte vielmehr die architektonische heißen oder die symmetrische oder die eingeteilte, und sie stammt daher, dass einzelne Tondichter ihren Geist und ihre Empfindung in eine solche Form gossen, weil es ihnen oder der Zeit am nächsten lag. Die Gesetzgeber haben Geist, Empfindung, die Individualität jener Tonsetzer und ihre Zeit mit der symmetrischen Musik identifiziert und schließlich – da sie weder den Geist, noch die Empfindung, noch die Zeit wiedergebären konnten, die Form als Symbol behalten und sie zum Schild, zur Religion erhoben. Die Tondichter suchten und fanden diese Form als das geeignetste Mittel, ihre Gedanken mitzuteilen; sie entschwebten – und die Gesetzgeber entdecken und verwahren Euphorions auf der Erde zurückgebliebene Gewänder: „Noch immer glücklich aufgefunden!
die Flamme freilich ist verschwunden, Doch ist mir um die Welt nicht leid. Hier bleibt genug, Poeten einzuweihen Zu stiften Gold- und Handwerksneid; Und kann ich die Talente nicht verleihen, Verborg’ ich wenigstens das Kleid.“ Ist’s nicht eigentümlich, dass man vom Komponisten in allem Originalität fordert, und dass man |
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sie ihm in der Form verbietet? Was Wunder, dass
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Solche Befreiungslust erfüllte einen Beethoven, den
Aber sobald sie die Schwelle des Hauptsatzes
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Neben Beethoven ist
Bach der „Ur-Musik“ am
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sie ihm in der Form verbietet? Was Wunder, dass man ihn – wenn er wirklich originell wird – der Formlosigkeit anklagt. Mozart! den Sucher und den Finder, den großen Menschen mit dem kindlichen Herzen, ihn staunen wir an, an ihm hängen wir; nicht aber an seiner Tonika und Dominante, seinen Durchführungen und Codas. * * *
Solche Befreiungslust erfüllte einen Beethoven, den romantischen Revolutionsmenschen, dass er einen kleinen Schritt in der Zurückführung der Musik zu ihrer höheren Natur aufstieg; einen kleinen Schritt in der großen Aufgabe, einen großen Schritt in seinem eigenen Weg. Die ganz absolute Musik hat er nicht erreicht, aber in einzelnen Augenblicken geahnt, wie in der Introduktion zur Fuge der Hammerklavier-Sonate. Überhaupt kamen die Tondichter in den vorbereitenden und vermittelnden Sätzen (Vorspielen und Übergängen) der wahren Natur der Musik am nächsten, wo sie glaubten, die symmetrischen Verhältnisse außer Acht lassen zu dürfen, und selbst unbewusst frei aufatmeten. Selbst einen so viel kleineren Schumann ergreift an solchen Stellen etwas von dem Unbegrenzten dieser Pan-Kunst – man denke an die Überleitung zum letzten Satze der d-Moll-Sinfonie –, und gleiches kann man von Brahms und der Introduktion zum Finale seiner ersten Sinfonie behaupten. Aber sobald sie die Schwelle des Hauptsatzes beschreiten, wird ihre Haltung steif und konventionell, wie die eines Mannes, der in ein Amtszimmer tritt. * * *
Neben Beethoven ist Bach der „Ur-Musik“ am verwandtesten. Seine Orgelfantasien (und nicht die Fugen) haben unzweifelhaft einen starken Zug von dem, |
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was man „Mensch und Natur“ überschreiben könnte;*
Darum sind Bach und Beethoven**
als ein Anfang
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Was noch überstiegen werden soll, ist ihre Aus- *
Seine Passions recitative haben das „Menschlich-Redende“,
Als die charakteristischen Merkmale von Beethovens
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was man „Mensch und Natur“ überschreiben könnte;1 bei ihm gestaltet es sich am unbefangensten, weil er noch keine Vorgänger respektierte – (wenn auch bewunderte und sogar benützte) – und weil ihm die noch junge Errungenschaft der temperierten Stimmung vorläufig unendlich neue Möglichkeiten erstehen ließ. Darum sind Bach und Beethoven2 als ein Anfang aufzufassen und nicht als unzuübertreffende Abgeschlossenheiten. Unübertrefflich werden wahrscheinlich ihr Geist und ihre Empfindung bleiben; und das bestätigt wiederum das zu Beginn dieser Zeilen Gesagte. Nämlich, dass die Empfindung und der Geist durch den Wechsel der Zeiten an Wert nichts einbüßen und dass derjenige, der ihre höchsten Höhen ersteigt, jederzeit über die Menge ragen wird. * * *
Was noch überstiegen werden soll, ist ihre Ausdrucksform und ihre Freiheit. Wagner, ein germanischer Riese, der im Orchesterklang den irdischen Horizont streifte, der die Ausdrucksform zwar steigerte, aber in ein System brachte (Musikdrama, Deklamation, Leitmotiv), ist dessentwegen nicht weiter steigerungsfähig. Seine Kategorie beginnt und endet mit ihm selbst; vorerst, weil er sie zur höchsten Vollendung, zu einer 1.
Seine Passions-Rezitative haben das „Menschlich-Redende“, nicht „Richtig-Deklamierte“. 2.Als die charakteristischen Merkmale von Beethovens Persönlichkeit möchte ich nennen: den dichterischen Schwung, die starke menschliche Empfindung (aus welcher seine revolutionäre Gesinnung springt) und eine Vorverkündung des modernen Nervosismus. Diese Merkmale sind gewiss jenen eines „Klassikers“ entgegengesetzt. Zudem ist Beethoven kein „Meister“ im Sinne Mozarts oder des späteren Wagner, eben weil seine Kunst die Andeutung einer größeren, noch nicht vollkommen gewordenen, ist. (Man vergleiche den nächstfolgenden Absatz.) |
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Abrundung brachte; sodann, weil die selbstgeforderte
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Der Name Wagner führt zur Programm-Musik.
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Jedes Motiv – so will es mir scheinen – enthält
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„Es gibt uns zugleich mit dem Problem auch die Lösung“
„– – – Beethoven, dont les esquisses thématiques
(Vincent d’ Jndy in
„César Franck“).
on élémentaires sont innombrables, mais qui, sitôt les thémes trouvés, semble par cela même en avoir établi tout la deve- loppement –“ |
Abrundung brachte; sodann, weil die selbstgeforderte Aufgabe derart war, dass sie von einem Menschen allein bewältigt werden konnte.1 Die Wege, die uns Beethoven eröffnet, können nur von Generationen zurückgelegt werden. Sie mögen – wie alles im Weltsystem – nur einen Kreis bilden; dieser ist aber von solchen Dimensionen, dass der Teil, den wir von ihm sehen, uns als gerade Linie erscheint. Wagners Kreis überblicken wir vollständig. – Ein Kreis im großen Kreise. * * *
Der Name Wagner führt zur Programmmusik. Sie ist als ein Gegensatz zu der sogenannten „absoluten“ Musik aufgestellt worden, und die Begriffe haben sich so versteinert, dass selbst die Verständigen sich an den einen oder den anderen Glauben halten, ohne eine dritte, außer und über den beiden liegende Möglichkeit anzunehmen. In Wirklichkeit ist die Programmmusik ebenso einseitig und begrenzt wie die absolut genannte. Anstatt architektonischer und symmetrischer Formeln, anstatt der Tonika- und Dominantenverhältnisse hat sie das bindende dichterische, zuweilen gar philosophische Programm, diese Schiene, sich angeschnürt. * * *
Jedes Motiv – so will es mir scheinen – enthält wie ein Samen seinen Trieb in sich. Verschiedene Pflanzensamen treiben verschiedene Pflanzenarten, an Form, Blättern, Blüten, Früchten, Wuchs und Farben voneinander abweichend.2 1.
„Er gibt uns zugleich mit dem Problem auch die Lösung“, wie ich einmal von Mozart sagte. 2.„– – – Beethoven, dont les esquisses thématiques
ou élémentaires sont innombrables, mais qui, sitôt les thèmes
trouvés, semble par cela même en avoir établi tout le développement –“
(Vincent d’Indy in
„César Franck“).
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Selbst ein und dieselbe Pflanzengattung wächst
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Das Motiv des Programmmusikalischen Werkes
Und wie primitiv muß diese Kunst bleiben! Gewiß
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Selbst ein und dieselbe Pflanzengattung wächst an Ausdehnung, Gestalt und Kraft in jedem Exemplar selbständig geartet. So liegt in jedem Motiv schon seine vollgereifte Form vorbestimmt; jedes einzelne muss sich anders entfalten, doch jedes folgt darin der Notwendigkeit der ewigen Harmonie. Diese Form bleibt unzerstörbar, doch niemals sich gleich. * * *
Das Motiv des programmmusikalischen Werkes hat die nämlichen Bedingungen in sich; es muss aber – schon bei seiner nächsten Entwicklungsphase – sich nicht nach dem eigenen Gesetz, sondern nach dem des „Programms“ formen, vielmehr „krümmen“. Dergestalt, gleich in der ersten Bildung aus dem naturgesetzlichen Wege gebracht, gelangt es schließlich zu einem ganz unerwarteten Gipfel; wohin es nicht seine Organisation, sondern das Programm, die Handlung, die philosophische Idee absichtlich geführt. Und wie primitiv muss diese Kunst bleiben! Gewiss gibt es nicht misszuverstehende, tonmalende Ausdrücke – sie haben die Veranlassung zu dem ganzen Prinzip gegeben –, aber es sind wenige und kleine Mittel, die einen ganz geringen Teil der Tonkunst ausmachen. Das Wahrnehmbarste von ihnen, die Erniedrigung des Klanges zu Schall, bei Nachahmung von Naturgeräuschen: das Rollen des Donners, das Rauschen der Bäume und die Tierlaute; und schon weniger wahrnehmbar, symbolisch, die dem Gesichtssinn entnommenen Nachbildungen wie Blitzesleuchten, Sprungbewegungen, Vogelflug; nur durch Übertragung des reflektierenden Gehirns verständlich: das Trompetensignal als kriegerisches Symbol, die Schalmei als ländliches Schild, der Marschrhythmus in der Bedeutung des Schreitens, der Choral als Träger der religiösen Empfindung. Zählen |
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wir noch das National-Charakteristische – National-
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Und was kann schliesslich die Darstellung eines
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Wohl ist es der Musik gegeben die menschlichen
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wir noch das National-Charakteristische – National-Instrumente, National-Weisen – zum Vorigen, so haben wir die Rüstkammer der Programmmusik erschöpfend besichtigt. Bewegung und Ruhe, Moll und Dur, Hoch und Tief in ihrer herkömmlichen Bedeutung ergänzen das Inventar. Das sind gut verwendbare Nebenhilfsmittel in einem großen Rahmen, aber allein genommen ebenso wenig Musik, als Wachsfiguren Monumente zu nennen sind. * * *
Und was kann schließlich die Darstellung eines kleinen Vorganges auf Erden, der Bericht über einen ärgerlichen Nachbarn – gleichviel ob in der angrenzenden Stube oder im angrenzenden Weltteile – mit jener Musik, die durch das Weltall zieht, gemeinsam haben? * * *
Wohl ist es der Musik gegeben, die menschlichen Gemütszustände schwingen zu lassen: Angst (Leporello), Beklemmung, Erstarkung, Ermattung (Beethovens letzte Quartette), Entschluss (Wotan), Zögern, Niedergeschlagenheit, Ermunterung, Härte, Weichheit, Aufregung, Beruhigung, das Überraschende, das Erwartungsvolle, und mehr; ebenso den inneren Widerklang äußerer Ereignisse, der in jenen Gemütsstimmungen enthalten ist. Nicht aber den Beweggrund jener Seelenregungen selbst: nicht die Freude über eine beseitigte Gefahr, nicht die Gefahr oder die Art der Gefahr, welche die Angst hervorruft; wohl einen Leidenschaftszustand, aber wiederum nicht die psychische Gattung dieser Leidenschaft, ob Neid oder Eifersucht; ebenso vergeblich ist es, moralische Eigenschaften, Eitelkeit, Klugheit in Töne umzusetzen, oder gar abstrakte Begriffe, wie Wahrheit und Gerechtigkeit, durch sie aussprechen zu wollen. Könnte man denken, wie ein armer, doch zufriedener |
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Mensch in Musik wiederzugeben wäre? Die Zufrieden- * * *
Daran kann ich wohl manche Nebenbetrach- * * *
Wiederum gibt es „sichtbare“ Seelenzustände auf
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Mensch in Musik wiederzugeben wäre? Die Zufriedenheit, der seelische Teil, kann zu Musik werden; wo bleibt aber die Armut, das ethische Problem, das hier wichtig war: zwar arm, jedoch zufrieden? Das kommt daher, dass „arm“ eine Form irdischer und gesellschaftlicher Zustände ist, die in der ewigen Harmonie nicht zu finden ist. Musik ist aber ein Teil des schwingenden Weltalls. * * *
Daran kann ich wohl manche Nebenbetrachtung knüpfen: Der größte Teil moderner Theatermusik leidet an dem Fehler, dass sie die Vorgänge, die sich auf der Bühne abspielen, wiederholen will, anstatt ihrer eigentlichen Aufgabe nachzugehen, den Seelenzustand der handelnden Personen während jener Vorgänge zu tragen. Wenn die Bühne die Illusion eines Gewitters vortäuscht, so ist dieses Ereignis durch das Auge erschöpfend wahrgenommen. Fast alle Komponisten bemühen sich jedoch, das Gewitter in Tönen zu beschreiben, welches nicht nur eine unnötige und schwächere Wiederholung, sondern zugleich ein Versäumnis ihrer Aufgabe ist. Die Person auf der Bühne wird entweder von dem Gewitter seelisch beeinflusst, oder ihr Gemüt verweilt infolge von Gedanken, die es stärker in Anspruch nehmen, unbeirrt. Das Gewitter ist sichtbar und hörbar ohne Hilfe der Musik; was aber in der Seele des Menschen währenddessen vorgeht, das Unsichtbare und Unhörbare, das soll die Musik verständlich machen. * * *
Wiederum gibt es „sichtbare“ Seelenzustände auf der Bühne, um die sich die Musik nicht zu kümmern braucht. Nehmen wir die theatralische Situation, |
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dass eine lustige nächtliche Gesellschaft sich singend
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Für bedingt gerechtfertigt halte ich den Modus
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Der Vortrag in der Musik stammt aus jenen
Die Notation, die Aufschreibung, von Musik- |
dass eine lustige nächtliche Gesellschaft sich singend entfernt und dem Auge entschwindet, indessen im Vordergrund ein schweigsamer, erbitterter Zweikampf ausgefochten wird. Hier wird die Musik die dem Auge nicht mehr erreichbare lustige Gesellschaft durch den fortzusetzenden Gesang gegenwärtig halten müssen; was die beiden Vorderen treiben und dabei empfinden, ist ohne jede weitere Erläuterung erkennbar, und die Musik darf, dramatisch gesprochen, nicht sich daran beteiligen, das tragische Schweigen nicht brechen. * * *
Für bedingt gerechtfertigt halte ich den Modus der alten Oper, welche die durch eine dramatisch-bewegte Szene gewonnene Stimmung in einem geschlossenen Stücke zusammenfasste und ausklingen ließ. (Arie.) – Wort und Gesten vermittelten den dramatischen Gang der Handlung, von der Musik mehr oder weniger dürftig rezitativisch gefolgt; an dem Ruhepunkt angelangt, nahm die Musik den Hauptsitz wieder ein. Das ist weniger äußerlich, als man es jetzt glauben machen will. Wieder war es aber die verknöcherte Form der „Arie“ selbst, die zu der Unwahrheit des Ausdrucks und zum Verfall führte. * * *
Der Vortrag in der Musik stammt aus jenen freien Höhen, aus welchen die Tonkunst selbst herabstieg. Wo ihr droht, irdisch zu werden, hat er sie zu heben und ihr zu ihrem ursprünglichen „schwebenden“ Zustand zu verhelfen. Die Notation, die Aufschreibung, von Musikstücken ist zuerst ein ingeniöser Behelf, eine Improvisation festzuhalten, um sie wiedererstehen zu lassen. Jene verhält sich aber zu dieser wie das Porträt zum lebendigen Modell. Der Vortragende hat die Starrheit |
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der Zeichen wieder aufzulösen und in Bewegung
Die Gesetzgeber aber verlangen, dass der Vor- Was der Tonsetzer notgedrungen von seiner
Den Gesetzgebern sind die Zeichen selbst das
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Läge es nun in der Macht der Gesetzgeber so
Es ist aber nicht möglich, die schwebende expan- *
Wie sehr die Notation den Styl in der Musik beeinflusst,
Dieses merkwürdigen Mannes Gehirnvorstellungen, die sich
Die Schleier der Mystik, das innere Klingen der Natur, die
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der Zeichen wieder aufzulösen und in Bewegung zu bringen. – Die Gesetzgeber aber verlangen, dass der Vortragende die Starrheit der Zeichen wiedergibt, und erachten die Wiedergabe für umso vollkommener, je mehr sie sich an die Zeichen hält. Was der Tonsetzer notgedrungen von seiner Inspiration durch die Zeichen einbüßt,1 das soll der Vortragende durch seine eigene wiederherstellen. Den Gesetzgebern sind die Zeichen selbst das wichtigste, sie werden es ihnen mehr und mehr; die neue Tonkunst wird aus den alten Zeichen abgeleitet – sie bedeuten nun die Tonkunst selbst. * * *
Läge es nun in der Macht der Gesetzgeber, so müsste ein und dasselbe Tonstück stets in ein und demselben Zeitmaß erklingen, sooft, von wem und unter welchen Bedingungen es auch gespielt würde. Es ist aber nicht möglich, die schwebende, expansive Natur des göttlichen Kindes widersetzt sich; sie fordert das Gegenteil. Jeder Tag beginnt anders als 1.
Wie sehr die Notation den Stil in der Musik beeinflusst, die Fantasie fesselt, wie aus ihr die „Form“ sich bildete und aus der Form der „Konventionalismus“ des Ausdrucks entstand, das zeigt sich recht eindringlich, das rächt sich in tragischer Weise an E. T. A. Hoffmann, der mir hier als ein typisches Beispiel einfällt. Dieses merkwürdigen Mannes Gehirnvorstellungen, die sich in das Traumhafte verloren und im Transzendentalen schwelgten, wie seine Schriften in oft unnachahmlicher Weise dartun, hätten – so würde man folgern – in der an sich traumhaften und transzendentalen Kunst der Töne erst recht die geeignete Sprache und Wirkung finden müssen. Die Schleier der Mystik, das innere Klingen der Natur, die Schauer des Übernatürlichen, die dämmerigen Unbestimmtheiten |
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der vorige und doch immer mit einer Morgenröte. –
Da wird der Gesetzgeber unwillig und verweist
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„Notation“ („Scription“) bringt mich auf Transcrip-
der schlafwachenden Bilder – Alles, was er mit dem präcisen
Wort schon so eindrucksvoll schilderte, das hätte er – man sollte denken – durch die Musik erst völlig lebendig erstehen lassen. Man vergleiche dagegen Hoffmann’s bestes musikalisches Werk mit der schwächsten seiner literarischen Produktionen und man wird mit Trauer wahrnehmen, wie ein übernommenes System von Taktarten, Perioden und Tonarten – zu dem noch der land- läufige Opernstyl der Zeit das Seinige tut – aus dem Dichter einen Philister machen konnte. – Wie aber ein anderes Ideal der Musik ihm vorschwebte, entnehmen wir aus vielen und oft aus- gezeichneten Bemerkungen des Schriftstellers selbst. |
der vorige und doch immer mit einer Morgenröte. – Große Künstler spielen ihre eigenen Werke immer wieder verschieden, gestalten sie im Augenblicke um, beschleunigen und halten zurück – wie sie es nicht in Zeichen umsetzen konnten –, und immer nach den gegebenen Verhältnissen jener „ewigen Harmonie“. Da wird der Gesetzgeber unwillig und verweist den Schöpfer auf dessen eigene Zeichen. So, wie es heute steht, behält der Gesetzgeber recht. * * *
„Notation“ („Skription“) bringt mich auf Transkription: gegenwärtig ein recht missverstandener, fast schimpflicher Begriff. Die häufige Opposition, die ich mit „Transkriptionen“ erregte, und die Opposition, die oft unvernünftige Kritik in mir hervorrief, veranlassten mich zum Versuch, über diesen Punkt Klarheit zu gewinnen. Was ich endgültig darüber denke, ist: Jede Notation ist schon Transkription eines abstrakten Einfalls. Mit dem Augenblick, da die Feder sich seiner bemächtigt, verliert der Gedanke seine Originalgestalt. Die Absicht, den Einfall aufzuschreiben, bedingt schon die Wahl von Taktart und Tonart. Form und Klangmittel, für welche der Komponist sich entscheiden muss, bestimmen mehr und mehr den Weg und die Grenzen.
der schlafwachenden Bilder – alles, was er mit dem präzisen
Wort schon so eindrucksvoll schilderte, das hätte er – man
sollte denken – durch die Musik erst völlig lebendig erstehen
lassen. Man vergleiche dagegen Hoffmanns bestes musikalisches
Werk mit der schwächsten seiner literarischen Produktionen, und
man wird mit Trauer wahrnehmen, wie ein übernommenes System
von Taktarten, Perioden und Tonarten – zu dem noch der landläufige Opernstil der Zeit das Seinige tut – aus dem Dichter
einen Philister machen konnte. – Wie aber ein anderes Ideal der
Musik ihm vorschwebte, entnehmen wir aus vielen und oft ausgezeichneten Bemerkungen des Schriftstellers selbst.
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Es ist ähnlich wie mit dem Menschen. Nackt
Auch der Vortrag eines Werkes ist eine Transcrip- – Denn das musikalische Kunstwerk besteht, vor
Im Übrigen muten die meisten Klavier-Kompo- * * *
Merkwürdigerweise steht bei den „Buchstaben-
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Es ist ähnlich wie mit dem Menschen. Nackt und mit noch unbestimmbaren Neigungen geboren, entschließt er sich, oder wird er in einem gegebenen Augenblick zum Entschluss getrieben, eine Laufbahn zu wählen. Mag auch vom Einfall oder vom Menschen manches Originale, das unverwüstlich ist, weiter bestehen: sie sind doch von dem Augenblick des Entschlusses an zum Typus einer Klasse herabgedrückt. Der Einfall wird zu einer Sonate oder einem Konzert; der Mensch zum Soldaten oder Priester. Das ist ein Arrangement des Originals. Von dieser ersten zu einer zweiten Transkription ist der Schritt verhältnismäßig kurz und unwichtig. Doch wird im Allgemeinen nur von der zweiten Aufhebens gemacht. Dabei übersieht man, dass eine Transkription die Originalfassung nicht zerstört, also ein Verlust dieser durch jene nicht entsteht. – Auch der Vortrag eines Werkes ist eine Transkription, und auch dieser kann – er mag noch so frei sich gebärden – niemals das Original aus der Welt schaffen. – Denn das musikalische Kunstwerk besteht, vor seinem Ertönen und nachdem es vorübergeklungen, ganz und unversehrt da. Es ist zugleich in und außer der Zeit, und sein Wesen ist es, das uns eine greifbare Vorstellung des sonst ungreifbaren Begriffes von der Idealität der Zeit geben kann. Im Übrigen muten die meisten Klavierkompositionen Beethovens wie Transkriptionen vom Orchester an; die meisten Schumann’schen Orchesterwerke wie Übertragungen vom Klavier – und sind’s in gewisser Weise auch. – * * *
Merkwürdigerweise steht bei den „Buchstabentreuen“ die Variationenform in großem Ansehen. |
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Das ist seltsam, weil die Variationenform – wenn sie
So gilt die Bearbeitung nicht, weil sie an dem
* * *
„Musikalisch“ ist ein Begriff der den Deutschen
„Meine Verse sind zu musikalisch, als daß sie noch
„
Spirits moving musically
To a lutes well-tuned law. “
(„Geister schwebten musikalisch
zu der Laute wohlgestimmtem Satz“) *
Die einzige Art Menschen, die man musikalisch nennen
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Das ist seltsam, weil die Variationenform – wenn sie über ein fremdes Thema aufgebaut ist – eine ganze Reihe von Bearbeitungen gibt, und zwar umso respektloser, je geistreicherer Art sie sind. So gilt die Bearbeitung nicht, weil sie an dem Original ändert; und es gilt die Veränderung, obwohl sie das Original bearbeitet. * * *
„Musikalisch“ ist ein Begriff, der den Deutschen angehört, und die Anwendung des Wortes selbst findet sich in dieser Sinn-Übertragung in keiner anderen Sprache. Es ist ein Begriff, der den Deutschen angehört und nicht der allgemeinen Kultur, und seine Bezeichnung ist falsch und unübersetzbar. „Musikalisch“ ist von Musik hergeleitet, wie „poetisch“ von Poesie und „physikalisch“ von Physik. Wenn ich sage: Schubert war einer der musikalischsten Menschen, so ist das dasselbe, als ob ich sagte: Helmholtz war einer der physikalischsten. Musikalisch ist: was in Rhythmen und Intervallen tönt. Ein Schrank kann „musikalisch“ sein, wenn er ein „Spielwerk“ enthält.1 Im vergleichenden Sinne kann „musikalisch“ allenfalls noch wohllautend bedeuten. „Meine Verse sind zu musikalisch, als dass sie noch in Musik gesetzt werden könnten“, sagte mir einmal ein bekannter Dichter. „
Spirits moving musically
To a lutes well-tuned law. “
(„Geister schwebten musikalisch
zu der Laute wohlgestimmtem Satz“) 1.
Die einzige Art Menschen, die man musikalisch nennen sollte, wären die Sänger; weil sie selbst erklingen können. In derselben Weise könnte ein Clown, der durch einen Trick Töne von sich gibt, sobald man ihn berührt, ein nachgemachter musikalischer Mensch heißen. |
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schreibt E. A. Poe; endlich spricht man ganz richtig
In der angewandten und fast ausschliesslich ge- Bei dem großen Gewicht, das man auf diese Be- Man ist so weit gegangen, ein Musikstück selbst
In einem Lande wie Italien, wo der Sinn für
*
„Diese Kompositionen sind aber so musikalisch“ sagte
„Mein Hund ist sehr musikalisch“ habe ich allen Ernstes
Ein Schicksal, das auch mich betroffen hat. |
schreibt E. A. Poe; endlich spricht man ganz richtig von einem „musikalischen Lachen“, weil es wie Musik klingt. In der angewandten und fast ausschließlich gebrauchten deutschen Bedeutung ist ein musikalischer Mensch ein solcher, der dadurch Sinn für Musik bekundet, dass er das Technische dieser Kunst wohl unterscheidet und empfindet. Unter Technischem verstehe ich hier wieder den Rhythmus, die Harmonie, die Intonation, die Stimmführung und die Thematik. Je mehr Feinheiten er darin zu hören oder wiederzugeben versteht, für umso musikalischer wird er gehalten. Bei dem großen Gewicht, das man auf diese Bestandteile der Tonkunst legt, ist selbstverständlich das „Musikalische“ von höchster Bedeutung geworden. – Demnach müsste ein Künstler, der technisch vollkommen spielt, für den meist musikalischen Spieler gelten; weil man aber mit „Technik“ nur die mechanische Beherrschung des Instruments meint, so hat man „technisch“ und „musikalisch“ zu Gegensätzen gemacht. Man ist so weit gegangen, ein Musikstück selbst als „musikalisch“ zu bezeichnen,1 oder gar von einem großen Komponisten wie Berlioz zu behaupten, er wäre es nicht in genügendem Maße.2 „Unmusikalisch“ ist der stärkste Tadel; er kennzeichnet den damit Betroffenen und macht ihn zum Geächteten.3 In einem Lande wie Italien, wo der Sinn für musikalische Freuden allgemein ist, wird diese Unterscheidung überflüssig, und das Wort dafür ist in der 1.
„Diese Kompositionen sind aber so musikalisch“, sagte mir einmal ein Geiger von einem vierhändigen Werkchen, das ich zu unbedeutend fand. 2.„Mein Hund ist sehr musikalisch“, habe ich allen Ernstes sagen gehört. Sollte der Hund über Berlioz gestellt werden? 3.Ein Schicksal, das auch mich betroffen hat. |
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Sprache nicht vorhanden. In Frankreich, wo die Em[p]- Tausend Hände halten das schwebende Kind und
* * *
Der Schaffende soll kein überliefertes Gesetz auf
Die Aufgabe des Schaffenden besteht darin, Gesetze
Die Schaffenskraft ist um so erkennbarer, je unab- Der echte Schaffende erstrebt im Grunde nur die
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Sprache nicht vorhanden. In Frankreich, wo die Empfindung für Musik nicht im Volke lebt, gibt es Musiker und Nichtmusiker. Von den Übrigen einige „aiment beaucoup la musique“, oder „ils ne l’aiment pas“. Nur in Deutschland macht man eine Ehrensache daraus, „musikalisch“ zu sein, das heißt nicht nur Liebe zur Musik zu empfinden, sondern hauptsächlich sie in ihren technischen Ausdrucksmitteln zu verstehen und deren Gesetze einzuhalten. Tausend Hände halten das schwebende Kind und bewachen wohlmeinend seine Schritte, dass es nicht auffliege und so vor einem ernstlichen Fall bewahrt bleibe. Aber es ist noch so jung und ist ewig; die Zeit seiner Freiheit wird kommen. Wenn es aufhören wird, „musikalisch“ zu sein. * * *
Der Schaffende soll kein überliefertes Gesetz auf Treu und Glauben hinnehmen und sein eigenes Schaffen jenem gegenüber von vornherein als Ausnahme betrachten. Er müsste für seinen eigenen Fall ein entsprechendes eigenes Gesetz suchen, formen und es, nach der ersten vollkommenen Anwendung, wieder zerstören, um nicht selbst bei einem nächsten Werke in Wiederholungen zu verfallen. Die Aufgabe des Schaffenden besteht darin, Gesetze aufzustellen, und nicht, Gesetzen zu folgen. Wer gegebenen Gesetzen folgt, hört auf, ein Schaffender zu sein. Die Schaffenskraft ist umso erkennbarer, je unabhängiger sie von Überlieferungen sich zu machen vermag. Aber die Absichtlichkeit im Umgehen der Gesetze kann nicht Schaffenskraft vortäuschen, noch weniger erzeugen. Der echte Schaffende erstrebt im Grunde nur die Vollendung. Und indem er diese mit seiner In- |
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dividualität in Einklang bringt, entsteht absichtslos ein
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So eng geworden ist unser Tonkreis, so stereotyp
* * *
Was in unserer heutigen Tonkunst ihrem Urwesen
* * *
„Zeichen“ sind es auch, und nichts anderes, was
*
Eine solche Spielerei unternahm ich einmal mit einem
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dividualität in Einklang bringt, entsteht absichtslos ein neues Gesetz. * * *
So eng geworden ist unser Tonkreis, so stereotyp seine Ausdrucksform, dass es zur Zeit nicht ein bekanntes Motiv gibt, auf das nicht ein anderes bekanntes Motiv passte, so dass es zu gleicher Zeit mit dem ersten gespielt werden könnte. Um nicht mich hier in Spielereien zu verlieren,1 enthalte ich mich jedes Beispiels. * * *
Was in unserer heutigen Tonkunst ihrem Urwesen am nächsten rückt, sind die Pause und die Fermate. Große Vortragskünstler, Improvisatoren, wissen auch dieses Ausdruckswerkzeug im höheren und ausgiebigeren Maße zu verwerten. Die spannende Stille zwischen zwei Sätzen, in dieser Umgebung selbst Musik, lässt weiter ahnen, als der bestimmtere, aber deshalb weniger dehnbare Laut vermag. * * *
„Zeichen“ sind es auch, und nichts anderes, was wir heute unser „Tonsystem“ nennen. Ein ingeniöser Behelf, etwas von jener ewigen Harmonie festzuhalten; eine kümmerliche Taschenausgabe jenes enzyklopädischen Werkes; künstliches Licht anstatt Sonne. – 1.
Eine solche Spielerei unternahm ich einmal mit einem Freunde, um scherzeshalber festzustellen, wie viele von den verbreiteten Musikstücken nach dem Schema des zweiten Themas im Adagio der IX. Symphonie gebildet waren. In wenigen Augen blicken hatten wir an fünfzehn Analogien der verschiedensten Gattung beisammen, darunter welche niederster Kunst. Und Beethoven selbst. Ist das Thema des Finales der „fünften“ ein anderes als jenes, womit die „zweite“ ihr Allegro ansagt? Und als das Hauptmotiv des III. Klavierkonzerts, diesmal in Moll? – |
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Habt ihr bemerkt, wie die Menschen über die glänzende
Und auch hier sind die Zeichen bedeutsamer ge- Wie wichtig ist doch die „Terz“, die „Quinte“
Wir haben die Octave in zwölf gleich von ein- Und innerhalb dieser zwölfteiligen Octave haben
*
„Die gleichschwebende 12stufige Temperatur, welche be-
reits seit ca. 1500 theoretisch erörtert, aber erst kurz vor 1700 principiell aufgestellt wurde (durch Andreas Werkmeister) teilt die Octave in zwölf gleiche Teile (Halbtöne, daher „Zwölfhalbtonsystem“) und gewinnt damit Mittelwerte, welche kein Intervall wirklich rein, aber alle leidlich brauchbar intonieren.“ (Riemann, Musiklexikon) So haben wir durch Andreas Werkmeister, diesem Werk- |
Habt ihr bemerkt, wie die Menschen über die glänzende Beleuchtung eines Saales den Mund aufsperren? Sie tun es niemals über den millionenmal stärkeren Mittagssonnenschein. – Und auch hier sind die Zeichen bedeutsamer geworden als das, was sie bedeuten sollen und nur andeuten können. Wie wichtig ist doch die „Terz“, die „Quinte“ und die „Oktave“. Wie streng unterscheiden wir „Konsonanzen“ und „Dissonanzen“ – da, wo es überhaupt Dissonanzen nicht geben kann! Wir haben die Oktave in zwölf gleich voneinander entfernte Stufen abgeteilt, weil wir uns irgendwie behelfen mussten, und haben unsere Instrumente so eingerichtet, dass wir niemals darüber oder darunter oder dazwischen gelangen können. Namentlich die Tasteninstrumente haben unser Ohr gründlich eingeschult, so dass wir nicht mehr fähig sind, Anderes zu hören; – als nur im Sinne der Unreinheit. Und die Natur schuf eine unendliche Abstufung – unendlich! Wer weiß es heute noch?1 Und innerhalb dieser zwölfteiligen Oktave haben wir noch eine Folge bestimmter Abstände abgesteckt, 1.
„Die gleichschwebende 12stufige Temperatur, welche bereits seit ca. 1500 theoretisch erörtert, aber erst kurz vor 1700
prinzipiell aufgestellt wurde (durch Andreas Werkmeister), teilt die
Oktave in zwölf gleiche Teile (Halbtöne, daher ‚Zwölfhalbtonsystem‘)
und gewinnt damit Mittelwerte, welche kein Intervall wirklich
rein, aber alle leidlich brauchbar intonieren.“
(Riemann, Musiklexikon)
So haben wir durch Andreas Werkmeister, diesem Werkmeister in der Kunst, das „Zwölfhalbtonsystem“ mit lauter unreinen, aber leidlich brauchbaren Intervallen gewonnen. Was ist aber rein und was unrein? Unser Ohr hört ein verstimmtes Klavier, bei welchem vielleicht „reine und unbrauchbare“ Intervalle entstanden sind, als unrein an. Das diplomatische Zwölfer-System ist ein notgedrungener Behelf, und doch wachen wir über die Wahrung seiner Unvollkommenheiten. |
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sieben an der Zahl, und darauf unsere ganze Ton- * * *
Wir lehren vierundzwanzig Tonarten, zwölfmal die
Liederkomponisten geben ihre eigenen Werke nicht
Wenn ein bekanntes Gesicht aus dem Fenster sieht,
Könnte man eine Gegend, soweit das Auge reicht,
*
Man nennt es „Harmonielehre“. |
sieben an der Zahl, und darauf unsere ganze Tonkunst gestellt. Was sagte ich, eine Folge? Zwei solche Folgen, für jeden Fuß eine, die Dur- und Moll-Skala. Wenn wir dieselbe Folge von Abständen von einer anderen der 12 Zwischenstufen aus ansetzen, so gibt es eine neue Tonart, und sogar eine fremde! Was für ein gewaltsam beschränktes System diese erste Verworrenheit ergab,1 steht in den Gesetzbüchern zu lesen: wir wollen es nicht hier wiederholen. * * *
Wir lehren vierundzwanzig Tonarten, zwölfmal die beiden Siebenfolgen, aber wir verfügen in der Tat nur über zwei: die Durtonart und die Molltonart. Die anderen sind nur Transpositionen. Man will durch die einzelnen Transpositionen einen verschiedenen Charakter entstehen hören: aber das ist Täuschung. In England, wo die hohe Stimmung herrscht, werden die bekanntesten Werke um einen halben Ton höher gespielt, als sie notiert sind, ohne dass ihre Wirkung verändert wird. Sänger transponieren zu ihrer Bequemlichkeit ihre Arie und lassen, was dieser vorausgeht und folgt, untransponiert spielen. Liederkomponisten geben ihre eigenen Werke nicht selten in drei verschiedenen Höhen der Notation heraus; die Stücke bleiben in allen drei Ausgaben vollkommen die nämlichen. Wenn ein bekanntes Gesicht aus dem Fenster sieht, so gilt es gleich, ob es vom ersten oder vom dritten Stockwerk herabschaut. Könnte man eine Gegend, so weit das Auge reicht, um mehrere hundert Meter erhöhen oder vertiefen, das 1.
Man nennt es „Harmonielehre“. |
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landschaftliche Bild würde dadurch nichts verlieren,
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Auf die beiden Siebenfolgen, die Dur-Tonart und
Man hat jeder der Beiden einen bestimmten Charak- * * *
Seltsam daß man Dur und Moll als Gegensätze
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landschaftliche Bild würde dadurch nichts verlieren noch gewinnen. * * *
Auf die beiden Siebenfolgen, die Dur-Tonart und die Moll-Tonart, hat man die ganze Tonkunst gestellt – eine Einschränkung fordert die andere. Man hat jeder der beiden einen bestimmten Charakter zugesprochen, man hat gelernt und gelehrt, sie als Gegensätze zu hören, und allmählich haben sie die Bedeutung von Symbolen erreicht – Dur und Moll – Maggiore e Minore – Befriedigung und Unbefriedigung – Freude und Trauer – Licht und Schatten. Die harmonischen Symbole haben den Ausdruck der Musik, von Bach bis Wagner und weiter noch bis heute und übermorgen, abgezäunt. Moll wird in derselben Absicht gebraucht und übt dieselbe Wirkung auf uns aus, heute wie vor zweihundert Jahren. Einen Trauermarsch kann man heute nicht mehr „komponieren“, denn er ist einmal für alle schon vorhanden. Selbst der ungebildetste Laie weiß, was ihn erwartet, sobald ein Trauermarsch – irgendwelcher! – ertönen soll. Selbst der Laie fühlt den Unterschied zwischen einer Dur- und einer Moll-Sinfonie voraus. Wir werden von Dur und Moll beherrscht; wir stehen unter zwei Pantoffeln. * * *
Seltsam, dass man Dur und Moll als Gegensätze empfindet. Tragen sie doch beide dasselbe Gesicht; jeweilig heiterer und ernster; und ein kleiner Pinselstrich genügt, eines in das andere zu kehren. Der Übergang vom einen zum zweiten ist unmerklich und mühelos – geschieht er oft und rasch, so beginnen die beiden unerkenntlich ineinander zu flimmern. – Erkennen wir aber, dass Dur und Moll ein doppel- |
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deutiges Ganzes, und daß die „vierundzwanzig
* * *
Einheit der Tonart. – Sie meinen wohl „Tonart“ und „Tonarten“
Nein, nicht das kann ich meinen. Denn unser
* * *
So sehr die Anhänglichkeit an Gewohntem und
Deshalb erregt der „Reformator“ Aergernis bei den
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deutiges Ganzes und dass die „vierundzwanzig Tonarten“ nur eine elfmalige Transposition jener ersten zwei sind, so gelangen wir ungezwungen zum Bewusstsein der Einheit unseres Tonartensystems. Die Begriffe von verwandt und fremd fallen ab – und damit die ganze verwickelte Theorie von Graden und Verhältnissen. Wir haben eine einzige Tonart. Aber sie ist sehr dürftiger Art. * * *
„Einheit der Tonart.“ – „Sie meinen wohl, ‚Tonart‘ und ‚Tonarten‘ sind der Sonnenstrahl und seine Zerlegung in Farben?“ Nein, nicht das kann ich meinen. Denn unser ganzes Ton-, Tonart- und Tonartensystem ist in seiner Gesamtheit selbst nur der Teil eines Bruchteils eines zerlegten Strahls jener Sonne „Musik“ am Himmel der „ewigen Harmonie.“ * * *
So sehr die Anhänglichkeit an Gewohntes und Trägheit in des Menschen Weise und Wesen liegen – so sehr sind Energie und Opposition gegen Bestehendes die Eigenschaften alles Lebendigen. Die Natur hat ihre Kniffe und überführt die Menschen, die gegen Fortschritt und Änderungen widerspenstigen Menschen; die Natur schreitet beständig fort und ändert unablässig, aber in so gleichmäßiger und unwahrnehmbarer Bewegung, dass die Menschen nur Stillstand sehen. Erst der weitere Rückblick zeigt ihnen das Überraschende, dass sie die Getäuschten waren. Deshalb erregt der „Reformator“ Ärgernis bei den Menschen aller Zeiten, weil seine Änderungen zu unvermittelt und vor allem weil sie wahrnehmbar sind. Der Reformator ist – im Vergleich zur Natur – un- |
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diplomatisch und es ist ganz folgerichtig, daß seine
* * *
Daß schon Einige empfunden haben, wie die
Ich habe den Versuch gemacht, alle Möglichkeiten
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diplomatisch, und es ist ganz folgerichtig, dass seine Änderungen erst dann Gültigkeit erlangen, wenn die Zeit den eigenmächtig vollführten Sprung wieder auf ihre feine, unmerkliche Weise eingeholt hat. Doch gibt es Fälle, wo der Reformator mit der Zeit gleichen Schritt ging, indessen die Übrigen zurückblieben. Und da muss man sie zwingen und dazu peitschen, den Sprung über die versäumte Strecke zu springen. Ich glaube, dass die Dur- und Moll-Tonart und ihr Transpositionsverhältnis, dass das „Zwölfhalbtonsystem“ einen solchen Fall von Zurückgebliebenheit darstellt. * * *
Dass schon einige empfunden haben, wie die Intervalle der Siebenfolge noch anders geordnet (graduiert) werden können, ist aus vereinzelten Momenten bei Liszt, neuerdings bei Debussy und seinen Gefährten, selbst bei R. Strauss zur Erscheinung gekommen. Der Drang und die Sehnsucht und der begabte Instinkt sprechen daraus. Doch scheint’s mir nicht, dass eine bewusste und geordnete Vorstellung dieser erhöhten Ausdrucksmittel in ihnen sich geformt habe. Ich habe den Versuch gemacht, alle Möglichkeiten
der Abstufung der Siebenfolge zu gewinnen, und es
gelang mir, durch Erniedrigung und Erhöhung der
Intervalle 113 verschiedene Skalen festzustellen.
Diese 113 Skalen (innerhalb der Oktave C–C) begreifen den größten Teil der bekannten „24 Tonarten“,
außerdem aber eine Reihe neuer Tonarten von eigenartigem Charakter. Damit ist aber der Schatz nicht
erschöpft, denn die „Transposition“ jeder einzelnen
dieser 113 steht uns ebenfalls noch offen, und überdies
die Vermischung zweier solcher Tonarten in Harmonie
und Melodie.
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Die Skala c
des
es
fes
ges
as
b
c klingt schon
Wohin aber würde ein Gesetzgeber die Tonfolgen
Welche Reichtümer sich damit für den melodischen
* * *
Mit dieser Darstellung dürfte die Einheit aller Ton- * * *
Der heutigen Harmonie und nicht mehr auf
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Die Skala c des es fes ges as b c klingt schon bedeutend anders als die des-Moll-Tonleiter wenn man c als ihren Grundton annimmt. Legt man ihr noch den gewöhnlichen C-Dur-Dreiklang als Harmonie unter, so ergibt sich eine neue harmonische Empfindung. Man höre aber dieselbe Tonleiter abwechselnd vom a-Moll-, Es-Dur- und C-Dur-Dreiklang gestützt, und man wird sich der angenehmsten Überraschung über den fremdartigen Wohllaut nicht erwehren können. Wohin aber würde ein Gesetzgeber die Tonfolgen c des es fes g a h c // c des es f ges a h c // c d es fes ges a h c // c des e f ges a b c // oder gar: c d es fes g ais h c // c d es fes gis a h c // c des es fis gis a b c einreihen mögen? Welche Reichtümer sich damit für den melodischen und harmonischen Ausdruck dem Ohre öffnen, ist nicht sogleich zu übersehen; eine Menge neuer Möglichkeiten ist aber zweifellos anzunehmen und auf den ersten Blick erkennbar. * * *
Mit dieser Darstellung dürfte die Einheit aller Tonarten endgültig ausgesprochen und begründet sein. Kaleidoskopisches Durcheinanderschütteln von zwölf Halbtönen in der Drei-Spiegel-Kammer des Geschmacks, der Empfindung und der Intention: das Wesen der heutigen Harmonie. * * *
Der heutigen Harmonie und nicht mehr auf lange: denn alles verkündet eine Umwälzung und einen nächsten Schritt zu jener „ewigen“. Vergegenwärtigen wir uns noch einmal, dass in ihr die Abstufung der Oktave unendlich ist, und trachten wir, der Unendlichkeit um ein Weniges uns zu nähern. Der Drittelton |
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pocht schon seit einiger Zeit an die Pforte, und wir
Es ist aber kein Grund ersichtlich, seinetwegen
Somit ist eigentlich ein Sechsteltonsystem ent- Um es zusammen zufaßen: Wir stellen entweder
Nennen wir, um sie irgendwie zu unterscheiden,
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pocht schon seit einiger Zeit an die Pforte, und wir überhören noch immer seine Meldung. Wer, wie ich es getan, damit, wenn auch bescheiden, experimentierte und – sei es mit der Kehle oder auf einer Geige – zwischen einem Ganzton zwei gleichmäßig abstehende Zwischentöne einschaltete, das Ohr und das Treffen übte, der wird zur Einsicht gelangt sein, dass Dritteltöne vollkommen selbständige Intervalle von ausgeprägtem Charakter sind, die mit verstimmten Halbtönen nicht zu verwechseln sind. Es ist eine verfeinerte Chromatik, die uns vorläufig auf der ganztönigen Skala zu basieren scheint. Führten wir dieselbe unvermittelt ein, so verleugneten wir die Halbtöne, verlören die „kleine Terz“ und die „reine Quinte“, und dieser Verlust würde stärker empfunden als der relative Gewinn eines „18-Drittelton-Systems“. Es ist aber kein Grund ersichtlich, seinetwegen mit den Halbtönen aufzuräumen. Behalten wir zu jedem Ganzton einen Halbton, so erhalten wir eine zweite Reihe von Ganztönen, die um einen halben Ton höher steht als die erste. Teilen wir diese zweite Reihe von Ganztönen in Drittelteilen ein, dann ergibt sich zu jedem Drittelton der unteren Reihe ein entsprechender Halbton in der oberen. Somit ist eigentlich ein Sechsteltonsystem entstanden, und dass auch Sechsteltöne einstmals reden werden, darauf können wir vertrauen. Das Tonsystem, das ich eben entwerfe, soll aber vorerst das Gehör mit Dritteltönen füllen, ohne auf die Halbtöne zu verzichten. Um es zusammenzufassen: Wir stellen entweder zwei Reihen Dritteltöne, voneinander um einen halben Ton entfernt, auf; oder: dreimal die übliche 12-Halbton-Reihe im Abstande von je einem drittel Ton. Nennen wir, um sie irgendwie zu unterscheiden, den ersten Ton C und die beiden nächsten Dritteltöne Cis und Des; den ersten Halbton (klein-)c und seine |
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folgenden Drittteile cis und des; – die untenstehende
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Der erste Ausweg zu einer Notation wäre: 6 Linien
Sodann die Dritteltöne mit ♭ und ♯ zu bezeichnen:
u. s. w.
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Die Frage der Notation halte ich für nebensächlich.
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folgenden Drittteile cis und des; – die untenstehende Tabelle erklärt alles Fehlende. * * *
Der erste Ausweg zu einer Notation wäre: sechs Linien zu ziehen und die Linien für die Ganztöne, die Zwischenräume für die Halbtöne zu benützen: Sodann die Dritteltöne mit ♭ und ♯ zu bezeichnen:
usw.
* * *
Die Frage der Notation halte ich für nebensächlich. Wichtig und drohend ist dagegen die Frage, wie und worauf diese Töne zu erzeugen sind. Es trifft sich glücklich, dass ich während der Arbeit an diesem Aufsatz eine direkte und authentische Nachricht aus Amerika erhalte, welche die Frage in einfacher Weise löst. Es ist die Mitteilung von Dr. Thaddeus Cahills |
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Erfindung.*
Dieser Mann hat einen umfangreichen
Nur ein gewissenhaftes und langes Experimentieren,
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„New Music for an old World. Dr. Thaddeus Cahill’s
Über diesen transcendentalen Tonerzeuger berichtet Mr.
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Erfindung.1 Dieser Mann hat einen umfangreichen Apparat konstruiert, welcher es ermöglicht, einen elektrischen Strom in eine genau berechnete, unalterable Anzahl Schwingungen zu verwandeln. Da die Tonhöhe von der Zahl der Schwingungen abhängt und der Apparat auf jede gewünschte Zahl zu „stellen“ ist, so ist durch diesen die unendliche Abstufung der Oktave einfach das Werk eines Hebels, der mit dem Zeiger eines Quadranten korrespondiert. Nur ein gewissenhaftes und langes Experimentieren, eine fortgesetzte Erziehung des Ohres werden dieses ungewohnte Material einer heranwachsenden Generation und der Kunst gefügig machen. * * *
1.
„New Music for an old World. Dr. Thaddeus Cahill’s Dynamophone, an extraordinary electrical Invention for producing scientifically perfect music by Ray Stannard Baker“. Mc. Clure’s Magazine, July 1906. Vol. XXVII, No. 3. – Über diesen transzendentalen Tonerzeuger berichtet Mr.
Baker des Weiteren:
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Welche schöne Hoffnungen und traumhafte Vor-
regeln; die Stärke vom fast unhörbaren Pianissimo bis zur uner-
träglichen Lautmacht zu produzieren. Und weil das Instrument von einer Klaviatur aus gehandhabt wird, bleibt ihm die Fähigkeit bewahrt, der Eigenart eines Künstlers zu folgen.Eine Reihe solcher Klaviaturen von mehreren Spielern ge- spielt, kann zu einem Orchester zusammengestellt werden.Der Bau des Instrumentes ist außerordentlich umfangreich und kostspielig und sein praktischer Wert müßte mit Recht ange- zweifelt werden. Zum Vermittler der Schwingungen zwischen dem elektrischen Strom und der Luft wählte der Erfinder das Telephon-Diaphragma. Durch diesen glücklichen Einfall ist es möglich geworden von einer Zentralstelle aus, nach allen den mit Drähten verbundenen Plätzen, selbst auf große Entfernungen hin, die Klänge des Apparates zu versenden; und gelungene Experimente haben erwiesen, daß auf diesem Wege weder von den Feinheiten noch von der Macht der Töne etwas eingebüßt wird. Der in Verbindung stehende Raum wird zauberhaft mit Klang erfüllt, einem wissenschaftlich vollkommenen, niemals versagenden Klang, unsichtbar, mühelos und unermüdlich. Dem Bericht, dem ich diese Nachrichten entnehme, sind authentische Photographien des Appa- rates beigegeben, welche jeden Zweifel über die Wirklichkeit dieser allerdings fast unglaublichen Schöpfung beseitigen. Der Apparat sieht aus wie ein Maschinenraum. |
Welche schöne Hoffnungen und traumhafte Vorstellungen erwachen für sie! Wer hat nicht schon im Traume „geschwebt“? Und fest geglaubt, dass er den Traum erlebe? – Nehmen wir es uns doch vor, die Musik ihrem Urwesen zurückzuführen; befreien wir sie von architektonischen, akustischen und ästhetischen Dogmen; lassen wir sie reine Erfindung und Empfindung sein, in Harmonien, in Formen und Klangfarben (denn Erfindung und Empfindung sind nicht allein ein Vorrecht der Melodie); lassen wir sie der Linie des Regenbogens folgen und mit den Wolken um die Wette Sonnenstrahlen brechen; sie sei nichts anderes als die Natur, in der menschlichen Seele abgespiegelt und von ihr wieder zurückgestrahlt; ist sie doch tönende Luft und über die Luft hinausreichend; im Menschen selbst ebenso
regeln; die Stärke vom fast unhörbaren Pianissimo bis zur unerträglichen Lautmacht zu produzieren. Und weil das Instrument
von einer Klaviatur aus gehandhabt wird, bleibt ihm die Fähigkeit
bewahrt, der Eigenart eines Künstlers zu folgen.Eine Reihe solcher Klaviaturen, von mehreren Spielern gespielt, kann zu einem Orchester zusammengestellt werden.Der Bau des Instrumentes ist außerordentlich umfangreich
und kostspielig, und sein praktischer Wert müsste mit Recht angezweifelt werden. Zum Vermittler der Schwingungen zwischen
dem elektrischen Strom und der Luft wählte der Erfinder das
Telephon-Diaphragma. Durch diesen glücklichen Einfall ist es
möglich geworden, von einer Zentralstelle aus nach allen den mit
Drähten verbundenen Plätzen, selbst auf große Entfernungen hin,
die Klänge des Apparates zu versenden; und gelungene Experimente
haben erwiesen, dass auf diesem Wege weder von den Feinheiten
noch von der Macht der Töne etwas eingebüßt wird. Der in
Verbindung stehende Raum wird zauberhaft mit Klang erfüllt,
einem wissenschaftlich vollkommenen, niemals versagenden Klang,
unsichtbar, mühelos und unermüdlich. Dem Bericht, dem ich diese
Nachrichten entnehme, sind authentische Photographien des Apparates beigegeben, welche jeden Zweifel über die Wirklichkeit
dieser allerdings fast unglaublichen Schöpfung beseitigen. Der
Apparat sieht aus wie ein Maschinenraum.
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universell und vollständig wie im Weltenraum; denn
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In seinem Buche „Jenseits von Gut und Böse“
„Gegen die deutsche Musik halte ich mancher- Ein solcher Südländer, nicht der Abkunft,
Ich könnte mir eine Musik denken, deren
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universell und vollständig wie im Weltenraum; denn sie kann sich zusammenballen und auseinanderfließen, ohne an Intensität nachzulassen. * * *
In seinem Buche „Jenseits von Gut und Böse“ spricht Nietzsche: „Gegen die deutsche Musik halte ich mancherlei Vorsicht für geboten. Gesetzt, daß man
Ein solcher Südländer, nicht der Abkunft,
sondern dem Glauben
Ich könnte mir eine Musik denken, deren seltenster Zauber darin bestände, daß sie von |
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34Diplomatic transcription
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Gut und Böse*
nichts mehr wüßte, nur daß
Und Tolstoj läßt einen landschaftlichen Eindruck
„Weder auf dem See, noch an den Bergen,
noch am Himmel eine einzige gerade Linie, eine einzige ungemischte Farbe, ein einziger Ruhepunkt – überall Bewegung, Unregelmäßigkeit, Willkür, Mannigfaltigkeit, unaufhörliches Ineinanderfließen von Schatten und Linien, und in Allem die Ruhe, Weichheit, Harmonie und Notwendigkeit des Schönen.“ Wird diese Musik jemals erreicht? „Nicht alle erreichen das Nirwana; aber Jener,
der von Anfang an begabt, alles kennen lernt was man kennen soll, alles durchlebt, was man durchleben soll, verläßt, was man verlassen soll, entwickelt, was man entwickeln soll, verwirklicht, was man verwirklichen soll, der gelangt zum |
Gut und Böse1 nichts mehr wüßte, nur daß vielleicht irgend ein Schiffer-Heimweh, irgend welche goldne Schatten und zärtliche Schwächen hier und da über sie hinwegliefen: eine Kunst, welche von großer Ferne her die Farben einer untergehenden, fast unverständlich gewordenen moralischen Welt zu sich flüchten sähe, und die gastfreundlich und tief genug zum Empfang solcher späten Flüchtlinge wäre. –“ Und Tolstoj lässt einen landschaftlichen Eindruck zu Musik-Empfindung werden, wenn er in „Luzern“ schreibt: „Weder auf dem See, noch an den Bergen,
noch am Himmel eine einzige gerade Linie, eine
einzige ungemischte Farbe, ein einziger Ruhepunkt
– überall Bewegung, Unregelmäßigkeit, Willkür,
Mannigfaltigkeit, unaufhörliches Ineinanderfließen
von Schatten und Linien, und in Allem die Ruhe,
Weichheit, Harmonie und Notwendigkeit des
Schönen.“
Wird diese Musik jemals erreicht?
„Nicht alle erreichen das Nirwana; aber Jener,
der von Anfang an begabt, alles kennen lernt
was man kennen soll, alles durchlebt, was man
durchleben soll, verläßt, was man verlassen soll,
entwickelt, was man entwickeln soll, verwirklicht,
was man verwirklichen soll, der gelangt zum
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Ist Nirwana das Reich „Jenseits von Gut und
November 1906.
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Wie auf Verabredung schreibt mir dieser Tage
Ich glaube gelesen zu haben, daß Liszt seine Dante-
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Ist Nirwana das Reich „Jenseits von Gut und Böse“, so ist hier ein Weg dahin gewiesen. Bis an die Pforte. Bis an das Gitter, das Menschen und Ewigkeit trennt – oder das sich auftut, das Zeitlich-Gewesene einzulassen. Jenseits der Pforte ertönt Musik. Keine Tonkunst.2 – Vielleicht, dass wir erst selbst die Erde verlassen müssen, um sie zu finden. Doch nur dem Wanderer, welcher der irdischen Fesseln unterwegs sich zu entkleiden gewusst, öffnet sich das Gitter. – November 1906.
1.
Wie auf Verabredung schreibt mir dieser Tage Mr. Vincent d’Indy „.... laissant de côté les contingences et les petitesses de la vie pour regarder constamment vers un idéal qu’on ne pourra jamais atteindre, mais dont il est permis de se rapprocher.“ – 2.Ich glaube gelesen zu haben, dass Liszt seine Dante-Symphonie auf die beiden Sätze „Inferno“ und „Purgatorio“ beschränkte, „weil unsere Tonsprache für die Seligkeiten des Paradieses nicht ausreichte.“ |
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Berliner Musikalien Druckerei G. m. b. H., Charlottenburg. |
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Source
- Provenance
- Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Mus. Hc 405
- Condition
- Das Exemplar ist gut erhalten.
- Extent
- Buchblock mit 36 bedruckten Seiten.
Content
- Copyright
- 1907
Edition
- Editors in charge
- Christian Schaper Ullrich Scheideler
- prepared by
- in collaboration with
- Revision
- April 7, 2017: proposed (transcription and coding done, awaiting proofreading)
Mentioned entities
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