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Mus.ep. H. Huber 78 (Busoni-Nachl. B II)
Locarno 10 April. [1918?]
Die korrekte Datierung ins Jahr 1919 ergibt sich aus Busonis Antwort vom 13. April 1919.
Mein sehr lieber Maestro!
Ihre Furcht vor den Regelmäßig⸗ keiten im Leben, speziell im Betriebe
der Briefschreiberei hatte auch
mich erfaßt, obwohl ich Ihnen gern
hie & da ein liebes Wort oder – als
Abon̅ent der
Zürcherztg.
& als Mitwißer
aller Ihrer Thaten … ein Zeichen
meiner stillen Bewunderung zuge⸗ schickt hätte! Daß Sie, trotz
aller in̅erer Wuth, noch einmal
das „pianistische Wort“ der Welt
ergriffen haben, zeugt für Ihren
großen Standpunkt in der Musik!
Nur daß Sie nach Allem, was man
aus den Coulißen vernim̅t, auf
der gesunden Höhe Ihrer anderer
Lebensaufgabe stehen, so darf
Mus.Nachl. F. Busoni B II, 2304
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Locarno, 10. April.
Die korrekte Datierung ins Jahr 1919 ergibt sich aus Busonis Antwort vom 13. April 1919.
Mein sehr lieber Maestro!
Ihre Furcht vor den Regelmäßigkeiten im Leben, speziell im Betriebe
der Briefschreiberei hatte auch
mich erfasst, obwohl ich Ihnen gern
hie und da ein liebes Wort oder – als
Abonnent der
Zürcherzeitung
und als Mitwisser
aller Ihrer Taten … ein Zeichen
meiner stillen Bewunderung zugeschickt hätte! Dass Sie, trotz
aller innerer Wut, noch einmal
das „pianistische Wort“ der Welt
ergriffen haben, zeugt für Ihren
großen Standpunkt in der Musik!
Nur dass Sie nach allem, was man
aus den Kulissen vernimmt, auf
der gesunden Höhe Ihrer anderen
Lebensaufgabe stehen, so darf
ich Sie über die hohen Mauern
der Alpen als unseren „grand patron“
(wie Sarasate einmal Joachim nannte)
und als unseren Mann der Zukunft
begrüßen! –
Wenn ich in Basel gewesen
wäre, so hätten Sie das Programm
der Zürcher populären Konzerte
auch den Baslern schenken müssen,
statt dieselben mit den vier Symphonien
von Brahms zu embätiren,
Langweilen, belästigen, anöden (zu frz. „embêter“).
wie es
jetzt unbegreiflicher Weise unser
Freund Suter tut. –
Der Winter hat in Locarno
keine Gewalttaten ausgeübt und
blieb in den zarten Grenzen der
stets anregenden Helligkeit Helios’,
die gerade notwendig ist, um einem
bescheidenen Schaffen einiges Gedeihen
zu geben. Mein Oratorium wächst
in der Atmosphäre der gregorianischen
Melodik und zugleich auch in dieser
merkwürdigen Rhythmik; ich stehe
somit mit allem ein wenig auf
historischem Boden, wenn ich so sagen darf.
Wolfrums Einleitung zu der Ausgabe
der Kirchenchöre von Liszt bestätigte
mich in vielem in meinen Arbeiten.
Und doch bin ich nicht recht klar
darüber, ob Liszt eigentlich in den
60er Jahren den Grundcharakter
der gregorianischen Gewalt schon
begriffen hatte oder mehr mit
seinen künstlerischen Intuitionen
nach außen, nach innen – als Genius –
den Hauptzug der katholischen damaligen
Dichtung in der genialen Art
umändern wollte, wie er es getan
hat. Ich bewundere die Taten
und diese merkwürdige Seite Liszts
immer mehr und fühle mich arm und
– bescheiden! –
Nach Ostern ziehe ich mit dem
Hab und Gut wieder nach Vitznau
und rücke Ihnen somit um vieles
näher! Hoffentlich führt uns das
Geschick dann wieder einmal in die
Sphären eines gesunden Kolloquiums!
Zu den Opern von
dem lieben Schoeck käme ich
gern; allein solche Dinge kann ich
noch nicht wagen. Vielleicht
geht es von Vitznau aus, wenn
die Werke (es sind doch zwei Opern?)
Die Uraufführung von Schoecks Don Ranudo stand unmittelbar bevor; Erwin und Elmire war bereits 1916 in Zürich uraufgeführt worden.
dann noch auf dem Repertoire stehen!
Gott befohlen und
Frühlingsgrüße von Ihrem
getreuen
Hans Huber
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ich Sie über die hohen Mauern
der Alpen als unseren „grand patron“
(wie Sarasate einmal Joachim nan̅te)
& als unseren Man̅ der Zukunft
begrüßen! –
Wen̅ ich in Basel gewesen
wäre, so hätten Sie das Program̅
der Zürcher populären Konzerte
auch den Baslern schenken müßen,
statt dieselben mit den 4 Symphonien
von Brahms zu embätiren,
Langweilen, belästigen, anöden (zu frz. „embêter“).
wie es
jetzt unbegreiflicher Weise unser
Freund Suter thut. –
Der Winter hat in Locarno
keine Gewaltthaten ausgeübt &
blieb in den zarten Grenzen der
stets anregenden Helligkeit Helios’s,
die gerade nothwendig ist, um einem
bescheidenen Schaffen einiges Gedeihen
zu geben. Mein Oratorium wächst
in der Athmosphäre der gregorianischen
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
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ich Sie über die hohen Mauern
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Melodik & zugleich auch in dieser
merkwürdigen Rhytmik; ich stehe
somit mit Allem ein wenig auf
historischem Boden, wen̅ ich so sagen darf.
Wolfrum’s Einleitung zu der Ausgabe
der Kirchenchöre von Liszt bestätigte
mich in Vielem in meinen Arbeiten.
Und doch bin ich nicht recht klar
darüber, ob Liszt eigentlich in den
60ger Jahren den Grundcharakter
der gregorianischen Gewalt schon
begriffen hatte, oder mehr mit
seinen künstlerischen Intuitionen
nach Außen, nach Innen – als Genius –
den Hauptzug der katholischen damaligen
Dichtung in der genialen Art
umändern wollte, wie er es gethan
hat. Ich bewundere die Thaten
& diese merkwürdige Seite Liszt’s
immer mehr & fühle mich arm &
– bescheiden! –
Nach Ostern ziehe ich mit dem
Hab & Gut wieder nach Vitznau
& rücke Ihnen somit um Vieles
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
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<lb/>darüber, ob <persName key="E0300013" rend="latin">Liszt</persName> eigentlich in den
<lb/>60<orig>g</orig>er Jahren den Grundcharakter
<lb/>der gregorianischen Gewalt schon
<lb/>begriffen hatte<orig>,</orig> oder mehr mit
<lb/>seinen künstlerischen Intuitionen
<lb/>nach <choice><orig>A</orig><reg>a</reg></choice>ußen, nach <choice><orig>I</orig><reg>i</reg></choice>nnen – als Genius –
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näher! Hoffentlich führt uns das
Geschick dan̅ wieder einmal in die
Sphären eines gesunden Kolloquiums!
Zu den Opern von
dem lieben Schoeck käme ich
gern; allein solche Dinge kan̅ ich
noch nicht wagen. Vielleicht
geht es von Vitznau aus, wen̅
die Werke (es sind doch zwei Opern?)
Die Uraufführung von Schoecks Don Ranudo stand unmittelbar bevor; Erwin und Elmire war bereits 1916 in Zürich uraufgeführt worden.
dan̅ noch auf dem Repertoire stehen!
Gott befohlen &
Frühlingsgrüße von Ihrem
getreuen
Hans Huber
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