Ferruccio Busoni to Robert Freund arrow_backarrow_forward

Berlin · prob. January 19, 1901

Facsimile
Diplomatic transcription
Reading version
XML
12

Sehr verehrter Freund. Ich bin seit gestern
Morgen 6 Uhr eigentlich nicht zur Ruhe
gekommen und heute, nach überstandenen
Tag u. Nachtreisen, Probe und Concert in
Dresden, ganz und gar ermüdet. Busoni war am 18.01.1901 – einen Tag nach Etelka Freunds Konzertpremiere in Berlin, die von ihm dirigiert wurde (vgl. Anm. in seinem Brief vom 26.10.1900) – selbst als Klaviersolist für ein Konzert mit der Königlichen Kapelle Dresden unter der Leitung Ernst von Schuchs verpflichtet gewesen. In Anwesenheit des Königs und zahlreicher Mitglieder des Königlichen Hauses spielte er mit „souveräne[r] Meisterschaft“ und großem Erfolg Liszts Klavierkonzert Nr. 2 A-Dur, die Paganini-Variationen von Brahms und als Zugabe u. a. Liszts Polonaise Nr. 2 E-Dur. Busonis „enorme physische Kraft und Ausdauer“ und der Umstand, dass er offenbar selbst die Zugaben noch „ohne eine Spur von Ermüdung durchzuführen vermochte“, wurden von der Kritik im Nachgang ganz explizit lobend hervorgehoben – allerdings dürften dies seine letzten Kraftreserven gewesen sein (Dresdner Zeitung, Kritik vom 20.01.1901; D-B, Mus.Nachl. F. Busoni F, 1 [1900–1902]). Wenn
ich einige der allerdringendsten Briefe u.
Programme abgefasst haben werde, um
welche ich fortwaehrend antelegraphirtMs. Z II 157 a.1
werde, dürfte ich (für heute) für geistige
Ausgaben und Aufnahmen ziemlich
bankrott sein. „Diesenthalben“ wollte
ich Sie bitten Ihren ankegü transcription uncertain. angekündigten
lieben Besuch auf einen beliebigen

Sehr verehrter Freund.

Ich bin seit gestern Morgen 6 Uhr eigentlich nicht zur Ruhe gekommen und heute, nach überstandenen Tag- und Nachtreisen, Probe und Konzert in Dresden, ganz und gar ermüdet. Busoni war am 18.01.1901 – einen Tag nach Etelka Freunds Konzertpremiere in Berlin, die von ihm dirigiert wurde (vgl. Anm. in seinem Brief vom 26.10.1900) – selbst als Klaviersolist für ein Konzert mit der Königlichen Kapelle Dresden unter der Leitung Ernst von Schuchs verpflichtet gewesen. In Anwesenheit des Königs und zahlreicher Mitglieder des Königlichen Hauses spielte er mit „souveräne[r] Meisterschaft“ und großem Erfolg Liszts Klavierkonzert Nr. 2 A-Dur, die Paganini-Variationen von Brahms und als Zugabe u. a. Liszts Polonaise Nr. 2 E-Dur. Busonis „enorme physische Kraft und Ausdauer“ und der Umstand, dass er offenbar selbst die Zugaben noch „ohne eine Spur von Ermüdung durchzuführen vermochte“, wurden von der Kritik im Nachgang ganz explizit lobend hervorgehoben – allerdings dürften dies seine letzten Kraftreserven gewesen sein (Dresdner Zeitung, Kritik vom 20.01.1901; D-B, Mus.Nachl. F. Busoni F, 1 [1900–1902]). Wenn ich einige der allerdringendsten Briefe und Programme abgefasst haben werde, um welche ich fortwährend antelegraphiert werde, dürfte ich (für heute) für geistige Ausgaben und Aufnahmen ziemlich bankrott sein. „Diesenthalben“ wollte ich Sie bitten, Ihren angekündigten lieben Besuch auf einen beliebigen der nächsten Tage verlegen, mich aber auch recht verstehen und insofern entschuldigen zu wollen. Freund verbrachte den Winter 1901/02 mit seiner Frau in Berlin. In Bezug auf persönliche Treffen zwischen Busoni und Freund in dieser Zeit konnte nichts Konkretes ermittelt werden. Es ist aber davon auszugehen, dass diese mehrfach stattgefunden haben. Wodurch den vermeintlichen „Italianismus“ wett gemacht zu haben glaubt,

Ihr herzlichst ergebener, freundlichst grüßender

Ferruccio Busoni

Sonnabend
                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <note type="shelfmark" place="top-right" resp="#archive">12</note> <p type="pre-split"><seg type="opener" subtype="salute">Sehr verehrter Freund.</seg> Ich bin seit <date when-iso="1901-01-18" cert="high">gestern</date> <lb/>Morgen 6 Uhr eigentlich nicht zur Ruhe <lb/>gekommen und <date when-iso="1901-01-19" cert="high">heute</date>, nach überstandenen <lb/>Tag<reg>-</reg> <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> Nachtreisen, Probe und <choice><orig>Conc</orig><reg>Konz</reg></choice>ert in <lb/><placeName key="E0500052">Dresden</placeName>, ganz und gar ermüdet. <note type="commentary" resp="#E0300361"> <persName key="E0300017">Busoni</persName> war am <date when-iso="1901-01-18">18.01.1901</date> – einen Tag nach <persName key="E0300420">Etelka Freunds</persName> Konzertpremiere in <placeName key="E0500029">Berlin</placeName>, die von ihm dirigiert wurde (vgl. Anm. in seinem <ref target="#D0100574" n="2"> Brief vom <date when-iso="1900-10-26">26.10.1900</date></ref>) – selbst als Klaviersolist für ein Konzert mit der <orgName key="E0600119">Königlichen Kapelle</orgName> <placeName key="E0500052">Dresden</placeName> unter der Leitung <persName key="E0300517">Ernst von Schuchs</persName> verpflichtet gewesen. In Anwesenheit des <rs key="E0300518">Königs</rs> und zahlreicher Mitglieder des Königlichen Hauses spielte er mit <q>souveräne[r] Meisterschaft</q> und großem Erfolg <persName key="E0300013">Liszts</persName> <title key="E0400384">Klavierkonzert Nr. 2 A-Dur</title>, die <rs key="E0400168"><persName key="E0300081" type="automated" nymRef="Nicolò Paganini">Paganini</persName>-Variationen</rs> von <persName key="E0300009">Brahms</persName> und als Zugabe u. a. <persName key="E0300013">Liszts</persName> <title key="E0400190">Polonaise Nr. 2 E-Dur</title>. <persName key="E0300017">Busonis</persName> <q>enorme physische Kraft und Ausdauer</q> und der Umstand, dass er offenbar selbst die Zugaben noch <q>ohne eine Spur von Ermüdung durchzuführen vermochte</q>, wurden von der Kritik im Nachgang ganz explizit lobend hervorgehoben – allerdings dürften dies seine letzten Kraftreserven gewesen sein <bibl>(<orgName key="E0600098">Dresdner Zeitung</orgName>, Kritik vom <date when-iso="1901-01-20">20.01.1901</date>; D-B, Mus.Nachl. F. Busoni F, 1 [1900–1902])</bibl>. </note> Wenn <lb/>ich einige der allerdringendsten Briefe <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> <lb/>Programme abgefasst haben werde, um <lb/>welche ich fortw<choice><orig>ae</orig><reg>ä</reg></choice>hrend antelegraphi<reg>e</reg>rt <note type="shelfmark" place="top-left" rend="rotate(-90)" resp="#archive">Ms. Z II 157 a.1</note> <lb/>werde, dürfte ich (für <date when-iso="1901-01-19" cert="high">heute</date>) für geistige <lb/>Ausgaben und Aufnahmen ziemlich <lb/>bankrott sein. <q rend="dq-du">Diesenthalben</q> wollte <lb/>ich Sie bitten<reg>,</reg> Ihre<add place="inline">n</add> <del rend="strikethrough"><unclear cert="medium">ankegü</unclear></del> angekündigten <lb/><seg rend="indent-2">lieben Besuch auf einen beliebigen</seg> </p></div>
2Facsimile
2Diplomatic transcription
2XML

der nächsten Tage verlegen zu wollen,
mich aber auch recht verstehen und
insofern entschuldigen zu wollen. Freund verbrachte den Winter 1901/02 mit seiner Frau in Berlin. In Bezug auf persönliche Treffen zwischen Busoni und Freund in dieser Zeit konnte nichts Konkretes ermittelt werden. Es ist aber davon auszugehen, dass diese mehrfach stattgefunden haben.
Wodurch den vermeintlichen „Italianismus“
wett gemacht zu haben glaubt, Ihr herzlichst
ergebener freundlichst grüßender

Sonnabend.
                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p type="split"> der nächsten Tage verlegen<del rend="strikethrough"> zu wollen</del>, <lb/>mich aber auch recht verstehen und <lb/>insofern entschuldigen zu wollen. <note type="commentary" resp="#E0300361"> <persName key="E0300208">Freund</persName> verbrachte den Winter <date when-iso="1901/1902">1901/02</date> mit <rs key="E0300434">seiner Frau</rs> in <placeName key="E0500029">Berlin</placeName>. In Bezug auf persönliche Treffen zwischen <persName key="E0300017">Busoni</persName> und <persName key="E0300208">Freund</persName> in dieser Zeit konnte nichts Konkretes ermittelt werden. Es ist aber davon auszugehen, dass diese mehrfach stattgefunden haben. </note> <lb/><seg rend="indent">Wodurch den vermeintlichen <soCalled rend="dq-du">Italianismus</soCalled></seg> <lb/>wett gemacht zu haben glaubt, <seg type="closer" subtype="salute">Ihr herzlichst <lb/>ergebener<reg>,</reg> freundlichst grüßender</seg> </p> <closer> <signed> <fw type="sig" place="center" rend="italic large"><persName key="E0300017">Ferruccio Busoni</persName></fw> </signed> <dateline><seg rend="align(right) large"><date when-iso="1901-01-19" cert="high">Sonnabend</date><orig>.</orig></seg></dateline> </closer> </div>
3Facsimile
3Diplomatic transcription
3XML
12
Rohrpost
Berlin W.
19.1.01.10 […] at least 2 char: illegible.
★ 50 [★]
B[erlin] [W.]
19[.1.01].10 […] at least 2 char: illegible.
★ [50 ★]
Be[rlin] [W.]
19.1.01.10 […] at least 2 char: illegible.
★ 50 [★]

10
B[erlin] [W.]
19.1.01.10 […] at least 2 char: illegible.
★ 50 [★]
[Berlin W.]
19.1.01.10 […] at least 2 char: illegible.
★ 5[0 ★]
                                                                <note xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="shelfmark" place="top-left" resp="#archive">12</note>
                                                                <note xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="annotation" place="below" rend="underline" resp="#major_hand">Rohrpost</note>
                                                                <note xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="stamp" place="inline" resp="#post">
                                <stamp xml:id="post_abs" rend="round border majuscule align(center) rotate(90) small">
                                    <placeName key="E0500029">Berlin</placeName> W.
                                    <lb/><date when-iso="1901-01-19">19.1.01</date>.10 <gap reason="illegible" atLeast="2" unit="char"/>
                                    <lb/>★ 50 <supplied reason="low-ink">★</supplied>
                                </stamp>
                            </note>
                                                                <note xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="stamp" place="inline" resp="#post" sameAs="#post_abs">
                                <stamp rend="round border majuscule align(center) rotate(90) small">
                                    <placeName key="E0500029">B<supplied reason="illegible">erlin</supplied></placeName> <supplied reason="illegible">W.</supplied>
                                    <lb/><date when-iso="1901-01-19">19<supplied reason="low-ink">.1.01</supplied></date>.10 <gap reason="illegible" atLeast="2" unit="char"/>
                                    <lb/>★ <supplied reason="low-ink">50 ★</supplied>
                                </stamp>
                            </note>
                                                                <note xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="stamp" place="inline" resp="#post" sameAs="#post_abs">
                                <stamp rend="round border majuscule align(center) rotate(90) small">
                                    <placeName key="E0500029">Be<supplied reason="paper-missing">rlin</supplied></placeName> <supplied reason="paper-missing">W.</supplied>
                                    <lb/><date when-iso="1901-01-19">19.1.01</date>.10 <gap reason="illegible" atLeast="2" unit="char"/>
                                    <lb/>★ 50 <supplied reason="low-ink">★</supplied>
                                </stamp>
                            </note>
                                                                <lb xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0"/>
                                                                <note xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="annotation" place="left" rend="huge" resp="#post_pen">10</note>
                                                                <note xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="stamp" place="right" resp="#post" sameAs="#post_abs">
                                <stamp rend="round border majuscule align(center) rotate(90) small">
                                    <placeName key="E0500029">B<supplied reason="paper-missing">erlin</supplied></placeName> <supplied reason="paper-missing">W.</supplied>
                                    <lb/><date when-iso="1901-01-19">19.1.01</date>.10 <gap reason="illegible" atLeast="2" unit="char"/>
                                    <lb/>★ 50 <supplied reason="low-ink">★</supplied>
                                </stamp>
                            </note>
                                                                
<address xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0"> <addrLine>Herrn <persName key="E0300208">Robert Freund</persName></addrLine> <addrLine><placeName key="E0500558">T<orig>h</orig>iergartenstr. 12</placeName><orig>.</orig></addrLine> <addrLine><seg rend="indent-2"><hi rend="underline"><placeName key="E0500029">Berlin</placeName> W.</hi></seg></addrLine> </address>
<note xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="stamp" place="right" resp="#post" sameAs="#post_abs"> <stamp rend="round border majuscule align(center) rotate(90) small"> <supplied reason="paper-missing"><placeName key="E0500029">Berlin</placeName> W.</supplied> <lb/><date when-iso="1901-01-19">19.1.01</date>.10 <gap reason="illegible" atLeast="2" unit="char"/> <lb/>★ 5<supplied reason="low-ink">0 ★</supplied> </stamp> </note>
4Facsimile
4Diplomatic transcription
4XML
Berlin.W.
19 1 01 […] 1 char: illegible. 10 30 transcription uncertain. […] 1 char: illegible.
[…] at least 3 char: illegible. (R 17 […] at least 1 char: illegible.
                                                                <note xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="stamp" place="bottom-center" resp="#post">
                                <stamp xml:id="post_rec" rend="round border majuscule align(center) rotate(180) small">
                                    <placeName key="E0500029">Berlin</placeName>.W.
                                    <lb/><date when-iso="1901-01-19">19 1 01</date> <gap reason="illegible" extent="1" unit="char"/> 10 <unclear cert="high">30</unclear> <gap reason="illegible" extent="1" unit="char"/>
                                    <lb/><gap reason="illegible" atLeast="3" unit="char"/> (R 17 <gap reason="illegible" atLeast="1" unit="char"/>
                                </stamp>
                            </note>
                                                            

Document

buildStatus: proposed XML Facsimile Download / Cite

Provenance
Schweiz | Zürich | Zentralbibliothek Zürich | Handschriftenabteilung | Nachlass Robert Freund & Etelka Freund | Ms. Z II 157 a.1.12
Condition
Die Briefkarte ist gut erhalten; Umschlag mit Aufriss oben (ohne Textverlust).
Extent
1 Briefkarte, 2 beschriebene Seiten
Hands/Stamps
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen hat
  • Poststempel (schwarze Tinte)
  • vmtl. Hand eines Postangestellten, der mit blauem Buntstift die Zahl
  • 10
  • auf der Umschlagvorderseite vermerkt hat

Summary
Busoni bittet Freund, den für diesen Tag geplanten Besuch auf einen anderen Tag zu verlegen, da ihn Reisen und andere wichtige Geschäfte „ganz und gar ermüdet“ haben.
Incipit
Ich bin seit gestern Morgen 6 Uhr eigentlich nicht zur Ruhe gekommen

Editors in charge
Christian Schaper Ullrich Scheideler
prepared by
Revision
February 28, 2019: proposed (transcription and coding done, awaiting proofreading)
Direct context
Preceding Following
Near in this edition