Ferruccio Busoni to Martin Wegelius arrow_backarrow_forward

Göhren · August 25, 1896

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Vormittag
25 Aug.

Lieber Director.

Die Regel der Bologneser Fuge
anlangend, so fand ich – nach
einigem nachdenken – dass du
zu weit gehst in der Behauptung,
es faende sich nirgends diese Regel
erfüllt. Busoni knüpft vermutlich an ein Gespräch mit Wegelius kurz zuvor in Busonis Urlaubsort Göhren auf Rügen an (vgl. Couling 2005, S. 163; Dent 1974, S. 121; zu Wegelius Besuch dort siehe die Briefe vom 7. Februar und vom 20. August 1897). Die „Regel der Bologneser Fuge“ spielt wohl auf eine Kompositionstechnik aus der Bologneser Schule des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts an. Offenbar geht es um die Behandlung von Expositionen mit mehr als einem Fugenthema. Wegelius schrieb 1896 sowohl an einem Lehrbuch zur Harmonielehre (allerdings im homophonen Satz) als auch an Revisionen seines 1888–89 erschienenen Lehrbuchs zur Musiktheorie, das derzeit vom Schwedischen ins Finnische übersetzt wurde (vgl. Flodin 1922, S. 407). Womöglich betraf das Gespräch mit Busoni eines dieser Lehrwerke. Die Edur-Fuge im I. Bande
von Bach
hat Etwas sehr Aehnliches
mit der Umgkekhrung der Exposition
(ich habe beide Expositionen zum
I. Theile gerechnet und sie durch
halbe Doppelstriche getrennt.)

Den Rath, den man Schülern
in dieser Hinsicht geben koennte,
waere: bei sehr kurzen Themen
(die kurze Expositionen ergeben)
eine zweite Exposition zu gebrauchen;
bei langen Themen niemals. –
Bach macht es so; doch sind bei ihm die
zweiten Expositionen meist unvollstaendig.

Vormittag, 25. August

Lieber Direktor.

Die Regel der Bologneser Fuge anlangend, so fand ich – nach einigem Nachdenken –, dass du zu weit gehst in der Behauptung, es fände sich nirgends diese Regel erfüllt. Busoni knüpft vermutlich an ein Gespräch mit Wegelius kurz zuvor in Busonis Urlaubsort Göhren auf Rügen an (vgl. Couling 2005, S. 163; Dent 1974, S. 121; zu Wegelius Besuch dort siehe die Briefe vom 7. Februar und vom 20. August 1897). Die „Regel der Bologneser Fuge“ spielt wohl auf eine Kompositionstechnik aus der Bologneser Schule des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts an. Offenbar geht es um die Behandlung von Expositionen mit mehr als einem Fugenthema. Wegelius schrieb 1896 sowohl an einem Lehrbuch zur Harmonielehre (allerdings im homophonen Satz) als auch an Revisionen seines 1888–89 erschienenen Lehrbuchs zur Musiktheorie, das derzeit vom Schwedischen ins Finnische übersetzt wurde (vgl. Flodin 1922, S. 407). Womöglich betraf das Gespräch mit Busoni eines dieser Lehrwerke. Die E-Dur-Fuge im I. Bande von Bach hat etwas sehr Ähnliches mit der Umkehrung der Exposition (ich habe beide Expositionen zum I. Teile gerechnet und sie durch halbe Doppelstriche getrennt).

Den Rat, den man Schülern in dieser Hinsicht geben könnte, wäre: bei sehr kurzen Themen (die kurze Expositionen ergeben) eine zweite Exposition zu gebrauchen; bei langen Themen niemals. Bach macht es so; doch sind bei ihm die zweiten Expositionen meist unvollständig.

Nachmittag.

Mit deinem Telegramm Nicht überliefert. kam auch ein Brief von Friedheim; Brief von Arthur Friedheim an Ferruccio Busoni vom 21.8.1896, London, Staatsbibliothek zu Berlin, Mus.Nachl. F. Busoni B II, 1744. er gab die Adresse für Friedberger, die ich telegraphierte. Telegramm nicht überliefert.Wolfsohn ist eine direkte Filiale von Steinway, von diesem durchaus abhängig, weshalb ich nicht zu seiner Vermittlung raten kann. Nachdem der in Alzey geborene Henry Wolfsohn 1881 mit einer von Steinway & Sons in Auftrag gegebenen Konzerttournee seinen ersten Durchbruch als Konzertagent geschafft hatte, gründete er 1884 das Wolfsohn Musical Bureau, das bis zum Ende des Jahrhunderts die Konzertbüroszene in Amerika dominierte (vgl. Fifield 2005, S. 13–17). Diese Konzertagentur wird jedoch genannten Brief Arthur Friedheims nicht erwähnt. Friedheim schreibt dort: „Adressire deinen Brief an Friedberger sofort an Paul Weigel 63 St. Mark’s Place New York; der wird ihn schon besorgen.“ Womöglich waren Name oder Adresse Busoni bekannt und dem Konzertbüro zuzuordnen. Die Warnung vor der Vermittlung durch den Konzertagenten bezieht sich offenbar auf dessen Interessenkonflikt, was einer Weiterleitung an Friedberger im Weg stehen konnte.

Ich erwarte noch eine Nachricht von dir,wie lange du in Berlin bleibst. Wegelius war offensichtlich nach Berlin gereist, um dort – wie schon im Jahr zuvor – persönlich einen Klavierlehrer zu engagieren (siehe den vorigen Brief).

Inzwischen grüßt herzlichst dein alter Kontrapunktlehrer

F B Busoni

Hoffe, dass Hutcheson inzwischen perfekt geworden. Verhandlungen mit dem Pianisten Ernest Hutcheson – den Wegelius im Vorjahr beim Rubinstein-Wettbewerb kennengelernt hatte (siehe die Kommentierung im Brief vom 16. Mai 1896) – war wohl einer der Gründe für Wegelius, persönlich nach Berlin zu fahren. Eine vorherige Korrespondenz konnte nicht ermittelt werden.

                                                                
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Nachmittag.

Mit deinem Telegramm Nicht überliefert.
kam auch ein Brief von
Friedheim; Brief von Arthur Friedheim an Ferruccio Busoni vom 21.8.1896, London, Staatsbibliothek zu Berlin, Mus.Nachl. F. Busoni B II, 1744. er gab die
Adresse für Fr. die ich telegraphir-
te. Telegramm nicht überliefert.Wolfsohn ist eine
directe filiale von Steinway,
von diesem durchaus abhängig,
weshalb ich nicht zu seiner
Vermittlung rathen kann. Nachdem der in Alzey geborene Henry Wolfsohn 1881 mit einer von Steinway & Sons in Auftrag gegebenen Konzerttournee seinen ersten Durchbruch als Konzertagent geschafft hatte, gründete er 1884 das Wolfsohn Musical Bureau, das bis zum Ende des Jahrhunderts die Konzertbüroszene in Amerika dominierte (vgl. Fifield 2005, S. 13–17). Diese Konzertagentur wird jedoch genannten Brief Arthur Friedheims nicht erwähnt. Friedheim schreibt dort: „Adressire deinen Brief an Friedberger sofort an Paul Weigel 63 St. Mark’s Place New York; der wird ihn schon besorgen.“ Womöglich waren Name oder Adresse Busoni bekannt und dem Konzertbüro zuzuordnen. Die Warnung vor der Vermittlung durch den Konzertagenten bezieht sich offenbar auf dessen Interessenkonflikt, was einer Weiterleitung an Friedberger im Weg stehen konnte.

Ich Erwarte noch eine
Nachricht von dir.,wie
lange du in Berlin bleibst. Wegelius war offensichtlich nach Berlin gereist, um dort – wie schon im Jahr zuvor – persönlich einen Klavierlehrer zu engagieren (siehe den vorigen Brief).

Inzwischen grüsst
herzlichst dein alter
Contrapunktlehrer

F B Busoni

                                                                
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Hoffe dass Hutcheson
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geworden. Verhandlungen mit dem Pianisten Ernest Hutcheson – den Wegelius im Vorjahr beim Rubinstein-Wettbewerb kennengelernt hatte (siehe die Kommentierung im Brief vom 16. Mai 1896) – war wohl einer der Gründe für Wegelius, persönlich nach Berlin zu fahren. Eine vorherige Korrespondenz konnte nicht ermittelt werden.

                                                                
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Provenance
Finnland | Turku | Åbo Akademi University Library | Manuskriptsammlungen | Nachlass Otto Andersson, Band 58
Condition
Der Brief ist gut erhalten.
Extent
1 Bogen, 3 beschriebene Seiten
Collation
Seitenfolge: fol. 1r, 2r, Nachschrift auf 1v
Hands/Stamps
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift

Summary
Busoni kommentiert eine „Regel der Bologneser Fuge“; erteilt Wegelius Rat, wie Schüler*innen Fugen mit sehr kurzen Themen schreiben sollten; gibt Auskunft über die zuvor telegrafierte Adresse von Jacques Friedberger, der durch die Steinway-„Filiale“ Wolfsohn Musical Bureau vertreten wird; fragt, wie lange Wegelius in Berlin bleiben wolle.
Incipit
Die Regel der Bologneser Fuge

Editors in charge
Christian Schaper Ullrich Scheideler
prepared by
Revision
March 19, 2024: proposed (transcription and coding done, awaiting proofreading)
Direct context
Preceding Following
Near in this edition