Lieber Freund! Jetzt kan̅
ich Ihnen erst aus vollem
Herzen danken, nachdem
ich die Brautwahl genau
angesehen.Busoni hatte Freund einen Klavier-Auszug der Brautwahl zukommen lassen. Wäre die Oper
ein rein–musikalisches
Kunstwerk, dürfte keine
Note geopfert werden; den̅
“wo ihr’s packt” ist es interes- sant u. eigenartig. Da
aber die Oper auch ein
dramatisches Opus ist, so
kom̅en auch die Bedingungen
Jetzt kann
ich Ihnen erst aus vollem
Herzen danken, nachdem
ich die Brautwahl genau
angesehen.Busoni hatte Freund einen Klavier-Auszug der Brautwahl zukommen lassen. Wäre die Oper
ein rein–musikalisches
Kunstwerk, dürfte keine
Note geopfert werden; denn
„wo ihr’s packt“ ist es interessant und eigenartig. Da
aber die Oper auch ein
dramatisches Opus ist, so
kommen auch die Bedingungen
des Bühnenwerkes in Betracht. Und da
habe ich noch immer die Empfindung, als
ob im dritten Akt die Handlung konziser,
straffer geführt werde sollte. Mir selbst
täte es Leid, etwas zu opfern, ich glaube
also, dass Kürzungen dem ganzen Werk
zum Vorteil gereichen würden. In den
beiden ersten Akten und wohl auch im
Nachspiel ist jede Kürzung
ausgeschlossen, bleibt aber
nur der dritte Akt übrig,
in dem ein Zusammenfassen
möglich. Ich betone aber
nochmals, dass rein musikalisch der dritte Akt
gewiss auf der Höhe
der Übrigen steht, ja
in der Erzählung Leonhard’s vielleicht den
Höhepunkt des Werkes
erreicht. – Jetzt konnte
ich auch erst ermessen,
wieviel die Aufführung in Hamburg Gemeint ist die Uraufführung der „Brautwahl“ am 13. April 1912 im Stadttheater Hamburg. In einem vorherigen Brief hatte Busoni aufgezeigt, was ihm an der Aufführung missfiel. zu Stande
zu wünschen übrig ließ. Um eine Aufführung in Ihrem Sinne
zu bringen, brauchte es einen Mahler.
Und wo ist ein Ersatz für diesen?!Mahler war erst in etwa ein Jahr vor Verfassen des Briefes, nämlich am 18. Mai 1911, verstorben.
– Ein besonderes Kompliment möchte
ich noch Herrn Petri für seinen AuszugGemeint ist der Klavierauszug zu „Die Brautwahl“
machen. Ich weiß wirklich keinen
Klavier–Auszug, der so
sauber, durchsichtig
und spielbar wäre und
doch (soweit es mir ohne
Kenntnis der Partitur
scheint) ein so getreues
Bild der Partitur
gäbe. – Ich habe in
den letzten Tagen Ihren
ersten Text wieder gelesen
den ich immer bevorzugte.
Nur erschien mir diesmal
der Schluss etwas kurz.
Denken Sie noch daran ihn in
Musik zu setzen? –
Und nun seien Sie und Frau Busoni
noch herzlichst gegrüsst von Ihrem
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2Faksimile
2Diplomatische Umschrift
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des Bühnenwerkes in Betracht. Und da
habe ich noch im̅er die Empfindung als
ob im 3 ten Akt die Handlung conciser,
straffer geführt werde sollte. Mir selbst
thäte es leid etwas zu opfern, ich glaube
also, dass Kürzungen dem ganzen Werk
zum Vortheil gereichen würden. In den
beiden ersten Akten u. wohl auch im
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[2]
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin Nachspiel ist jede Kürzung
ausgeschlossen, bleibt aber
nur der 3 te Akt übrig
in dem ein Zusam̅enfassen
möglich. Ich betone aber
nochmals, dass rein musi- kalisch der 3 te Akt
gewiss auf der Höhe
der Übrigen steht, ja
in der Erzählung Leon- hard’s vielleicht den
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Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin wieviel die Aufführung in Hamburg Gemeint ist die Uraufführung der „Brautwahl“ am 13. April 1912 im Stadttheater Hamburg. In einem vorherigen Brief hatte Busoni aufgezeigt, was ihm an der Aufführung missfiel. zu Stande
zu wünschen übrig liess. Um eine Auf- führung in Ihrem Sin̅e
zu bringen, brauchte es einen Mahler.
Und wo ist ein Ersatz für diesen?!Mahler war erst in etwa ein Jahr vor Verfassen des Briefes, nämlich am 18. Mai 1911, verstorben. – eEin besonderes Compliment möchte
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B II, 1726[3] 2. Clavier–Auszug der so
sauber, durchsichtig
u. spielbar wäre u.
doch (soweit es mir ohne
Kentniss der Partitur
scheint) ein so getreues
Bild der Partitur
gäbe. – Ich habe in
den letzten Tagen Ihren
ersten Text wieder gelesen
den ich im̅er bevorzugte.
Nur erschien mir diesmal
der Schluss etwas kurz.
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6Diplomatische Umschrift
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Denken Sie noch daran ihn in
Musik zu setzen? –
Und nun seien Sie u. Frau Busoni noch herzlichst gegrüsst von Ihrem
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 1726 | olim:
Mus.ep. R. Freund 37 (Busoni-Nachl. B II)
|
Freund dankt für Busonis Klavier-Auszug der „Brautwahl“ und sendet Komplimente für diesen an den bearbeitenden Petri; Freund schlägt Kürzungen am Text vor und erfragt, ob Busoni seinen Text „Der mächtige Zauberer“ in Musik setzen möchte.
Incipit
„Jetzt kann ich Ihnen erst aus vollem Herzen danken nachdem ich die Brautwahl genau angesehen.“
Brief von Robert Freund an Ferruccio Busoni (Zürich, 15. Mai 1912), bearbeitet von Marlene Everling, in: Briefwechsel Ferruccio Busoni – Robert Freund, hrsg. von Christian Schaper und Ullrich Scheideler, Berlin: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, Januar 2018: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, https://busoni-nachlass.org/D0100549 (6. April 2018: in Korrekturphase)
Download der bereinigten Lesefassung im PDF-Dateiformat (.pdf)
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<title xml:lang="de">Brief von Robert Freund an Ferruccio Busoni (Zürich, 15. Mai 1912)</title>
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<handNote xml:id="major_hand" scope="major" medium="black_ink" scribe="author" scribeRef="#E0300208">Hand des Absenders Robert Freund, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.</handNote>
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<p>Worttrennungen an Zeilenumbrüchen im Original mit einfachen Bindestrichen.</p>
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<p>Alle im Text vorkommenden Interpunktionszeichen wurden beibehalten und werden in der diplomatischen Umschrift wiedergegeben. Bei Auszeichnung durch XML-Elemente wurden umgebende Satzzeichen nicht mit einbezogen.</p>
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<p>Anführungszeichen wurden i. d. R. nicht beibehalten; die Art der Zeichen wurde im Attribut <att>rend</att> der entsprechenden Elemente codiert.</p>
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<pb n="2"/>
<lb/>des Bühnenwerkes in Betracht. Und da
<lb/>habe ich noch i<choice><abbr>m̅</abbr><expan>mm</expan></choice>er die Empfindung<reg>,</reg> als
<lb/>ob im <choice><orig>3 ten</orig><reg>dritten</reg></choice> Akt die Handlung <choice><orig>conciser</orig><reg>konziser</reg></choice>,
<lb/>straffer geführt werde sollte. Mir selbst
<lb/><choice><orig>thäte</orig><reg>täte</reg></choice> es <choice><orig>leid</orig><reg>Leid</reg></choice><reg>,</reg> etwas zu opfern, ich glaube
<lb/>also, dass Kürzungen dem ganzen Werk
<lb/>zum <choice><orig>Vortheil</orig><reg>Vorteil</reg></choice> gereichen würden. In den
<lb/>beiden ersten Akten <choice><orig>u.</orig><reg>und</reg></choice> wohl auch im
<pb n="3"/>
<note type="annotation" place="top-right" resp="#archive">[2]</note>
<note type="stamp" place="margin-left" resp="#dsb_st_red">
<stamp rend="round border align(center) small">Deutsche
<lb/>Staatsbibliothek
<lb/><placeName key="E0500029"><hi rend="spaced-out">Berlin</hi></placeName>
</stamp>
</note>
<lb/>Nachspiel ist jede Kürzung
<lb/>ausgeschlossen, bleibt aber
<lb/>nur der <choice><orig>3 te</orig><reg>dritte</reg></choice> Akt übrig<reg>,</reg>
<lb/>in dem ein Zusa<choice><abbr>m̅</abbr><expan>mm</expan></choice>enfassen
<lb/>möglich. Ich betone aber
<lb/>nochmals, dass rein musi
<lb break="no"/>kalisch der <choice><orig>3 te</orig><reg>dritte</reg></choice> Akt
<lb/>gewiss auf der Höhe
<lb/>der Übrigen steht, ja
<lb/>in der Erzählung Leon
<lb break="no"/>hard’s vielleicht den
<lb/>Höhepunkt des Werkes
<lb/>erreicht. – Jetzt ko<choice><abbr>n̅</abbr><expan>nn</expan></choice>te
<lb/>ich auch erst ermessen,
<pb n="4"/>
<note type="stamp" place="top-center" resp="#dsb_st_red">
<stamp rend="round border align(center) small">Deutsche
<lb/>Staatsbibliothek
<lb/><placeName key="E0500029"><hi rend="spaced-out">Berlin</hi></placeName>
</stamp>
</note>
<lb/>wieviel die Aufführung in <placeName key="E0500005">Hamburg </placeName> <note type="commentary" resp="#E0300418">Gemeint ist die Uraufführung der <q rend="dq-du"><title key="E0400138">Brautwahl</title></q> am <date when-iso="1913-04-13">13. April 1912</date> im <orgName key="E0600107">Stadttheater <placeName key="E0500005">Hamburg</placeName></orgName>. In einem vorherigen <ref target="#D0100547" n="3">Brief</ref> hatte <persName key="E0300017">Busoni</persName> aufgezeigt, was ihm an der Aufführung missfiel.</note> zu Stande
<lb/>zu wünschen übrig lie<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>. Um eine Auf
<lb break="no"/>führung in Ihrem Si<choice><abbr>n̅</abbr><expan>nn</expan></choice>e
<lb/>zu bringen, brauchte es einen <persName key="E0300047">Mahler</persName>.
<lb/>Und wo ist ein Ersatz für diesen?! <note type="commentary" resp="#E0300418"><persName key="E0300047">Mahler</persName> war erst in etwa ein Jahr vor Verfassen des Briefes, nämlich am <date when-iso="1911-05-18">18. Mai 1911</date>, verstorben.</note>
<lb/>– <subst><del rend="overwritten">e</del><add place="across">E</add></subst>in besonderes <choice><orig>C</orig><reg>K</reg></choice>ompliment möchte
<lb/>ich noch <persName key="E0300031">Herrn Petri</persName> für seinen Auszug <note type="commentary" resp="#E0300418">Gemeint ist der Klavierauszug zu <q rend="dq-du"><title key="E0400138">Die Brautwahl</title></q> </note>
<lb/>machen. Ich wei<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice> wirklich keinen
<pb n="5"/>
<note type="annotation" place="top-left" resp="#archive">B II, 1726</note>
<note type="annotation" place="top-right" resp="#archive">[3]</note>
<lb/><seg rend="align(right)"><orig>2.</orig></seg>
<lb/><choice><orig>C</orig><reg>K</reg></choice>lavier–Auszug<reg>,</reg> der so
<lb/>sauber, durchsichtig
<lb/><choice><orig>u.</orig><reg>und</reg></choice> spielbar wäre <choice><orig>u.</orig><reg>und</reg></choice>
<lb/>doch (soweit es mir ohne
<lb/>Ke<choice><orig>n</orig><reg>nn</reg></choice>tni<choice><orig>ss</orig><reg>s</reg></choice> der Partitur
<lb/>scheint) ein so getreues
<lb/>Bild der Partitur
<lb/>gäbe. – Ich habe in
<lb/>den letzten Tagen Ihren
<lb/><title key="E0400048">ersten Text</title> wieder gelesen
<lb/>den ich i<choice><abbr>m̅</abbr><expan>mm</expan></choice>er bevorzugte.
<lb/>Nur erschien mir diesmal
<lb/>der Schluss etwas kurz.
<pb n="6"/>
<lb/>Denken Sie noch daran ihn in
<lb/>Musik zu setzen? –</p>
<closer rend="align(center)">
<salute>Und nun seien Sie <choice><orig>u.</orig><reg>und</reg></choice> <persName key="E0300059">Frau Busoni</persName>
<lb/>noch herzlichst gegrüsst von Ihrem</salute>
<signed>treu ergebenen
<lb/><persName key="E0300208">R. Freund</persName>.</signed>
</closer>
<note type="annotation" place="bottom-right" resp="#archive">[4r]</note>
<pb n="7"/>
<note type="objdesc" resp="#E0300418">[Rückseite von Textseite 3]</note>
<note type="stamp" place="margin-right" resp="#dsb_st_red">
<stamp rend="round border align(center) small">Deutsche
<lb/>Staatsbibliothek
<lb/><placeName key="E0500029"><hi rend="spaced-out">Berlin</hi></placeName>
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</note>
<pb n="8"/>
<note type="objdesc" resp="#E0300418">[Seite 3 des zweiten Bogens]</note>
<note type="annotation" place="top-right" resp="#archive">[4]</note>
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<stamp rend="round border align(center) small">Deutsche
<lb/>Staatsbibliothek
<lb/><placeName key="E0500029"><hi rend="spaced-out">Berlin</hi></placeName>
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