Hans Huber to Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

Locarno · September 24, 1916

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Ouvert toute l’année
Plein midi
Saison d’hiver
Confort le plus moderne
Balli & C. Prop.
23. Sept. 16. Die nachträgliche Datierung (vermutlich von Busonis, jedenfalls nicht von Hubers Hand) passt nicht zur Angabe „Domenica“ (Sonntag, 24.9.1916).
Domenica Ital.: Sonntag (24.9.1916).

Verzeihen Sie, lieber Freund, daß ich
erst heute mit einigen Zeilen auf
Ihren eigenthümlich-skeptischen aber
gedankenreichen Brief antworte; allein
ich war seit der Ankunft in Locarno
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südliches Fieber plagen mich in schönster
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Die nachträgliche Datierung (vermutlich von Busonis, jedenfalls nicht von Hubers Hand) passt nicht zur Angabe „Domenica“ (Sonntag, 24.9.1916).
Locarno, Domenica Ital.: Sonntag (24.9.1916).

Verzeihen Sie, lieber Freund, dass ich erst heute mit einigen Zeilen auf Ihren eigentümlich-skeptischen, aber gedankenreichen Brief antworte; allein ich war seit der Ankunft in Locarno nicht wohl: nordischer Katarrh und südliches Fieber plagen mich in schönster Eintracht. – Trotzdem lässt man sich hier eher gehen! Das Reguläre und das Mathematische in der Behandlung der Natur und des in derselben befindlichen Stoffes verschwindet und ruft keine Tagesordnung oder gar Kommissionssitzungen hervor; man lässt sich gehen und vergisst Projekte und Spekulationen! Und was Sie mit dem dahingegangenen Boccioni erlebt haben, passt eigentlich eher in die Kommando- und Ordnungsrufe des Nordens!

Sobald ich wieder in Basel bin, was bis Ende dieser Woche (etwa freitags) geschehen muss, werde ich über die Konzertangelegenheit mit meinem sogenannten Vorgesetzten reden und Ihnen nachher das Resultat mitteilen. Es ist ja nur eine Sache unseres Kassierers, der wahrscheinlich nach einem glücklichen Jahresdefizit von 5000 frs. anfangs – mit und trotz aller Begeisterung für die Angelegenheit – berechnende Mienen aufzieht, ich sage Sache des Kassierers, dem unsere wohlbemittelnden Herren des Vorstandes ohne Schmerzen sofort beispringen können! Nous verrons! Frz.: Wir werden sehen!

Aus der Zürcher Zeitung erfahre ich, das sie bereits im ersten Konzerte spielen. Das ist recht und steht den Zürchern wohl an! –

Die Madonna del Sasso lässt Sie grüßen. Wie schade, dass auch die unsern modernen Architekten auf eine schändliche Weise gesündigt haben und aus dem „Wunder“ nicht besseres zu empfinden wussten!

Herzlichst ihr verschnupfter

Huber

                                                                
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[2] Stoffes verschwindet & ruft keine
Tagesordnung od. gar Com̅ißionssitzungen
hervor; man läßt sich gehen & vergißt
Projekte & Spekulationen! Und was
Sie mit dem dahingegangenen Boccioni
erlebt haben, paßt eigentlich eher in
die Com̅ando & Ordnungsrufe des Nordens!

Sobald ich wieder in Basel
bin, was bis Ende dieser Woche (etwa freitags)
geschehen muß, werde ich über die
Konzertangelegenheit mit meinem
sogenan̅ten Vorgesetzten reden & Ihnen
nachher das Resultat mittheilen. Es ist
ja nur eine Sache unseres Kaßirers,
der wahrscheinlich nach einem glücklichen
Jahresdefizit von 5000 frs. anfangs
– mit & trotz aller Begeisterung für
die Angelegenheit – berechnende Mienen
aufzieht, ich sage Sache des Kaßirers,
dem unsere wohlbemittelnden Herren
des Vorstandes ohne Schmerzen sofort
beispringen kön̅en! Nous verrons! Frz.: Wir werden sehen!

Aus der Zürcherztg. erfahre ich,
das sie bereits im ersten Konzerte
spielen. Das ist recht & steht den
Zürchern wohl an! –

                                                                
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Die Madonna del Sasso
läßt Sie grüßen. Wie schade,
daß auch die unsern modernen Architekten
auf eine schändliche Weise gesündigt
haben & aus dem „Wunder“ nicht besseres
zu empfinden wußten!

Herzlichst ihr verschnupfter

Huber

                                                                
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Mus.ep. H. Huber 41 (Busoni-Nachl. B II)
Mus.Nachl. F. Busoni B II, 2268
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Document

doneStatus: candidate XML Facsimile Download / Cite

Provenance
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 2268 | olim: Mus.ep. H. Huber 41 (Busoni-Nachl. B II) |

proof Kalliope

Condition
Der Brief ist gut erhalten.
Extent
1 Bogen, 3 beschriebene Seiten
Collation
Seitenfolge 2 (Briefkopf), 3, 4; Seite 1 nur mit Bibliothekseintragungen.
Hands/Stamps
  • Hand des Absenders Hans Huber, Brieftext in blauer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.
  • Vmtl. Hand des Empfängers Ferruccio Busoni, der mit Tinte die Datierung des Briefes vorgenommen hat.
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen und eine Foliierung vorgenommen hat.
  • Hand des Archivars, der mit Rotstift die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses und eine Nummerierung eingetragen hat.
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
Image source
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 1234

Summary
Huber, seit seiner Ankunft kränklich, genießt gleichwohl Ruhe und Natur in Locarno; kündigt zum Honorar für Busonis Basler Klavierabende eine Entscheidung nach seine Rückkehr nach Basel an, signalisiert Bereitschaft der „Herren des Vorstandes“ zu finanzieller Mithilfe.
Incipit
Verzeihen Sie, lieber Freund

Editors in charge
Christian Schaper Ullrich Scheideler
prepared by
Revision
March 10, 2017: candidate (coding checked, proofread)
Direct context
Preceding Following
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