Das Reich der Musik

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Algonquin
Daytons largest and best hotel
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3 März
1910

Das Reich der Musik

Ein Nachwort zur neuen Aesthetik.

Kommt, folgt mir in das
Reich der Musik. Hier ist
das Gitter, das Irdischens
vom Ewigen trennt. Vgl. den letzten Abschnitt des Entwurfs einer neuen Ästhetik der Tonkunst, an dessen Bildlichkeit Busoni hier unmittelbar anschließt. Bei Busoni/Weindel 2001 (137) folgt Absatzwechsel.
Habt ihr die Fesseln ge-
löst u. Bei Busoni/Weindel 2001 Abkürzung hier und im Folgenden stillschweigend aufgelöst. abgeworfen? Nun
kommt. – Es ist nicht
so, als wenn wir früher
in ein fremdes Land traten;
bald […] at least 2 char: illegible. lernten wir dort alles
kennen u. baldnichts überraschte
uns nichts mehr.

Dayton, Ohio 3. März 1910

Das Reich der Musik

Ein Nachwort zur neuen Ästhetik

Kommt, folgt mir in das Reich der Musik. Hier ist das Gitter, das Irdisches vom Ewigen trennt. Vgl. den letzten Abschnitt des Entwurfs einer neuen Ästhetik der Tonkunst, an dessen Bildlichkeit Busoni hier unmittelbar anschließt. Habt ihr die Fesseln gelöst und abgeworfen? Nun kommt. – Es ist nicht so, als wenn wir früher in ein fremdes Land traten; bald lernten wir dort alles kennen, und nichts überraschte uns mehr.

                                                                
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Hier wird des Staunens kein
Ende und wir ist unsfühlen uns doch von
Anfang an heimisch.

Noch hört ihr Nichts, weil
Alles tönt. Nun beginnt ihr
schon zu unterscheiden.
Lauscht, jeder Stern hat
seinen Rhythmus u. jede
Welt ihren Takt. Und
auf jedem der Sterne u.
jeder der Welt,en, schlägt
das Herz jedes einzelnen
Lebendigen anders, und
nach seinem eigenen Bei Busoni/Weindel 2001 (137) fehlt „eigenen“.
Müssen. Und alle Schläge
stimmen überein und
sind ein Einziges und
ein Ganzes.

Hier wird des Staunens kein Ende, und wir fühlen uns doch von Anfang an heimisch.

Noch hört ihr nichts, weil alles tönt. Nun beginnt ihr schon zu unterscheiden. Lauscht, jeder Stern hat seinen Rhythmus und jede Welt ihren Takt. Und auf jedem der Sterne und jeder der Welten schlägt das Herz jedes einzelnen Lebendigen anders, und nach seinem eigenen Müssen. Und alle Schläge stimmen überein und sind ein Einziges und ein Ganzes.

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <note type="foliation" place="top-right" resp="#major_hand">2</note> <p>Hier wird des Staunens kein <lb/>Ende<reg>,</reg> und <add place="above">wir</add> <subst><del rend="strikethrough">ist uns</del><add place="above">fühlen</add></subst> <add place="above">uns</add> doch von <lb/>Anfang an heimisch.</p> <p>Noch hört ihr <choice><orig>N</orig><reg>n</reg></choice>ichts, weil <lb/><hi rend="underline"><choice><orig>A</orig><reg>a</reg></choice>lles tönt</hi>. Nun beginnt ihr <lb/>schon zu unterscheiden. <lb/>Lauscht, jeder Stern hat <lb/>seinen Rhythmus <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> jede <lb/>Welt ihren Takt. Und <lb/>auf jedem der Sterne <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> <lb/>jeder der Welt<subst><del rend="overwritten">,</del><add place="across">en<orig>,</orig></add></subst> schlägt <lb/>das Herz jedes einzelnen <lb/>Lebendigen anders, und <lb/>nach seinem eigenen <note type="commentary" subtype="ed_diff_major" resp="#E0300314">Bei <bibl><ref target="#E0800045"/> (137)</bibl> fehlt <q>eigenen</q>.</note> <lb/>Müssen. Und alle Schläge <lb/>stimmen überein und <lb/>sind ein Einziges und <lb/>ein Ganzes.</p> </div>
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Euer inneres Ohr wird allmälig
schärfer. Hört ihr die Tiefen
u. die Höhen? Sie sind unmeß-
bar wie der Raum und
unendlich wie die Zahl. Wie
durch Bänder verbindend,
liegen, bewegen, verkettenziehen
sich ungeahnte Scalen
von einer welt Busoni/Weindel 2001 (137): „Welt“. zur anderen,
feststehend und ewig Bei Busoni/Weindel 2001 (137) „ewig“ ohne Unterstreichung. bewegt. Bei Busoni/Weindel 2001 (137) folgt Absatzwechsel.
Jeder Laut ist ein Centrum
unermeßlicher Kreise.

Und jetzt offenbart sich
Euch der Klang! Ungezählte Busoni/Weindel 2001 (137): „Ungezählte“.
sind seine NuancenStimmen, gegen die dasin Vergleichen zumit Bei Busoni/Weindel 2001 (137) fehlt „mit“. ihnen sind
verglichen
ist das
Saüseln Busoni/Weindel 2001 (137): „Säuseln“. der Harfe ein […] 1 word: illegible.
Gepolter,[…] 1 word: illegible. , das Schmettern
von Tausend Posaunen
ein Gezirp.sind

Euer inneres Ohr wird schärfer. Hört ihr die Tiefen und die Höhen? Sie sind unmessbar wie der Raum und unendlich wie die Zahl. Wie Bänder ziehen sich ungeahnte Skalen von einer Welt zur anderen, feststehend und ewig bewegt. Jeder Laut ist ein Zentrum unermesslicher Kreise.

Und jetzt offenbart sich Euch der Klang! Ungezählt sind seine Stimmen, mit ihnen verglichen ist das Säuseln der Harfe ein Gepolter, das Schmettern von tausend Posaunen ein Gezirp.

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <note type="foliation" place="top-right" resp="#major_hand">3</note> <p>Euer inneres Ohr wird <del rend="strikethrough">allmälig</del> <lb/>schärfer. Hört ihr die Tiefen <lb/><choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> die Höhen? Sie sind unme<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> <lb break="no"/>bar wie der Raum und <lb/>unendlich wie die Zahl. Wie <lb/><del rend="strikethrough">durch</del> Bänder <del rend="strikethrough">verbindend,</del> <lb/><subst><del rend="strikethrough">liegen, bewegen, verketten</del><add place="above">ziehen</add></subst> <lb/>sich ungeahnte S<choice><orig>c</orig><reg>k</reg></choice>alen <lb/>von einer <choice><sic>w</sic><corr>W</corr></choice>elt <note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300314"><bibl><ref target="#E0800045"/> (137)</bibl>: <q>Welt</q>.</note> zur anderen, <lb/><hi rend="underline">feststehend</hi> und <hi rend="underline">ewig <note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300314">Bei <bibl><ref target="#E0800045"/> (137)</bibl> <q>ewig</q> ohne Unterstreichung.</note> bewegt</hi>. <note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300314">Bei <bibl><ref target="#E0800045"/> (137)</bibl> folgt Absatzwechsel.</note> <lb/>Jeder Laut ist ein <choice><orig>C</orig><reg>Z</reg></choice>entrum <lb/>unerme<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice>licher Kreise.</p> <p rend="indent-first">Und jetzt offenbart sich <lb/>Euch der <hi rend="underline">Klang</hi>! Ungezählt<del rend="strikethrough">e</del> <note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300314"><bibl><ref target="#E0800045"/> (137)</bibl>: <q>Ungezählte</q>.</note> <lb/><add place="margin-left">sind seine</add> <subst><del rend="strikethrough">Nuancen</del><add place="above">Stimmen</add></subst>, <subst><del rend="strikethrough">gegen die das</del><add place="above"><del rend="strikethrough">in Vergleichen</del> <subst><del rend="strikethrough">zu</del><add place="above">mit</add></subst> <note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300314">Bei <bibl><ref target="#E0800045"/> (137)</bibl> fehlt <q>mit</q>.</note> ihnen <del rend="strikethrough">sind</del></add></subst> <lb/><add place="margin-left">verglichen<lb/>ist das</add> S<choice><orig>aü</orig><reg>äu</reg></choice>seln <note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300314"><bibl><ref target="#E0800045"/> (137)</bibl>: <q>Säuseln</q>.</note> der Harfe ein <del rend="strikethrough"><gap reason="illegible" unit="word" extent="1"/></del> <lb/><subst><add place="margin-left">Gepolter,</add><del rend="strikethrough"><gap reason="illegible" extent="1" unit="word"/>,</del></subst> das Schmettern <lb/>von <choice><orig>T</orig><reg>t</reg></choice>ausend Posaunen <lb/>ein Gezirp<subst><add place="inline">.</add><del rend="strikethrough">sind</del></subst></p> </div>
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Alle, Busoni/Weindel 2001 (137): „Alles“. alle Melodien, gehörte
u. ungehörte vorher, erklingen
vollzählig, Bei Busoni/Weindel 2001 (137) ohne Komma. u zugleich tragen Euch, durch-
[…] 1 char: illegible. a
überhängen Euch, streifen
Euch, Bei Busoni/Weindel 2001 (137) ohne „streifen Euch“. der Liebe u. der
Leidenschaft, des Früghlings
u des Winters, der Schwer-
muth u. der Ausgelassenheit,
sind selbst die Gemüther von Millionen
von Wesen in Millionen
von Epochen. – Fasst ihr
Eine davon näher in’s Auge
so merkt ihr wie Sie Busoni/Weindel 2001 (137): „sie“. mit
allen übrigen zusammen,
hängt, Busoni/Weindel 2001 (137): „zusammenhängt“. mit allen Rhythmen
kombinirt, von allen
Klangarten gefärbt ist, bisvon allen Bei Busoni/Weindel 2001 (137) fehlt „von allen“.
Harmonien
begleitet, bis
in den Grund der Gründe
hinunter, u. die Wölbung aller

Alle, alle Melodien, gehörte und ungehörte vorher, erklingen vollzählig, und zugleich tragen Euch, überhängen Euch, streifen Euch, der Liebe und der Leidenschaft, des Frühlings und des Winters, der Schwermut und der Ausgelassenheit, sind selbst die Gemüter von Millionen von Wesen in Millionen von Epochen. – Fasst ihr eine davon näher ins Auge, so merkt ihr, wie sie mit allen übrigen zusammenhängt, mit allen Rhythmen kombiniert, von allen Klangarten gefärbt ist, von allen Harmonien begleitet, bis in den Grund der Gründe, und die Wölbung aller

                                                                
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5 Wölbungen in den Höhen.

Nun begreift ihr, wie Planeten
u. Herzen eins sind mit
einander u. nirgends ein
Ende, nirgends ein Hemnis Busoni/Weindel 2001 (137 f.): „Hemmnis“.
sein kannist; und dass das Grenzen-
-lose in dem Geiste der Wesen
vollständig u. ungetheilt
lebt; dass ein Jedes unendlich
gross u. unendlich klein ist
zugleich: das Ausgedehnteste
gleich einem Punkte; und
dass Licht, Klang, Bewegung,
Kraft – nämlich identisch
sind und jedes einzelnfür sich u.
alle vereint das Leben sind.

Wölbungen in den Höhen.

Nun begreift ihr, wie Planeten und Herzen eins sind miteinander und nirgends ein Ende, nirgends ein Hemmnis sein kann; dass das Grenzenlose in dem Geiste der Wesen vollständig und ungeteilt lebt; dass ein Jedes unendlich groß und unendlich klein ist zugleich: das Ausgedehnteste gleich einem Punkte; und dass Licht, Klang, Bewegung, Kraft identisch und jedes für sich und alle vereint das Leben sind.

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p type="split"> <note type="foliation" place="top-right" resp="#major_hand">5</note> Wölbungen in den Höhen.</p> <p>Nun begreift <add place="inline">ihr,</add> wie Planeten <lb/><choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> Herzen eins sind mit<choice><orig><lb/></orig><reg><lb break="no"/></reg></choice>einander <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> nirgends ein <lb/>Ende, nirgends ein Hem<reg>m</reg>nis <note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300314"><bibl><ref target="#E0800045"/> (137 f.)</bibl>: <q>Hemmnis</q>.</note> <lb/><subst><add place="margin-left">sein kann</add><del rend="strikethrough">ist</del></subst>; <del rend="strikethrough">und</del> dass das Grenzen <lb break="no" rend="after:-"/>lose in dem Geiste der Wesen <lb/>vollständig <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> unget<orig>h</orig>eilt <lb/>lebt; dass ein Jedes unendlich <lb/>gro<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice> <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> unendlich klein ist <lb/>zugleich: das Ausgedehnteste <lb/>gleich einem Punkte; und <lb/>dass Licht, Klang, Bewegung, <lb/>Kraft <del rend="strikethrough">– nämlich</del> identisch <lb/><del rend="strikethrough">sind</del> und jedes <subst><del rend="strikethrough">einzeln</del><add place="above">für sich</add></subst> <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> <lb/>alle vereint das Leben sind.</p> </div>
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Provenance
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | N.Mus.Nachl. 4,114 (Nachlass Ferruccio Busoni II) |

proof Kalliope

Condition
Das Manuskript ist gut erhalten.
Extent
5 Blatt, 5 beschriebene Seiten
Collation
Nur die Vorderseiten sind beschrieben.
Hands/Stamps
  • Hand des Autors Ferruccio Busoni, Text in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.
  • Hand des Archivars, der die Signatur mit Bleistift eingetragen hat.
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
Foliations
  • Foliierung durch den Verfasser, mit Tinte oben rechts auf den Vorderseiten.
Image source
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 12345678910

Incipit
Kommt, folgt mir

Editors in charge
Christian Schaper Ullrich Scheideler
prepared by
Revision
September 1, 2020: unfinished (currently being prepared (transcription, coding))
Previous editions
Busoni/Ley 1957, S. 188 f. Busoni/Weindel 2001, S. 136–138