Ihre Schrift
zu sehen erfreute mich zuerst eben- so, als nachträglich (u. nachhaltig)
der Inhalt Ihres guten Briefes.
Ihres Beifalls für die „Impro- visation“ bin ich ganz froh. Ich
selbst nannte bei mir die Violin- Sonate mein opus Eins. Die Stücke
bei Peters lehne ich ab, wohingegen
ich mich des II. (mit 21 Jahren
geschriebenen) Streichquartettes noch
"anjetzo"Althochdeutsch für „jetzt, nun, im gegenwärtigen Zeitpunkt“ nicht zu schämen brauche.
Zwischen 22 u. 35 Jahren klafft
die Lücke, die emsiges Klavierspiel
der Komponisten-Entwicklung höhlte.In dieser Zeit tätigte Busoni viele Konzertreisen als Pianist. Zudem hatte er unter anderem in Moskau, Helsinki, Boston und Weimar verschiedene Lehrtätigkeiten. Von da an aber verliess ich die grade
Linie nicht wieder. – Nächste Woche
veranstalte ich (gewissermassen zum
I Male) einen ganzen Klavierabend
von eigenen Sachen. – Meine neuestenWelche Werke Busoni genau meint, kann anhand der uns vorliegenden Briefe bis dato nicht bestimmt werden. werde ich Ihnen – falls Ihnen das
nicht aufdringlich dünkt – gelegentlich
zuschicken.
Ihre Schrift
zu sehen erfreute mich zuerst ebenso, als nachträglich (und nachhaltig)
der Inhalt Ihres guten Briefes.
Ihres Beifalls für die „Impro visation“ bin ich ganz froh. Ich
selbst nannte bei mir die Violin sonate mein opus Eins. Die Stücke
bei Peters lehne ich ab, wohingegen
ich mich des II. (mit 21 Jahren
geschriebenen) Streichquartettes noch
„anjetzo“Althochdeutsch für „jetzt, nun, im gegenwärtigen Zeitpunkt“ nicht zu schämen brauche.
Zwischen 22 und 35 Jahren klafft
die Lücke, die emsiges Klavierspiel
der Komponisten-Entwicklung höhlte.In dieser Zeit tätigte Busoni viele Konzertreisen als Pianist. Zudem hatte er unter anderem in Moskau, Helsinki, Boston und Weimar verschiedene Lehrtätigkeiten.
Von da an aber verließ ich die gerade
Linie nicht wieder. – Nächste Woche
veranstalte ich (gewissermaßen zum
ersten Male) einen ganzen Klavierabend
von eigenen Sachen. – Meine NeuestenWelche Werke Busoni genau meint, kann anhand der uns vorliegenden Briefe bis dato nicht bestimmt werden.
werde ich Ihnen – falls Ihnen das
nicht aufdringlich dünkt – gelegentlich
zuschicken.
Gegenwärtig brüte ich an einem
großen Theaterwerk.Gemeint ist hier das Werk Doktor Faust, an dem Busoni seit 1916 arbeitete.
Genug von mir. –
Recht wenig sagen Sie von sich
(woraus ich mir ein Vorbild
nehmen sollte) wenngleich ich
(und mit mir sehr viele in Zürich)
weiteres über Sie herzlich gern
erführen. Betrachten Sie
Ihren jetzigen Aufenthalt als
ein „Elba“Mit Elba ist hier eine Umschreibung für ein Exil gemeint; eine Anspielung auf Napoleons Aufenthalt auf Elba. Fragwürdig ist an dieser Stelle jedoch, warum Busoni die Heimat von Freund einem Exil gleichsetzt. Genau genommen ist dieser Begriff falsch gewählt, da Freund nicht ins Exil gegangen ist oder gehen musste. Zudem passt dieser Begriff nicht, da im allgemeinen mit dem Begriff Exil gemeint ist, dass jemand seine Heimat verlässt und nicht in sie zurückkehrt. Freund selbst geht in seinem Antwortschreiben auf diese Begrifflichkeit nicht ein, sehr wohl aber auf eine Inbetrachtnahme Zürich wieder besuchen zu wollen.; und wenn Sie hieher
zurückkommen, so fallen Sie
in lauter offene Arme. Und
wäre es auch für nur einen Besuch von 100
Tagen!
Huber ist leider, leider, ernstlich
krank. Noch spricht man von
Heilung; aber vorläufig leidet
er stark, und nimmt an nichts
teil. Im Juni erklang noch
blühend u. sympathisch seine 7.
Symphonie. – Grüßen Sie Ihre
Schwestern.
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2Faksimile
2Diplomatische Umschrift
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B I, 550
[2]
Gegenwärtig brüte ich an einem
grossen Theaterwerke.Gemeint ist hier das Werk Doktor Faust, an dem Busoni seit 1916 arbeitete. Genug von mir. –
Recht wenig sagen Sie von sich
(woraus ich mir ein Vorbild
nehmen sollte) wenngleich ich
(und mit mir sehr viele in Zürich)
Weiteres über Sie herzlich gern
erführen. Betrachten Sie
Ihren jetzigen Aufenthalt als
ein „Elba“Mit Elba ist hier eine Umschreibung für ein Exil gemeint; eine Anspielung auf Napoleons Aufenthalt auf Elba. Fragwürdig ist an dieser Stelle jedoch, warum Busoni die Heimat von Freund einem Exil gleichsetzt. Genau genommen ist dieser Begriff falsch gewählt, da Freund nicht ins Exil gegangen ist oder gehen musste. Zudem passt dieser Begriff nicht, da im allgemeinen mit dem Begriff Exil gemeint ist, dass jemand seine Heimat verlässt und nicht in sie zurückkehrt. Freund selbst geht in seinem Antwortschreiben auf diese Begrifflichkeit nicht ein, sehr wohl aber auf eine Inbetrachtnahme Zürich wieder besuchen zu wollen.; u. wenn Sie hieher
zurückkommen, so fallen Sie
in lauter offene Arme. Und
wäre es auch für nur einen Besuch von 100
Tagen!
Huber ist leider, leider, ernstlich
krank. Noch spricht man von
Heilung; aber vorläufig leidet
er stark, und nimmt an nichts
Theil. Im Juni erklang noch
blühend u. sympathisch seine 7.
Symphonie. – Grüßen Sie Ihre
Schwestern.
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<lb/>Heilung; aber vorläufig leidet
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Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B I, 550 | olim:
Mus.ep. F. Busoni 52 (Busoni-Nachl. B I)
|
Busoni schämt sich nicht für sein Jugendwerk, sein II. Streichquartett; Rückblick auf seine Lebensphasen als Pianist und Komponist; Busoni äußert die Bitte, die Einladung, dass FreundZürich mal wieder besuchen solle; Krankheit Hubers und die Aufführung seiner 7. Symphonie wird angesprochen;
Brief von Ferruccio Busoni an Robert Freund (Zürich, 29. Oktober 1917), bearbeitet von Ulrike Japes, in: Briefwechsel Ferruccio Busoni – Robert Freund, hrsg. von Christian Schaper und Ullrich Scheideler, Berlin: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, Januar 2018: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, https://busoni-nachlass.org/D0100561 (6. April 2018: in Korrekturphase)
Download der bereinigten Lesefassung im PDF-Dateiformat (.pdf)
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<title xml:lang="de">Brief von Ferruccio Busoni an Robert Freund (Zürich, 29. Oktober 1917)</title>
<title xml:lang="en">Letter by Ferruccio Busoni to Robert Freund (Zurich, 29 October 1917)</title>
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<title type="main">Ferruccio Busoni – Briefe und Schriften</title>
<title type="genre">Briefe</title>
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<handNote xml:id="major_hand" scope="major" medium="black_ink" scribe="author" scribeRef="#E0300017">Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.</handNote>
<handNote xml:id="gerda.busoni" scope="minor" medium="pencil" scribe="relative" scribeRef="#E0300059">Hand Gerda Busonis, die das Datum auf der Umschlagrückseite mit Bleistift notiert hat.</handNote>
<handNote xml:id="archive" scope="minor" medium="pencil" scribe="archivist">Hand des Archivars, der die Signaturen mit Bleistift eingetragen und eine Foliierung vorgenommen hat.</handNote>
<handNote xml:id="archive_red" scope="minor" medium="red_pen" scribe="archivist">Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat</handNote>
<handNote xml:id="dsb_st_red" scope="minor" medium="red_ink" scribe="archivist">Bibliotheksstempel (rote Tinte)</handNote>
<handNote xml:id="sbb_st_blue" scope="minor" medium="blue_ink" scribe="archivist">Bibliotheksstempel (blaue Tinte)</handNote>
<handNote xml:id="post" scope="minor" medium="black_ink" scribe="postoffice">Poststempel (schwarze Tinte)</handNote>
<handNote xml:id="zensur_red" scope="minor" medium="red_ink" scribe="unknown">Zensurstempel</handNote>
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<lb/>K. u. k. Zweigstelle <hi rend="huge">399</hi>
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<p>Erfassung von Briefen und Schriften von Ferruccio Busoni, ausgehend von Busonis Nachlass in der Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz.</p>
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<p>Worttrennungen an Zeilenumbrüchen im Original mit einfachen Bindestrichen.</p>
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<p>Alle im Text vorkommenden Interpunktionszeichen wurden beibehalten und werden in der diplomatischen Umschrift wiedergegeben. Bei Auszeichnung durch XML-Elemente wurden umgebende Satzzeichen nicht mit einbezogen.</p>
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<p>Anführungszeichen wurden i. d. R. nicht beibehalten; die Art der Zeichen wurde im Attribut <att>rend</att> der entsprechenden Elemente codiert.</p>
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<p>Die Übertragung folgt den Editionsrichtlinien des Projekts. <ptr target="http://www.busoni-nachlass.org/E1000003"/></p>
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<lb/>die Lücke, die emsiges Klavierspiel
<lb/>der Komponisten-Entwicklung höhlte.<note type="commentary" resp="#E0300390">In dieser Zeit tätigte <persName key="E0300017">Busoni</persName> viele Konzertreisen als Pianist. Zudem hatte er unter anderem in <placeName key="E0500066">Moskau</placeName>, <placeName key="E0500270">Helsinki</placeName>, <placeName key="E0500018">Boston</placeName> und <placeName key="E0500144">Weimar</placeName> verschiedene Lehrtätigkeiten.</note>
<lb/>Von da an aber verlie<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice> ich die g<reg>e</reg>rade
<lb/>Linie nicht wieder. – Nächste Woche
<lb/>veranstalte ich (gewisserma<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>en zum
<lb/><choice><sic>I</sic><corr>ersten</corr></choice> Male) einen ganzen Klavierabend
<lb/>von eigenen Sachen. – Meine <choice><orig>n</orig><reg>N</reg></choice>euesten<note type="commentary" resp="#E0300390">Welche Werke <persName key="E0300017">Busoni</persName> genau meint, kann anhand der uns vorliegenden Briefe bis dato nicht bestimmt werden.</note>
<lb/>werde ich Ihnen – falls Ihnen das
<lb/>nicht aufdringlich dünkt – gelegentlich
<lb/><seg rend="right">zuschicken.</seg></p>
<pb n="2"/>
<note type="shelfmark" resp="#archive">
<subst>
<add>B I, 550</add>
</subst>
</note><note type="foliation" place="top-right" resp="#archive">[2]</note>
<p>Gegenwärtig brüte ich an einem
<lb/>gro<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>en Theaterwerk<orig>e</orig>.<note type="commentary" resp="#E0300390">Gemeint ist hier das Werk <title key="E0400218">Doktor Faust</title>, an dem <persName key="E0300017">Busoni</persName> seit 1916 arbeitete.</note>
<lb/>Genug von mir. –</p>
<p rend="indent-first">Recht wenig sagen Sie von sich
<lb/>(woraus ich mir ein Vorbild
<lb/>nehmen sollte) wenngleich ich
<lb/>(und mit mir sehr viele in <placeName key="E0500132">Zürich</placeName>)
<lb/><choice><orig>W</orig><reg>w</reg></choice>eiteres über Sie herzlich gern
<lb/>erführen. Betrachten Sie
<lb/>Ihren jetzigen Aufenthalt als
<lb/>ein <soCalled rend="dq-du"><placeName key="E0500519">Elba</placeName></soCalled><note type="commentary" resp="#E0300390">Mit <placeName key="E0500519">Elba</placeName> ist hier eine Umschreibung für ein Exil gemeint; eine Anspielung auf <persName key="E0300220">Napoleons</persName> Aufenthalt auf <placeName key="E0500519">Elba</placeName>. Fragwürdig ist an dieser Stelle jedoch, warum <persName key="E0300017">Busoni</persName> die Heimat von <persName key="E0300208">Freund</persName> einem Exil gleichsetzt. Genau genommen ist dieser Begriff falsch gewählt, da <persName key="E0300208">Freund</persName> nicht ins Exil gegangen ist oder gehen musste. Zudem passt dieser Begriff nicht, da im allgemeinen mit dem Begriff Exil gemeint ist, dass jemand seine Heimat verlässt und nicht in sie zurückkehrt. <persName key="E0300208">Freund</persName> selbst geht in seinem Antwortschreiben auf diese Begrifflichkeit nicht ein, sehr wohl aber auf eine Inbetrachtnahme <placeName key="E0500132">Zürich</placeName> wieder besuchen zu wollen.</note>; <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> wenn Sie hieher
<lb/>zurückkommen, so fallen Sie
<lb/>in lauter offene Arme. Und
<lb/>wäre es auch für nur einen Besuch von 100
<lb/>Tagen!</p> <note type="stamp" place="center" resp="#dsb_st_red">
<stamp rend="round border align(center) small">Deutsche
<lb/>Staatsbibliothek
<lb/><placeName key="E0500029"><hi rend="spaced-out">Berlin</hi></placeName>
</stamp>
</note>
<p rend="indent-first"><persName key="E0300125">Huber</persName> ist leider, leider, ernstlich
<lb/>krank. Noch spricht man von
<lb/>Heilung; aber vorläufig leidet
<lb/>er stark, und nimmt an nichts
<lb/><choice><orig>Th</orig><reg>t</reg></choice>eil. Im Juni erklang noch
<lb/>blühend u. sympathisch seine <title key="E0400142">7.
<lb/>Symphonie</title>. – Grüßen Sie Ihre
<lb/>Schwestern.</p> <closer><salute>Ich drücke Ihnen
<lb/>freundschaftlich die Hand als</salute><signed>Ihr
<lb/><seg rend="indent-2-first">stets ergebener</seg>
<lb/><seg rend="first-right"><persName key="E0300017">F. Busoni</persName></seg></signed></closer>
<pb n="3"/>
<note type="objdesc" resp="#E0300390">[Rückseite von Textseite 1]</note>
<note type="stamp" place="bottom-right" resp="#sbb_st_blue">Nachlaß Busoni</note>
<pb n="4"/>
<note type="objdesc" resp="#E0300390">[Rückseite von Textseite 2, vacat]</note>
</div>
</body>
</text>
</TEI>