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N.Mus.Nachl. 30,112
Mein verehrter Meister und Freund!
Herzlichen Dank für Ihre lieben Zeilen.
Das vorherige Schreiben ist im Busoni-Nachlass an der Staatsbibliothek zu Berlin nicht überliefert.
Auch wir – Lochbrunner und ich – sind
betrübt, dass Sie gerade in dem Augenblick
abreisen müssen,
Busoni war am 30.1.1920 nach Italien aufgebrochen, wo er sich für den 1. und 3.2. als Pianist für zwei Konzerte in Mailand verpflichtet hatte (vgl. Busonis Brief an seine Frau Gerda, Lugano, 31.1.1920, in: Busoni/Weindel 2015, Bd. 1, Nr. 814, S. 725 sowie ibid., Bd. 2, S. 1122, Anm. 3).
wo wir uns an der
Wiedergabe der „Improvisation“ von neuem
versuchen. Seit einer Woche probieren wir
ganz ernstlich. Das „Duettino“ hat auch
an Gestaltung beträchtlich gewonnen. Ich hoffe
auf gute Wirkung. Das Stück erscheint
uns jedesmal zauberischer!
Bereits am 10.12.1919 hatten die beiden Busoni-Schüler Ernst Lochbrunner und Philipp Jarnach ein Recital mit Stücken für zwei Klaviere – darunter Busonis Improvisation über das Bach’sche Chorallied Wie wohl ist mir, o Freund der Seelen – im kleinen Saal der Zürcher Tonhalle zu Gehör gebracht (vgl. Programmzettel zum Konzert, N.Mus.Depos. 56 [Nachlass Philipp Jarnach], Kasten 17, [o. eigene Sign.]). Busoni zeigte sich darüber „innig froh u. dankbar“ (siehe Busonis Brief an Jarnach vom 1.12.1919) und fühlte sich sogar inspiriert, seinem Œuvre infolgedessen noch ein weiteres Stück für zwei Klaviere – das Duettino concertante – hinzuzufügen (vgl. den Brief Busonis an Hugo Leichtentritt, Zürich, 25.5.1920, in engl. Übersetzung abgedruckt in: Beaumont 1987, Nr. 289, S. 310). Letztlich hatte Busoni der Aufführung jedoch nicht beiwohnen können, da er nach einer fast dreimonatigen Konzerttournee in Großbritannien erst am 11.12.1919, also einen Tag nach dem Konzert, die Rückreise nach Zürich angetreten hatte (vgl. Brief von Busoni an seine Frau Gerda, London, 9.12.1919, in: Busoni/Weindel 2015, Bd. 1, Nr. 811, S. 722).
Lochbrunners und Jarnachs hier angesprochene erneute Aufführung der Improvisation – „ein Stück, das schon das erstemal tiefen Eindruck erzielte“ – fand am 31.1.1920 am selben Ort statt (Konzertankündigung in der Rubrik „Zürich und Umgebung“, in: Neue Zürcher Nachrichten vom 29.1.1920, 16. Jg., Nr. 28, 2. Blatt, S. 2). Busonis einen Monat zuvor vollendetes Duettino erlebte bei dieser Gelegenheit seine Uraufführung (vgl. ebd.). Jarnachs Hoffnung auf „gute Wirkung“ wurde nicht enttäuscht. In der Lokalpresse konnte man später lesen: „Ihrem erfolgreich verlaufenen Abend für zwei Klaviere vom 10. Dezember abhin, ließen Ernst Lochbrunner und Philipp Jarnach am 31. Januar einen zweiten folgen, der das außerordentliche technische Können der beiden Spieler abermals in glänzendes Licht setzte wie ihr musikalisches Feingefühl, insbesondere die beim zweiklavierigen Vortrag vor allem erforderliche Kunst homogener Auffassung und Darstellung, das Vermögen der Partner, sich gegenseitig anzuschmiegen.“ Zu den beiden Busoni-Stücken heißt es weiter: „[…] die Improvisation […], die sich schon am ersten Klavier-Abend […] als ein überaus edel empfundenes, stimmungsvolles Tongedicht erwiesen hatte, und auch bei der Wiederholung einen tiefgehenden Eindruck hinterließ, dann ein ‚Duettino concertante‘, […] ein reizendes, rasch dahinströmendes, ganz von Mozartscher Spielseligkeit und Grazien erfülltes Tonstück, das denn auch […] so zündend wirkte, daß die Spieler, dem stürmischen Beifall nachgebend, es wiederholen mußten“ (Rezension von A. N. in der Rubrik „Feuilleton/Konzerte“, in: Neue Zürcher Zeitung vom 6.2.1920, 141. Jg., Nr. 208, 2. Morgenblatt, [o. S.]).
Auf baldiges Wiedersehen, lieber und
grosser Freund! Geistige Dankbarkeit ist
die unerschütterlichste Freundschaft. So
auch die Ihres
Philipp Jarnach
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Mein verehrter Meister und Freund!
Herzlichen Dank für Ihre lieben Zeilen.
Das vorherige Schreiben ist im Busoni-Nachlass an der Staatsbibliothek zu Berlin nicht überliefert.
Auch wir – Lochbrunner und ich – sind
betrübt, dass Sie gerade in dem Augenblick
abreisen müssen,
Busoni war am 30.1.1920 nach Italien aufgebrochen, wo er sich für den 1. und 3.2. als Pianist für zwei Konzerte in Mailand verpflichtet hatte (vgl. Busonis Brief an seine Frau Gerda, Lugano, 31.1.1920, in: Busoni/Weindel 2015, Bd. 1, Nr. 814, S. 725 sowie ibid., Bd. 2, S. 1122, Anm. 3).
wo wir uns an der
Wiedergabe der „Improvisation“ von neuem
versuchen. Seit einer Woche probieren wir
ganz ernstlich. Das „Duettino“ hat auch
an Gestaltung beträchtlich gewonnen. Ich hoffe
auf gute Wirkung. Das Stück erscheint
uns jedes Mal zauberischer!
Bereits am 10.12.1919 hatten die beiden Busoni-Schüler Ernst Lochbrunner und Philipp Jarnach ein Recital mit Stücken für zwei Klaviere – darunter Busonis Improvisation über das Bach’sche Chorallied Wie wohl ist mir, o Freund der Seelen – im kleinen Saal der Zürcher Tonhalle zu Gehör gebracht (vgl. Programmzettel zum Konzert, N.Mus.Depos. 56 [Nachlass Philipp Jarnach], Kasten 17, [o. eigene Sign.]). Busoni zeigte sich darüber „innig froh und dankbar“ (siehe Busonis Brief an Jarnach vom 1.12.1919) und fühlte sich sogar inspiriert, seinem Œuvre infolgedessen noch ein weiteres Stück für zwei Klaviere – das Duettino concertante – hinzuzufügen (vgl. den Brief Busonis an Hugo Leichtentritt, Zürich, 25.5.1920, in engl. Übersetzung abgedruckt in: Beaumont 1987, Nr. 289, S. 310). Letztlich hatte Busoni der Aufführung jedoch nicht beiwohnen können, da er nach einer fast dreimonatigen Konzerttournee in Großbritannien erst am 11.12.1919, also einen Tag nach dem Konzert, die Rückreise nach Zürich angetreten hatte (vgl. Brief von Busoni an seine Frau Gerda, London, 9.12.1919, in: Busoni/Weindel 2015, Bd. 1, Nr. 811, S. 722).
Lochbrunners und Jarnachs hier angesprochene erneute Aufführung der Improvisation – „ein Stück, das schon das erstemal tiefen Eindruck erzielte“ – fand am 31.1.1920 am selben Ort statt (Konzertankündigung in der Rubrik „Zürich und Umgebung“, in: Neue Zürcher Nachrichten vom 29.1.1920, 16. Jg., Nr. 28, 2. Blatt, S. 2). Busonis einen Monat zuvor vollendetes Duettino erlebte bei dieser Gelegenheit seine Uraufführung (vgl. ebd.). Jarnachs Hoffnung auf „gute Wirkung“ wurde nicht enttäuscht. In der Lokalpresse konnte man später lesen: „Ihrem erfolgreich verlaufenen Abend für zwei Klaviere vom 10. Dezember abhin, ließen Ernst Lochbrunner und Philipp Jarnach am 31. Januar einen zweiten folgen, der das außerordentliche technische Können der beiden Spieler abermals in glänzendes Licht setzte wie ihr musikalisches Feingefühl, insbesondere die beim zweiklavierigen Vortrag vor allem erforderliche Kunst homogener Auffassung und Darstellung, das Vermögen der Partner, sich gegenseitig anzuschmiegen.“ Zu den beiden Busoni-Stücken heißt es weiter: „[…] die Improvisation […], die sich schon am ersten Klavier-Abend […] als ein überaus edel empfundenes, stimmungsvolles Tongedicht erwiesen hatte, und auch bei der Wiederholung einen tiefgehenden Eindruck hinterließ, dann ein ‚Duettino concertante‘, […] ein reizendes, rasch dahinströmendes, ganz von Mozartscher Spielseligkeit und Grazien erfülltes Tonstück, das denn auch […] so zündend wirkte, daß die Spieler, dem stürmischen Beifall nachgebend, es wiederholen mußten“ (Rezension von A. N. in der Rubrik „Feuilleton/Konzerte“, in: Neue Zürcher Zeitung vom 6.2.1920, 141. Jg., Nr. 208, 2. Morgenblatt, [o. S.]).
Auf baldiges Wiedersehen, lieber und
großer Freund! Geistige Dankbarkeit ist
die unerschütterlichste Freundschaft. So
auch die Ihres
Philipp Jarnach
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<lb/>Wiedergabe der <rs key="E0400286" rend="dq-du">Improvisation</rs> von neuem
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