Verehrte und liebe Freundin,
Herr v. K. bittet mich, der unbekannten Wohltäterin die beiliegende Karte zu übermitteln.
Ich bin ganz stolz, zwischen
zwei so guten Menschen
der Vermittler sein zu dürfen; und
erlaube mir nun, auch meinen Dank zu äußern. Ihren hochwillkommenen Brief vom 26.12.17
Ein Brief vom 26. Dezember 1917 wurde noch nicht erfasst.
las ich mit inniger Freude. Ich
kann Ihnen von Benni nichts
Bestimmtes berichten, doch schien
aus den spärlichen Mitteilungen
etwas Beruhigenderes. Hätte ich
ihn nur hier! – Der Krieg zieht
sich noch hin und die ersten
Friedensjahre, wenn sie beginnen,
versprechen nichts Schönes. So
habe ich mit mir selbst die
Situation erwogen um zu einem
Entschluss zu gelangen, den ich jedoch
noch nicht zu fassen vermochte
Am besten wäre es hier zu
bleiben und mich mit meinen
Sachen zu umgeben; doch entmutigt mich – alten Großstädter –
dieser Gedanke sehr. – Ich kann
wahrhaftig mit Heine anstimmen:
„jetzt wohin? der dumme Fuss
möchte mich nach Deutschland tragen“
freies Zitat aus Heinrich Heines „Jetzt Wohin?“; originaler Wortlaut: „Jetzt wohin? Der dumme Fuß; Will mich gern nach Deutschland tragen“
mit allem was folgt.... in dem Gedicht.
– Am 28. Dezember, in
Zürich,
las ich einem kleinen Freundeskreise (ich habe einen solchen,
erfreulicherweise) mein Textbuch
(Doktor Faust) vor. Die Vorlesung
wirkte überraschend, der Text
erscheint gelungen und
hat sich im Verlaufe seines
langen Werdens zu einem
ganz unabhängigen Werke gestaltet.
Von den sechs Bildern, aus denen es
besteht, sind zwei musikalisch vollständig ausgeführt, ein drittes
angefangen. – Doch die Aufgabe ,
die mir noch bevorsteht, ist
(für meine Kräfte) drückend stark.
Ich kann mich nicht erinnern,
ob Sie meine kleinen Scherztexte (Turandot und Arlecchino)
schon sahen. Jedenfalls schicke
ich Sie Ihnen.
Dieser Tage besuchte mich
Stefan Zweig – er ist ein
Freund von jeher zu mir gewesen.
Er kennt Sie nicht, ich erkundigte mich darüber zu allererst. –
Mein Freund Schoeck (Schweizer
Komponist) suchte Sie (anlässlich der Schweizer Musikwoche
in Wien) in meinem Auftrage
auf; leider als Sie noch abwesend waren.
So konnte ich nichts mehr
erfahren, als Ihre so seltenen
Briefe von Ihnen berichten.
Ich beschwöre auf Sie
jeden Segen und küsse Ihre
gütigen Hände
als Ihr tief ergebener
Ferruccio B
7. Jan. 1918