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               Mus.ep. M. Wegelius 36 (Busoni-Nachl. B II)Mus.Nachl. F. Busoni B II, 5349
             
            
            
            
               
               Lieber, guter, verehrter Freund! 
            
            
            Für dein herrliches Geschenk,
                das vorgestern ankam, sage ich Dir
                hiermit im Namen des Institutes
                den wärmsten Dank! 
            
            Der alte prächtige Orlando, was
                für witzige Einfälle der gehabt hat!
                Ich habe den Anfang – meiner leicht⸗ sinnigen Natur gemäss – mit den
                Villanellen gemacht, und musste bei
                einigen Sachen beinahe laut auf⸗ lachen. Ich muss einiges davon die⸗ sen Winter mit meinem Chor pro⸗[1]
               
                
                                                         
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               Lieber, guter, verehrter Freund! 
            
            
            Für dein herrliches Geschenk,
                das vorgestern ankam, sage ich Dir
                hiermit im Namen des Institutes
                den wärmsten Dank! 
            
            Der alte, prächtige Orlando, was
                für witzige Einfälle der gehabt hat!
                Ich habe den Anfang – meiner leichtsinnigen Natur gemäß – mit den
                Villanellen gemacht, und musste bei
                einigen Sachen beinahe laut auflachen. Ich muss einiges davon diesen Winter mit meinem Chor probieren (– wenn ich nur einen einzigen
                echten, richtigen Bass hätte, aber in
                Finnland wachsen jetzt, scheint es, nur
                Baritone –); zwar sind die Texte
                gehörig zotig, das verstehen die Mädchen aber Gott sei dank nicht! 
            
            Ich muss dich wegen meines
                letzten Briefes wegen wirklich um Entschuldigung bitten – das war mehr
                ein Selbstgespräch in einer müden
                Stunde. Ich habe seitdem einigermaßen gehungert – mit Ausnahmen – habe „ von meinem
                   Speck gelebst“ – und fühle mich sehr
                wohl dabei; die Arbeit ist mir viel
                leichter, die Müdigkeit seltener geworden. Ich bin heute ganz genau
               
               
               
               55 Jahre  alt; die Agnes Grifenberg sagte mir aber, ich sähe aus,
                als wie ich noch ein langes Leben
                vor mir hätte — „zehn Jahre jünger“, sagen andere. Vielleicht nicht
                nur „komplimentarisch“. Der „Abendsonnenschein“ dauert aber immernoch fort – was zwar sehr schön
                ist. Vielleicht ist er nur ein Reflex
                der italienischen Reise – „meechlich!“ 
            
            Deiner lieben Gerda meine herzlichsten Grüße – ich freue mich
                sehr, jetzt euch beide, und dazu Euer
                Heim auf meinem Tisch zu haben.
                So kann ich Euch täglich guten
                Morgen und guten Abend sagen. 
            
            Klavierspieler und andere Konzertisten
               
               
               
               in Masse sind dagewesen – u. A.
                die kleine entzückende Teresita, die
                zwar oft scheußlich Klavier spielt,
                als Mädchen aber ein wahres Naturwunder ist. Ist das doch unverzeihlich, dieses Kind sich jetzt schon produzieren zu lassen – ist ihre Mama
                verrückt geworden? 
            
            Nein, jetzt adieu, lieber Ferruccio, ich muss heute noch verschiedenes aushalten. Hanna grüßt
                allerherzlichst Euch beide und die
                   beiden prächtigen Jungen durch 
            
            
            
          
                                                     | 
                                                    
                                                            
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               <salute rend="align(center) space-above space-below">Lieber, guter, verehrter <rs key="E0300017">Freund</rs>!</salute>
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            <p rend="indent-first">Für dein herrliches Geschenk,
               <lb/>das <date when-iso="1901-11-08">vorgestern</date> ankam, sage ich Dir
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            <p type="pre-split" rend="indent-first">Der alte<reg>,</reg> prächtige <persName key="E0300591">Orlando</persName>, was
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               <lb break="no"/>sen Winter mit meinem Chor pro
               
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                                                          2Diplomatic transcription 
                                                     | 
                                                    
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               biren (– wenn ich nur einen einzigen
                echten, richtigen Bass hätte, aber in
                Finland wachsen jetzt, scheint es, nur
                Barytone –); zwar sind die Texte
                gehörig zotig, das verstehen die Mäd⸗ chen aber Gott sei dank nicht! 
            
            Ich muss dich wegen meines
                letzten Briefes wegen wirklich um Ent⸗ schuldigung bitten – das war mehr
                ein Selbstgespräch in einer müden
                Stunde. Ich habe seitdem einiger⸗ massen gehungert – mit Ausnah⸗ men – habe “auf m von meinem
                   Speck gelebst” – und fühle mich sehr
                wohl dabei; die Arbeit ist mir viel
                leichter, die Müdigkeit seltener ge⸗ worden. Ich bin heute ganz genau
                  Deutsche
                      Staatsbibliothek
                      
                     
                        Berlin
                     
                  
               
               
                
                                                         
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               bi<reg>e</reg>ren (– wenn ich nur einen einzigen
               <lb/>echten, richtigen Bass hätte, aber in
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               <lb/>gehörig zotig, das verstehen die Mäd
               <lb break="no"/>chen aber Gott sei dank nicht!</p>
            
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                                                          3Diplomatic transcription 
                                                     | 
                                                    
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               55 Jahre ai
                                                                        transcription uncertain.
                lt alt; die Agnes Gri⸗ fenberg sagte mir aber, ich sähe aus
                als wie ich noch ein langes Leben
                vor mir hätte — “zehn Jahre jün⸗ ger”, sagen andere. Vielleicht nicht
                nur “complimentarisch”. Der “Abend⸗ sonnenschein” dauert aber immer
                      noch fort – was zwar sehr schön
                ist. Vielleicht ist er nur ein Reflex
                der italienischen Reise – “meechlich!” 
            
            Deiner lieben Gerda meine herz⸗ lichsten Grüsse – ich freue mich
                sehr, jetzt euch beide, unde dazu Euer
                Heim auf meinem Tisch zu haben.
                So kann ich Euch täglich guten
                Morgen und guten Abend sagen. 
            
            Klavierspieler und andere Concetrtisten
                  Deutsche
                      Staatsbibliothek
                      
                     
                        Berlin
                     
                  
               [2]
               
                
                                                         
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                                                                <div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
               
               55 Jahre <del rend="strikethrough">a<unclear cert="high">i</unclear>lt</del> alt; die Agnes Gri
               <lb break="no"/>fenberg sagte mir aber, ich sähe aus<reg>,</reg>
               <lb/>als wie ich noch ein langes Leben
               <lb/>vor mir hätte — <q rend="dq-uu">zehn Jahre jün
                  <lb break="no"/>ger</q>, sagen andere. Vielleicht nicht
               <lb/>nur <soCalled rend="dq-uu"><choice><orig>c</orig><reg>k</reg></choice>omplimentarisch</soCalled>. Der <soCalled rend="dq-uu">Abend
                  <lb break="no"/>sonnenschein</soCalled> dauert aber immer<orig>
                     <lb/></orig>noch fort – was zwar sehr schön
               <lb/>ist. Vielleicht ist er nur ein Reflex
               <lb/>der <placeName key="E0500013">italienischen</placeName> Reise – <soCalled rend="dq-uu">meechlich!</soCalled></p>
            
            <p rend="indent-first">Deiner lieben <persName key="E0300059">Gerda</persName> meine herz
               <lb break="no"/>lichsten Grü<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>e – ich freue mich
               <lb/>sehr, jetzt euch beide, und<del rend="strikethrough">e<!--?--></del> dazu Euer
               <lb/>Heim auf meinem Tisch zu haben.
               <lb/>So kann ich Euch täglich guten
               <lb/>Morgen und guten Abend sagen.</p>
            
            <p type="pre-split" rend="indent-first">Klavierspieler und andere <choice><orig>Conc</orig><reg>Konz</reg></choice>e<subst><del rend="overwritten">t</del><add place="across">rt</add></subst>isten
               
               <note type="stamp" place="margin-left" resp="#dsb_st_red" sameAs="stamp1">
                  <stamp rend="round border align(center) small">Deutsche
                     <lb/>Staatsbibliothek
                     <lb/>
                     <placeName key="E0500029">
                        <hi rend="spaced-out">Berlin</hi>
                     </placeName>
                  </stamp>
               </note>
               
               <note type="foliation" resp="#archive" place="bottom-right">[2]</note>
               
               </p></div> 
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               in Masse sind dagewesen – u. A.
                die kleine entzückende Teresita, die
                zwar oft scheusslich Klavier spielt,
                als Mädchen aber ein wahres Natur⸗ wunder ist. Ist das doch unverzeih⸗ lich, dieses Kind sich jetzt schon pro⸗ duciren zu lassen – ist ihre Mama
                verrückt geworden? 
            
            Nein, jetzt adieu, lieber Ferruc⸗ cio, ich muss heute noch verschie⸗ denes aushalten. Hanna grüsst
                allerherzlichst Euch beide und die
                   beiden prächtigen Jungen durch 
            
            
            
          
                                                     | 
                                                    
                                                            
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               in Masse sind dagewesen – u. A.
               <lb/>die kleine entzückende <persName key="E0300953">Teresita</persName>, die
               <lb/>zwar oft scheu<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>lich Klavier spielt,
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               <lb break="no"/>wunder ist. Ist das doch unverzeih
               <lb break="no"/>lich, <rs key="E0300953">dieses Kind</rs> sich jetzt schon pro
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