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                    Mus. Nachl. F. Busoni B II, 4263 [1]Mus.ep. L. Rubiner 4 (Busoni-
                            Nachl. B II)
 Lieber Herr Busoni! Vielleicht haben Sie noch in
                    irgend einer dunklen Ecke eine
 Erinnerung an den enthusias⸗
 tischen Schriftsteller Rubiner,
 der in Berlin Sie besuchen durfte.
 Das bin ich. Ich sah Sie und
 Ihre Frau Gemahlin schon
 oft in Zürich,
                                                                Rubiner verlies Berlin 
                        1914 aufgrund des ausbrechenden Ersten Weltkrieges. Er ging ins selbstgewählte Exil nach Zürich, 
                        veröffentlichte Texte in dortigen Zeitschriften und behielt seinen Kontakt zu den „Weissen Blättern“ bei. 1918 kehrte er nach Deutschland zurück. aber ich sprach
 keinen von Ihnen auf
 der Strasse an, zunächst,
 weil Sie mich doch nicht er⸗
 kannten; und dann weil
 ich der Meinung war, dass
 der Krieg Sie so ausseror⸗
 dentlich betrübte, dass am
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                    Lieber Herr Busoni! Vielleicht haben Sie noch in
                     irgendeiner dunklen Ecke eine
                     Erinnerung an den enthusiastischen Schriftsteller Rubiner,
                     der in Berlin Sie besuchen durfte. 
                     Das bin ich. Ich sah Sie und
                     Ihre Frau Gemahlin schon
                     oft in Zürich,
                                                                Rubiner verlies Berlin 
                        1914 aufgrund des ausbrechenden Ersten Weltkrieges. Er ging ins selbstgewählte Exil nach Zürich, 
                        veröffentlichte Texte in dortigen Zeitschriften und behielt seinen Kontakt zu den „Weißen Blättern“ bei. 1918 kehrte er nach Deutschland zurück. aber ich sprach
                     keinen von Ihnen auf
                     der Straße an, zunächst,
                     weil Sie mich doch nicht erkannten; und dann, weil
                     ich der Meinung war, dass
                     der Krieg Sie so außerordentlich betrübte, dass am
                    
                    
                    Ende auch nur die Erwartung eines eventuellen Kriegsgespräches Ihnen unangenehm
                     gewesen wäre. Aber hier schicke ich Ihnen
                     eine – leider verspätete – Geburtstagsgratulation. Sie 
                     steht in den „Weißen Blättern“
                     (die René Schickele herausgibt),
                     sie stammt aus meiner
                     Feder, und sie heißt „Tröster“.
                     Der Tröster nämlich sind Sie
                     in diesem Krieg für viele Menschen. Denn da ich doch, vor Jahren,
                     einmal in einem entscheidenden 
                     Punkte meines Privatlebens
                    
                    
                    
                    begonnen hatte, in Zeitschriften von Ihnen zu schreiben,
                                                                Vgl. Rubiner 1910sowie Rubiners Brief vom 15.1.1910.
                    
                     so wollte ich es in einem 
                     entscheidenden Punkte des 
                     Weltlebens, jetzt im Kriege, 
                     erst recht tun. Und wenn ich Ihnen ein
                     klein wenig Freude mit
                     meinen Zeilen in dieser
                     grauenhaften Zeit gemacht 
                     habe, dann will ich mich
                     für einen anständigen Menschen
                     halten! | 
                                                            
                                                                <div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split">
                <note type="shelfmark" resp="#archive" rend="align(right)">
                    <subst><add>Mus. Nachl. F. Busoni B II, 4263 </add><del rend="strikethrough">Mus.ep. L. Rubiner 4 (Busoni-
                            <lb break="no"/>Nachl. <handShift new="#archive_red"/>B II<handShift new="#archive"/>)</del></subst>
                </note>
                <note type="foliation" place="top-right" resp="#archive">[1]</note>
                <opener>
                    <dateline>
                        <placeName key="E0500132">Zürich</placeName>, <choice><abbr>d.</abbr><expan>den</expan></choice> <date when-iso="1916-06-01">1. Juni 1916</date>.
                        <lb/><seg rend="indent"><placeName key="E0500408">Hadlaubstr. 11</placeName>.</seg>
                    </dateline>
                    <salute rend="indent space-above">Lieber <persName key="E0300017">Herr Busoni</persName>!</salute>
                </opener>
                <p type="pre-split" rend="indent-first">Vielleicht haben Sie noch in
                    <lb/>irgend<orig> </orig>einer dunklen Ecke eine
                    <lb/>Erinnerung an den enthusias
                    <lb break="no"/>tischen Schriftsteller <persName key="E0300126">Rubiner</persName>,
                    <lb/>der in <placeName key="E0500029">Berlin</placeName> Sie besuchen durfte. 
                    <lb/>Das bin ich. Ich sah Sie und
                    <lb/><rs key="E0300059">Ihre Frau Gemahlin</rs> schon
                    <lb/>oft in <placeName key="E0500132">Zürich</placeName>,
                    <note type="commentary" resp="#E0300417"><persName key="E0300126">Rubiner</persName> verlies <placeName key="E0500029">Berlin</placeName> 
                        <date when-iso="1914">1914</date> aufgrund des ausbrechenden Ersten Weltkrieges. Er ging ins selbstgewählte Exil nach <placeName key="E0500132">Zürich</placeName>, 
                        veröffentlichte Texte in dortigen Zeitschriften und behielt seinen Kontakt zu den <orgName key="E0600069" rend="dq-du">Wei<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>en Blättern</orgName> bei. <date when-iso="1918">1918</date> kehrte er nach Deutschland zurück.</note> aber ich sprach
                    <lb/>keinen von Ihnen auf
                    <lb/>der Stra<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>e an, zunächst,
                    <lb/>weil Sie mich doch nicht er
                    <lb break="no"/>kannten; und dann<reg>,</reg> weil
                    <lb/>ich der Meinung war, dass
                    <lb/>der Krieg Sie so au<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>eror
                    <lb break="no"/>dentlich betrübte, dass am
                    
                    </p></div> | 
                                                
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                    Ende auch nur die Erwar⸗tung eines eventuellen Kriegs⸗
 gespräches Ihnen unangenehm
 gewesen wäre.
 Aber hier schicke ich Ihnen
                    eine – leider verspätete – Ge⸗
 burtstagsgratulation. Sie
 steht in den „Weissen Blättern“,
 (die René Schickele herausgiebt,),
 sie stammt aus meiner
 Feder, und sie heißt „Tröster“.
 Der Tröster nämlich sind Sie
 in diesem Krieg für viele Menschen.
 Denn da ich doch, vor Jahren,
                    einmal in einem entscheidenden
 Punkte meines Privatlebens
 | 
                                                            
                                                                <div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
                    Ende auch nur die Erwar
                    <lb break="no"/>tung eines eventuellen Kriegs
                    <lb break="no"/>gespräches Ihnen unangenehm
                    <lb/>gewesen wäre.</p>
                <p rend="indent-first">Aber hier schicke ich Ihnen
                    <lb/>eine – leider verspätete – Ge
                    <lb break="no"/>burtstagsgratulation. Sie 
                    <lb/>steht in den <orgName key="E0600069" rend="dq-du">Wei<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>en Blättern</orgName><orig>,</orig>
                    <lb/>(die <persName key="E0300338">René Schickele</persName> herausgi<orig>e</orig>bt<orig>,</orig>),
                    <lb/>sie stammt aus meiner
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                    <lb/>Der Tröster nämlich sind Sie
                    <lb/>in diesem Krieg für viele Menschen.</p>
                <p type="pre-split" rend="indent-first">Denn da ich doch, vor Jahren,
                    <lb/>einmal in einem entscheidenden 
                    <lb/>Punkte meines Privatlebens
                    
                    </p></div> | 
                                                
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                                                            [2]
                    
                    begonnen hatte, in Zeitschrif⸗ten von Ihnen zu schreiben,
                                                                Vgl. Rubiner 1910sowie Rubiners Brief vom 15.1.1910.
 so wollte ich es in einem
 entscheidenden Punkte des
 Weltlebens, jetzt im Kriege,
 erst recht tun.
 Und wenn ich Ihnen ein
                    klein wenig Freude mit
 meinen Zeilen in dieser
 grauenhaften Zeit gemacht
 habe, dann will ich mich
 für einen anständigen Menschen
 halten!
 | 
                                                            
                                                                <div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
                    
                    <note type="foliation" resp="#archive" place="top-right">[2]</note>
                    
                    begonnen hatte, in Zeitschrif 
                    <lb break="no"/>ten von Ihnen zu schreiben,
                    
                    <note type="commentary" resp="#E0300417"><bibl>Vgl. <ref target="#E0800251"/></bibl>sowie <persName key="E0300126">Rubiners</persName> <ref target="#D0100301">Brief vom <date when-iso="1910-01-15">15.1.1910</date></ref>.</note>
                    
                    <lb/>so wollte ich es in einem 
                    <lb/>entscheidenden Punkte des 
                    <lb/>Weltlebens, jetzt im Kriege, 
                    <lb/>erst recht tun.</p>
                <p rend="indent-first">Und wenn ich Ihnen ein
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                    <lb/>grauenhaften Zeit gemacht 
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                    <lb/>für einen anständigen Menschen
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                    <signed rend="indent">Ihr
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                    Deutsche
                         Staatsbibliothek
                        Berlin | 
                                                            
                                                                <div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split">
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                    <stamp rend="round border align(center) small">Deutsche
                        <lb/>Staatsbibliothek
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                                    Zürich 3
                                     9–10
                                     1 · VI
                                         1916
                                     Fil. Bahnhof
                                
                             | 
                                                            
                                                                <note xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="stamp" place="top-center" resp="#post">
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                                        <lb/>1916</date>
                                    <lb/>Fil. Bahnhof
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                                <addrLine>Herrn</addrLine> 
                                <addrLine rend="indent-first">Prof. <persName key="E0300017">Ferruccio Busoni</persName></addrLine>
                                <addrLine rend="underline align(right)"><placeName key="E0500132">Zürich</placeName></addrLine>
                                <addrLine rend="align(right)"><placeName key="E0500189">Scheuchzerstr. 34</placeName>.</addrLine>
                            </address>
                                                             | 
                                                
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                                    Zürich 1
                                     –1. VI. 16.–11
                                     Briefträger II
                                
                             
                                
                                        Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4263-Beil.Nachlaß Busoni B IIMus.ep. L. Rubiner 4 
                                                                
                                Deutsche
                                     Staatsbibliothek
                                    Berlin | 
                                                            
                                                                <address xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" rend="align(center)">
                                <addrLine>Abs.: <persName key="E0300126">L. Rubiner</persName></addrLine>
                                <addrLine><placeName key="E0500132">Zürich</placeName> VI</addrLine>
                                <addrLine><placeName key="E0500408">Hadlaubstr<reg>.</reg> 11</placeName></addrLine>
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                                                                <note xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="stamp" place="right" resp="#post">
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                                    <lb/>Briefträger II
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                            </note>
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                                        <stamp resp="#sbb_st_blue">Nachlaß Busoni <handShift new="#archive_red"/>B II</stamp>
                                        Mus.ep. L. Rubiner 4</del><add place="below" rend="align(right)">Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4263-Beil.</add></subst>
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                                                                <note xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="stamp" place="bottom-center" resp="#dsb_st_red">
                                <stamp rend="round border align(center) small">Deutsche
                                    <lb/>Staatsbibliothek
                                    <lb/><placeName key="E0500029"><hi rend="spaced-out">Berlin</hi></placeName>
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