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Lieber Meister,
am ersten Tag meines römischen
Aufenthaltes hatte ich einen Brief
an Sie geschrieben, der etwas ent- täuscht klang. Ich kam aus Florenz,
wo es restlos gelungen ist, die Taten
der Renaissance in lebendem Zustand
auf unsere Zeit zu bringen, wo die
Kunstwerke in die Landschaft hinein- gestellt sind u. offen an der Strasse
liegen, wie ihr Schöpfer sie gedacht
hatte. Und ich fand eine äusserst
belebte, moderne Grossstadt, deren
Schätze verborgen liegen zwischen
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Lieber Meister,
am ersten Tag meines römischen
Aufenthaltes hatte ich einen Brief
an Sie geschrieben, der etwas enttäuscht klang. Ich kam aus Florenz,
wo es restlos gelungen ist, die Taten
der Renaissance in lebendem Zustand
auf unsere Zeit zu bringen, wo die
Kunstwerke in die Landschaft hineingestellt sind und offen an der Straße
liegen, wie ihr Schöpfer sie gedacht
hatte. Und ich fand eine äußerst
belebte, moderne Großstadt, deren
Schätze verborgen liegen zwischen
oft minderwertigen neuen Bauwerken. Zudem war ich angewidert von
dem Militarismus, der dem Deutschland von 1914 in nichts nachsteht,
und von der Aufdringlichkeit der Pensionsinhaber, die mir übel mitgespielt hat, ehe ich ein nettes
Zimmer bei Privatleuten gefunden
hatte.
jetzt bin ich froh, dass ich diesen
Brief, seinem Inhalt misstrauend,
nicht abgeschickt habe; denn diese
Tage in Rom gehören zu den schönsten meines Lebens. Ich erlebe
den vielgerühmten römischen Frühling und ich kann nicht aufhören,
den Anblick dieser wahrhaft göttlichen Stadt, wie sie da weiß und
glitzernd in der Sonne liegt, in mich
einzuschlürfen. Dieses Bild von Pincio
aus über die Stadt hinweg nach
den grünen Höhen, dieses Bild des
marmornen Gemäuers und schwarzer Zypressen, das die Hintergründe von
Raffaels Madonnenbildern darstellen, –
es ist zu einem Teil meines Fühlens
geworden, und ich werde immer Sehnsucht danach haben.
Und ich erlebe die Kunstschätze
des Vatikans. Drei Stellen besuche
ich täglich: die Sixtinische Kapelle,
Raffaels Stanzen und seine Ausschmückung
der Villa Farnesina, und immer
von neuem liege ich auf den Knien
vor dieser Vollendung. Ich bin zu voll
von allem, um Worte dafür zu finden, aber ich weiß wohl, dass es
eine Erklärung für diese ergreifende
Wirkung gibt, dass diese Leute unendlich viel konnten und dass ihr
Gefühl von jener Lauterkeit war,
die allein dazu berechtigt, göttliche
Dinge menschlich zu gestalten. Die
Beziehungen zur Musik Bachs und
Mozarts sind mannigfaltig, sie
gehen bis in die formalen und –
melodiösen Einzelheiten; aber wem
sind diese Zusammenhänge so
vertraut wie Ihnen?
Mit den antiken Plastiken war
es mir schwerer, vertraut zu werden.
Ich sah sie zunächst als erstaunliche virtuose Leistungen; ich staunte über das Können, über den
Schwung in der Komposition, aber
ich konnte mich nicht in das
Gefühl dieser Kunst hineindenken,
ja, ich war geneigt, das Vorhandensein eines seelischen Ausdrucks
zu leugnen. Aber vor dem rührenden Lächeln eines römischen
Mädchens, vor der leisen Ironie
eines Faustkämpfers, vor der Hingegebenheit einer Tänzerin ging es
mir auf, dass diese Zeit über
die gleichen menschlichen Inhalte
verfügte wie die unsere, dass nur
die Form eine gebändigte war, eine
verhüllende, verdichtende. Die kapitolinische Venus belehrte mich vollends,
bis zu welchem Grade die Linie eines
Körpers zum Ausdruck einer Empfindung werden kann. Auch das bedeutet
für mich eine Bereicherung, Ausfüllung einer Lücke, die oft
schmerzte.
March 16, 1924Sonntag Mittag.
Nach Tivoli entfloh ich heute,
Ich mag nicht der polit’schen Worte Schwall.
„Faschistentag“ benennen’s hier die Leute.
Bei uns: „Es braust ein Ruf wie Donnerhall“.
Selbst die profanen Straßenbahnen
Verkünden heut des Reiches Glanz
Und überall nur Fahnen, Ahnen, „Manen“.
Totengeister (zu lat. „manes“).
Bei uns: „Heil Dir im Siegerkranz“.
—
Heut ist ein warmer Frühlingstag,
ich war in den Grotten bei den Wasserfällen, die das schönste Szenarium
für den „Freischütz“ bilden; und nun
liege ich auf einem Ölberg am
Abhange des Sabinergebirges, eine
Schafherde weidet neben mir, und der
Hirt singt mit seiner Phyllis neapolitanische Lieder. Ich spüre eine
nie gekannte Leichtigkeit, eine Fülle,
einen Überfluss – und ich singe mit:
Das ist schöner als die Musik, die
ich gestern in einem Konzert der
„Corporazione delle nuove musiche“
(nicht „Internationale“) gehört habe.
Es war der zweite Abend von fünf,
deren Programme ausschließlich
französische und italienische Musik
enthalten (bezeichnend dafür, was
man sich hier unter „neuer Musik“
vorstellt). Das Beste war noch ein
Quartett von Milhaud und kleine
Witze von Poulenc. Stravinskis Suite
für Klavier, Violine und Klarinette klingt
scheußlich. Das Erfreulichste an dem
Konzert (das Casella leitete) war,
dass ich dort Edward Dent traf
und sprach. Er bestätigte mir, was
Jarnach in einer Karte andeutete:
dass mein „Frauentanz“ für Salzburg
angenommen ist. Das freut mich
ungemein, zumal ich nie gewagt
hatte, es zu erhoffen. – Teatro Constanzi
ist, nach 2 Aufführungen zu urteilen,
eine mittelmäßige Opernbühnen. „Salome“
war auf dem Niveau Leipzigs (vor
Brecher!), dazu gab man als Première „Emiral“ von Barilli, ein preisgekröntes Machwerk nach „Cavalleria
rusticana“, nur schlechter, weil prätentiöser. Die Erstaufführung von „Boris
Godunow“ glänzte durch einen ausgezeichneten Sänger (Zalewski); Dirigent
(Vitale), Regie und Bühnenbild wieder
ziemlich schlecht. Aber das Stück ist
ganz überraschend und ich freue mich auf
die Berliner Aufführung.
Abends auf dem
Pincio.
Ich reise morgen, Montag, nachts
nach Venedig, wo ich 2-3 Tage
bleibe, dann Wien. Samstag nacht
fahre ich, vielleicht über Leipzig,
nach Berlin.
Der Abschied von Rom ist sehr
schwer; wer weiß, wann ich
wieder so glücklich bin wie hier.
Aber ich freue mich auf das Wiedersehen mit Ihnen, und das hilft.
Danke für Ihren Brief. Ich bin
glücklich, dass einige meiner
Ideen mit Ihren Äußerungen
übereinstimmen. Manchmal glaube
ich, dass schon diese paar Wochen
südlicher Sonne Dinge zur Entfaltung gebracht haben, die längst
in mir ruhten; jedenfalls spüre
ich einen heftigen Tatendrang
und bin angefüllt mit Plänen.
Ich hoffe, Sie bei gutem Befinden anzutreffen.
Auf frohes Wiedersehen!
Ihr stets dankbarer
Kurt Weill.
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<dateline><placeName key="E0500020">Rom.</placeName> <date when-iso="1924-03-15">15. März. 1924.</date></dateline>
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<p type="pre-split">am ersten Tag meines <placeName key="E0500020">römischen</placeName>
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<lb/>an Sie geschrieben, der etwas ent
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<lb/>wo es restlos gelungen ist, die Taten
<lb/>der Renaissance in lebendem Zustand
<lb/>auf unsere Zeit zu bringen, wo die
<lb/>Kunstwerke in die Landschaft hinein
<lb break="no"/>gestellt sind <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> offen an der Stra<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>e
<lb/>liegen, wie ihr Schöpfer sie gedacht
<lb/>hatte. Und ich fand eine äu<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>erst
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<lb/>Schätze verborgen liegen zwischen
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oft minderwertigen neuen Bauwer- ken. Zudem war ich angewidert von
dem Militarismus, der dem Deutsch- land von 1914 in nichts nachsteht,
u. von der Aufdringlichkeit der Pen- sionsinhaber, die mir übel mit- gespielt hat, ehe ich ein nettes
Zimmer bei Privatleuten gefunden
hatte.
jetzt bin ich froh, dass ich diesen
Brief, seinem Inhalt misstrauend,
nicht abgeschickt habe; denn diese
Tage in Rom gehören zu den schön- sten meines Lebens. Ich erlebe
den vielgerühmten römischen Früh- ling u. ich kann nicht aufhören,
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oft minderwertigen neuen Bauwer
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<lb/>Zimmer bei Privatleuten gefunden
<lb/>hatte.</p>
<p type="pre-split">jetzt bin ich froh, dass ich diesen
<lb/>Brief, seinem Inhalt misstrauend,
<lb/>nicht abgeschickt habe; denn diese
<lb/>Tage in <placeName key="E0500020">Rom</placeName> gehören zu den schön
<lb break="no"/>sten meines Lebens. Ich erlebe
<lb/>den vielgerühmten römischen Früh
<lb break="no"/>ling <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> ich kann nicht aufhören,
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den Anblick dieser wahrhaft gött- lichen Stadt, wie sie da weiss u.
glitzernd in der Sonne liegt, in mich
einzuschlürfen. Dieses Bild von Pincio
aus über die Stadt hinweg nach
den grünen Höhen, dieses Bild des
marmornen Gemäuers u. schwarzer Zy- pressen, das die Hintergründe von
Raffaels Madonnenbildern darstellen, –
es ist zu einem Teil meines Fühlens
geworden, u. ich werde immer Sehn- sucht danach haben.
Und ich erlebe die Kunstschätze
des Vatikans. Drei Stellen besuche
ich täglich: die Sixtinische Kapelle,
Raffaels Stanzen u. seine Ausschmük-
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den Anblick dieser wahrhaft gött
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<lb/>aus über die Stadt hinweg nach
<lb/>den grünen Höhen, dieses Bild des
<lb/>marmornen Gemäuers <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> schwarzer Zy
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kung
der Villa Farnesina, u. immer
von neuem liege ich auf den Knien
vor dieser Vollendung. Ich bin zu voll
von allem, um Worte dafür zu fin- den, aber ich weiss wohl, dass es
eine Erklärung für diese ergreifende
Wirkung gibt, dass diese Leute un- endlich viel konnten u. dass ihr
Gefühl von jener Lauterkeit war,
dasie allein dazu berechtigt, göttliche
Dinge menschlich zu gestalten. Die
Beziehungen zur Musik Bachs u.
Mozarts sind mannigfaltig, sie
gehen bis in die formalen u. –
melodiösen Einzelheiten; aber wem
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<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p type="split"><choice type="split"><orig type="split">kung</orig><reg>Ausschmückung</reg></choice>
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<lb/>von neuem liege ich auf den Knien
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<lb break="no"/>den, aber ich wei<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice> wohl, dass es
<lb/>eine Erklärung für diese ergreifende
<lb/>Wirkung gibt, dass diese Leute un
<lb break="no"/>endlich viel konnten <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> dass ihr
<lb/>Gefühl von jener Lauterkeit war,
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<lb/>gehen bis in die formalen <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> –
<lb/>melodiösen Einzelheiten; aber wem
</p></div>
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B II, 5367
sind diese Zusammenhänge so
vertraut wie Ihnen?
Mit den antiken Plastiken war
es mir schwerer, vertraut zu werden.
Ich sah sie zunächst als erstaun- liche virtuose Leistungen; ich staun- te über das Können, über den
Schwung in der Komposition, aber
ich konnte mich nicht in das
Gefühl dieser Kunst hineindenken,
ja, ich war geneigt, das Vorhan- densein eines seelischen Ausdrucks
zu leugnen. Aber vor dem rüh- renden Lächeln eines römischen
Mädchens, vor der leisen Ironie
Deutsche
Staats- bibliothek
* Berlin *
[3]
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sind diese Zusammenhänge so
<lb/>vertraut wie Ihnen?</p>
<p type="pre-split">Mit den antiken Plastiken war
<lb/>es mir schwerer, vertraut zu werden.
<lb/>Ich sah sie zunächst als erstaun
<lb break="no"/>liche virtuose Leistungen; ich staun
<lb break="no"/>te über das Können, über den
<lb/>Schwung in der Komposition, aber
<lb/>ich konnte mich nicht in das
<lb/>Gefühl dieser Kunst hineindenken,
<lb/>ja, ich war geneigt, das Vorhan
<lb break="no"/>densein eines seelischen Ausdrucks
<lb/>zu leugnen. Aber vor dem rüh
<lb break="no"/>renden Lächeln eines <placeName key="E0500020">römischen</placeName>
<lb/>Mädchens, vor der leisen Ironie
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eines Faustkämpfers, vor der Hinge- gebenheit einer Tänzerin ging es
mir auf, dass diese Zeit über
die gleichen menschlichen Inhalte
verfügte wie die unsere, dass nur
die Form eine gebändigte war, eine
verhüllende, verdichtende. Die kapi- tolinische Venus belehrte mich vollends,
bis zu welchem Grade die Linie eines
Körpers zum Ausdruck einer Empfin- dung werden kann. Auch das bedeutet
für mich eine Bereicherung, Aus- füllung einer Lücke, die oft
schmerzte. –
|
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eines Faustkämpfers, vor der Hinge
<lb break="no"/>gebenheit einer Tänzerin ging es
<lb/>mir auf, dass diese Zeit über
<lb/>die gleichen menschlichen Inhalte
<lb/>verfügte wie die unsere, dass nur
<lb/>die Form eine gebändigte war, eine
<lb/>verhüllende, verdichtende. Die <title key="E0400545">kapi
<lb break="no"/>tolinische Venus</title> belehrte mich vollends,
<lb/>bis zu welchem Grade die Linie eines
<lb/>Körpers zum Ausdruck einer Empfin
<lb break="no"/>dung werden <add place="above">kann</add>. Auch das bedeutet
<lb/>für mich eine Bereicherung, Aus
<lb break="no"/>füllung einer Lücke, die oft
<lb/>schmerzte.<orig> –</orig></p>
</div>
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7Diplomatic transcription
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B II, 5367
March 16, 1924Sonntag mittag.
Nach Tivoli entfloh ich heute,
Ich mag nicht der polit’schen Worte Schwall.
Fascistentag benennen’s hier die Leute.
Bei uns: „Es braust ein Ruf wie Donnerhall“.
Selbst die profanen Strassenbahnen
Verkünden heut des Reiches Glanz
Und überall nur Fahnen, Ahnen, „Manen“.
Bei Theurich 1990 (122) und Theurich 1998 (32): „Mahnen“.
Totengeister (zu lat. „manes“).
Bei uns: „Heil Dir im Siegerkranz“.
~ · ~
Heut ist ein warmer Frühlingstag,
ich war in den Grotten bei den Wasser- fällen, die das schönste Scenarium
für den „Freischütz“ bilden; u. nun
liege ich auf einem Ölberg am
Deutsche
Staats- bibliothek
* Berlin *
[4]
|
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<l>Selbst die profanen Stra<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>enbahnen</l>
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<l>Und überall nur Fahnen, Ahnen, <soCalled rend="dq-du">Manen</soCalled>.
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<p type="pre-split">Heut ist ein warmer Frühlingstag,
<lb/>ich war in den Grotten bei den Wasser
<lb break="no"/>fällen, die das schönste S<choice><orig>c</orig><reg>z</reg></choice>enarium
<lb/>für den <title rend="dq-du" key="E0400161">Freischütz</title> bilden; <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> nun
<lb/>liege ich auf einem Ölberg am
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8Facsimile
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8Diplomatic transcription
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Abhange des Sabinergebirges, eine
Schafherde weidet neben mir u. der
Hirt singt mit seiner Phyllis neapo- litanische Lieder. Ich spüre eine
nie gekannte Leichtigkeit, eine Fülle,
einen Überfluss – u. ich singe mit:
Das ist schöner als die Musik, die
ich gestern in einem Konzert der
„Corporazione delle nuove musiche“
(nicht „Internationale“) gehört habe.
Es war der 2. Abend von fünf,
deren Programme ausschliesslich
französische u. italienische Musik
|
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Abhange des <placeName key="E0500708">Sabinergebirges</placeName>, eine
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<lb/>nie gekannte Leichtigkeit, eine Fülle,
<lb/>einen Überfluss – <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> ich singe mit:
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<desc>Dreitakter-Beginn (6/8-Takt, in G) offenbar eines der genannten <q><placeName key="E0500510">neapolitanische[n]</placeName> Lieder</q></desc>
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<lb/>französische <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> italienische Musik
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9Facsimile
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9Diplomatic transcription
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B II, 5367
enthalten (bezeichnend dafür, was
man sich hier unter „neuer Musik“
vorstellt). Das beste war noch ein
Quartett von Milhaud u. kleine
Witze von Poulenc. Stravinskis Suite
für Klavier, Violine u. Klarinette klingt
scheusslich. Das erfreulichste an dem
Konzert (das Casella leitete) war,
dass ich dort Edward Dent traf
u. sprach. Er bestätigte mir, was
Jarnach in einer Karte andeutete,:
Bei Theurich 1998 (33) ohne das Komma.
dass mein „Frauentanz“ für Salzburg
angenommen ist. Das freut mich
ungemein, zumal ich nie gewagt
Deutsche
Staats- bibliothek
* Berlin *
[5]
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><postscript type="split"><p rend="indent-first" type="split">
<note type="shelfmark" resp="#archive" place="top">B II, 5367</note>
enthalten (bezeichnend dafür, was
<lb/>man sich hier unter <soCalled rend="dq-du">neuer Musik</soCalled>
<lb/>vorstellt). Das <choice><orig>b</orig><reg>B</reg></choice>este war noch ein
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<lb/>dass ich dort <persName key="E0300553">Edward Dent</persName> traf
<lb/><choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> sprach. Er bestätigte mir, was
<lb/><persName key="E0300376">Jarnach</persName> in einer Karte andeutete<orig>,</orig>:
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<lb/>dass mein <title key="E0400488" rend="dq-du">Frauentanz</title> für <placeName key="E0500023">Salzburg</placeName>
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<lb/>ungemein, zumal ich nie gewagt
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<lb/><seg rend="larger">Staats
<lb break="no"/>bibliothek</seg>
<lb/>* <placeName key="E0500029">Berlin</placeName> *
</stamp>
</note>
<note type="foliation" resp="#archive" place="bottom-right">[5]</note>
</p></postscript></div>
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10Facsimile
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10Diplomatic transcription
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hatte, es zu erhoffen. – Teatro Constanzi
ist, nach 2 Aufführungen zu urteilen,
eine mittelmässige Opernbühnen. „Salome“
war auf dem Niveau Leipzigs (vor
Brecher!), dazu gab man als Pre- mière „Emiral“ von Barilli, ein preis- gekröntes Machwerk nach „Cavalleria
rusticana[“], nur schlechter, weil präten- tiöser. Die Erstaufführung von „Boris
Godunow“ glänzte durch einen ausgezeich- neten Sänger (Zalewsky); Dirigent
(Vitali), Regie u. Bühnenbild wieder
ziemlich schlecht. Aber das Stück ist
ganz überraschend u. ich freue mich auf
die Berliner Aufführung.
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><postscript type="split"><p rend="indent-first" type="split">
hatte, es zu erhoffen. – <orgName>Teatro Constanzi</orgName>
<lb/>ist, nach 2 Aufführungen zu urteilen,
<lb/>eine mittelmä<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>ige Opernbühnen. <title key="E0400489" rend="dq-du">Salome</title>
<lb/>war auf dem Niveau <placeName key="E0500007">Leipzigs</placeName> (vor
<lb/><persName key="E0300440">Brecher</persName>!), dazu gab man als Pre
<lb break="no"/>mière <title key="E0400490" rend="dq-du">Emiral</title> von <persName key="E0300642">Barilli</persName>, ein preis
<lb break="no"/>gekröntes Machwerk nach <title key="E0400491" rend="dq-du-oo">Cavalleria
<lb/>rusticana</title>, nur schlechter, weil präten
<lb break="no"/>tiöser. Die Erstaufführung von <title key="E0400492" rend="dq-du">Boris
<lb/>Godunow</title> glänzte durch einen ausgezeich
<lb break="no"/>neten Sänger (<persName key="E0300643">Zalewsk<choice><sic>y</sic><corr>i</corr></choice></persName>); Dirigent
<lb/>(<persName key="E0300644">Vital<choice><sic>i</sic><corr>e</corr></choice></persName>), Regie <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> Bühnenbild wieder
<lb/>ziemlich schlecht. Aber das Stück ist
<lb/>ganz überraschend <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> ich freue mich auf
<lb/>die Berliner Aufführung.</p>
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Abends auf dem
Pincio.
Ich reise morgen, Montag, nachts
nach Venedig, wo ich 2-3 Tage
bleibe, dann Wien. Samstag nacht
fahre ich, vielleicht über Leipzig,
nach Berlin.
Der Abschied von Rom ist sehr
schwer; wer weiss, wann ich
wieder so glücklich bin wie hier.
Aber ich freue mich auf das Wie- dersehen mit Ihnen, u. das hilft.
Danke für Ihren Brief. Ich bin
glücklich, dass einige meiner
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<p>Abends auf dem
<lb/>Pincio.</p>
<p>Ich reise morgen, Montag, nachts
<lb/>nach <placeName key="E0500008">Venedig</placeName>, wo ich 2-3 Tage
<lb/>bleibe, dann <placeName key="E0500002">Wien</placeName>. Samstag nacht
<lb/>fahre ich, vielleicht über <placeName key="E0500007">Leipzig</placeName>,
<lb/>nach <placeName key="E0500029">Berlin</placeName>.</p>
<p type="pre-split">Der Abschied von <placeName key="E0500020">Rom</placeName> ist sehr
<lb/>schwer; wer wei<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>, wann ich
<lb/>wieder so glücklich bin wie hier.
<lb/>Aber ich freue mich auf das Wie
<lb break="no"/>dersehen mit Ihnen, <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> das hilft.
<lb/>Danke für Ihren Brief. Ich bin
<lb/>glücklich, dass einige meiner
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Ideen mit Ihren Äusserungen
übereinstimmen. Manchmal glaube
ich, dass schon diese paar Wochen
südlicher Sonne Dinge zur Entfal- tung gebracht haben, die längst
in mir ruhten; jedenfalls spüre
ich einen heftigen Tatendrang
u. bin angefüllt mit Plänen.
Ich hoffe, Sie bei gutem Be- finden anzutreffen.
Auf frohes Wiedersehen!
Ihr stets dankbarer
Kurt Weill.
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Ideen mit Ihren Äu<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>erungen
<lb/>übereinstimmen. Manchmal glaube
<lb/>ich, dass schon diese paar Wochen
<lb/>südlicher Sonne Dinge zur Entfal
<lb break="no"/>tung gebracht haben, die längst
<lb/>in mir ruhten; jedenfalls spüre
<lb/>ich einen heftigen Tatendrang
<lb/><choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> bin angefüllt mit Plänen.
<lb/>Ich hoffe, Sie bei gutem Be
<lb break="no"/>finden anzutreffen.</p>
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<salute>Auf frohes Wiedersehen!</salute>
<signed>Ihr stets dankbarer
<lb/><persName key="E0300154">Kurt Weill</persName>.</signed>
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