30. Jänner 1917
Lieber Herr Busoni,
hin- und hergeworfen von Friedenshoffnungen und Enttäuschungen fand ich keine Ruhe, Ihnen für
Ihren lieben Brief zu danken.
Ein Anlass bringt mich dazu, Ihnen wieder zu schreiben.
Ich habe endlich eine Idee, die ich schon lange gefasst hatte, zu
Papier gebracht. Angeregt durch Präsident Wilson, der
einem neuerdings Friedenshoffnungen erweckt,
Woodrow Wilson war im November 1916 als Präsident der Vereinigten Staaten wiedergewählt worden und verfolgte zunächst die sog. Neutralitätspolitik, nach der sich die USA nicht am Krieg beteiligen sollten. Am 18. Dezember 1916 hatte Wilson den kriegsführenden Staaten einen Friedensschluss vorgeschlagen und sie gebeten, ihre Bedingungen dafür bekannt zu geben. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. hatte bereits am 12. Dezember 1916 gemeinsam mit den anderen Mittelmächten ein Friedensangebot unterbreitet, das von der Entente am 30. Dezember 1916 abgelehnt worden war. Am 22. Januar 1917 hielt Wilson die sog. Friedensrede vor dem Senat, in der er eine internationale Organisation zur Schaffung und Erhaltung des Friedens forderte. Dies dürfte Schönberg zur Formulierung einer eigenen Friedensschrift motiviert haben.
möchte
ich ihn jetzt gerne veröffentlichen. Aber womöglich in einem
neutralen Blatt, damit es eventuell, falls es auffällt
überall gelesen wird. Ich sende Ihnen den kleinen Aufsatz,
Vergleiche den Anhang zu diesem Brief.
möchte ihn aber, da er nicht sehr gut ist (ich kann
offenbar über Dinge, die nicht mein Fach betreffen, nicht
so gut schreiben), will ich ihn nicht unter meinem Namen
veröffentlichen, sondern unter dem Pseudonym:
A. Börnscheg.
„A. Börnscheg“ ist ein Anagramm von „A. Schönberg“.
Ich habe nun die Bitte an Sie: Können
Sie den Aufsatz irgendwo, natürlich am besten bei einer
großen deutschen Schweizer Tageszeitung, unterbringen?
In der Schweiz kam es zu keiner Veröffentlichung von Schönbergs Schrift. Es weist nichts darauf hin, dass Busoni die Absicht verfolgte, Schönberg tatsächlich zur Publikation zu verhelfen, zumal Busoni klar gewesen sein dürfte, dass ein solcher „politisch provokativ-naiv“ (Theurich 1979, S. 134) wirkender Beitrag selbst in der neutralen Schweiz bei keinem Presseorgan eine Chance auf Veröffentlichung gehabt hätte.
Ich sähe es gerne, wenn er ohne jede Änderung
gebracht würde. Jedenfalls aber soll niemand erfahren,
dass ich der Autor bin. Ich verspreche mir viel von dieser
Idee. Wenn man sie zu Ende ausdenkt, kommt man
dazu, dass wirklich ein langer Friede gesichert wird.
Schreiben Sie mir Ihre Meinung darüber; bitte!
Mein gegenwärtiges Schaffen; Sie fragen darnach;
Vgl. Busonis Brief vom 24. November 1916.
es ist kaum
nennenswert. Während des Krieges, bevor ich zum Militär
kam,
Schönberg war zwischen Dezember 1915 und Juni 1916 zum Militär eingezogen worden.
habe ich eine große Arbeit angefangen. Eine Symphonie.
In 4 Sätzen.
Schönberg hatte zunächst ein Oratorium geplant, das aber zu Beginn des Jahres 1915 in die Konzeption einer großen Programmsymphonie überführt wurde. Letztlich wurde nur die Musik zum 4. Satz unter der Überschrift Die Jakobsleiter begonnen; das Werk blieb Fragment.
Die beiden ersten nach Gedichten von Dehmel,
die beiden letzten nach Texten von mir. Der I. Satz:
„Freudenruf“,
Das Gedicht lautet: „O freu dich, Mensch: Deine Welt erschallt! / Überall ist Frühling, wo dein Herz nachtigallt! / Menschenlieder, ihr schwanken / Meer- und Himmels-Gedanken, / Berg-, Fluß-, Fluren-Träume, / Wolken- und Wellen-Schäume, / Wäldversunkenheiten, / Sternentrunkenheiten, / Wein- und Blumen-Gelüste, / schwellende Lippen und Brüste / bis hinauf zur Sonne – / ja: ihr wiegt uns in Wonne!“
der II. „Der bürgerliche Gott“, der III.
„Totentanz der Prinzipien“ der IV. „die Himmelsleiter“. Den Text zum 3. habe ich fertig,
Totentanz der Prinzipien war bereits am 15. Januar 1915 fertiggestellt worden.
den zum 4. zu
2 Drittteilen.
Der Text zur Jakobsleiter wurde erst am 26. Mai 1917 abgeschlossen.
Solange Friedensaussichten waren, konnte ich
arbeiten. Dann sank mein Mut wieder. Beim Militär
war’s mir natürlich nicht möglich, was zu arbeiten. Und
jetzt: viel ist’s nicht. Zunächst möchte ich eine von
fast 10 Jahren angefangene II. Kammersymphonie vollenden,
Schönberg hatte mit der Komposition bereits im Jahr 1906, unmittelbar nach Fertigstellung der I. Kammersymphonie begonnen. 1911 und 1916 versuchte er sich an der Fertigstellung des Werks, instrumentierte jedoch nur einige Takte. Erst 1939 nahm er die Komposition wieder auf und das Werk wurde 1940 in stark veränderter Form uraufgeführt.
dann an meiner Symphonie weiterarbeiten. Dazwischen teilweise
Neubearbeitung der Harmonielehre für
die II. Auflage
Die 2. Auflage der Harmonielehre erschien im Jahr 1917.
und Korrekturlesen („Glückliche Hand“
und das „Monodram“ sind gestochen und sollen demnächst erscheinen;
Die Partituren zum Monodram Erwartung und zum Drama mit Musik Die glückliche Hand erschienen am 5. April 1917 und am 23. Mai 1917. Die Korrekturlesung hatten neben Schönberg Alban Berg und Erwin Stein besorgt.
ebenso 4 Orchesterlieder.)
Die Orchesterlieder op. 22 erschienen am 7. November 1917.
Das ist alles.
Könnte ich Ihr Feuilleton über den Tod eines hervorragenden Malers nicht bekommen? Bitte vielmals darum.
Kann ich Ihnen etwas von mir senden?
Frau Mahler hat geheiratet.
Die Hochzeit hatte bereits am 18. August 1915 stattgefunden.
Ihr Mann, Architekt
Gropius, steht als Leutnant seit Kriegsbeginn im Feld.
Er ist ein sehr sympathischer Mensch. Zwischen Frau Mahler (Gropius)
und mir gab’s (fast ein Jahr lang) eine arge Verstimmung, die
jetzt aufgehoben ist, deshalb weiß ich nicht allzuviel von ihr.
Morgen aber komme ich zu ihr und werde sie von Ihnen grüßen.
Sie schreiben:
Vergleiche den Schluss von Busonis Brief vom 24. November 1916.
„Jeder tue, was er bestens zu tun vermag; sich selbst gründlichst zu schöpfen, bleibe die wahrste
Lebenserfüllung.“ Das ist sehr schön und wahr. – Aber ich kann
das augenblicklich leider nicht auf mich anwenden. Ich
habe nur die Ruhe, die man mir lässt. Und da an meinen
Nerven fortwährend gezerrt wird, lässt es mir also keine
Ruhe. Und ohne Ruhe kann ich nichts gut tun.
Haben Sie davon gehört, dass ich in New York die
„Gurrelieder“ dirigieren soll.
Pläne für eine Aufführung der „Gurre-Lieder“ in New York gab es seit August 1916 und zogen sich über ein Jahr hin; sie ließen sich schließlich nicht realisieren.
Aber ich kann wohl nicht hinüber,
weil die Engländer niemanden durchlassen.
Ist das nicht schrecklich: „die Engländer“. Vor 30 Monaten
habe ich mit Stolz von meinen englischen, französischen und
russischen Freunden gesprochen und jetzt sind das meine Feinde?
Glauben Sie das? Ich muss sagen, für mich hat kein internationaler Wert aufgehört, kaum in den ersten Wochen. Aber
es ist schrecklich, dass es für die meisten damit für lange vorbei ist!
Hoffentlich höre ich recht bald von Ihnen.
Bitte schreiben Sie mir auch, wie es Ihrer Frau Gemahlin
geht und sagen Sie ihr meine herzlichsten Grüße. Viele viele
herzliche Grüße auch an Sie, auch von meiner Frau. Ihr Arnold Schönberg
Friedenssicherung
Ich bin nicht umstande zu beurteilen, noch in der Lage, mich
darüber zu äußern, ob, was des Präsidenten Wilson letzte Botschaft über die Bedingungen für einen dauernden Frieden sagt,
mehr ist, als das, was die Politiker verächtlich „Ideale“ und „Zukunftsträume“ nennen. Aber da er mit besonderem Nachdruck darauf hinweist, dass
er als Oberhaupt eines mächtigen Staates spreche, die Ideen eines solchen
Oberhauptes, die eines praktischen Politikers, sich nicht allzuweit vom Erfüllbaren entfernen dürfen, da weiters gerade die Berufung auf seine
prominente Stellung dem Ernst seiner Mahnung fast das Gewicht
einer Drohung verleiht, es also unwahrscheinlich ist, dass er bloß Phrasen
auftischt, deren Erfüllbarkeit ihm gleichgültig ist, so scheint mir
all das zu verbürgen, dass die Lösung, die er vorschlägt, heute
bereits verwirklicht werden könnte. Zudem hat auch der Deutsche
Kaiser in seinem Friedensangebot
Gemeint ist vermutlich das Friedensangebot der Mittelmächte vom 12. Dezember 1916.
versprochen, sich an die die Spitze einer
Aktion zur Verhinderung von Kriegen zu stellen. Die Frage eines
dauernden Friedens scheint also nicht mehr für eine Utopie zu
gelten, und das ermutigt mich, einen Vorschlag zur Diskussion zu
stellen, der mich schon lange beschäftigt.
Meine einzige Voraussetzung ist: der energische Wille der
Mehrheit der Menschen, Kriege in Hinkunft zu vermeiden.
Dann steht die Sache so:
Zu jenem Zustand eines eigentlichen, vollen, stets ungeteilten
Friedens unter den Menschen – abgesehen von dem der Staaten und
Rassen – kann es erst kommen, bis gewisse, ihr fernliegene
Bedingungen erfüllt sind. Zieht man in Betracht, dass dieser Krieg
ein Betätigungsfeld militärischer Talente und
Genies war, so wird jeder, der an die Gottgesandtheit des Genies glaubt,
zweifeln müssen, ob sich sogar der Krieg der Staaten und Rassen ganz
vermeiden lasse. Denn das Genie, da es da ist, muss und wird sich
betätigen. Bedenkt man aber, dass, wie es zuletzt der Fall war, ein
50-jähriger Friede
Vermutlich hat Schönberg als letzte kriegerische Auseinandersetzung entweder den Krieg zwischen Preußen und Österreich 1866 oder den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 gezählt.
Generationen militärischer Genies an der Entfaltung verhinderte, so hält man es für möglich, dass diese Zahl
fünfzig beliebig vergrößert und schließlich gleich ewig werden
könnte. Das ist jedoch ein schwacher Trost, da die eigentlichen Kriegsursachen in der menschlichen Natur liegen und erst verschwinden könnten
bis diese Hindernisse dank fortschreitender Erziehung nicht mehr wirksam
sind. Solange jedoch die Menschen in ihren kleinsten und größten
Verhältnissen von Neid, Habgier und Ungerechtigkeit beherrscht sind;
solange der Einzelne besitzen will, worauf jeder andere ebensoviel und ebensowenig Anspruch hat wie er; solange jeder Einzelne
nach dem Grundsatz: "warum habe ich nicht soviel, wie der andere?"
bestrebt ist, dem andern soviel wie möglich zu nehmen; und solange
nicht wirkliches Gerechtigkeitsgefühl die Menschen dazu bringt, im
Gegenteil nach dem Grundsatz: "warum hat der andere nicht soviel, wie
ich?" dem andern mehr als nötig zu geben, solange werden die Reibungen nicht aufhören, die schließlich zum Krieg führen. Die
radikalste Formulierung der Bedingungen für einen ewigen Frieden lautet daher: Wenn kein Mensch weder in der Lage ist, noch
es nötig hat, vom andern etwas zu wollen.
Zeit, Bedingung erfüllt werden könnte, sind wir noch allzu fern,
darum ist eine Formulierung für einen näherliegenden Zeitpunkt geboten: Wenn es unmöglich ist, sich durch Gewalt Macht,
durch Macht Vorteil und Recht (oder was man dafür hält) zu
verschaffen. Diese Erkenntnis lenkt die Aufmerksamkeit auf
die Mittel, durch die Staaten an der Anwendung von Gewalt
verhindert werden können.
Als das tauglichste Mittel zu diesem Zweck wird, nach dem
Beispiel des bürgerlichen Lebens, das internationale Schiedsgericht
Internationale Schiedsgerichte waren bereits 1907 im Haager Abkommen vereinbart worden, erwiesen sich jedoch zur Beilegung von Konflikten als untauglich.
angesehen, dessen Voraussetzung nebst den Verträgen die allgemeine Abrüstung bildet. Beides dürfte jedoch keine genügende Bürgschaft sein. Denn sind bei allgemeiner Abrüstung auch
sämtliche Staaten in nahezu dem gleichen Zustand relativer
Wehrlosigkeit und Angriffsunfähigkeit, so hat doch dieser Krieg
gelehrt, wie rasch ein Heer aufzustellen und ausgerüstet ist. Und
damit sind industrie und volkreiche Staaten insbesondere
dann im Vorteil, wenn sie, die ihre Nichtachtung des Schiedsspruchs
schon im Voraus wissen, sich insgeheim einen Vorbereitungsvorsprung sichern und Bündnisse schließen. Entscheidend müsste
ein solcher Vorsprung nicht werden; auch sind solche Bündnisse
nicht leicht zu schließen, solche Geheimnisse nicht leicht zu bewahren.
Aber ein angriffslustiger Staat ist in der Lage, Jahre
vorher schon Industrien, Erfindungen und Versuche zu
fördern, die sich für Kriegszwecke eignen, wahrscheinlich besäße
dieser Staat – gerade er, weil er darauf abzielt – dann auch überraschende Erfindungen und technische Neuerungen und damit
eine Überlegenheit, vermöge welcher ihm die Überrumpelung
der arglosen und unvorbereiteten andern Staaten gelingen
könnte.
Ich kann nicht leugnen, dass auch bei meinem Vorschlag diese
Gefahr nicht ganz ausgeschaltet ist. Sie kann nicht ganz ausgeschaltet,
aber doch wesentlich verringert werden, und weil er nicht alle
Fragen löst, endgültig löst, so unvollkommen er sonst sein
mag, sollte man ihn doch in Erwägung ziehen. Denn in diesen
Dingen muss man von der Hand in den Mund leben, d. h.
sich mit der Lösung begnügen, die soweit hilft, als man
sehen kann. Deshalb bitte ich: nicht ablehnen, wenn
einige Einwände vorliegen, sondern ergänzen und verbessern. So gelangt man vielleicht zu Durchführbarem.
Ich habe also die Frage so gestellt:
Wie kann man einen Staat, der sich dem Versuch des Schiedsgerichtes widersetzt, an der Anwendung von
Gewalt hindern?
Als zweckmäßigstes Mittel scheint es mir, ihm die Mobilisierung unmöglich zu machen oder doch aufs äußerste
zu erschweren.
Das könnte durch folgende Einrichtungen gewährleistet
werden:
1) Zum Schutz des internationalen Schiedsgerichtshofes
wird nach den Grundsätzen militärischer Bereitschaft
ein internationaler Bewachungsdienst geschaffen.
2) Eine internationale Armee von Wächtern wird
zu diesem Zweck aufgestellt, zu der jeder Staat nach Maßgabe
seiner Volkszahl Menschen und Geld
beisteuert.
3. Der Beitrag an Menschen, Material und Geld sei ungefähr gleich
dem, den sonst neutrale Länder für die Sicherung ihres Friedens aufgebracht haben.
4. Ein nennenswerter Teil dieser internationalen Armee (z. Bsp.
ein Drittel) verbleibt als ständige Bereitschaft in dem Ort, an dem
das Schiedsgericht sich befindet, um dessen Sprüchen nötigenfalls
Geltung·verschaffen zu können (eine wahrscheinlich nur symbolische
Drohung).
5. Der Rest wird nach Maßgabe der Volkszahl auf die Staaten
in der Weise aufgeteilt, dass sich in keinem Staat mehr als höchstens
(beispielsweise!!!) ein Zehntel der eigenen Soldaten befinden, während die restlichen neun
Zehntel – mindestens neun anderen Staaten angehören.
6. Dieser Wächter-Armee fallen dieselben Aufgaben zu,
wie der Armee eines neutralen Staates, und außerdem noch
diejenigen, die sie, als dem Schiedsgericht unterstellt, zu erfüllen hat: dessen Beschlüsse zu sichern.
7. Alle, die Befehlsgebung – und sonstigen Rechte und
Pflichten - betreffenden Gesetze sind international und wenn
nötig einheitlich festzusetzen.
8. Sowohl das Zehntel eigener Soldaten, als auch die neun
Zehntel fremder verbleiben in keinem Land dauernd, sondern
nur verhältnismäßig kurze Zeit (z. Bsp.: ein halbes Jahr)
9. Welche fremden Soldaten jeweils in einem Lande
liegen sollen, wird vielleicht durchs Los, wahrscheinlich aber besser
nach einer Tabelle zu bestimmen sein, die wohl am besten von
Fall zu Fall aufgestellt werden müsste. Setzte z. Bsp. eine solche
Tabelle fest, dass in einem volksreichen Staat die Besatzung
bloß aus Soldaten kleiner Staaten besteht, so
beugte das Bündnissen größerer Staaten zum Schaden
kleinerer vor. Sind aber die Streitfragen dem Schiedsgericht rechtzeitig bekannt, so ist es in der Lage die Zusammensetzung der
Armeen in den beteiligten Ländern (also auch der mutmaßlichen Verbündeten) zugunsten des Friedens zu regeln.
10. Die neun Zehntel fremder Wächter sind vor allem
dazu da, um die Sammlung und Herstellung von Kriegsmaterial
und die Ausrüstung von Kriegern eventuell durch Anwendung
der Waffen zu verhindern.
11. Nebst dem Bewachungsdienst wird ein internationaler Überwachungsdienst organisiert und jedem Staat das
Recht zu selbständiger Überwachung eingeräumt.
12. Der internationale Überwachungsdienst untersteht dem
internationalen Schiedsgericht.
13. Er wird besorgt a) durch offizielle Vertreter, b) durch Geheimagenten.
14. Beiden obliegt es, alle Versuche kriegerischer Rüstungen rechtzeitig aufzudecken.
15. Den Überwachungsdienst, den jeder Staat auf eigene Rechnung betreibt, organisiert er nach eigenem Ermessen.
Dies mein Vorschlag. Ich habe noch keinen ähnlichen gehört, riskiere darum, ihn zu veröffentlichen.
Der Kern der Idee ist: 1. Besetzung jedes Landes durch Truppen,
die dem Befehl der Machthaber dieses Landes nicht gehorchen dürfen, wenn
er mit den Gesetzen des Schiedsgerichtes in Widerspruch steht. Das
internationale Schiedsgericht würde durch diese Einrichtungen zu
einer Art Zentralparlament der beteiligten Staaten. Streitigkeiten wären nicht ausgeschlossen, sie könnten im Gegenteil so
lebhaft werden, wie die der politischen Parteien in den bisherigen Parlamenten. Aber so selten diese zu Gewaltanwendung
führten, weil eine Armee den inneren Frieden schützt, was
die Streitenden zu friedlicher Einigung, zum Nachgeben, Hinausschieben und zu Kompromissen nötigt, so selten käme es auch hier
zum Krieg – solange dieses Mittel reicht. Dann wird man
ein besseres finden oder dieses entsprechend ausbauen und
ändern müssen.
Ich bitte nun nochmals: nicht ohne Weiteres ablehnen,
sondern Verbesserungen vorschlagen! Sicher hat schon mancher
Ähnliches oder dasselbe gedacht. Sicher ist manches schwer oder gar
nicht durchführbar. Wenn aber auch nur der Kern der Idee
durchführbar ist, wenn auch in anderer Form, so bitte
ich: weiterdenken! Wenn guter Wille vorhanden
ist – wie sollte nachdem soviel Blut geflossen ist, nicht
guter Wille vorhanden sein? – so muß man zu einem
Ergebnis gelangen.
A. Börnscheg, Wien