Ihre Ansichten sind mir
stets ein Wegweiser gewesen
u. ich habe nur den Wunsch,
dass Sie die Geduld bewahren
mögen, mir auch weiter zu
folgen und – zu kritisiren.
Ihren reizendenr Brief
über Benni blieb bisher
unbeantwortet – ich
will diesen zweiten gleich
mit dem frischen Ein- druck erwiedern und
Ihnen dafürfür beide herzlich
danken.
Ihre Ansichten sind mir
stets ein Wegweiser gewesen,
und ich habe nur den Wunsch,
dass Sie die Geduld bewahren
mögen, mir auch weiter zu
folgen und – zu kritisieren.
Ihr reizender Brief
über Benni blieb bisher
unbeantwortet – ich
will diesen zweiten gleich
mit dem frischen Eindruck erwidern und
Ihnen für beide herzlich
danken.
Die Elegien – gestatten Sie,
dass ich mich ein wenig
über mich selbst auslasse?
Es geschieht nicht aus Selbstgefälligkeit – die Elegien
bedeuten eine Stufe in meiner
Entwicklung. Fast Verwandlung.
Deswegen der Titel „Nach der
Wendung“.
Und diese zeigt
sich in der ersten, dritten und sechsten Nummer
am vollständigsten. – Davon
liegt mir wiederum die dritte
am nächsten. –
Die „Erscheinung“ ist eine
kleine Paraphrasieirung einer
Szene aus der „Brautwahl“,
der Erscheinungam Rathausfenster. Von dem
Augenblick an, wo sie Ihnen
gefällt, folgt sie der Oper
fast treu.
Sie sehen, dass zu dem Verdi und
Mozart, die
sich darin als meine Meister
zeigen werden (ich sagte es Ihnen
schon), auch eine eigene Note
hinzukommt.
Verzeihen Sie diese Selbstbetrachtung, die mir interessanter
ist als Ihnen, wo ich jetzt
mitten im Arbeiten stehe.
Diese freiwillige Wiener Tätigkeit
bringt mir eine Art Ruhe;
doch ist die Stimmung –
im fremden Hause und in
der besonderen Stadt – schwer
zu beschwören.
Heute – in einer Stunde – wird
das Brahms-Denkmal enthüllt.
Am gleichen Tag schreibt schreibt Busoni an seine Frau: „In ein Paar Stunden wird heute das Brahms-Denkmal eingeweiht. Ich gehe hin, will mir all die Typen ansehen. So Etwas vermeidet man hier nicht – in Berlin sind ziemlich 50 Monumente aufgestellt worden, ohne dass man es merkte. Die ‚Feuilletons‘ haben Brahms aufgewärmt, (‚unser‘Brahms), waren gemüthvoll, neckisch u. versuchten vergebens, tiefer zu gehen.“ (Busoni/Weindel 2015, S. 411).
Ich weiß, dieser Meister
ist Ihnen teuer: mich stören
seine Bequemlichkeit und sein
Deutschtum. Mit Bequemlichkeit
meine ich: sein Aus-dem-Wege-Gehen jedem neuen Problem.
Darin weichen vielleicht die Paganini-Variationen ab. Musik, nach
meinen Idealen, ist bei ihm nur
die Introduktion zum Finale der
c-Moll-Symphonie.Vgl. in BusonisEntwurf einer neuen Ästhektik der Tonkunst den Passus zu „Vorspielen und Übergängen“ als der bis dato einzig wahren und freien Musik (Ausgabe 1907, S. 9).
Wissen Sie übrigens,
dass das Thema darin das
Glockenspielmotiv der Londoner
Kirchtürme ist? Natürlich wissen Sie’s.
Haben Sie nochmals Dank, auch
für das Durchlesen dieses Briefes. –
Empfehlen Sie mich herzlichst Ihrer
Frau Gemahlin, ich grüße Sie als Ihr
treu ergebener
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<subst><del rend="strikethrough">Mus.ep. F. Busoni 41
<lb/><seg rend="indent">(Busoni-Nachl. <handShift new="#archive_red"/>B I<handShift new="#archive"/>)</seg></del><add place="below">Mus.Nachl. F. Busoni B I, 538</add></subst>
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<placeName key="E0500002">Wien</placeName>, <placeName key="E0500591">Wal<sic>l</sic>fisch
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<lb/><date when-iso="1908-05-07">7. Mai <orig>–</orig> 1908</date>.
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<salute rend="indent">Verehrtester Freund.</salute>
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<p>Ihre Ansichten sind mir
<lb/>stets ein Wegweiser gewesen<reg>,</reg>
<lb/><choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> ich habe nur den Wunsch,
<lb/>dass Sie die Geduld bewahren
<lb/>mögen, mir auch weiter zu
<lb/>folgen und – zu kritisi<reg>e</reg>ren.</p>
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<lb/>unbeantwortet – ich
<lb/>will diesen zweiten gleich
<lb/>mit dem frischen Ein
<lb break="no"/>druck erwi<orig>e</orig>dern und
<lb/>Ihnen <subst><del rend="strikethrough">dafür</del><add place="above">für beide</add></subst> herzlich
<lb/>danken.</p>
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<lb/>Staatsbibliothek
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2Faksimile
2Diplomatische Umschrift
2XML
Die Elegien – gestatten Sie
dass ich mich ein wenig
über mich selbst auslasse?
es geschieht nicht aus Selbst- gefälligkeit – die Elegien bedeuten eine Stufe in meiner
Entwicklung. Fast Verwandlung.
Deswegen der Titel „nach der
Wendung“.
Und diese zeigt
sich in der 1.3. u. 6. Nummer am vollständigsten. – Davon
liegt mir wiederum die dritte am nächsten. –
Die „Erscheinung“ ist eine
kleine Paraphrasiirung einer
Scene aus der “Brautwahl”,
der Erscheinungam Rath- -hausfenster. Von dem
Augenblick an, wo Sie Ihnen
gefällt, folgt sie der Oper
fast treu.
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<p>Die <title key="E0400079">Elegien</title> – gestatten Sie<reg>,</reg>
<lb/>dass ich mich ein wenig
<lb/>über mich selbst auslasse?
<lb/><choice><orig>e</orig><reg>E</reg></choice>s geschieht nicht aus Selbst
<lb break="no"/>gefälligkeit – die <title key="E0400079">Elegien</title>
<lb/>bedeuten eine Stufe in meiner
<lb/>Entwicklung. Fast Verwandlung.
<lb/>Deswegen der Titel <title key="E0400050" rend="dq-du"><choice><orig>n</orig><reg>N</reg></choice>ach der
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<lb/>am vollständigsten. – Davon
<lb/>liegt mir wiederum die <rs key="E0400212" rend="underline">dritte</rs>
<lb/>am nächsten. –</p>
<p rend="indent-first">Die <title key="E0400223" rend="dq-du">Erscheinung</title> ist eine
<lb/>kleine Paraphrasi<reg>e</reg>irung einer
<lb/><choice><orig>Scene</orig><reg>Szene</reg></choice> aus der <title rend="dq-uu" key="E0400138">Brautwahl</title>,
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<lb break="no" rend="after:-"/>hausfenster</hi>. Von dem
<lb/>Augenblick an, wo <choice><sic>S</sic><corr>s</corr></choice>ie Ihnen
<lb/>gefällt, folgt sie der Oper
<lb/>fast treu.</p>
</div>
3Faksimile
3Diplomatische Umschrift
3XML
Sie sehen, dass zu dem Verdi u.
Mozart, die
sich darin als Meine Meister
zeigen werden (ich sagte es Ihnen
schon), auch eine eigene Note
hinzukommt.
Verzeihen Sie diese Selbst-Be- -trachtung, die mir interessanter
ist als Ihnen, wo ich jetzt
mitten im Arbeiten stehe.
Diese freiwilligeWiener Thätigkeit
bringt mir eine Art Ruhe;
doch ist die Stimmung –
im fremden Hause und in
der besonderen Stadt – schwer
zu beschwören.
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<p>Sie sehen, dass zu dem <persName key="E0300172">Verdi</persName> <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice>
<lb/><persName key="E0300010">Mozart</persName>, die
<subst><add place="above">sich</add></subst> darin <subst><add place="above">als</add></subst> <choice><orig>M</orig><reg>m</reg></choice>eine Meister
<lb/>zeigen werden (ich sagte es Ihnen
<lb/>schon), auch eine eigene Note
<lb/>hinzukommt.</p>
<p rend="indent-first">Verzeihen Sie diese Selbst<choice><orig>-B</orig><reg>b</reg></choice>e
<lb break="no" rend="after:-"/>trachtung, die mir interessanter
<lb/>ist als Ihnen, wo ich jetzt
<lb/>mitten im Arbeiten stehe.</p>
<p rend="indent-first">Diese <add place="below">freiwillige</add> <placeName key="E0500002">Wiener</placeName> T<orig>h</orig>ätigkeit
<!--<note type="commentary" resp="#E0300365">Inoffiziell wurde im Hotel Bristol Unterricht auf Busonis Kosten erteilt, ab dem 27. April wohnte er in einer privaten Unterbringung in der Wallfischgasse 1. Er behauptete, dass er das akademische Jahr über 280 Stunden zu unterrichten habe, und dazu verpflichtet sei, unabhängig davon, ob er dafür bezahlt werde oder nicht. Am 13. Juli gingen diese Unterrichtseinheiten zu Ende (vgl. <bibl><ref target="#E0800196"/>, S. 223</bibl>).</note> bleibt zu prüfen; allgemeinere Informationen zu Busonis Wien-Aufenthalt?-->
<lb/>bringt mir eine Art Ruhe;
<lb/>doch ist die Stimmung –
<lb/>im fremden Hause und in
<lb/>der besonderen Stadt – schwer
<lb/>zu beschwören.</p>
</div>
Heute – in einer Stunde – wird
das Brahms-Denkmal ent- hüllt.
Am gleichen Tag schreibt schreibt Busoni an seine Frau: „In ein Paar Stunden wird heute das Brahms-Denkmal eingeweiht. Ich gehe hin, will mir all die Typen ansehen. So Etwas vermeidet man hier nicht – in Berlin sind ziemlich 50 Monumente aufgestellt worden, ohne dass man es merkte. Die ‚Feuilletons‘ haben Brahms aufgewärmt, (‚unser‘Brahms), waren gemüthvoll, neckisch u. versuchten vergebens, tiefer zu gehen.“ (Busoni/Weindel 2015, S. 411).
Ich weiss, dieser Meister
ist Ihnen theuer: mich stören
seine Bequemlichkeit u. sein
Deutschthum. Mit Bequemlichkeit
meine ich: Sein Aus-dem-Wege-
gehen jedem neuen Problem.
Darin weichen vielleicht die Paganini-
Variationen ab. Musik, nach
meinen Idealen, ist bei ihm nur
die Introduction zum Finale der
C-moll Symphonie.Vgl. in BusonisEntwurf einer neuen Ästhektik der Tonkunst den Passus zu „Vorspielen und Übergängen“ als der bis dato einzig wahren und freien Musik (Ausgabe 1907, S. 9).
Wissen [Sie] übrigens,
dass das Thema darin das
Glockenspielmotiv der Londoner Kirchthürme ist? Natürlich wissen Sie’s.
[am linken Rand, längs:]
Haben Sie nochmals Dank, auch
für das Durchlesen dieses Briefes. –
Empfehlen Sie mich herzlichst Ihrer
Frau Gemahlin, ich grüße Sie als Ihr
treu ergebener
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<note type="stamp" place="top-center" resp="#dsb_st_red">
<stamp rend="round border align(center) small">Deutsche
<lb/>Staatsbibliothek
<lb/><placeName key="E0500029"><hi rend="spaced-out">Berlin</hi></placeName>
</stamp>
</note>
<p>Heute – in einer Stunde – wird
<lb/>das <persName key="E0300009">Brahms</persName>-Denkmal ent
<lb break="no"/>hüllt.<!-- nähere Informationen zu dem Denkmal? -->
<!-- https://de.wikipedia.org/wiki/Brahms-Denkmal_(Wien) -->
<!-- https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Brahmsdenkmal -->
<note type="commentary" resp="#E0300365"><date when-iso="1908-05-07">Am gleichen Tag</date> schreibt schreibt <persName key="E0300017">Busoni</persName> an <rs key="E0300059">seine Frau</rs>: <q>In ein Paar Stunden wird heute das <persName key="E0300009">Brahms</persName>-Denkmal eingeweiht. Ich gehe hin, will mir all die Typen ansehen. So Etwas vermeidet man hier nicht – in <placeName key="E0500029">Berlin</placeName> sind ziemlich 50 Monumente aufgestellt worden, ohne dass man es merkte. Die <soCalled>Feuilletons</soCalled> haben <persName key="E0300009">Brahms</persName> aufgewärmt, (<soCalled>unser</soCalled> <persName key="E0300009" type="automated" nymRef="Johannes Brahms">Brahms</persName>), waren gemüthvoll, neckisch u. versuchten vergebens, tiefer zu gehen.</q> (<bibl><ref target="#E0800023"/>, S. 411</bibl>).</note>
<!-- es gibt auch noch einen Bericht davon, wie Busoni das Denkmal denn dann fand! -->
Ich wei<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>, dieser Meister
<lb/>ist Ihnen t<orig>h</orig>euer: mich stören
<lb/>seine Bequemlichkeit <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> sein
<lb/>Deutscht<orig>h</orig>um. Mit Bequemlichkeit
<lb/>meine ich: <choice><orig>S</orig><reg>s</reg></choice>ein Aus-dem-Wege-
<lb break="no"/><choice><orig>g</orig><reg>G</reg></choice>ehen jedem neuen Problem.
<lb/>Darin weichen vielleicht die <title key="E0400168"><persName key="E0300081">Paganini</persName>-
<lb break="no"/>Variationen</title> ab. Musik, nach
<lb/>meinen Idealen, ist bei ihm nur
<lb/>die Introdu<choice><orig>c</orig><reg>k</reg></choice>tion zum Finale der
<lb/><title key="E0400005"><choice><orig>C-moll </orig><reg>c-Moll-</reg></choice>Symphonie</title>.
<note type="commentary" resp="#E0300314">Vgl. in <persName key="E0300017">Busonis</persName> <title key="E0400043">Entwurf einer neuen Ästhektik der Tonkunst</title> den Passus zu <q>Vorspielen und Übergängen</q> als der bis dato einzig wahren und freien Musik (<bibl><rs key="E0800315">Ausgabe 1907</rs>, <ref target="#D0200001" n="9">S. 9</ref></bibl>).</note>
Wissen <supplied reason="omitted">Sie</supplied> übrigens,
<lb/>dass das Thema darin das
<lb/>Glockenspielmotiv der <placeName key="E0500047">Londoner</placeName>
<lb/>Kircht<orig>h</orig>ürme ist? Natürlich wissen Sie’s. <!-- stimmt das? -->
</p>
<cb type="margin-left"/>
<p>Haben Sie nochmals Dank, auch
<lb/>für das Durchlesen dieses Briefes. –</p>
<closer>
<salute>Empfehlen Sie mich herzlichst Ihrer
<lb/><rs key="E0300059">Frau Gemahlin</rs>, ich grüße Sie als Ihr
<lb/>treu ergebener</salute>
<signed rend="inline"><persName key="E0300017">F. Busoni</persName></signed>
</closer>
</div>
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B I, 538 | olim:
Mus.ep. F. Busoni 41 (Busoni-Nachl. B I)
|
Busoni dankt für Freunds Kritik der Elegien; bezeichnet diese als „Stufe in meiner Entwicklung. Fast Verwandlung“; erklärt anlässlich der Enthüllung des WienerBrahms-Denkmals über den von Freund geschätzten Komponisten: „mich stören seine Bequemlichkeit und sein Deutschtum“.
Incipit
„Ihre Ansichten sind mir stets ein Wegweiser gewesen“
Brief von Ferruccio Busoni an Robert Freund (Wien, 7. Mai 1908), bearbeitet von Zaher Alkaei, in: Briefwechsel Ferruccio Busoni – Robert Freund, hrsg. von Christian Schaper und Ullrich Scheideler, Berlin: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, Januar 2018: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, https://busoni-nachlass.org/D0100532 (12. Dezember 2018: zur Freigabe vorgeschlagen)
Download der bereinigten Lesefassung im PDF-Dateiformat (.pdf)
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<title xml:lang="de">Brief von Ferruccio Busoni an Robert Freund (Wien, 7. Mai 1908)</title>
<title xml:lang="en">Letter by Ferruccio Busoni to Robert Freund (Wien, 7 May 1908)</title>
<author key="E0300017">Ferruccio Busoni</author>
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<publisher>Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin</publisher>
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<date when-iso="2018-01"/>
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<title type="main">Ferruccio Busoni – Briefe und Schriften</title>
<title type="genre">Briefe</title>
<title type="subseries" key="E010007">Briefwechsel Ferruccio Busoni – Robert Freund</title>
<editor key="E0300314">Christian Schaper</editor>
<editor key="E0300313">Ullrich Scheideler</editor>
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<collection>Nachlass Ferruccio Busoni</collection>
<idno>Mus.Nachl. F. Busoni B I, 538</idno>
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<summary><persName key="E0300017">Busoni</persName> dankt für <persName key="E0300208">Freunds</persName> Kritik der <title key="E0400079">Elegien</title>; bezeichnet diese als <q>Stufe in meiner Entwicklung. Fast Verwandlung</q>; erklärt anlässlich der Enthüllung des <placeName key="E0500002">Wiener</placeName> <persName key="E0300009">Brahms</persName>-Denkmals über den von <persName key="E0300208">Freund</persName> geschätzten Komponisten: <q>mich stören seine Bequemlichkeit und sein Deutscht<orig>h</orig>um</q>.</summary>
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<collation>Seitenfolge: 1, 3, 2, 4 (2 und 4 im Querformat)</collation>
<condition>Der Brief ist gut erhalten.</condition>
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<handNote xml:id="major_hand" scope="major" medium="black_ink" scribe="author" scribeRef="#E0300017">Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.</handNote>
<handNote xml:id="archive" scope="minor" medium="pencil" scribe="archivist">
Hand des Archivars, der die Signaturen mit Bleistift eingetragen und eine Foliierung vorgenommen hat.
</handNote>
<handNote xml:id="archive_red" scope="minor" medium="red_pen" scribe="archivist">
Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
</handNote>
<handNote xml:id="dsb_st_red" scope="minor" medium="red_ink" scribe="archivist">Bibliotheksstempel (rote Tinte)</handNote>
<handNote xml:id="sbb_st_blue" scope="minor" medium="blue_ink" scribe="archivist">Bibliotheksstempel (blaue Tinte)</handNote>
<handNote xml:id="post" scope="minor" medium="black_ink" scribe="postoffice">Poststempel (schwarze Tinte)</handNote>
<handNote xml:id="postman" scope="minor" medium="black_pen" scribe="postoffice">Hand eines Postbediensteten, der die Adresse mit schwarzem Stift ergänzt hat.</handNote>
<handNote xml:id="gerda.busoni" scope="minor" medium="pencil" scribe="relative" scribeRef="#E0300059">Hand Gerda Busonis, die das Datum auf der Umschlagrückseite mit Bleistift notiert hat.</handNote>
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<address rend="align(center)">
<addrLine>Herrn <persName key="E0300208">Robert Freund</persName></addrLine>
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<lb/>Staatsbibliothek
<lb/><placeName key="E0500029"><hi rend="spaced-out">Berlin</hi></placeName>
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</note>
<note type="annotation" place="bottom" resp="#postman"><placeName key="E0500495">u. Zäune 7</placeName>?</note>
<note type="stamp" place="bottom-left" resp="#post">
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<gap reason="illegible"/> <placeName key="E0500002">Wien</placeName> <gap reason="illegible"/>
<lb/><gap reason="illegible" extent="2" unit="char"/>
<lb/><date when-iso="1908-05-07">7.5.08</date>.
<lb/>12-1N
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<pb n="6"/>
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<stamp xml:id="post_rec" rend="round border majuscule align(center)">
<placeName key="E0500132">Zürich</placeName> 1
<lb/>-<date when-iso="1908-05-08">8.V.08.</date>–3
<lb/>Briefträger III
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<note type="shelfmark" place="bottom-right" resp="#archive">
<add place="bottom-center" xml:id="addSig">Mus.Nach. F. Busoni B I 538-Beil.</add>
<note type="dating" place="bottom-right" resp="#gerda.busoni" rend="large" xml:id="gerda_date"><date when-iso="1908-05-07">7 Mai 1908</date></note>
<del xml:id="delSig" rend="strikethrough">Mus.ep. F. Busoni 41
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<p>Erfassung von Briefen und Schriften von Ferruccio Busoni, ausgehend von Busonis Nachlass in der Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz.</p>
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<p>Worttrennungen an Zeilenumbrüchen im Original mit einfachen Bindestrichen.</p>
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<p>Alle im Text vorkommenden Interpunktionszeichen wurden beibehalten und werden in der diplomatischen Umschrift wiedergegeben. Bei Auszeichnung durch XML-Elemente wurden umgebende Satzzeichen nicht mit einbezogen.</p>
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<p>Anführungszeichen wurden i. d. R. nicht beibehalten; die Art der Zeichen wurde im Attribut <att>rend</att> der entsprechenden Elemente codiert.</p>
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<p>Die Übertragung folgt den Editionsrichtlinien des Projekts. <ptr target="http://www.busoni-nachlass.org/E1000003"/></p>
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<note type="shelfmark" resp="#archive" place="top-left">
<subst>
<del rend="strikethrough">Mus.ep. F. Busoni 41
<lb/><seg rend="indent">(Busoni-Nachl. <handShift new="#archive_red"/>B I<handShift new="#archive"/>)</seg></del>
<add place="below">Mus.Nachl. F. Busoni B I, 538</add>
</subst>
</note>
<opener>
<dateline rend="top-right">
<placeName key="E0500002">Wien</placeName>, <placeName key="E0500591">Wal<sic>l</sic>fisch
<lb break="no"/>gasse 4</placeName><choice><orig>. –</orig><reg>,</reg></choice> am
<lb/><date when-iso="1908-05-07">7. Mai <orig>–</orig> 1908</date>.
</dateline>
<note type="foliation" resp="#archive" place="left">[1]</note>
<salute rend="indent">Verehrtester Freund.</salute>
</opener>
<p>Ihre Ansichten sind mir
<lb/>stets ein Wegweiser gewesen<reg>,</reg>
<lb/><choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> ich habe nur den Wunsch,
<lb/>dass Sie die Geduld bewahren
<lb/>mögen, mir auch weiter zu
<lb/>folgen und – zu kritisi<reg>e</reg>ren.</p>
<p rend="indent-first"><ref type="E010007" target="#D0100531">Ihr<del rend="strikethrough">en</del> reizende<subst><del rend="overwritten">n</del><add place="across">r</add></subst> Brief
<lb/>über <persName key="E0300060">Benni</persName></ref> blieb bisher
<lb/>unbeantwortet – ich
<lb/>will diesen zweiten gleich
<lb/>mit dem frischen Ein
<lb break="no"/>druck erwi<orig>e</orig>dern und
<lb/>Ihnen <subst><del rend="strikethrough">dafür</del><add place="above">für beide</add></subst> herzlich
<lb/>danken.</p>
<note type="stamp" place="inline right" resp="#dsb_st_red">
<stamp rend="round border align(center) small">Deutsche
<lb/>Staatsbibliothek
<lb/><placeName key="E0500029"><hi rend="spaced-out">Berlin</hi></placeName>
</stamp>
</note>
<note type="stamp" place="bottom-left" resp="#sbb_st_blue">
<stamp>Nachlaß Busoni</stamp>
</note>
<pb n="2"/>
<p>Die <title key="E0400079">Elegien</title> – gestatten Sie<reg>,</reg>
<lb/>dass ich mich ein wenig
<lb/>über mich selbst auslasse?
<lb/><choice><orig>e</orig><reg>E</reg></choice>s geschieht nicht aus Selbst
<lb break="no"/>gefälligkeit – die <title key="E0400079">Elegien</title>
<lb/>bedeuten eine Stufe in meiner
<lb/>Entwicklung. Fast Verwandlung.
<lb/>Deswegen der Titel <title key="E0400050" rend="dq-du"><choice><orig>n</orig><reg>N</reg></choice>ach der
<lb/>Wendung</title>.
Und diese zeigt
<lb/>sich in der <rs key="E0400050"><choice><orig>1.</orig><reg>ersten</reg></choice></rs><reg>,</reg> <rs key="E0400212"><choice><orig>3.</orig><reg>dritten</reg></choice></rs> <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> <rs key="E0400223"><choice><orig>6.</orig><reg>sechsten</reg></choice> Nummer</rs>
<lb/>am vollständigsten. – Davon
<lb/>liegt mir wiederum die <rs key="E0400212" rend="underline">dritte</rs>
<lb/>am nächsten. –</p>
<p rend="indent-first">Die <title key="E0400223" rend="dq-du">Erscheinung</title> ist eine
<lb/>kleine Paraphrasi<reg>e</reg>irung einer
<lb/><choice><orig>Scene</orig><reg>Szene</reg></choice> aus der <title rend="dq-uu" key="E0400138">Brautwahl</title>,
<lb/>der <hi rend="underline">Erscheinung</hi> <hi rend="underline">am Rat<orig>h</orig>
<lb break="no" rend="after:-"/>hausfenster</hi>. Von dem
<lb/>Augenblick an, wo <choice><sic>S</sic><corr>s</corr></choice>ie Ihnen
<lb/>gefällt, folgt sie der Oper
<lb/>fast treu.</p>
<pb n="3"/>
<p>Sie sehen, dass zu dem <persName key="E0300172">Verdi</persName> <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice>
<lb/><persName key="E0300010">Mozart</persName>, die
<subst><add place="above">sich</add></subst> darin <subst><add place="above">als</add></subst> <choice><orig>M</orig><reg>m</reg></choice>eine Meister
<lb/>zeigen werden (ich sagte es Ihnen
<lb/>schon), auch eine eigene Note
<lb/>hinzukommt.</p>
<p rend="indent-first">Verzeihen Sie diese Selbst<choice><orig>-B</orig><reg>b</reg></choice>e
<lb break="no" rend="after:-"/>trachtung, die mir interessanter
<lb/>ist als Ihnen, wo ich jetzt
<lb/>mitten im Arbeiten stehe.</p>
<p rend="indent-first">Diese <add place="below">freiwillige</add> <placeName key="E0500002">Wiener</placeName> T<orig>h</orig>ätigkeit
<!--<note type="commentary" resp="#E0300365">Inoffiziell wurde im Hotel Bristol Unterricht auf Busonis Kosten erteilt, ab dem 27. April wohnte er in einer privaten Unterbringung in der Wallfischgasse 1. Er behauptete, dass er das akademische Jahr über 280 Stunden zu unterrichten habe, und dazu verpflichtet sei, unabhängig davon, ob er dafür bezahlt werde oder nicht. Am 13. Juli gingen diese Unterrichtseinheiten zu Ende (vgl. <bibl><ref target="#E0800196"/>, S. 223</bibl>).</note> bleibt zu prüfen; allgemeinere Informationen zu Busonis Wien-Aufenthalt?-->
<lb/>bringt mir eine Art Ruhe;
<lb/>doch ist die Stimmung –
<lb/>im fremden Hause und in
<lb/>der besonderen Stadt – schwer
<lb/>zu beschwören.</p>
<pb n="4"/>
<note type="stamp" place="top-center" resp="#dsb_st_red">
<stamp rend="round border align(center) small">Deutsche
<lb/>Staatsbibliothek
<lb/><placeName key="E0500029"><hi rend="spaced-out">Berlin</hi></placeName>
</stamp>
</note>
<p>Heute – in einer Stunde – wird
<lb/>das <persName key="E0300009">Brahms</persName>-Denkmal ent
<lb break="no"/>hüllt.<!-- nähere Informationen zu dem Denkmal? -->
<!-- https://de.wikipedia.org/wiki/Brahms-Denkmal_(Wien) -->
<!-- https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Brahmsdenkmal -->
<note type="commentary" resp="#E0300365"><date when-iso="1908-05-07">Am gleichen Tag</date> schreibt schreibt <persName key="E0300017">Busoni</persName> an <rs key="E0300059">seine Frau</rs>: <q>In ein Paar Stunden wird heute das <persName key="E0300009">Brahms</persName>-Denkmal eingeweiht. Ich gehe hin, will mir all die Typen ansehen. So Etwas vermeidet man hier nicht – in <placeName key="E0500029">Berlin</placeName> sind ziemlich 50 Monumente aufgestellt worden, ohne dass man es merkte. Die <soCalled>Feuilletons</soCalled> haben <persName key="E0300009">Brahms</persName> aufgewärmt, (<soCalled>unser</soCalled> <persName key="E0300009" type="automated" nymRef="Johannes Brahms">Brahms</persName>), waren gemüthvoll, neckisch u. versuchten vergebens, tiefer zu gehen.</q> (<bibl><ref target="#E0800023"/>, S. 411</bibl>).</note>
<!-- es gibt auch noch einen Bericht davon, wie Busoni das Denkmal denn dann fand! -->
Ich wei<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>, dieser Meister
<lb/>ist Ihnen t<orig>h</orig>euer: mich stören
<lb/>seine Bequemlichkeit <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> sein
<lb/>Deutscht<orig>h</orig>um. Mit Bequemlichkeit
<lb/>meine ich: <choice><orig>S</orig><reg>s</reg></choice>ein Aus-dem-Wege-
<lb break="no"/><choice><orig>g</orig><reg>G</reg></choice>ehen jedem neuen Problem.
<lb/>Darin weichen vielleicht die <title key="E0400168"><persName key="E0300081">Paganini</persName>-
<lb break="no"/>Variationen</title> ab. Musik, nach
<lb/>meinen Idealen, ist bei ihm nur
<lb/>die Introdu<choice><orig>c</orig><reg>k</reg></choice>tion zum Finale der
<lb/><title key="E0400005"><choice><orig>C-moll </orig><reg>c-Moll-</reg></choice>Symphonie</title>.
<note type="commentary" resp="#E0300314">Vgl. in <persName key="E0300017">Busonis</persName> <title key="E0400043">Entwurf einer neuen Ästhektik der Tonkunst</title> den Passus zu <q>Vorspielen und Übergängen</q> als der bis dato einzig wahren und freien Musik (<bibl><rs key="E0800315">Ausgabe 1907</rs>, <ref target="#D0200001" n="9">S. 9</ref></bibl>).</note>
Wissen <supplied reason="omitted">Sie</supplied> übrigens,
<lb/>dass das Thema darin das
<lb/>Glockenspielmotiv der <placeName key="E0500047">Londoner</placeName>
<lb/>Kircht<orig>h</orig>ürme ist? Natürlich wissen Sie’s. <!-- stimmt das? -->
</p>
<cb type="margin-left"/>
<p>Haben Sie nochmals Dank, auch
<lb/>für das Durchlesen dieses Briefes. –</p>
<closer>
<salute>Empfehlen Sie mich herzlichst Ihrer
<lb/><rs key="E0300059">Frau Gemahlin</rs>, ich grüße Sie als Ihr
<lb/>treu ergebener</salute>
<signed rend="inline"><persName key="E0300017">F. Busoni</persName></signed>
</closer>
</div>
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