Ferruccio Busoni an Hugo Leichtentritt arrow_backarrow_forward

Zürich · 31. August 1916

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1916. 31. August?

Mein lieber
u. verehrter Doktor,

ich empfange heute die ge-
druckte Schrift
, die Sie mir
gewidmetenhaben. Busoni war die Biographie von Leichtentritt persönlich zugesandt worden (vgl. Busoni / Breitkopf & Härtel / Hanau 2012, Bd. 2, S. 161). Nochmals
will ich Ihnen dafür danken,
dass Sie daesn kleinen aber
sorfggfältigen Gedenkstein
Ihrem Mit-Musiker gesetzt,
haben u. ihn so der Geschichte
eingereiht haben. – Ich war
des Anblickes froh, als das
Büchlein erschien, und nun
bleibt mir als Aufgabe, durch
weiteres Thun, seinen Inhalt
würdig zu überholen.

Dieses ist zum kleinen Theile
bereits erfolgt, indem ich die * The * Library * of * Congress *

Mein lieber und verehrter Doktor,

ich empfange heute die gedruckte Schrift, die Sie mir widmeten. Busoni war die Biographie von Leichtentritt persönlich zugesandt worden (vgl. Busoni / Breitkopf & Härtel / Hanau 2012, Bd. 2, S. 161). Nochmals will ich Ihnen dafür danken, dass Sie den kleinen, aber sorgfältigen Gedenkstein Ihrem Mit-Musiker gesetzt und ihn so der Geschichte eingereiht haben. – Ich war des Anblickes froh, als das Büchlein erschien, und nun bleibt mir als Aufgabe, durch weiteres Tun seinen Inhalt würdig zu überholen.

Dieses ist zum kleinen Teile bereits erfolgt, indem ich die Ihnen versprochene Studie über „das Urmotiv“ (anknüpfend an Bachs Fantasie und Fuge a-Moll) druckfertig abgesandt habe. Am 14. August an Breitkopf & Härtel. (vgl. Busoni / Breitkopf & Härtel / Hanau 2012, Bd. 2, S. 158). Nehmen Sie die Widmung herzlich auf. Busoni hatte Leichtentritt bereits im Brief vom 9.1.1916 die Widmung angetragen. – Inzwischen ist auch eine „Improvisation“ für zwei Klaviere zustande gekommen, und der „Arlecchino“ war am 8. August beendet worden. Zum alternativen Schlussdatum 7.8.1916 vgl. die Kommentierung zum Brief vom 10.8.1916.

So setzen wir uns über die Vorkommnisse der Außenwelt mit Zähigkeit hinweg, und es gelingt am Schreibtische, in Stunden der Anrufung zuweilen.

Aber die Außenwelt dringt in das Studienzimmer unbarmherzig durch die verschlossene Türe. – Also musste ich den Tod Boccionis im Dienste des Vaterlandes erfahren, und es hat mich durchgewühlt wie Weniges zuvor. Derart, dass ich nicht zu schweigen vermochte über den unerhörten Fall und ich der „Zürcher Zeitung“ ein „Eingesandtes“ schrieb, dessen Veröffentlichung ich täglich erwarte. Boccioni war Ende Juli 1916 eingezogen worden und starb im August durch einen Sturz vom Pferd. In Italien stellte man ihn nachträglich als Kriegshelden dar, anstatt ihn als Künstler zu ehren, was Busoni bestürzte und zum genannten Artikel veranlasste, der am Abend des 31.8.1916 erschien (vgl. Busoni 1916a). – Hat man über Boccionis Tod in Berlin berichtet?

Heute gibt es einen Klavierabend in Luzern. Vgl. die Ankündigung in der Neuen Zürcher Zeitung). (Mein Gott! …)

Seien Sie herzlich und achtungsvoll begrüßt von

Ihrem ergebenen

F.B.

31. August 1916.
                                                                
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Ihnen versprochene Studie
über „das Urmotiv“
(anknüpfend
an Bach’s Fant. & Fuge A moll)
druckfertig abgesandt habe. Am 14. August an Breitkopf & Härtel. (vgl. Busoni / Breitkopf & Härtel / Hanau 2012, Bd. 2, S. 158).
Nehmen Sie die Widmung
herzlich auf. Busoni hatte Leichtentritt bereits im Brief vom 9.1.1916 die Widmung angetragen. – Inzwischen ist
auch eine “Improvisation” für 2
Claviere
zu Stande gekommen,
u. der „Arlecchino“ war am
8. August beendet worden. Zum alternativen Schlussdatum 7.8.1916 vgl. die Kommentierung zum Brief vom 10.8.1916.

So setzen wir uns über
die Vorkommnisse der Aussenwelt
mit Zähigkeit hinweg, und es
gelingt am Schreibtische, in
Stunden der Anrufung zuweilen.

Aber die Aussenwelt dringt
in das Studienzimmer unbarm-
herzig durch die verschlossene
Thüre – – Also musste ich den * The * Library * of * Congress *

                                                                
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* The * Library * of * Congress * Tod Boccioni’s im Dienste
des Vater Landes erfahren, und
es hat mich durchgewühlt
wie Weniges zuvor. Derart,
dass ich nicht zu schweigen
vermöochte über den unerhörten
Fall, und ich der “Z. Z.” ein
„Eingesandtes“ schrieb,
dessen Veröffentlichung ich
täglich erwarte. Boccioni war Ende Juli 1916 eingezogen worden und starb im August durch einen Sturz vom Pferd. In Italien stellte man ihn nachträglich als Kriegshelden dar, anstatt ihn als Künstler zu ehren, was Busoni bestürzte und zum genannten Artikel veranlasste, der am Abend des 31.8.1916 erschien (vgl. Busoni 1916a). – Hat man
über B.’s Tod in Berlin berichtet?

Heute giebt es einen Klavier-
Abend in Luzern. Vgl. die Ankündigung in der Neuen Zürcher Zeitung). (Mein Gott! …)

Seien Sie herzlich und
achtungsvoll begrüsst von

Ihrem ergebenen

F.B.

31. A. 1916.
                                                                
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Überlieferung
USA | Washington, D.C. | Library of Congress | Ferruccio Busoni Papers Additions, 1866–1924 | ML95 .B94
Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
3 Blatt, 3 beschriebene Seiten
Kollation
Nur die Vorderseiten sind beschrieben.
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte).
  • Hand des Archivars, der auf der ersten Seite das Datum mit Bleistift vermerkt hat.

Zusammenfassung
Busoni hat die gedruckte Biographie von Leichtentritt erhalten und dankt; hat Fantasie und Fuge a-Moll, eine Improvisation für zwei Klaviere und Arlecchino fertiggestellt; erwartet den Abdruck seines Artikels zum Tode Umberto Boccionis in der Neuen Zürcher Zeitung; wird am Abend in Luzern spielen.
Incipit
ich empfange heute die gedruckte Schrift

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
25. November 2022: zur Freigabe vorgeschlagen (Auszeichnungen überprüft, korrekturgelesen)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition