ich erhalte so eben Ihren Brief,Dieser Brief ist offenbar nicht erhalten. der mich an sich erfreut; noch
mehr aber verheisst durch das
Hindeuten auf Inhalt und Art
des noch nicht eingetroffenen
Buches chinesischen Ursprungs.
– Bis es eintrifft halte ich
diese Zeilen noch zurück.Bei Beaumont 1987 (261) ist der Briefbeginn bis hierhin ausgelassen.
Trotz
Ihrer geistvollen Auslegungen
möchte ich Sie davor warnen,
im Sinne von Pfitzner’s Kom- mentatoren eine
„Weltanschauung“ in Musik setzen zu wollen.
Aufrichtig gesprochen, so habe ich
diesen Begriff nie ganz erfasst;
noch weniger, dass Musik ihn
ausdrücken koenne.
ich erhalte soeben Ihren Brief,Dieser Brief ist offenbar nicht erhalten.
der mich an sich erfreut; noch
mehr aber verheißt durch das
Hindeuten auf Inhalt und Art
des noch nicht eingetroffenen
Buches chinesischen Ursprungs.
– Bis es eintrifft, halte ich
diese Zeilen noch zurück.
Trotz
Ihrer geistvollen Auslegungen
möchte ich Sie davor warnen,
im Sinne von Pfitzners Kommentatoren eine
„Weltanschauung“
in Musik setzen zu wollen.
Aufrichtig gesprochen, so habe ich
diesen Begriff nie ganz erfasst;
noch weniger, dass Musik ihn
ausdrücken könne.
„Die Barbaren“ (so sagt mein Abbate
in des Arlecchinos erster Fassung)
„sind das Volk der Musik und
der Philosophie“. – Wenn Sie
aber diese beiden durcheinanderwerfen, dann entsteht jene
graue Kunst, die als Musik
den Musikern, als Philosophie
den Philosophen nicht genügt
(dafür aber umgekehrt).
Menschenleben und Menschenlieben,
als wie Beethoven zum Darstellungsziel der Musik bevorzugte,
erfüllen schön das Ethische
in den Tönen: „Traumzustände“
im Gegensatz zur
„Daseinsnorm“.
Dies steht dem Wesen unserer Kunst
schon ferner: Denn ist Musik
nicht schon traumhaft an sich
und immer wirklich durch
ihr eigenes Klingen? –
(Auf
Wiedersehen nach empfangener
Buchsendung.)
Nachmittag
Nun habe ich mir das erste
Stück durchgelesen, das vollendet
schön erzählt ist; über dessen
Dramatisierung ich mir aber
erst nach reiferer Verdauung
klar werden kann. Es
schweben mir indessen
Möglichkeiten vor, auf
das Eingehen derer ich
mich im Voraus freue.Busonis Libretto Das Wandbild basiert auf diesem gleichnamigen ersten Text in der hier verwendeten Auswahlübersetzung des Liaozhai Zhiyi von Pu Songling.
Inzwischen grüße ich
Sie herzlich und wünsche
Ihnen freudiges Arbeiten.
Auch ich versuche dergleichen, jedoch: Aller
Anfang ist (immer wieder)
schwer.
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(Auf einen Bezug zu Pfitzners Busoni-Kritik deutet hier erstmal nichts hin.)-->
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<lb/>diesen Begriff nie ganz erfasst;
<lb/>noch weniger, dass Musik ihn
<lb/>ausdrücken k<choice><orig>oe</orig><reg>ö</reg></choice>nne.
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2Facsimile
2Diplomatic transcription
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N.Mus.Nachl. 30, 14
2
„Die Barbaren“ (so sagt mein Abbate
in des Arlecchino’s erster Fassung)
„sind das Volk der Musik und
„der Philosophie“. – Wenn Sie
aber diese beiden durcheinander werfen, dann entsteht jene
graue Kunst, die als Musik
den Musikern, als Philosophie
den Philosophen nicht genügt.
(dafür aber umgekehrt.) Menschenleben u. Menschenlieben,
als wie Beethoven zum Darstellungs ziel der Musik bevorzugte,Bei Beaumont 1987 (262) im Sinn abweichend übersetzt mit: „To live for and to love humanity, which was Beethoven’s chosen goal, fulfils the ethical requirements of the notes“. erfüllen schön das Ethische
in den Toenen: „Traumzustaende[“] im Gegensatz zur
„Daseinsnorm“ Dies steht dem Wesen unserer Kunst
schon ferner: denn ist Musik
nicht schon traumhaft an sich
und immer wirklich durch
ihr eigenes Klingen? –Bei Beaumont 1987 (262) ist ab hier der Rest des Briefes ausgelassen.
(Auf
Wiedersehen nach empfangenemr
Buchsendung.)
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3Diplomatic transcription
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N.Mus.Nachl. 30, 14
3
Nachmittag
Nun habe ich mir das erste
Stück durchgelesen, das vollendet
schön erzählt ist; über dessen
Dramatisierung ich mir aber
erst nach reiferer Verdauung
klar werden kann. Es
schweben mir indessen
Möglichkeiten vor, auf
das Eingehen derer ich
mich im Voraus freue.Busonis Libretto Das Wandbild basiert auf diesem gleichnamigen ersten Text in der hier verwendeten Auswahlübersetzung des Liaozhai Zhiyi von Pu Songling.
Inzwischen grüsse ich
Sie herzlich und wünsche
Ihnen freudiges Arbeiten.
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4Diplomatic transcription
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Preußischer
Staats- bibliothek
zu Berlin Kulturbesitz
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | N.Mus.Nachl. 30,14 |
Letter by Ferruccio Busoni to Philipp Jarnach ([Zurich], 20 June 1917), prepared by Hanna Schröder, in: Briefwechsel Ferruccio Busoni – Philipp Jarnach, edited by Christian Schaper and Ullrich Scheideler, Berlin: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, April 2021: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, https://busoni-nachlass.org/D0101621 (October 29, 2021: candidate)
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<title xml:lang="de">Brief von Ferruccio Busoni an Philipp Jarnach ([Zürich], 20. Juni 1917)</title>
<title xml:lang="en">Letter by Ferruccio Busoni to Philipp Jarnach ([Zurich], 20 June 1917)</title>
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<publisher>Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin</publisher>
<pubPlace>Berlin</pubPlace>
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<title type="main">Ferruccio Busoni – Briefe und Schriften</title>
<title type="genre">Briefe</title>
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<collection>Nachlass Ferruccio Busoni</collection>
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<summary><persName key="E0300017">Busoni</persName> erwartet und erhält eine von <persName key="E0300376">Jarnach</persName> angekündigte <rs key="E0800362">Sammlung chinesischer Erzählungen</rs>; will deren erste dramatisieren (<title key="E0400481">Das Wandbild</title>); warnt <persName key="E0300376">Jarnach</persName> vor der Vertonung einer <q>Weltanschauung</q> als eines Durcheinanders von Musik und Philosophie.</summary>
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<collation>Nur die Vorderseiten sind beschrieben.</collation>
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<handNote xml:id="major_hand" scope="major" medium="black_ink" scribe="author" scribeRef="#E0300017">Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift</handNote>
<handNote xml:id="archive" scope="minor" medium="pencil" scribe="archivist">Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen und eine Foliierung vorgenommen hat</handNote>
<handNote xml:id="sbb_st_red" scope="minor" medium="red_ink" scribe="archivist">Bibliotheksstempel (rote Tinte)</handNote>
<handNote xml:id="gerda.busoni" scope="minor" medium="pencil" scribe="relative" scribeRef="#E0300059">Hand Gerda Busonis, die auf der Rückseite von Blatt 2 und 3 mit Bleistift das Datum notiert hat</handNote>
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<origDate when-iso="1917-06-20"/>
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<p>Erfassung von Briefen und Schriften von Ferruccio Busoni, ausgehend von Busonis Nachlass in der Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz.</p>
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<p>Worttrennungen an Zeilenumbrüchen im Original mit einfachen Bindestrichen.</p>
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<p>Alle im Text vorkommenden Interpunktionszeichen wurden beibehalten und werden in der diplomatischen Umschrift wiedergegeben. Bei Auszeichnung durch XML-Elemente wurden umgebende Satzzeichen nicht mit einbezogen.</p>
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<p>Anführungszeichen wurden i. d. R. nicht beibehalten; die Art der Zeichen wurde im Attribut <att>rend</att> der entsprechenden Elemente codiert.</p>
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<p>Die Übertragung folgt den Editionsrichtlinien des Projekts. <ptr target="http://www.busoni-nachlass.org/E1000003"/></p>
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<lb/>erst nach reiferer Verdauung
<lb/>klar werden kann. Es
<lb/>schweben mir indessen
<lb/>Möglichkeiten vor, auf
<lb/>das Eingehen derer ich
<lb/>mich im Voraus freue.
<note type="commentary" resp="#E0300314">Busonis Libretto <title key="E0400481">Das Wandbild</title> basiert auf diesem gleichnamigen ersten Text in der <rs key="E0800362">hier verwendeten Auswahlübersetzung</rs> des <title key="E0400578">Liaozhai Zhiyi</title> von <persName key="E0300733">Pu Songling</persName>.</note>
</p>
<p rend="indent-first">Inzwischen grü<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>e ich
<lb/>Sie herzlich und wünsche
<lb/>Ihnen freudiges Arbeiten.
<lb/>Auch ich versuche der
<lb break="no"/>gleichen, jedoch: Aller
<lb/>Anfang ist (immer wieder)
<lb/>schwer.
</p>
<closer>
<salute rend="indent-first">Alles Schöne an die Ihren
<lb/><choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> <rs>das Nachbarhaus</rs>.
</salute>
<signed rend="align(right)">Ihr Sie umarmender
<lb/><persName key="E0300017">F Busoni</persName></signed>
<dateline><date when-iso="1917-06-20">20. Juni 1917</date></dateline>
</closer>
</postscript>
<pb n="4"/>
<note type="objdesc" resp="#E0300314">[Rückseite von Textseite 1]</note>
<note type="stamp" place="center" resp="#sbb_st_red">
<stamp rend="round border align(center) majuscule tiny">Preußischer
<lb/>Staats
<lb break="no"/>bibliothek
<lb/>zu <placeName key="E0500029">Berlin</placeName>
<lb/>Kulturbesitz
</stamp>
</note>
<pb n="5"/>
<note type="dating" resp="#gerda.busoni" place="top-center" rend="rotate(180)" xml:id="gerda_date"><date when-iso="1917-06-20">20 Juni 1917</date></note>
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