Ferruccio Busoni to Philipp Jarnach arrow_backarrow_forward

Zürich · May 16, 1920

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16 Mai 1920

L Ph J gestern war ich auf
dem Wege zur Ton-
halle
, als ich mich anders entschloss,
(zu was Ausreden?); – der erste
Beweggrund war jedoch rein exter-
ner Art: ich hatte meine „Einladung“
zu Hause vergessen u. scheute mich,
vor einem mir unbekannten Thür⸗
Personal mich legitimieren zu müssen.
– Der zweite Grund war, dass ich
unterwegs von vorkommenden Lieder⸗
vorträgen erfuhr! Eine Abneigung Busonis gegenüber dem Kunstlied ist mehrfach dokumentiert, auch im Zusammenhang mit Jarnach: Jarnach […] schreibt mir zu viele deutsche Lieder‘, von der bedeutsamen Sorte noch dazu“ (Brief an Volkmar Andreae, 16. Januar 1922, zit. nach Willimann 1994, S. 153 f.). Auch Jarnach wird davon gewusst haben; vgl. den Brief vom 22. Juli 1921 an Busoni: „Vorgestern machte ich ein Lied fertig. Schelten Sie nicht: es ist das erste seit zwei, das dritte seit vier Jahren.“ – Der dritte (und
eigentliche) lag in mir selber: denn
ich bin ungesammelt, präoccupiert,
und mit meinem Denken schon
etwas weg von Zürich. – Trotzdem
und darum, bitte ich Sie meine
gestrige Versaümnis entschuldigen
zu wollen.

16. Mai 1920

L Ph J,

gestern war ich auf dem Wege zur Tonhalle, als ich mich anders entschloss (zu was Ausreden?); – der erste Beweggrund war jedoch rein externer Art: Ich hatte meine „Einladung“ zu Hause vergessen und scheute mich, vor einem mir unbekannten Türpersonal mich legitimieren zu müssen. – Der zweite Grund war, dass ich unterwegs von vorkommenden Liedervorträgen erfuhr! Eine Abneigung Busonis gegenüber dem Kunstlied ist mehrfach dokumentiert, auch im Zusammenhang mit Jarnach: Jarnach […] schreibt mir zu viele deutsche Lieder‘, von der bedeutsamen Sorte noch dazu“ (Brief an Volkmar Andreae, 16. Januar 1922, zit. nach Willimann 1994, S. 153 f.). Auch Jarnach wird davon gewusst haben; vgl. den Brief vom 22. Juli 1921 an Busoni: „Vorgestern machte ich ein Lied fertig. Schelten Sie nicht: es ist das erste seit zwei, das dritte seit vier Jahren.“ – Der dritte (und eigentliche) lag in mir selber: Denn ich bin ungesammelt, präokkupiert und mit meinem Denken schon etwas weg von Zürich. – Trotzdem, und darum, bitte ich Sie, meine gestrige Versäumnis entschuldigen zu wollen.

Ich möchte gerne etwas mehr von Ihnen wissen: Nach etwa drei Wochen rüste ich mich zu einer abermaligen Reise nach London, über Paris; von der ich erst Anfang Juli zurück sein dürfte. Busonis Abreise nach London muss zwischen dem 10. und 15. Juni gelegen haben (vgl. Willimann 1994, S. 125). Reisetag war möglicherweise Sonntag, der 13. Juni (Brief an Jarnach vom 7. Juni 1920: „Bitte, dass ich Sie noch sehe vor Sonntag“). Busoni kehrte erst am 14. Juli nach Zürich zurück (vgl. den Brief an Alicja Simon, 16. Juli 1920, Beaumont 1987, S. 316). Die folgenden beiden Monate werden – wenn nichts Unverhofftes eintritt – die letzten Abschnitte meines Schweizer Epos bilden. Zwei Tage zuvor hatte Busoni gegenüber Gisella Selden-Goth erklärt, Zürich nach seinem nächsten England-Aufenthalt verlassen zu wollen (Brief vom 14. Mai 1920, vgl. Beaumont 1987, S. 308 f.). Die Einladung Leo Kestenbergs, eine Meisterklasse für Komposition in Berlin zu leiten, hatte Busoni schon im Herbst 1919 erhalten; der endgültige Beschluss, diese Stelle anzunehmen, fiel erst Ende Juli oder Anfang August 1920 bei einem Besuch Kestenbergs (vgl. Couling 2005, S. 322). – Bezeichnend: in Finnland beschäftigte ich mich mit finnischen Weisen, Finnländische Volksweisen und Kultaselle. in Amerika mit Motiven der Rothäute, Indianische Fantasie und Indianisches Tagebuch. und letzthin in Paris kam es zu einer Carmen-Bearbeitung – nur in der Schweiz tat ich nichts Schweizerisches.

(Herkunft unbekannt, nicht Gioachino Rossinis Ouvertüre zu Guillaume Tell)

Die schönste Schweizer Symphonie ist mir noch immer die Ouvertüre zu Wilhelm Tell.

Haben Sie das Manifest des neuen Direktors der Berliner HochschuleSchreker – im Berliner Tageblatt gelesen? Da kommen Sätze vor wie: „Schmerz und Sehnen, Glück und Leid“, und es endet mit: „Seid umschlungen, Millionen.“ Ich bemerkte, dieser Aufruf könne nur vierstimmig gesungen wirken. Vgl. den Schlusssatz aus Ludwig van Beethovens 9. Symphonie über Friedrich Schillers Ode An die Freude.

Wie würde ich mich in dieser scheinbar unverbesserlichen Atmosphäre ausnehmen? Wie bitter ärgern! Adieu, douce philosophie; Frz.: Lebe wohl, süße Philosophie. – mit den Hähnen muss man krähen.

Zum Schluss: wie fänden Sie das Wort „Futu-purismus“? Ich prägte es mir, als eigene Étiquette.

Grüßen Sie Frau Barbara, und Sie, Herr Latinus, seien freundschaftlich umarmt.

Ihr F. Busoni

                                                                
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Ich möchte gerne Etwas mehr
von Ihnen wissen: nach etwa drei
Wochen rüste ich mich zu einer
abermaligen Reise nach London, über
Paris; von der ich erst Anfang Juli
zurück sein dürfte. Busonis Abreise nach London muss zwischen dem 10. und 15. Juni gelegen haben (vgl. Willimann 1994, S. 125). Reisetag war möglicherweise Sonntag, der 13. Juni (Brief an Jarnach vom 7. Juni 1920: „Bitte, dass ich Sie noch sehe vor Sonntag“). Busoni kehrte erst am 14. Juli nach Zürich zurück (vgl. den Brief an Alicja Simon, 16. Juli 1920, Beaumont 1987, S. 316). Die folgenden
beiden Monate werden – wenn
nichts Unverhofftes eintritt – zudie
letzten Abschnitte meines Schweizer
Epos sebinlden. Zwei Tage zuvor hatte Busoni gegenüber Gisella Selden-Goth erklärt, Zürich nach seinem nächsten England-Aufenthalt verlassen zu wollen (Brief vom 14. Mai 1920, vgl. Beaumont 1987, S. 308 f.). Die Einladung Leo Kestenbergs, eine Meisterklasse für Komposition in Berlin zu leiten, hatte Busoni schon im Herbst 1919 erhalten; der endgültige Beschluss, diese Stelle anzunehmen, fiel erst Ende Juli oder Anfang August 1920 bei einem Besuch Kestenbergs (vgl. Couling 2005, S. 322). Bei Beaumont 1987 (309) ist der Briefbeginn bis hierhin ohne Kennzeichnung ausgelassen. Bezeichnend: in
Finland beschäftigte ich mich mit
finnischen Weisen, Finnländische Volksweisen und Kultaselle. in America mit
Motiven der Rothhaüte, Indianische Fantasie und Indianisches Tagebuch. und
letzthin in Paris kam es zu
einer Carmenbearbeitung: – nur
in der Schweiz that ich nichts
Schweizerisches.

(Herkunft unbekannt, nicht Gioachino Rossinis Ouvertüre zu Guillaume Tell)

Die schönste Schweizer Symphonie
ist mir noch immer die Ouverture
zu Wilhelm Tell.

                                                                
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Haben Sie das Manifest des
neuen Direktors der Berliner Hochschule
Schreker – im B. T. gelesen?
Da kommen Sätze vor, wie:
„Schmerz u. Sehnen, Glück und Leid“
und es endet mit:
„Seid umschlungen Millionen.“
Ich bemerkte, dieser Aufruf könne
nur vierstimmig gesungen wirken. Vgl. den Schlusssatz aus Ludwig van Beethovens 9. Symphonie über Friedrich Schillers Ode An die Freude.

– Wie würde ich mich in dieser
scheinbar unverbesserlichen Ath-
mosphäre ausnehmen? Wie bitter
ärgern! Adieu, douce philosophie; Frz.: Lebe wohl, süße Philosophie.
mit den Hähnen muss man krähen.

– Zum Schluss: wie fänden Sie das
Wort „Futu=purismus“? Ich
prägte es mir, als eigene Etiquette.

– Grüssen Sie Frau Barbara und
Sie, Herr Latinus, seien
freundschaftlich umarmt.

Ihr F. Busoni

                                                                
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zu Berlin
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Preußischer
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Document

doneStatus: candidate XML Facsimile Download / Cite

Provenance
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | N.Mus.Nachl. 30,59 |

proof Kalliope

Condition
Der Brief ist gut erhalten.
Extent
3 Blatt, 3 beschriebene Seiten
Collation
Nur die Vorderseiten sind beschrieben.
Hands/Stamps
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand Gerda Busonis, die auf der Rückseite mit Bleistift das Datum notiert hat
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen und eine Foliierung vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
Image source
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 123456

Summary
Busoni entschuldigt sein Fernbleiben von einem Konzert in der Tonhalle; kündigt Reise über Paris nach London an, außerdem seine für September geplante Rückkehr nach Berlin, trotz einer dort „scheinbar unverbesserlichen Atmosphäre“; schlägt für sein Komponieren, auf das die Schweiz als Ort seltsam wirkungslos geblieben sei, die Bezeichnung „Futu-purismus“ vor.
Incipit
gestern war ich auf dem Wege zur Tonhalle

Editors in charge
Christian Schaper Ullrich Scheideler
prepared by
Revision
December 22, 2021: candidate (coding checked, proofread)
Direct context
Preceding Following
Near in this edition
Previous editions
Beaumont 1987, S. 309 f.