ich danke für die nachsichtige
Aufnahme meiner Bedenken zum
Bellinda-Text. Diese bezogen sich
nicht auf den Stoff, sondern auf
die Worte u. dichterische Gestaltung.
Ich habe ja immer behauptet
(u. wiederhole) dass die Voraussetzungen
des Dramas andere sind, als die der
Oper, u. dass der gemeinsame Begriff
‹Theater› diese beiden vereint, u. also verwechselt.
Darum steht mir die Zauberflöte als MusterBeispiel da; darum
hatte ich in Rom einen über- zeugenden (zum Theil ergreifenden)
Eindruck von einem – – Marionetten= Theater, worauf eine kostbare
kl. kom. Oper des 20-jähr. Rossini dargestellt und gesungen wurde!
(„L’occasione fa il ladro“.)
Lieber Doktor
und verehrtester Freund,
ich danke für die nachsichtige
Aufnahme meiner Bedenken zum
Bellinda-Text. Diese bezogen sich
nicht auf den Stoff, sondern auf
die Worte und dichterische Gestaltung.
Ich habe ja immer behauptet
(und wiederhole), dass die Voraussetzungen
des Dramas andere sind als die der
Oper und dass der gemeinsame Begriff
‚Theater‘
diese beiden vereint und also verwechselt.
Darum steht mir die Zauberflöte
als Musterbeispiel da; darum
hatte ich in Rom einen überzeugenden (zum Teil ergreifenden)
Eindruck von einem – – Marionettentheater, worauf eine kostbare
kleine komische Oper des 20-jährigen Rossini
dargestellt und gesungen wurde!
(„L’occasione fa il ladro“.)
Zu meinem geplanten Musikdrama (?)
habe ich der Dichtung eine Einleitung
in „Oktaven“Wortspiel mit dem gleichlautenden Begriff für „achtzeilige Strophe“.
(um den Klavierspieler
nicht ganz zu verleugnen) verfasst,
darinnen folgende Zeilen figurieren:Die beiden Achtzeiler entstammen dem poetologischen Prolog „Der Dichter an die Zuschauer“ aus Doktor Faust.
Die Bühne zeigt vom Leben die Gebärde Un-Echtheit steht auf ihrer Stirn gezeigt, Auf dass sie nicht zum Spiegel-Zerrbild werde Als ‚Zauberspiegel‘ wirk’ sie schön und echt. Gebt zu, dass sie das Wahre nur entwerte Dem Unglaubhaften wird sie eh’r gerecht Und wenn ihr sie als Wirklichkeit belachtet, Zwingt sie zum Gruß, als reines Spiel
betrachtet.
In dieser Form allein ruft sie nach Tönen, Musik steht dem Gemeinen abgewandt, Ihr Körper ist die Luft, ihr Klingen Sehnen, Sie schwebt: das Wunder ist ihr Heimatland. D’rum hielt ich Umschau unter allen jenen, Die mit dem Wunder wirkten Hand in Hand: Ob gut, ob böse; ob verdammt, ob selig, Sie zieh’n mich an mit Macht unwiderstehlich.
Sie sehen, wir sind einer Meinung!
Ich freue mich zu hören,
dass ich Lügen gestraft worden
durch Wirkung und Erfolg Ihres
Werkes, freue mich darüber
allerherzlichst.
Die „indianische“ besitze
ich nur in einem Studienexemplar,
dessen ich vorläufig für die
Basler AufführungDas Extra-Konzert der BaslerAllgemeinen Musikgesellschaft am 29. April 1916 (vgl. Refardt 1939, S. 16).
benötige.
Dann sollen Sie es haben,
da Sie ein so sehr freundliches
Interesse danach bekunden.
Zum neuen Werke,
dem Gletscher-Aufstieg,
wünsche ich alles Erhebende.
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2Faksimile
2Diplomatische Umschrift
2XML
(2)
Zu meinem geplanten Musikdrama (?)
habe ich, der Dichtung, eine Einleitung
in "Oktaven"Wortspiel mit dem gleichlautenden Begriff für „achtzeilige Strophe“.
(um den Klavierspieler
nicht ganz zu verleugnen) verfasst,
darinnen folgende Zeilen figurieren:Die beiden Achtzeiler entstammen dem poetologischen Prolog „Der Dichter an die Zuschauer“ aus Doktor Faust.
Die Bühne zeigt vom Leben die Geberde Un-Echtheit steht auf ihrer Stirn gezeigt, Auf dass sie nicht zum Spiegel-Zerrbild werde Als „Zauberspiegel“ wirk’ sie schön u. echt. Gebt zu, dass sie das Wahre nur entwerthe Dem Unglaubhaften wird sie eh’r gerecht Und wenn ihr sie als Wirklichkeit belachtet, zwingt sie zum Gruß, als reines Spiel
betrachtet.
M In dieser Form allein ruft sie nach Toenen, Musik steht dem Gemeinen abgewandt, Ihr Körper ist die Luft, ihr Klingen Sehnen, sie schwebt: das Wunder ist ihr Heimathland. D’rum hielt ich Umschau unter allen Jenen, Die mit dem Wunder wirkten Hand in Hand: Ob gut, ob böse; ob verdam̅t, ob selig, sie zieh’n mich an mit Macht unwiderstehlich.
Sie sehen, wir sind einer Meinung!
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<p>Sie sehen, wir sind <hi rend="underline">einer</hi> Meinung!</p>
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3Faksimile
3Diplomatische Umschrift
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(3)
Ich freue mich zu hören,
dass ich Lügen gestraft worden
durch Wirkung u. Erfolg Ihres
Werkes, freue mich darüber
allerherzlichst.
Die „indianische“ besitze
ich nur in einem Studien Ex.,
dessen ich vorläufig für die
Basler AufführungDas Extra-Konzert der BaslerAllgemeinen Musikgesellschaft am 29. April 1916 (vgl. Refardt 1939, S. 16).
benöthige.
Dann sollen Sie es haben,
da Sie ein so sehr freundliches
Interesse danach bekunden.
Zum neuen Werke,
dem Gletscher-Aufstieg,
wünsche ich alles Erhebende.
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Busoni erläutert den Begriff „Theater“ als ungünstiges Konglomerat von Oper und Drama; zitiert umfangreich aus dem poetologischen Prolog zum Doktor Faust; kann sein Studienexemplar der Indianischen Fantasie vor der Basler Aufführung am 29. April nicht weitergeben.
Incipit
„ich danke für die nachsichtige Aufnahme meiner Bedenken“
Brief von Ferruccio Busoni an Hans Huber (Zürich, 14. April 1916), bearbeitet von Sebastian Schade und Christian Schaper, in: Briefwechsel Ferruccio Busoni – Hans Huber, hrsg. von Christian Schaper und Ullrich Scheideler, Berlin: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, Januar 2017: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, https://busoni-nachlass.org/D0100125 (27. Juni 2017: zur Freigabe vorgeschlagen)
Download der bereinigten Lesefassung im PDF-Dateiformat (.pdf)
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<title xml:lang="de">Brief von Ferruccio Busoni an Hans Huber (Zürich, 14. April 1916)</title>
<title xml:lang="en">Letter by Ferruccio Busoni to Hans Huber (Zurich, 14 April 1916)</title>
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<title type="main">Ferruccio Busoni – Briefe und Schriften</title>
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<handNote xml:id="major_hand" scope="major" medium="black_ink" scribe="author" scribeRef="#E0300017">Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.</handNote>
<handNote xml:id="archive" scope="minor" medium="pencil" scribe="archivist">Hand des Archivars, der eine Nummerierung und Foliierung mit Bleistift vorgenommen sowie die Datierung auf die erste Seite übertragen hat.</handNote>
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<p>Erfassung von Briefen und Schriften von Ferruccio Busoni, ausgehend von Busonis Nachlass in der Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz.</p>
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<p>Worttrennungen an Zeilenumbrüchen im Original mit einfachen Bindestrichen.</p>
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<p>Alle im Text vorkommenden Interpunktionszeichen wurden beibehalten und werden in der diplomatischen Umschrift wiedergegeben. Bei Auszeichnung durch XML-Elemente wurden umgebende Satzzeichen nicht mit einbezogen.</p>
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<p>Anführungszeichen wurden i. d. R. nicht beibehalten; die Art der Zeichen wurde im Attribut <att>rend</att> der entsprechenden Elemente codiert.</p>
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<p>Die Übertragung folgt den Editionsrichtlinien des Projekts. <ptr target="http://www.busoni-nachlass.org/E1000003"/></p>
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