| Faksimile | Diplomatische Umschrift | Lesefassung | XML | 
                                                
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               Mus.ep. M. Wegelius 29 (Busoni-Nachl. B II)Mus.Nachl. F. Busoni B II, 5342 Lieber Freund Ferruccio! Wann habe ich Dir zuletzt geschrieben?
               – ich weiss nicht, aber lange ists her.
 Warum? – weiss auch nicht. Ä
 üusseresweiss ich schon Einiges von Dir – so⸗
 gar dass Du wieder Papa bist. Ich
 gratulire Di
 rch und Deine Gerdaherzlichst dazu – gratulire aufrich⸗
 tig. Du fragst vielleicht warum?
 Weil ich diesen Winter Zolas “Fé⸗
 condité” gelesen und einen tiefen,
 bleibenden Eindruck davon habe, ei⸗
 nen Eindruck, den ich kurz so aus⸗
 drücken möchte: man darf in derlei
 Dingen nicht gescheidter sein wollen
 als die Natur. Es freut mich aber
 nicht nur desshalb, sondern auch,[1]
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               Lieber Freund Ferruccio! Wann habe ich Dir zuletzt geschrieben?
                – ich weiß nicht, aber lange ists her.
                Warum? – Weiß auch nicht. Äußeres
                weiß ich schon Einiges von Dir – sogar, dass Du wieder Papa bist. Ich
                gratuliere Dich und Deine Gerda
                herzlichst dazu – gratuliere aufrichtig. Du fragst vielleicht warum?
                Weil ich diesen Winter Zolas „Fécondité“ gelesen und einen tiefen,
                bleibenden Eindruck davon habe, einen Eindruck, den ich kurz so ausdrücken möchte: man darf in derlei
                Dingen nicht gescheiter sein wollen
                als die Natur. Es freut mich aber
                nicht nur deshalb, sondern auch,
               
               
               
               weil ich meine, dass aus solchen Ehen,
                wie die deinige  mit Gerda, kann
                die Geistesaristokratie rekrutiert werden. Drittens freue ich mich darüber, weil ein Kind ein gar gebrechliches Ding ist und wie ein
                Hauch weggeblasen werden kann
                aus der Zahl der Lebenden – da
                sind zwei doch eine Möglichkeit
                mehr. Argumentum de homine
               
               
               
               –
                ich hatte nur eins; Resultat keins. Meine Hand inklusive Feder gebärdet sich heute recht ungeschickt;
                ich habe heute meinen alten
                   Onkel (Papa von Gerda Wendell) zum
                Grabe getragen und habe noch
                eine steife Hand davon. Der Tod
                ist so gewöhnlich, dass er längst
                trivial sein sollte; in jedem einzelnen Fall ist er’s aber nicht. Er
               
               
               
               kommt einem dann immer wenig logisch, wenig natürlich vor – das ist
                eben das merkwürdigste. Dieser Mann
                 war schon 74 Jahre alt, er
                hätte aber noch lange leben können
                – wenigstens 10 Jahre noch, und gesund. Es kam
                aber im Sommer eine bittere Sorge
                (um einen ungeratenen Sohn); seitdem
                kränkelte er und starb am Krebs.  Wir hatten jetzt zwei gute
                Jahre am Institut. Alles harmonisch, solid, ruhig vorwärts gehend.
                Jetzt wird nu der Ekman untreu.
                Es ist recht fatal – wäre er wenigstens ein Jahr noch geblieben, damit
                die armen Schüler nicht wieder
                in’s Ungewisse geworfen werden.
                Aber, seine Frau will ihn nicht
                länger dalassen. Sie hat ja subjektiv ganz  recht. Es hilft
               
               
               
               aber nicht: seine natürliche, richtige, selbstverständliche Position
                wäre hier, wo er von allen geschätzt
                ist, und wo er sich wohl fühlt.
                Urlaub auf ein Jahr – ja, sehr
                gern, wenn es so heißen dürfte,
                aber auch darauf geht er (oder
                wohl richtiger sie)  nicht ein, denn
                es könnte ja gerade dann draußen
                was geben … Also: wie steht’s mit deinem
                Jensen? Wann hast Du ihn zuletzt gehört? Hat er seitdem irgendwo Erfolg als Spieler gehabt?
                Glaubst Du, dass er dem Ekman
                als Spieler ebenbürtig ist? Der
                ist nämlich schon ein anderer
                Kerl als damals in Berlin, und
                Du weißt, dass die Leute hier sich
                nicht so leicht zufrieden geben.
               
               
               
                Was den Leuten hier an Ekman gefällt, ist der virtuose Glanz des Anschlags im Verein mit der vollkommenen Zuverlässigkeit der Technik und
                der verständigen, klaren musikalischen Darstellung. Sie verzeihen ihm
                deshalb willig und gern den Mangel an dem, was sie
                doch sonst sehr lieben: Temperament
                und Innigkeit oder Raffiniertheit
                –  ich sage „oder“, weil sie da
                manchmal in Unklarem sind und
                leicht (wenigstens anfänglich) zu betrügen sind. An Tiefe der Auffassung
                denken sie nicht so sehr; nur
                wenn Du hier spielst, sind sie dessen gewärtig. Dem Ekman hast Du gesagt,
                dass Jensen ein guter Musiker ist,
                und dass er wohl ein guter Lehrer
                sein würde. Ich frage deshalb
               
               
               
               nur nach seinen Eigenschaften als
                Spieler; dass er ein intelligenter
                Mensch ist, folgere ich daraus, dass
                Du ihn in einem Brief an mich
                deinen „Freund“ genannt hast. Der Novacek bleibt, Gott sei
                Dank. Der ist derselbige geblieben;
                ich möchte ihn ein Unikum nennen, weil er  als Solist, Ensemblespieler und Lehrer ebenso
                vorzüglich ist. Als Solist hat er
                riesig vorwärts marschiert (und ist
                freilich darin nicht mehr „derselbe“);
                er wird bald dein Konzert spielen. Auch die Sissi hat sich wesentlich entwickelt; sie hat etwas
                von ihrer früheren Sicherheit und
                Keckheit wiedergewonnen und ich
                glaube, dass wir noch viel Freude
                an ihr haben werden – wenn
               
               
               
               sie selbständiger wird. Ein größeres
                Werk zu gestalten, vermag sie noch
                nicht, am wenigsten wenn ihr Mann
                dabei sitzt und spielt, und der
                kann’s erst recht nicht und wird
                es nie lernen. Er ist hier die
                weibliche Natur, und fügt sich ausgezeichnet, wenn er neben Männern,
                wie Ekman und Nov. sitzt. Wenn
                er aber mit ihr spielt und der
                Mann sein will – da muss ich
                innerlich sehr lachen, wie z. B. diesen Herbst bei der großen D-Dur
                Sonate von Beethoven. Sie akkompagnierte wie ein gutes Kind, und er
                spielte selig ins Blaue hinein. Da
                glaubte ich, Dein Lachen zu hören
                und zu sehen. Aber sie wird
                schon was werden noch, wenn wir
               
               
               
               Geduld haben – einen wunderschönen Anschlag hat sie, schlägt aber
                noch tüchtig daneben. Jetzt, lieber guter Freund, schreibe mir sehr bald von dem Jensen!❊
                Grüße Deine liebe Gerda auf
                das allerherzlichste von mir und
                Hanna und sei selbst von uns
                beiden wärmstens gegrüßt durch ❊ 
                Oder hast Du einen andern 
                   Vorschlag? Wenn Du auf den Jensen
                   hältst, so lass mich auch wissen, wo er
                   jetzt ist. Für Deine eigne Adresse
                   im Frühjahr und Sommer wäre ich
                   auch sehr dankbar.
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               <salute rend="align(center) space-above space-below">Lieber Freund <persName key="E0300017">Ferruccio</persName>!</salute>
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            <p type="pre-split">Wann habe ich Dir zuletzt geschrieben?
               <lb/>– ich wei<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice> nicht, aber lange ists her.
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               weil ich meine, dass aus solchen Ehen,
               wie die deinige
 undmit Gerda, kanndie Geistesaristokratie recrutirt wer⸗
 den. Drittens freue ich mich dar⸗
 über, weil ein Kind ein gar ge⸗
 brechliches Ding ist und wie ein
 Hauch weggeblasen werden kann
 aus der Zahl der lebenden – da
 sind zwei doch eine Möglichkeit
 mehr. Argumentum de homine
               
               
               
               –
 ich hatte nur eins; Resultat keins.
 Meine Hand incl. Feder gebär⸗det sich heute recht ungeschickt;
 ich habe heute meinen alten
 Onkel (Papa von Gerda Wendell) zum
 Grabe getragen und habe noch
 eine steife Hand davon. Der Tod
 ist so gewöhnlich, dass er längst
 trivial sein sollte; in jedem einzel⸗
 nen Fall ist er’s aber nicht. Er
                  Deutsche
 Staatsbibliothek
 Berlin
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               kommt einem dann immer wenig lo⸗gisch, wenig natürlich vor – das ist
 eben das merkwürdigste. Dieser Mann
 
 wannwar schon 74 Jahre alt, erhätte aber noch lange leben können
 – wenigstens 10 Jahre noch, und gesund. Es kam
 aber im Sommer eine bittere Sorge
 (um einen ungerathenen Sohn); seitdem
 kränkelte er und starb am Krebs.
  Wir hatten jetzt zwei gute
               Jahre am Institut. Alles harmo⸗
 nisch, solid, ruhig vorwärts gehend.
 Jetzt wird nu
 […]
                                                                        1 Zeichen: durchgestrichen.                   
            der Ekman untreu.Es ist recht fatal – wäre er wenig⸗
 stens ein Jahr noch geblieben, damit
 die armen Schüler nicht wieder
 in’s Ungewisse geworfen werden.
 Aber, seine Frau will ihn nicht
 länger dalassen. Sie hat ja sub⸗
 jektiv ganz
 rehrecht. Es hilft
                  DeutscheStaatsbibliothek
 Berlin
                     
                  
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                                                                <div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
               
               kommt einem dann immer wenig lo
               <lb break="no"/>gisch, wenig <hi rend="underline">natürlich</hi> vor – das ist
               <lb/>eben das merkwürdigste. Dieser Mann
               <lb/><del rend="strikethrough">wann</del> war schon 74 Jahre alt, er
               <lb/>hätte aber noch lange leben können
               <lb/>– wenigstens 10 Jahre noch<add place="inline">,</add> <add place="above">und gesund</add>. Es kam
               <lb/>aber im Sommer eine bittere Sorge
               <lb/>(um einen ungerat<orig>h</orig>enen Sohn); seitdem
               <lb/>kränkelte er und starb am Krebs.</p>
            
            <p type="pre-split" rend="indent-2-first"> Wir hatten jetzt zwei gute
               <lb/>Jahre am <rs key="E0600031">Institut</rs>. Alles harmo
               <lb break="no"/>nisch, solid, ruhig vorwärts gehend.
               <lb/>Jetzt wird nu<del rend="strikethrough"><gap reason="strikethrough" extent="1" unit="char"/></del> der <persName key="E0300891">Ekman</persName> untreu.
               <lb/>Es ist recht fatal – wäre er wenig
               <lb break="no"/>stens <hi rend="underline">ein</hi> Jahr noch geblieben, damit
               <lb/>die armen Schüler nicht wieder
               <lb/>in’s Ungewisse geworfen werden.
               <lb/>Aber, <rs key="E0300937">seine Frau</rs> will ihn nicht
               <lb/>länger dalassen. Sie hat ja sub
               <lb break="no"/>jektiv ganz <del rend="strikethrough">reh</del> recht. Es hilft
               
               <note type="stamp" place="margin-left" resp="#dsb_st_red" sameAs="stamp1">
                  <stamp rend="round border align(center) small">Deutsche
                     <lb/>Staatsbibliothek
                     <lb/>
                     <placeName key="E0500029">
                        <hi rend="spaced-out">Berlin</hi>
                     </placeName>
                  </stamp>
               </note>
               
               <note type="foliation" resp="#archive" place="bottom-right">[2]</note>
               
               </p></div> | 
                                                
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               aber nicht: seine natürliche, rich⸗tige, selbstverständliche Position
 wäre hier, wo er von allen geschätzt
 ist, und wo er sich wohl fühlt.
 Urlaub auf ein Jahr – ja, sehr
 gern, wenn es so heissen dürfte,
 aber auch darauf geht er
 ,(oderwohl richtiger sie)
 enicht ein, dennes könnte ja gerade dann draussen
 was geben - - -
 Also: wie steht’s mit deinem
               Jensen? Wann hast Du ihn zu⸗
 letzt gehört? Hat er seitdem ir⸗
 gendwo Erfolg als Spieler gehabt?
 Glaubst Du dass er dem Ekman
 als Spieler ebenbürtig ist? Der
 ist nämlich schon ein anderer
 Kerl als damals in Berlin, und
 Du weisst dass die Leute hier sich
 nicht so leicht zufrieden geben.
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                                                                <div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-2-first" type="split">
               
               aber nicht: seine natürliche, rich
               <lb break="no"/>tige, selbstverständliche Position
               <lb/>wäre <hi rend="underline">hier</hi>, wo er von allen geschätzt
               <lb/>ist, und wo er sich wohl fühlt.
               <lb/>Urlaub auf ein Jahr – ja, sehr
               <lb/>gern, wenn es so hei<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>en dürfte,
               <lb/>aber auch darauf geht er<del rend="overwritten">,</del><add place="across"> (</add>oder
               <lb/>wohl richtiger <hi rend="underline">sie</hi>) <del rend="strikethrough">e<!--?--></del> nicht ein, denn
               <lb/>es <hi rend="underline">könnte</hi> ja gerade dann drau<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>en
               <lb/>was geben <choice><orig>- - -</orig><reg>…</reg></choice></p>
            
            <p type="pre-split" rend="indent-first">Also: wie steht’s mit deinem
               <lb/>Jensen? Wann hast Du ihn zu
               <lb break="no"/>letzt gehört? Hat er seitdem ir
               <lb break="no"/>gendwo <hi rend="underline">Erfolg</hi> als Spieler gehabt?
               <lb/>Glaubst Du<reg>,</reg> dass er dem <persName key="E0300891">Ekman</persName>
               <lb/>als Spieler ebenbürtig ist? <hi rend="underline">Der</hi>
               <lb/>ist nämlich schon ein anderer
               <lb/>Kerl als damals in <placeName key="E0500029">Berlin</placeName>, und
               <lb/>Du wei<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>t<reg>,</reg> dass die Leute hier sich
               <lb/>nicht so leicht zufrieden geben.
               
               </p></div> | 
                                                
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                                                                 B II, 5342 Was den Leuten hier an Ekman  ge⸗ fällt ist der virtuose Glanz  des An⸗ schlags im Verein mit der vollkomme⸗ nen Zuverlässigkeit  der Technik und
                der verständigen , klaren  musikali⸗ schen Darstellung . Sie verzeihen ihm
                desshalb willig und gern den Mangel an dem  was sie
                doch sonst sehr  lieben: Temperament und Innigkeit  oder Raffinirtheit –  di ich sage “oder” , weil sie da
                manchmal in Unklarem sind und
                leicht (wenigstens anfänglich) zu be⸗ trügen sind. An Tiefe  der Auffassung
                denken sie nicht so sehr; nur
                wenn Du  hier spielst, sind sie des⸗ sen gewärtig.
            
             Dem Ekman hast Du gesagt,
               dass Jensen ein guter Musiker ist,
 und dass er wohl ein guter Lehrer
 sein würde. Ich frage desshalb[3]
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                                                                <div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
               
               <note type="shelfmark" resp="#archive" place="top-left" rend="indent-2-first">B II, 5342</note>
               
               <lb/>Was den Leuten hier an <persName key="E0300891">Ekman</persName> ge
               <lb break="no"/>fällt<reg>,</reg> ist der virtuose <hi rend="underline">Glanz</hi> des An
               <lb break="no"/>schlags im Verein mit der vollkomme
               <lb break="no"/>nen <hi rend="underline">Zuverlässigkeit</hi> der Technik und
               <lb/>der <hi rend="underline">verständigen</hi>, <hi rend="underline">klaren</hi> musikali
               <lb break="no"/>schen <hi rend="underline">Darstellung</hi>. Sie verzeihen ihm
               <lb/>des<orig>s</orig>halb willig und gern <add place="above">den Mangel an dem</add><reg>,</reg> was sie
               <lb/>doch sonst <hi rend="underline">sehr</hi> lieben: <hi rend="underline">Temperament</hi>
               <lb/>und <hi rend="underline">Innigkeit</hi> oder <hi rend="underline">Raffini<reg>e</reg>rtheit</hi>
               <lb/>– <del rend="strikethrough">di</del> ich sage <q rend="dq-uu"><hi rend="underline">oder</hi></q>, weil sie da
               <lb/>manchmal in Unklarem sind und
               <lb/>leicht (wenigstens anfänglich) zu be
               <lb break="no"/>trügen sind. An <hi rend="underline">Tiefe</hi> der Auffassung
               <lb/>denken sie nicht so sehr; nur
               <lb/>wenn <hi rend="underline">Du</hi> hier spielst, sind sie des
               <lb break="no"/>sen gewärtig.</p>
            
            <p type="pre-split" rend="indent-first">Dem <persName key="E0300891">Ekman</persName> hast Du gesagt,
               <lb/>dass Jensen ein guter Musiker ist,
               <lb/>und dass er wohl ein guter Lehrer
               <lb/>sein würde. Ich frage des<orig>s</orig>halb
               
               <note type="foliation" resp="#archive" place="bottom-right">[3]</note>
               
               </p></div> | 
                                                
                                                    |  6Faksimile |  6Diplomatische Umschrift |  6XML | 
                                                
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               nur nach seinen Eigenschaften als
               Spieler; dass er ein intelligenter
 Mensch ist, folgere ich daraus, dass
 Du ihn in einem Brief an mich
 deinen “Freund” genannt hast.
 Der Novacek bleibt, Gott sei
               Dank. Der ist derselbige geblieben;
 ich möchte ihn ein Unicum nen⸗
 nen, weil er
 sichals Solist, En⸗semblespieler und Lehrer ebenso
 vorzüglich ist. Als Solist hat er
 riesig vorwärts marschirt (und ist
 freilich darin nicht mehr “derselbe”);
 er wird bald dein Concert spielen.
 Auch die Sissi hat sich we⸗sentlich entwickelt; sie hat Etwas
 von ihrer früheren Sicherheit und
 Keckheit wiedergewonnen und ich
 glaube dass wir noch viel Freude
 an ihr haben werden – wenn
                  Deutsche
 Staatsbibliothek
 Berlin
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                                                                <div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
               
               nur nach seinen Eigenschaften als
               <lb/><hi rend="underline">Spieler</hi>; dass er ein intelligenter
               <lb/>Mensch ist, folgere ich daraus, dass
               <lb/>Du ihn in einem Brief an mich
               <lb/>deinen <q rend="dq-uu">Freund</q> genannt hast.</p>
            
            <p rend="indent-first">Der <persName key="E0300927">Novacek</persName> bleibt, Gott sei
               <lb/>Dank. Der ist derselbige geblieben;
               <lb/>ich möchte ihn ein Uni<choice><orig>c</orig><reg>k</reg></choice>um nen
               <lb break="no"/>nen, weil er <del rend="strikethrough">sich</del> als Solist, En
               <lb break="no"/>semblespieler und Lehrer ebenso
               <lb/>vorzüglich ist. Als Solist hat er
               <lb/>riesig vorwärts marschi<reg>e</reg>rt (und ist
               <lb/>freilich darin nicht mehr <soCalled rend="dq-uu">derselbe</soCalled><!--mentioned?-->);
               <lb/>er wird bald dein <rs key="E0400469"><choice><orig>Conc</orig><reg>Konz</reg></choice>ert</rs> spielen.</p>
            
            <p type="pre-split" rend="indent-first">Auch die <persName key="E0300943">Sissi</persName> hat sich we
               <lb break="no"/>sentlich entwickelt; sie hat <choice><orig>E</orig><reg>e</reg></choice>twas
               <lb/>von ihrer früheren Sicherheit und
               <lb/>Keckheit wiedergewonnen und ich
               <lb/>glaube<reg>,</reg> dass wir noch viel Freude
               <lb/>an ihr haben werden – wenn
               
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                  <stamp rend="round border align(center) small">Deutsche
                     <lb/>Staatsbibliothek
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                        <hi rend="spaced-out">Berlin</hi>
                     </placeName>
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               </p></div> | 
                                                
                                                    |  7Faksimile |  7Diplomatische Umschrift |  7XML | 
                                                
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               sie selbständiger wird. Ein grösseres
               Werk zu gestalten vermag sie noch
 nicht, am wenigsten wenn ihr Mann
 dabei sitzt und spielt, und der
 kann’s erst recht nicht und wird
 es nie lernen. Er ist hier die
 weibliche Natur, und fügt sich aus⸗
 gezeichnet, wenn er neben Männern,
 wie Ekman und Nov. sitzt. Wenn
 er aber mit ihr spielt und der
 Mann sein will – da muss ich
 innerlich sehr lachen, wie z. B. die⸗
 sen Herbst bei der grossen D dur
 Sonate von Beethoven. Sie ackompag⸗
 nirte wie ein gutes Kind, und er
 spielte selig in’s blaue hinein. Da
 glaubte ich Dein Lachen zu hören
 und zu sehen. Aber sie wird
 schon was werden noch, wenn wir
                  Deutsche
 Staatsbibliothek
 Berlin
                     
                  
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               sie selbständiger wird. Ein grö<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>eres
               <lb/>Werk zu gestalten<reg>,</reg> vermag sie noch
               <lb/>nicht, am wenigsten wenn <rs key="E0300940">ihr Mann</rs>
               <lb/>dabei sitzt und spielt, und der
               <lb/>kann’s erst recht nicht und wird
               <lb/>es nie lernen. <hi rend="underline">Er</hi> ist hier die
               <lb/>weibliche Natur, und <hi rend="underline">fügt</hi> sich aus
               <lb break="no"/>gezeichnet, wenn er neben <hi rend="underline">Männern</hi>,
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               <lb/>er aber mit ihr spielt und der
               <lb/>Mann sein will – da muss ich
               <lb/><hi rend="underline">innerlich</hi> sehr lachen, wie z. B. die
               <lb break="no"/>sen Herbst bei der <rs key="E0400681">gro<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>en D<choice><orig> d</orig><reg>-D</reg></choice>ur
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                                                    |  8Faksimile |  8Diplomatische Umschrift |  8XML | 
                                                
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               Geduld haben – einen wunderschö⸗nen Anschlag hat sie, schlägt aber
 noch tüchtig daneben.
 Jetzt, lieber guter Freund, schrei⸗be mir sehr bald von dem Jensen!×)
 Grüsse Deine liebe Gerda auf
 das allerherzlichste von mir und
 Hanna und sei selbst von uns
 beiden wärmstens gegrüsst durch
 ×)
                Oder hast Du einen andern Vorschlag? Wenn Du auf den Jensen
                   hältst, so  lass mich auch wissen, wo er
                   jetzt ist. Für Deine eigne Adresse
                   im Frühjahr und Sommer wäre ich
                   auch sehr dankbar.
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