Ferruccio Busoni an Jella Oppenheimer arrow_backarrow_forward

Zürich · 7. Januar 1918

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Mus.ep. F. Busoni 753 (Busoni-Nachl. B I)
Mus.Nachl. F. Busoni B I, 900
[1]

Verehrte und liebe Freundin,

Herr v. K. bittet mich, der unbe-
kannten Wohlthäterin die bei-
liegende Karte zu übermitteln.

Ich bin ganz stolz, zwischen
zwei so guten Menschen
der Vermittler sein zu dürfen; und
erlaube mir nun, auch meinen Dank zu äußern. Ihren hoch-
willkommenen Brief vom 26.12.17 Ein Brief vom 26. Dezember 1917 wurde noch nicht erfasst.
las ich mit inniger Freude. Ich
kann Ihnen von Benni nichts
Bestimmtes berichten, doch schien
aus den spärlichen Mitteilungen
etwas Beruhigenderes. Hätte ich
ihn nur hier! – Der Krieg zieht
sich noch hin und die ersten
Friedensjahre, wenn sie beginnen,
versprechen nichts Schönes. So
habe ich mit mir selbst die
Situation erwogen um zu einem
Entschluss zu gelangen, den ich jedoch
noch nicht zu fassen vermochte

Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin

Verehrte und liebe Freundin,

Herr v. K. bittet mich, der unbekannten Wohltäterin die beiliegende Karte zu übermitteln.

Ich bin ganz stolz, zwischen zwei so guten Menschen der Vermittler sein zu dürfen; und erlaube mir nun, auch meinen Dank zu äußern. Ihren hochwillkommenen Brief vom 26.12.17 Ein Brief vom 26. Dezember 1917 wurde noch nicht erfasst. las ich mit inniger Freude. Ich kann Ihnen von Benni nichts Bestimmtes berichten, doch schien aus den spärlichen Mitteilungen etwas Beruhigenderes. Hätte ich ihn nur hier! – Der Krieg zieht sich noch hin und die ersten Friedensjahre, wenn sie beginnen, versprechen nichts Schönes. So habe ich mit mir selbst die Situation erwogen um zu einem Entschluss zu gelangen, den ich jedoch noch nicht zu fassen vermochte

Am besten wäre es hier zu bleiben und mich mit meinen Sachen zu umgeben; doch entmutigt mich – alten Großstädter – dieser Gedanke sehr. – Ich kann wahrhaftig mit Heine anstimmen:

„jetzt wohin? der dumme Fuss
möchte mich nach Deutschland tragen“ freies Zitat aus Heinrich Heines „Jetzt Wohin?“; originaler Wortlaut: „Jetzt wohin? Der dumme Fuß; Will mich gern nach Deutschland tragen“
mit allem was folgt.... in dem Gedicht. – Am 28. Dezember, in Zürich, las ich einem kleinen Freundeskreise (ich habe einen solchen, erfreulicherweise) mein Textbuch (Doktor Faust) vor. Die Vorlesung wirkte überraschend, der Text erscheint gelungen und hat sich im Verlaufe seines langen Werdens zu einem ganz unabhängigen Werke gestaltet. Von den sechs Bildern, aus denen es besteht, sind zwei musikalisch vollständig ausgeführt, ein drittes angefangen. – Doch die Aufgabe , die mir noch bevorsteht, ist (für meine Kräfte) drückend stark.

Ich kann mich nicht erinnern, ob Sie meine kleinen Scherztexte (Turandot und Arlecchino) schon sahen. Jedenfalls schicke ich Sie Ihnen.

Dieser Tage besuchte mich Stefan Zweig – er ist ein Freund von jeher zu mir gewesen.

Er kennt Sie nicht, ich erkundigte mich darüber zu allererst. – Mein Freund Schoeck (Schweizer Komponist) suchte Sie (anlässlich der Schweizer Musikwoche in Wien) in meinem Auftrage auf; leider als Sie noch abwesend waren.

So konnte ich nichts mehr erfahren, als Ihre so seltenen Briefe von Ihnen berichten.

Ich beschwöre auf Sie jeden Segen und küsse Ihre gütigen Hände

als Ihr tief ergebener

Ferruccio B

7. Jan. 1918
                                                                
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2Diplomatische Umschrift
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[2]BI, 900

Am besten waere es hier zu
bleiben und mich mit meinen
Sachen zu umgeben; doch ent-
muthigt mich – alten Grossstädter –
dieser Gedanke sehr. – Ich kann
wahrhaftig mit Heine anstimmen:

„jetzt wohin? der dumme Fuss
„möchte mich nach Deutschland tragen“ freies Zitat aus Heinrich Heines „Jetzt Wohin?“; originaler Wortlaut: „Jetzt wohin? Der dumme Fuß; Will mich gern nach Deutschland tragen“

mit allem was folgt.... in dem Gedicht.
– Am 28. Dezember, in Zürich,
las ich einem kleinen Freundes-
kreise (ich habe einen solchen,
erfreulicherweise) mein Textbuch
(Dr Faust) vor. Die Vorlesung
wirkte überraschend, der Text
erscheint als gelungen und
hat sich im Verlaufe seines
langen Werdens zu einem
ganz unabhängigen Werke gestaltet.
Von den 6 Bildern, aus denen es
besteht, sind 2 musikalisch voll-
ständig ausgeführt, ein drittes
angefangen. – Doch die Aufgabe
die mir noch bevorsteht, ist
(für meine Kräfte) drückend stark.

Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
                                                                
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[3]BI, 900

Ich kann mich nicht erinnern,
ob Sie meine kleinen Scherz-
texte (Turandot u. Arlecchino)
schon sahen. Jedenfalls schicke
ich Sie Ihnen.

Dieser Tage besuchte mich
Stefan Zweig – er ist ein
Freund von jeher zu mir gewesen.

Er kennt Sie nicht, ich erkundig-
te mich darüber zu allererst. –
Mein Freund Schoeck (Schweizer
Komponist) suchte Sie (anlässlich der Schweizer Musikwoche
in Wien
) in meinem Auftrage
auf; leider als Sie noch ab-
wesend waren.

So konnte ich nichts mehr
erfahren, als Ihre so seltenen
Briefe von Ihnen berichten.

Ich beschwöre auf Sie
jeden Segen und küsse Ihre
gütigen Hände

als Ihr tief ergebener

Ferruccio B

7. Jan. 1918
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
                                                                
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Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B I, 900+900a+900b | olim: Mus.ep. F. Busoni 753+753a.b |

Nachweis Kalliope

Zustand
Das erste Blatt des Briefs hat Abnutzungsspuren und leichte Risse am rechten Rand, die restlichen Seiten sind gut erhalten.
Umfang
3 Blatt, 3 beschriebene Seiten
Kollation
Seitenfolge: 1, 3, 5, 2, 4
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen, eine Foliierung vorgenommen und das Briefdatum ergänzt hat
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 123456

Zusammenfassung
Busoni richtet Dankesgrüße von Otto von Kapff aus und thematisiert Doktor Faust, den Krieg und seine Unentschlossenheit wohin er als nächstes ziehen soll.
Incipit
herr v. K. bitte mich, der unbekannten Wohltäterin

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
3. September 2024: in Korrekturphase (Transkription abgeschlossen, Auszeichnungen codiert, zur Korrekturlesung freigegeben)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition