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Mus.ep. R. Freund 10 (Busoni-Nachl. B II) Mus.Nachl. F. Busoni B II, 1699
[1]
[1900]
Lieber Freund! Ihren Brüsseler Brief bekam ich erst heute.
Busonis vorheriger Brief vom 26.10.1900
war nach Paris adressiert gewesen, erreichte seinen Empfänger aber offenbar nicht mehr vor dessen Heimreise und
wurde nach Kleinlaufenburg weitergeleitet. Dies erklärt wohl die leicht verzögerte Zustellung.
Ich bin nur zu sehr Ihrer
Ansicht. Aber: ce que femme
veut
ce que femme veut [frz.]: das ist, was Frau will
– Glücklicherweise dauert
die “Zerstreuung”
Bezieht sich auf Busonis Bitte aus seinem vorherigen Brief, dass
Etelka sich in diesem Moment – so kurz vor ihrem Debut – „nicht zu sehr zerstreut“.
(der Berliner
sagt: das Amüsemang) nicht
lange. Etel kehrt heute
Abend mit dem Orient-Express
nach Bpest zurück.
Der Orient-Express, ein Luxuszug mit Schlaf- und Speisewagen, verkehrte zu dieser Zeit auf der Hauptstrecke von Paris
über München und Wien nach Budapest,
und von da weiter nach Konstantinopel oder Konstanza.
(vgl. Karte mit Streckenführung)
Etelka (und vmtl. auch Irma) war mit dem Ehepaar Freund
in Paris gewesen. Busoni schildert wenig später in einem Brief an sie, wie sie sich am
Tag der Reise fast begegnet wären: „Durch Ihren lieben Bruder erfuhr ich, dass Sie am
29. October mit Express von Paris fuhren. Ich stieg in Liége
ein, eine halbe Stunde bevor Ihr Zug die Station berührte und Sie folgten mir dann, auf eine halbe Stunde Entfernung bis Cöln.“
(Busoni an Etelka Freund, London,
26.11.1900; CH-Zz, Ms. Z II 157a.2.8)
–
Dass Sie auf Ihren Reisen
auch Interessantes erleben,
freut mich für Sie.
Was hier auf den ersten Blick anmutet wie eine wohlmeinende Floskel, bringt wirkliche Anteilnahme zum Ausdruck. In zahlreichen Quellen begegnet man einem
Busoni, dem „das Konzertieren als Energieverlust unerträglich war“ (Stuckenschmidt 1967,
S. 143) und der „zeitlebens [litt] unter der Welt, die ihn für etwas feierte, was ihm selbst untergeordnet schien“.
(ebd., S. 54) Im besten Fall begegnete er seiner Virtuosenlaufbahn mit Humor. (vgl. Gedicht, in:
Dent 1974, S. 106 f.) Freund wusste um sein Missbehagen. Als
„via crucis concertantis“ bezeichnete Busoni sein Dasein ihm gegenüber und sich selbst als „ewiger Jude auf dem Pianoforte“.
(vgl. Brief vom 15.09.1899) Neben den physischen Strapazen, beklagte er vor allem die verlorene Zeit, die er nicht zum Komponieren
aufwenden konnte. „Ich leide als Componist unsagbar unter den Umstaenden die aus mir einen Pianisten von sogenannter ‚glaenzender Carrière‘
machen“, schreibt er gut eine Woche später an seine Verleger. (Busoni / Breitkopf & Härtel / Hanau 2012, Bd. 1, Br. 173
vom 08.11.1900, S. 112) Aus monetären Gründen waren die zahlreichen Konzerte allerdings unabdingbar.
Busoni steckte de facto zeitlebens in finanziellen Problemen. (vgl. Couling 2005,
S. 151 ff.)
Welchen
Eindruck hat Ihnen Fauré
persönlich gemacht?
Über Busonis persönlichen Eindruck von Fauré konnte nichts Konkretes ermittelt werden.
Es ist aber davon auszugehen, dass er positiv war. Busoni setzte sich später in musikalischer Hinsicht für
Fauré ein, indem er seine Orchestersuite Pelléas et Mélisande als deutsche Erstaufführung
in das Programm seines 9. Berliner Orchesterabends aufnahm. (vgl. Programmaufstellung
des Konzerts am 08.11.1906, in: Dent 1974, S. 335) Die Partitur für
das Werk hatte er bereits zwei Jahre zuvor via Breitkopf & Härtel
angefragt. (vgl. Busoni / Breitkopf & Härtel / Hanau 2012, Bd. 1, Br. 207 vom 26.10.1904, S. 131)
Vor langen
Jahren begegnete ich ihm
einmal flüchtig, habe aber
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Lieber Freund!
Ihren Brüsseler Brief bekam ich erst heute.
Busonis vorheriger Brief vom 26.10.1900
war nach Paris adressiert gewesen, erreichte seinen Empfänger aber offenbar nicht mehr vor dessen Heimreise und
wurde nach Kleinlaufenburg weitergeleitet. Dies erklärt wohl die leicht verzögerte Zustellung.
Ich bin nur zu sehr Ihrer
Ansicht. Aber: ce que femme
veut.
ce que femme veut [frz.]: das ist, was Frau will
– Glücklicherweise dauert
die „Zerstreuung“
Bezieht sich auf Busonis Bitte aus seinem vorherigen Brief, dass
Etelka sich in diesem Moment – so kurz vor ihrem Debut – „nicht zu sehr zerstreut“.
(der Berliner
sagt: das Amüsemang) nicht
lange. Etel kehrt heute
Abend mit dem Orient-Express
nach Budapest zurück.
Der Orient-Express, ein Luxuszug mit Schlaf- und Speisewagen, verkehrte zu dieser Zeit auf der Hauptstrecke von Paris
über München und Wien nach Budapest,
und von da weiter nach Konstantinopel oder Konstanza.
(vgl. Karte mit Streckenführung)
Etelka (und vmtl. auch Irma) war mit dem Ehepaar Freund
in Paris gewesen. Busoni schildert wenig später in einem Brief an sie, wie sie sich am
Tag der Reise fast begegnet wären: „Durch Ihren lieben Bruder erfuhr ich, dass Sie am
29. October mit Express von Paris fuhren. Ich stieg in Liége
ein, eine halbe Stunde bevor Ihr Zug die Station berührte und Sie folgten mir dann, auf eine halbe Stunde Entfernung bis Cöln.“
(Busoni an Etelka Freund, London,
26.11.1900; CH-Zz, Ms. Z II 157a.2.8)
–
Dass Sie auf Ihren Reisen
auch Interessantes erleben,
freut mich für Sie.
Was hier auf den ersten Blick anmutet wie eine wohlmeinende Floskel, bringt wirkliche Anteilnahme zum Ausdruck. In zahlreichen Quellen begegnet man einem
Busoni, dem „das Konzertieren als Energieverlust unerträglich war“ (Stuckenschmidt 1967,
S. 143) und der „zeitlebens [litt] unter der Welt, die ihn für etwas feierte, was ihm selbst untergeordnet schien“.
(ebd., S. 54) Im besten Fall begegnete er seiner Virtuosenlaufbahn mit Humor. (vgl. Gedicht, in:
Dent 1974, S. 106 f.) Freund wusste um sein Missbehagen. Als
„via crucis concertantis“ bezeichnete Busoni sein Dasein ihm gegenüber und sich selbst als „ewiger Jude auf dem Pianoforte“.
(vgl. Brief vom 15.09.1899) Neben den physischen Strapazen, beklagte er vor allem die verlorene Zeit, die er nicht zum Komponieren
aufwenden konnte. „Ich leide als Componist unsagbar unter den Umstaenden die aus mir einen Pianisten von sogenannter ‚glaenzender Carrière‘
machen“, schreibt er gut eine Woche später an seine Verleger. (Busoni / Breitkopf & Härtel / Hanau 2012, Bd. 1, Br. 173
vom 08.11.1900, S. 112) Aus monetären Gründen waren die zahlreichen Konzerte allerdings unabdingbar.
Busoni steckte de facto zeitlebens in finanziellen Problemen. (vgl. Couling 2005,
S. 151 ff.)
Welchen
Eindruck hat Ihnen Fauré
persönlich gemacht?
Über Busonis persönlichen Eindruck von Fauré konnte nichts Konkretes ermittelt werden.
Es ist aber davon auszugehen, dass er positiv war. Busoni setzte sich später in musikalischer Hinsicht für
Fauré ein, indem er seine Orchestersuite Pelléas et Mélisande als deutsche Erstaufführung
in das Programm seines 9. Berliner Orchesterabends aufnahm. (vgl. Programmaufstellung
des Konzerts am 08.11.1906, in: Dent 1974, S. 335) Die Partitur für
das Werk hatte er bereits zwei Jahre zuvor via Breitkopf & Härtel
angefragt. (vgl. Busoni / Breitkopf & Härtel / Hanau 2012, Bd. 1, Br. 207 vom 26.10.1904, S. 131)
Vor langen
Jahren begegnete ich ihm
einmal flüchtig, habe aber
den Eindruck eines äußerst sympathischen
Künstlers behalten. –
Nun sehe ich Sie hoffentlich bald. Sobald
meine Frau zurückkommt, wird gepackt und das
Haus geschlossen.
Indessen die herzlichsten
Grüße für Ihre Frau und Sie selbst.
Ihr
R. F.
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<p type="pre-split">Dass Sie auf Ihren Reisen
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