Paul Bekker an Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

Hofheim am Taunus · 18. Juni 1921

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Diplomatische Umschrift
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Mus. Nachl. F.Busoni B II, 257
Mus.ep.P.Bekker 9 (Busoni-Nachl,
B II)

Sehr verehrter Herr Dr Busoni,

verzeihen Sie bitte, daß ich Sie bis heut ohne direkte Ant⸗
wort ließ. Aber ich wollte meinem Brief die Bach-Besprechung
vorausgehen lassen u während der letzten Woche war ich durch
das Nürnberger Musikfest in Anspruch genommen. Das Tonkünstlerfest des ADMV fand vom 13. bis 20. Juni 1921 in Nürnberg statt. Bekkers Besprechung davon erschien am 24. und 28. Juni 1921 in der Frankfurter Zeitung jeweils im ersten Morgenblatt. Erlauben Sie
mir zunächst zu sagen, daß ich in dem Hinweis auf mich
gegenüber dem Verlag garnichts Kränkendes oder Unzulässiges
gesehen hätte, sondern nur einen Vertrauensbeweis resp. einen
Wunsch, u ich schrieb Ihnen lediglich deshalb, damit Sie
meine Ablehnung nicht als gegen Sie, sondern gegen das
mir nicht zusagende Verlagsunternehmen gerichtet auffassen.
das war alles.

Daß einiges von meinen Aufsätzen Ihr Interesse gefunden
hat, freut mich aufrichtig, das Publikum für solche Dinge
ist derartig klein an Zahl (es ist damit im Schrifttum
wie in der Komposition), daß es sehr wohltuend wirkt,
wenn man hoffen darf, nicht völlig in den Wind gespro⸗
chen zu haben. Freilich ist die Angst, für nicht modern gehalten
zu werden, heut sehr verbreitet, andererseits aber auch die
wirklich böswillig reaktionäre Gesinnung und nun
besteht die große Gefahr daß von diesen Vertretern der
Letztgenannten die schlechte moderne Kunst in ihrer offen⸗
baren Miserabilität als Beispiel benutzt wird, um die
gute u ernsthafte zu diskreditieren. Eben darum fühle ich,
der ich gern für wahrhaft Neues eintrete, mich verpflichtet,
den Grenzbereich zwischen moderner Kunst u modern mas⸗
kierter Pfuscherei deutlich zu ziehen.

Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin

Sehr verehrter Herr Dr. Busoni,

verzeihen Sie bitte, dass ich Sie bis heute ohne direkte Antwort ließ. Aber ich wollte meinem Brief die Bach-Besprechung vorausgehen lassen, und während der letzten Woche war ich durch das Nürnberger Musikfest in Anspruch genommen. Das Tonkünstlerfest des ADMV fand vom 13. bis 20. Juni 1921 in Nürnberg statt. Bekkers Besprechung davon erschien am 24. und 28. Juni 1921 in der Frankfurter Zeitung jeweils im ersten Morgenblatt. Erlauben Sie mir zunächst zu sagen, dass ich in dem Hinweis auf mich gegenüber dem Verlag gar nichts Kränkendes oder Unzulässiges gesehen hätte, sondern nur einen Vertrauensbeweis resp. einen Wunsch, und ich schrieb Ihnen lediglich deshalb, damit Sie meine Ablehnung nicht als gegen Sie, sondern gegen das mir nicht zusagende Verlagsunternehmen gerichtet auffassen. Das war alles.

Dass einiges von meinen Aufsätzen Ihr Interesse gefunden hat, freut mich aufrichtig, das Publikum für solche Dinge ist derartig klein an Zahl (es ist damit im Schrifttum wie in der Komposition), dass es sehr wohltuend wirkt, wenn man hoffen darf, nicht völlig in den Wind gesprochen zu haben. Freilich ist die Angst, für nicht modern gehalten zu werden, heut sehr verbreitet, andererseits aber auch die wirklich böswillig reaktionäre Gesinnung, und nun besteht die große Gefahr, dass von diesen Vertretern der Letztgenannten die schlechte moderne Kunst in ihrer offenbaren Miserabilität als Beispiel benutzt wird, um die gute und ernsthafte zu diskreditieren. Ebendarum fühle ich, der ich gern für wahrhaft Neues eintrete, mich verpflichtet, den Grenzbereich zwischen moderner Kunst und modern maskierter Pfuscherei deutlich zu ziehen.

Der Aufsatz über die Bach-Ausgabe ist erschienen im 1. Morgenblatt vom 11. Juni, wenn ich im Lauf der nächsten Woche nach Frankfurt komme, werde ich veranlassen, dass Ihnen einige Exemplare zugeschickt werden.

Empfangen Sie, sehr verehrter Herr Dr. Busoni, meine besten Grüße und Wünsche, mit denen ich bin ihr in steter Sympathie und Hochschätzung ergebener

Paul Bekker

Hofheim im Taunus 18.6.1921 Kapellenstraße
                                                                
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Der Aufsatz über die Bach=Ausgabe ist erschienen im 1. Morgenbl.
vom 11. Juni, wenn ich im Lauf der nächsten Woche nach
Frkf. kom̅e, werde ich veranlassen, daß Ihnen einige
Exemplare zugeschickt werden.

Empfangen Sie, sehr verehrter Herr Dr Busoni, meine
besten Grüsse u Wünsche, mit denen ich bin ihr in
steter Sympathie u Hochschätzung ergebener

Paul Bekker

Hofheim i. T. 18/VI/21
Kapellenstr
Nachlaß Busoni
                                                                
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[19.6.]21. 9–10 N
(Main) [9] 99
Frankfurt
19.6.21. 9–10 N
(Main) 9 99
Herrn Dr.Ferruccio Busoni
Berlin W 30
Viktoria Luiseplatz 11
Bekker
Hofheim i.T.
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Mus.Nachl. F. Busoni B II, 257-Beil.
Paul Bekker
(Nachlaß Busoni B II)
18.6. 1921
(m. 4 Marken)
Mus.ep. P. Bekker 9
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Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 257 | olim: Mus.ep. P. Bekker 9 (Busoni-Nachl. B II) |

Nachweis Kalliope

Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
1 Blatt, 2 beschriebene Seiten
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Paul Bekker, Brieftext in lila Tinte, in deutscher Kurrentschrift.
  • Vmtl. Hand des Empfängers Ferruccio Busoni, der auf der Umschlagrückseite die Zuordnung
  • Paul Bekker
  • mit Bleistift notiert hat.
  • Hand des Archivars, der die Signaturen und das Briefdatum mit Bleistift eingetragen hat.
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
  • Bibliotheksstempel (blaue Tinte)
  • Poststempel (schwarze Tinte)
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 1234

Zusammenfassung
Bekker entschuldigt sich für die ausbleibende Antwort; beendet die Affäre um den Drei Masken Verlag; erläutert weiter seine Idee von der „Angst, unmodern zu sein“; nennt das Erscheinungsdatum des Artikels über die Bach-Ausgabe und verspricht einige Exemplare zu schicken.
Incipit
verzeihen Sie bitte, dass ich Sie bis heute ohne direkte Antwort ließ.

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
6. September 2020: in Korrekturphase (Transkription abgeschlossen, Auszeichnungen codiert, zur Korrekturlesung freigegeben)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition