Ferruccio Busoni an Wilhelm Kienzl arrow_backarrow_forward

Klagenfurt · 15. April 1879

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I.N. 178.459
Klagenfurt 15/4/79.

Geehrtester Herr W. von Kienzl.

Ich erfahre soeben von einem Freunde (O.
v. Raphf.) dass sie sich gegenwärtig in Graz befinden, und höre
mit Erstaunen und _____, dass sie dort an
meine jetzige Lage, so viel Interesse nehmen,
dass es natürlich mein erstes Pflicht-gefühl ist
dass mich mahnt gegen Ihnen mein ganzes
danbarkeitsvollem Herz auszuschütten, um Ihnen
womöglich mit Worten mein innigstes Dank-
gefühl dafür anzubringen.

- Von diesem
meinem Freunde erfahre ich noch, die vielen
Mittel die sie zu meinem Bestem ihm vorschla-
gen, unter welchem die beabsichtigte Vereinigung
beider Kräfte, um eine Concert-tour mit dem
Violinisten Dugremont anzuknüpfen. Busoni hatte sich hier wohl den Namen des Violinisten falsch gemerkt und benutzt diesen auch falsch im weiteren Verlauf. Eigentlich handelt es sich hierbei um Dengrement, einem brasilianischen Wunderkind, welches zu dieser Zeit in Europa auf Tournee war.

Klagenfurt 15/4/79.

Geehrtester Herr W. von Kienzl.

Ich erfahre soeben von einem Freunde (O. v. Raphf.) dass sie sich gegenwärtig in Graz befinden, und höre mit Erstaunen und _____, dass sie dort an meine jetzige Lage, so viel Interesse nehmen, dass es natürlich mein erstes Pflicht-gefühl ist dass mich mahnt gegen Ihnen mein ganzes dankbarkeitsvollem Herz auszuschütten, um Ihnen womöglich mit Worten mein innigstes Dankgefühl dafür anzubringen.

- Von diesem meinem Freunde erfahre ich noch, die vielen Mittel die sie zu meinem Bestem ihm vorschlagen, unter welchem die beabsichtigte Vereinigung beider Kräfte, um eine Konzerttour mit dem Violinisten Dugremont anzuknüpfen. Busoni hatte sich hier wohl den Namen des Violinisten falsch gemerkt und benutzt diesen auch falsch im weiteren Verlauf. Eigentlich handelt es sich hierbei um Dengrement, einem brasilianischen Wunderkind, welches zu dieser Zeit in Europa auf Tournee war. Es ist für mich etwas schwer eine bestimmte Antwort darüber aussprechen zu können, da ich Dugremont, keineswegs weder als Künstler noch als Mensch, kenne, noch weiß welche seine Bedingungen wären.

- Soviel ich vor einem Jahre in die Zeitung las, sollte Dugremont von einem Impressario, engagiert worden sein, welcher ihm per Jahr sein von Reisekosten 32.000 fr. abzahlte, ferner erfahre ich von einem Gehalt welche ihm der Kaiser von Brasilien austeilt, und per Jahr 4000 fr. betragen soll.

- Wenn das wahr ist, so wird es Dugremont wenig angehen einen Aushelfer zu bekommen, um so mehr dass ich für die wenigen Konzerte, welche zu geben ich im Stande wäre, sichere Garantie und starken Lohn begehren würde, da ich beabsichtige Sommer und Herbst mit der größten Ruhe aufs Land zuzubringen, um meine leider durch die Verhältnisse ziemlich unterbrochene Audienz fortzusetzen. Wenn Sie, Herr v. Kienzl jedenfalls glauben, dass es gut wäre dass ich in Graz ein Konzert mit Dugremont gäbe, so wünschte Papa doch dass das Konzert von mir und Dugremont wäre, und nicht dass ich unter gefälliger Mitwirkung spielte; das nicht aus Eitelkeit sondern aus Eigenliebe.

- Somit müsse der reine Ertrag des Konzertes in zwei Teile zerfallen eine für mich, eine für Dugremont.

- Leider sind die gegenwärtigen Verhältnisse meiner Familie sehr schwer! Und leider auch gibt’s in der Nähe keine Stadt wo man auf sicheren Erfolg eines Konzertes bauen dürfte.

- Wäre es möglich durch Ihren Einfluss welchen Sie als Sohn des Bürgermeister, als geistvoller Gesellschafter besitzen ein Konzert in Marburg zu veranstalten um einen momentanen Erfolg zu haben, dessen wir jetzt so nötig brauchen? Ihre bekannte Güte und Liebenswürdigkeit sowie die Sympathie die Sie in der Gesellschaft genießen, lassen mich hoffen, Ihre Ankunft in Graz als ein Glück für uns betrachten zu können, und dass Sie mit oben erwähnten mächtigen Einfluss, Mittel genug finden werden, um uns huldreichst zu helfen.

- Meine einzige Bitte wäre noch, von Ihnen mir eine huldreiche Antwort zu erfragen; Sie werden mir diese nicht abschlagen.

- Von dieser Meinung bestärkt, richte ich innigste Danksagung und Empfehlungen an Sie und verehrteste Frau Mama, von meiner Eltern Seite aus, und bin somit Ihr Ergebenster

Ferrßen Busoni

                                                                
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Es ist für mich etwas schwer eine bestimmte
Antwort darüber ausprechen zu können, da ich
Dugremont, keineswegs weder als Künstler noch
als Mensch, kenne, noch weiß welche seine
Bedingungen wären.

- Soviel ich vor einem
Jahre in die Zeitung las, sollte Dugremont
von einem Impressario, engagiert worden sein,
welcher ihm per Jahr sein von Reisekosten
32.000 fr. abzahlte, ferner erfahre ich von
einem Gehalt welche ihm der Kaiser von
Brasilien
austheilt, und per Jahr 4000 fr.
betragen soll.

- Wenn das wahr ist, so wird
es Dugremont wenig angehen einen Aushelfer
zu bekommen, um so mehr dass ich fur die
wenige Concert, welche zu geben ich im Stande
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begehren würde, da ich beabsichtige Wiener Stadtbi
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Sommer und Herbst mit der größten Ruhe aufs
Land zuzubringen, um meine leider durch die
Verhältnisse ziemlich unterbrochene Audienz
fortzusetzen. Wenn Sie, Herr v. Kienzl jedenfalls
glauben, dass es gut wäre dass ich in Graz ein Concert
mit Dugremont gäbe, so wünschte Papa doch dass
das Concert von mir und Dugremont wäre, und nicht
dass ich unter gefälliger Mitwirkung spielte; das
nicht aus Eitelkeit sondern aus Eigenliebe.

- Somit
müsse der reine Ertrag des Concertes in zwei Theile
zerfallen eine für mich, eine für Dugremont.

- Leider sind die gegenwärtigen Verhältniße meiner
Familie sehr schwer! Und leider auch gibt’s
in der Nähe keine Stadt wo man auf sicheren
Erfolg eines Concertes bauen dürfte.

- Wäre es möglich
durch Ihren Einfluß welchen Sie als Sohn des
Bürgermeister, als geistvoller Gesellschafter besitzen dtbibliothek

                                                                
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ein Concert in Marburg zu verantstalten
um einen momentaanen Erfolg zu haben,
dessen wir jetzt so nöthig brauchen?
Ihre bekannte Güte und Liebenswürdigkeit
sowie die Simpathie die Sie in der Gesell-
schaft genießen, lassen mich hoffen, Ihre
Ankunft in Graz als ein Glück für uns
betrachten zu können, und dass Sie
mit oben erwähnten mächtigen Einfluss,
Mittel genug finden werden, um uns
huldreichst zu helfen.

- Meine einzige
Bitte wäre noch, von Ihnen mir eine
huldreiche Antworte zu erfragen; Sie
werden mir diese nicht abschlagen.

- Von
dieser Meinung bestärkt, richte ich innigste
Danksagung und Empfehlungen an
Sie und vehreste Frau Mama, von
meiner Eltern Seite aus, und bin somit
Ihr Ergebenster

Ferrßen Busoni

                                                                
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Dokument

warningStatus: in Bearbeitung XML Faksimile Download / Zitation

Überlieferung
Österreich | Wien | Wienbibliothek im Rathaus | Musiksammlung | Nachlass Wilhelm Kienzl | AC16041907
Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
1 Bogen, 4 beschriebene Seiten
Kollation
Seitenfolge: 1, 2, 3, 4
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen, eine Foliierung vorgenommen und das Briefdatum ergänzt hat
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
Bildquelle
Wienbibliothek im Rathaus: 1234

Zusammenfassung
Busoni schildert Kienzl seine missliche Lage und erbittet Unterstützung; liebäugelt mit Dengremant ein gemeinsames Konzert zu arrangieren; erbittet kurzfristig ein Konzert in Marburg geben zu können.
Incipit
Ich erfahre soeben von einem Freunde

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
8. September 2025: in Bearbeitung (in der Erfassungs-/Codierungsphase)
Stellung in diesem Briefwechsel
Folgend
Benachbart in der Gesamtedition