Ferruccio Busoni to Hans Huber arrow_backarrow_forward

Zürich · August 31, 1918

Facsimile
Diplomatic transcription
Reading version
XML
70.

Telepathisches: ich ”sah“ heute Morgen,
im Halbschlaf, das BriefCouvert mit
Ihrer Anschrift auf dem Frühstückstische
liegen ....!

31 Aug.
1918

Lieber u. verehrter Freiherr,
Otiosus cum dignitate.

Es war mir eine persönliche liebe
Genugthuung, dass Sie mir von Ihrem
entscheidenden Schritte Mittheilung
machten, bevor eine Zeitung sie noch
gebracht. – TrotzDem las ich – leider –
bereits im gestrigen Abendblatt (Ihre
Karte ist vorher geschrieben aber
später eingetroffen!) – die “halb-amtliche”
Nachricht, mit gemischten Gefühlen.
– An die Basler Musikschule knüpfen
mich manche Erinnerungen, gemeinsames
Wirken, die herzlichste Sympathie (wie
ich sie nie für ein “Konservatorium”
das Bologneser ausgenommen –
empfand!) – aber dieses Alles verband
sich untrennbar […] at least 3 char: illegible. mit der Figur und
Persönlichkeit ihres „Direktors“. – Auch
wusste ich, dass für mich in der Welt
dort immer ein stiller aber
warmer Empfang meiner bereit stand,
und meine Besuche hätten auch
weiter dem Hause in der Leonhard-
Strasse
×mich zugeführt …

70.
31. Aug. 1918

Lieber und verehrter Freiherr, Otiosus cum dignitate.

Es war mir eine persönliche liebe Genugtuung, dass Sie mir von Ihrem entscheidenden Schritte Mitteilung machten, bevor eine Zeitung sie noch gebracht. – Trotzdem las ich – leider – bereits im gestrigen Abendblatt (Ihre Karte ist vorher geschrieben, aber später eingetroffen!) – die „halb-amtliche“ Nachricht, mit gemischten Gefühlen. – An die Basler Musikschule knüpfen mich manche Erinnerungen, gemeinsames Wirken, die herzlichste Sympathie (wie ich sie nie für ein „Konservatorium“das Bologneser ausgenommen – empfand!) –, aber dieses alles verband sich untrennbar mit der Figur und Persönlichkeit ihres „Direktors“. – Auch wusste ich, dass für mich in der Welt dort immer ein stiller, aber warmer Empfang meiner bereit stand, und meine Besuche hätten auch weiter dem Hause in der LeonhardStrasse mich zugeführt …

Die Wehmut über das Erlöschen dieser Vertrautheiten wird ausgeglichen durch die Heiterkeit und Zufriedenheit, die aus Ihren Zeilen sprechen. – Ich teile sie von Herzen und sehe dem aufsteigenden Bau von Mors et vita erwartungs- und vertrauensvoll zu – und es soll in dem Werke, wie in seinem Titel, das „Leben“ das letzte Wort behalten!

Es ist nicht unmöglich, dass ich nach Locarno komme. Der Herbst meldet sich merklich, und ich schauere bei der Vorstellung des kommenden vierten Züricher Winters! Auch mich dürfte der Süden zu sich locken, und Ihre Anwesenheit dort wird den etwaigen Entschluss nur stützen. – Vorläufig stecke ich recht wurzelhaft in meiner werdenden Partitur, von der über 1200 Takte bereits vorhanden sind. – Ein zweites Heft der Klavierübung ist im Druck. –

Ich wünsche Ihnen jede Freude und bleibe stets Ihr Sie verehrender Freund

F. Busoni

Die N.Z.Z. meldet, dass die Basler Nachfolgerschaft mit Ihrem Einverständnis ernannt worden.

Telepathisches: ich ”sah“ heute Morgen, im Halbschlaf, das BriefCouvert mit Ihrer Anschrift auf dem Frühstückstische liegen …!

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <note type="numbering" place="top-right" resp="#archive">70.</note> <div xml:id="postscript"> <p>Telepathisches: ich ”sah“ heute Morgen, <lb/>im Halbschlaf, das BriefCouvert mit <lb/>Ihrer Anschrift auf dem Frühstückstische <lb/>liegen <choice><orig>....</orig><reg>…</reg></choice>!</p> </div> <div type="pre-split" xml:id="letter_body"> <opener> <dateline rend="align(right)">31<reg>.</reg> Aug. <lb/>1918</dateline> <salute rend="indent">Lieber <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> verehrter Freiherr, <lb/><foreign xml:lang="la">Otiosus cum dignitate</foreign>.</salute> </opener> <p>Es war mir eine persönliche liebe <lb/>Genugt<orig>h</orig>uung, dass Sie mir von Ihrem <lb/>entscheidenden Schritte Mitt<orig>h</orig>eilung <lb/>machten, bevor eine Zeitung sie noch <lb/>gebracht. – Trotz<choice><orig>D</orig><reg>d</reg></choice>em las ich – leider – <lb/>bereits im gestrigen Abendblatt (Ihre <lb/>Karte ist vorher geschrieben<reg>,</reg> aber <lb/>später eingetroffen!) – die <soCalled rend="dq-uu">halb-amtliche</soCalled> <lb/>Nachricht, mit gemischten Gefühlen. <lb/>– An die <orgName key="E0600020"><placeName key="E0500097">Basler</placeName> Musikschule</orgName> knüpfen <lb/>mich manche Erinnerungen, gemeinsames <lb/>Wirken, die herzlichste Sympathie (wie <lb/>ich sie nie für ein <soCalled rend="dq-uu">Konservatorium</soCalled> – <lb/><rs key="E0600138">das <placeName key="E0500368">Bologneser</placeName></rs> ausgenommen – <lb/>empfand!) –<reg>,</reg> aber dieses <choice><orig>A</orig><reg>a</reg></choice>lles verband <lb/>sich untrennbar <subst><del rend="overwritten"><gap atLeast="3" unit="char" reason="illegible"/></del><add place="across">mit</add></subst> der Figur und <lb/>Persönlichkeit <rs key="E0300125">ihres <soCalled rend="dq-du">Direktors</soCalled></rs>. – Auch <lb/>wusste ich, dass für mich in der Welt <lb/>dort immer ein stiller<reg>,</reg> aber <lb/>warmer Empfang meiner bereit stand, <lb/>und meine Besuche hätten auch <lb/>weiter <rs>dem Hause in der <placeName>Leonhard <lb break="no"/>Strasse</placeName></rs> <metamark function="insertion" target="#add_mich">×</metamark><add xml:id="add_mich" place="above">mich</add> zugeführt …</p> </div></div>
2Facsimile
2Diplomatic transcription
2XML
(2)

Die Wehmuth über das Erlöschen
dieser Vertrautheiten wird ausge-
glichen durch die Heiterkeit und
Zufriedenheit, die aus Ihren Zeilen
sprechen. – Ich theile sie von Herzen
und sehe dem aufsteigenden Bau
von Mors et vita erwartungs und
vertrauensvoll zu – und es soll
in dem Werke, wie in seinem Titel,
das “Leben” das letzte Wort behalten!

Es ist nicht unmöglich, dass ich
nach Locarno komme. Der Herbst
meldet sich merklich, und ich
schauere bei der Vorstellung des
kommenden 4. Züricher Winters!
Auch mich dürfte der Süden zu
sich locken, und Ihre Anwesenheit
dort wird den etwaigen Entschluss
nur stützen. – Vorläufig stecke ich
recht wurzelhaft in meiner wer-
denden Partitur, von der über 1200
Takte bereits vorhanden sind. –
Ein zweites Heft der Clavier Übung
ist im Druck. – Ich wünsche Ihnen jede Freude und bleibe stets Ihr Sie verehrender Freund F. Busoni

Die N.Z.Z. meldet, dass die Basler
Nachfolgerschaft mit Ihrem Einverständnis
ernannt worden.

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><div xml:id="letter_body" type="split"> <note type="foliation" place="top-right" resp="#archive">(2)</note> <p>Die Wehmut<orig>h</orig> über das Erlöschen <lb/>dieser Vertrautheiten wird ausge <lb break="no"/>glichen durch die Heiterkeit und <lb/>Zufriedenheit, die aus Ihren Zeilen <lb/>sprechen. – Ich t<orig>h</orig>eile sie von Herzen <lb/>und sehe dem aufsteigenden Bau <lb/>von <hi rend="underline"><title key="E0400210">Mors et vita</title></hi> erwartungs<reg>-</reg> und <lb/>vertrauensvoll zu – und es soll <lb/>in dem Werke, wie in seinem Titel, <lb/>das <q rend="dq-uu">Leben</q> das letzte Wort behalten!</p> <p rend="indent-first">Es ist nicht unmöglich, dass ich <lb/>nach <placeName key="E0500183">Locarno</placeName> komme. Der Herbst <lb/>meldet sich merklich, und ich <lb/>schauere bei der Vorstellung des <lb/>kommenden <choice><orig>4.</orig><reg>vierten</reg></choice> <placeName key="E0500132">Züricher</placeName> Winters! <lb/>Auch mich dürfte der Süden zu <lb/>sich locken, und Ihre Anwesenheit <lb/>dort wird den etwaigen Entschluss <lb/>nur stützen. – Vorläufig stecke ich <lb/>recht wurzelhaft in meiner wer <lb break="no"/>denden Partitur, von der über 1200 <lb/>Takte bereits vorhanden sind. – <lb/>Ein <rs>zweites Heft</rs> der <title><choice><orig>C</orig><reg>K</reg></choice>lavier<choice><orig> Ü</orig><reg>ü</reg></choice>bung</title> <lb/>ist im Druck. – <seg type="closer" subtype="salute">Ich wünsche Ihnen jede Freude und bleibe stets Ihr <seg rend="indent">Sie verehrender Freund</seg></seg> <seg type="closer" subtype="signed"><persName key="E0300017">F. Busoni</persName></seg></p> <postscript> <p>Die <orgName key="E0600026">N.Z.Z.</orgName> meldet, dass die <placeName key="E0500097">Basler</placeName> <lb/>Nachfolgerschaft mit <hi rend="underline">Ihrem</hi> Einverständnis <lb/><seg rend="align(right)">ernannt worden.</seg></p> </postscript> </div> <listTranspose> <transpose> <ptr target="#letter_body"/> <ptr target="#postscript"/> </transpose> </listTranspose> </div>
3Facsimile
3Diplomatic transcription
3XML
[Rückseite von Textseite 1, vacat]
                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <note type="objdesc" resp="#E0300314">[Rückseite von Textseite 1, vacat]</note> </div>
4Facsimile
4Diplomatic transcription
4XML
[Rückseite von Textseite 2, vacat]
                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <note type="objdesc" resp="#E0300314">[Rückseite von Textseite 2, vacat]</note> </div>

Document

warningStatus: unfinished XML Facsimile Download / Cite

Provenance
Schweiz | Basel | Universitätsbibliothek | NL 30 : 22:A-H:16
Condition
Der Brief ist gut erhalten.
Extent
2 Blatt, 2 beschriebene Seiten
Collation
Nur die Vorderseiten beschrieben.
Hands/Stamps
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.
  • Hand des Archivars, der Nummerierung und Foliierung mit Bleistift vorgenommen hat.

Incipit
Telepathisches: ich „sah“ heute Morgen

Editors in charge
Christian Schaper Ullrich Scheideler
prepared by
in collaboration with
Revision
August 24, 2017: unfinished (currently being prepared (transcription, coding))
Direct context
Preceding Following
Near in this edition
Previous editions
Refardt 1939, S. 39 f.