Martin Wegelius an Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

Helsinki · 10. November 1901

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Mus.ep. M. Wegelius 36 (Busoni-Nachl. B II)Mus.Nachl. F. Busoni B II, 5349

Helsingfors d. 10 Nov. 1901.

Lieber, guter, verehrter Freund!

Für dein herrliches Geschenk,
das vorgestern ankam, sage ich Dir
hiermit im Namen des Institutes
den wärmsten Dank!

Der alte prächtige Orlando, was
für witzige Einfälle der gehabt hat!
Ich habe den Anfang – meiner leicht⸗
sinnigen Natur gemäss – mit den
Villanellen gemacht, und musste bei
einigen Sachen beinahe laut auf⸗
lachen. Ich muss einiges davon die⸗
sen Winter mit meinem Chor pro⸗[1]

Helsingfors, den 10. Nov. 1901.

Lieber, guter, verehrter Freund!

Für dein herrliches Geschenk, das vorgestern ankam, sage ich Dir hiermit im Namen des Institutes den wärmsten Dank!

Der alte, prächtige Orlando, was für witzige Einfälle der gehabt hat! Ich habe den Anfang – meiner leichtsinnigen Natur gemäß – mit den Villanellen gemacht, und musste bei einigen Sachen beinahe laut auflachen. Ich muss einiges davon diesen Winter mit meinem Chor probieren (– wenn ich nur einen einzigen echten, richtigen Bass hätte, aber in Finnland wachsen jetzt, scheint es, nur Baritone –); zwar sind die Texte gehörig zotig, das verstehen die Mädchen aber Gott sei dank nicht!

Ich muss dich wegen meines letzten Briefes wegen wirklich um Entschuldigung bitten – das war mehr ein Selbstgespräch in einer müden Stunde. Ich habe seitdem einigermaßen gehungert – mit Ausnahmen – habe „ von meinem Speck gelebst“ – und fühle mich sehr wohl dabei; die Arbeit ist mir viel leichter, die Müdigkeit seltener geworden. Ich bin heute ganz genau 55 Jahre alt; die Agnes Grifenberg sagte mir aber, ich sähe aus, als wie ich noch ein langes Leben vor mir hätte — „zehn Jahre jünger“, sagen andere. Vielleicht nicht nur „komplimentarisch“. Der „Abendsonnenschein“ dauert aber immernoch fort – was zwar sehr schön ist. Vielleicht ist er nur ein Reflex der italienischen Reise – „meechlich!“

Deiner lieben Gerda meine herzlichsten Grüße – ich freue mich sehr, jetzt euch beide, und dazu Euer Heim auf meinem Tisch zu haben. So kann ich Euch täglich guten Morgen und guten Abend sagen.

Klavierspieler und andere Konzertisten in Masse sind dagewesen – u. A. die kleine entzückende Teresita, die zwar oft scheußlich Klavier spielt, als Mädchen aber ein wahres Naturwunder ist. Ist das doch unverzeihlich, dieses Kind sich jetzt schon produzieren zu lassen – ist ihre Mama verrückt geworden?

Nein, jetzt adieu, lieber Ferruccio, ich muss heute noch verschiedenes aushalten. Hanna grüßt allerherzlichst Euch beide und die beiden prächtigen Jungen durch

Deinen

M Wegelius

                                                                
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gehörig zotig, das verstehen die Mäd⸗
chen aber Gott sei dank nicht!

Ich muss dich wegen meines
letzten Briefes wegen wirklich um Ent⸗
schuldigung bitten – das war mehr
ein Selbstgespräch in einer müden
Stunde. Ich habe seitdem einiger⸗
massen gehungert – mit Ausnah⸗
men – habe auf m von meinem
Speck gelebst”
– und fühle mich sehr
wohl dabei; die Arbeit ist mir viel
leichter, die Müdigkeit seltener ge⸗
worden. Ich bin heute ganz genau Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin

                                                                
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als wie ich noch ein langes Leben
vor mir hätte — “zehn Jahre jün⸗
ger”
, sagen andere. Vielleicht nicht
nur “complimentarisch”. Der “Abend⸗
sonnenschein”
dauert aber immer
noch fort – was zwar sehr schön
ist. Vielleicht ist er nur ein Reflex
der italienischen Reise – “meechlich!”

Deiner lieben Gerda meine herz⸗
lichsten Grüsse – ich freue mich
sehr, jetzt euch beide, unde dazu Euer
Heim auf meinem Tisch zu haben.
So kann ich Euch täglich guten
Morgen und guten Abend sagen.

Klavierspieler und andere Concetrtisten Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
[2]

                                                                
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zwar oft scheusslich Klavier spielt,
als Mädchen aber ein wahres Natur⸗
wunder ist. Ist das doch unverzeih⸗
lich, dieses Kind sich jetzt schon pro⸗
duciren zu lassen – ist ihre Mama
verrückt geworden?

Nein, jetzt adieu, lieber Ferruc⸗
cio
, ich muss heute noch verschie⸗
denes aushalten. Hanna grüsst
allerherzlichst Euch beide und die
beiden prächtigen Jungen
durch

Deinen

M Wegelius

                                                                
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Dokument

warningStatus: in Bearbeitung XML Faksimile Download / Zitation

Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 5349 | olim: Mus.ep. M. Wegelius 36 |

Nachweis Kalliope

Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
1 Bogen, 4 beschriebene Seiten
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Martin Wegelius, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen und eine Foliierung vorgenommen hat
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 1234

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
16. Oktober 2023: in Bearbeitung (in der Erfassungs-/Codierungsphase)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition