Ferruccio Busoni to Hans Huber arrow_backarrow_forward

Zürich · September 1, 1920

Facsimile
Diplomatic transcription
Reading version
XML
77.

Lieber verehrter,

ich gedenke Ihrer so oft
– in Liebe und Verehrung – und
bewahre Ihre Briefe sorgsam auf;
es war ja eine Zeit, wenn ich
die ehrende Freude genoss, mit
Ihnen schriftlich zu verkehren.
– Die Aenderungen in Ihrem
Leben, die böse Zeit Ihrer Krank-
heit, haben es mit sich geführt,
dass Ihre Lust am Schreiben nach-
liess; ich kann es erklären, wenn
ich es auch bedauern muss; doch
bleibe ich für das Empfangene dankbar.
– Denn Sie haben mir damals,
– dem Fremden, – äusserlich und inner-
lich geholfen und es einzurichten
gewusst, dass ich mich rasch heimisch
fühlte in Ihrer Schweiz; und so,
dass auch die Schweizer mich so
empfanden. Diese Wohlthat verdanke
ich Ihnen.

77.

Lieber Verehrter,

ich gedenke Ihrer so oft – in Liebe und Verehrung – und bewahre Ihre Briefe sorgsam auf; es war ja eine Zeit, wenn ich die ehrende Freude genoss, mit Ihnen schriftlich zu verkehren. – Die Änderungen in Ihrem Leben, die böse Zeit Ihrer Krankheit, haben es mit sich geführt, dass Ihre Lust am Schreiben nachließ; ich kann es erklären, wenn ich es auch bedauern muss; doch bleibe ich für das Empfangene dankbar. – Denn Sie haben mir damals – dem Fremden – äußerlich und innerlich geholfen und es einzurichten gewusst, dass ich mich rasch heimisch fühlte in Ihrer Schweiz; und so, dass auch die Schweizer mich so empfanden. Diese Wohltat verdanke ich Ihnen.

Ich habe Sie so wenig wiedergesehen! – Weiß nicht einmal, wo Sie gegenwärtig sind, und riskiere die Sendung nach Vitznau. – Sie wissen vielleicht von mir mehr, und dass ich nun die Schweiz verlasse. – Dieses lag zwar von Beginn an im Plan, doch kommt es jetzt mit einer unerwarteten Gewaltsamkeit. – Das Abschiednehmen fällt mir schwer, zumal von so geliebten und tief verehrten Menschen, wie Sie einer (unter wenigen) sind! – Leben Sie wohl – und dies im buchstäblichsten Sinne – und gedenken Sie gütig meiner. Und, so Gott will, auf Wiedersehen.

Ihrer verehrten Frau, Ihrer lieben Elisabeth alles Herzlich-Achtungsvolle.

Frau Gerda ist bei mit dem Herzen dabei.

Ihr

Ferruccio Busoni

1. September 1920.
                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <note type="numbering" place="top-right" resp="#archive">77.</note> <opener><salute rend="indent">Lieber <choice><orig>v</orig><reg>V</reg></choice>erehrter,</salute></opener> <p rend="indent-first">ich gedenke Ihrer so oft <lb/>– in Liebe und Verehrung – und <lb/>bewahre Ihre Briefe sorgsam auf; <lb/>es war ja eine Zeit, wenn ich <lb/>die ehrende Freude genoss, mit <lb/>Ihnen schriftlich zu verkehren. <lb/>– Die <choice><orig>Ae</orig><reg>Ä</reg></choice>nderungen in Ihrem <lb/>Leben, die böse Zeit Ihrer Krank <lb break="no"/>heit, haben es mit sich geführt, <lb/>dass Ihre Lust am Schreiben nach <lb break="no"/>lie<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>; ich kann es erklären, wenn <lb/>ich es auch bedauern muss; doch <lb/>bleibe ich für das Empfangene dankbar. <lb/>– Denn Sie haben mir damals<orig>,</orig> <lb/>– dem Fremden<orig>,</orig> – äu<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>erlich und inner <lb break="no"/>lich geholfen und es einzurichten <lb/>gewusst, dass ich mich rasch heimisch <lb/>fühlte in Ihrer <placeName key="E0500092">Schweiz</placeName>; und so, <lb/>dass auch die Schweizer mich so <lb/>empfanden. Diese Wohlt<orig>h</orig>at verdanke <lb/>ich Ihnen.</p> </div>
2Facsimile
2Diplomatic transcription
2XML
(2)

Ich habe Sie so wenig wieder-
gesehen! – Weiss nicht einmal, wo
Sie gegenwärtig sind und riskire
die Sendung nach Vitznau. – Sie
wissen vielleicht von mir mehr,
und dass ich nun die Schweiz ver-
lasse. – Dieses lag zwar von Beginn
an im Plan, doch kommt es jetzt
mit einer unerwarteten Gewaltsamkeit.
– Das Abschiednehmen fällt mir
schwer, zumal von so geliebten und
tief verehrten Menschen, wie Sie
einer (unter wenigen) sind!
– Leben Sie wohl – und dies im
buchstäblichsten Sinne – und gedenken
Sie gütig meiner. Und, so Gott
will, auf Wiedersehen.

Ihrer verehrten Frau
Ihrer lieben Elisabeth
Alles Herzlich=Achtungsvolle.

Frau Gerda ist bei mit
dem Herzen dabei.

Ihr

Ferruccio Busoni

1. Septbr. 1920.
                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <note type="foliation" place="top-right" resp="#archive">(2)</note> <p rend="indent-first">Ich habe Sie so wenig wieder <lb break="no"/>gesehen! – Wei<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice> nicht einmal, wo <lb/>Sie gegenwärtig sind<reg>,</reg> und riski<reg>e</reg>re <lb/>die Sendung nach <placeName key="E0500200">Vitznau</placeName>. – Sie <lb/>wissen vielleicht von mir mehr, <lb/>und dass ich nun die <placeName key="E0500092">Schweiz</placeName> ver <lb break="no"/>lasse. – Dieses lag zwar von Beginn <lb/>an im Plan, doch kommt es jetzt <lb/>mit einer unerwarteten Gewaltsamkeit. <lb/>– Das Abschiednehmen fällt mir <lb/>schwer, zumal von so geliebten und <lb/>tief verehrten Menschen, wie Sie <lb/>einer (unter wenigen) sind! <lb/>– Leben Sie wohl – und dies im <lb/>buchstäblichsten Sinne – und gedenken <lb/>Sie gütig meiner. Und, so Gott <lb/>will, auf Wiedersehen.</p> <p rend="indent-first">Ihrer verehrten <rs key="E0300239">Frau</rs><reg>,</reg> <lb/>Ihrer lieben <persName key="E0300142">Elisabeth</persName> <lb/><choice><orig>A</orig><reg>a</reg></choice>lles Herzlich<pc>=</pc>Achtungsvolle.</p> <p>– <persName key="E0300059">Frau Gerda</persName> ist bei mit <lb/>dem Herzen dabei.</p> <closer> <salute rend="align(center)">Ihr</salute> <signed rend="align(right)"><persName key="E0300017">Ferruccio Busoni</persName></signed> <dateline><date when-iso="1920-09-01">1. <choice><abbr>Septbr.</abbr><expan>September</expan></choice> 1920</date>.</dateline> </closer> </div>
3Facsimile
3Diplomatic transcription
3XML
[Rückseite von Textseite 1, vacat]
                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <note type="objdesc" resp="#E0300314">[Rückseite von Textseite 1, vacat]</note> </div>
4Facsimile
4Diplomatic transcription
4XML
[Rückseite von Textseite 2, vacat]
                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <note type="objdesc" resp="#E0300314">[Rückseite von Textseite 2, vacat]</note> </div>

Document

buildStatus: proposed XML Facsimile Download / Cite

Provenance
Schweiz | Basel | Universitätsbibliothek | NL 30 : 22:A-H:16
Condition
Der Brief ist gut erhalten.
Extent
2 Blatt, 2 beschriebene Seiten
Collation
Nur die Vorderseiten beschrieben.
Hands/Stamps
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.
  • Hand des Archivars, der Nummerierung und Foliierung mit Bleistift vorgenommen hat.

Summary
Busoni bedauert Hubers krankheitsbedingtes Schweigen; nimmt Abschied von der Schweiz und Huber; blickt dankbar auf dessen Hilfe für den Exilanten zurück.
Incipit
ich gedenke Ihrer so oft – in Liebe und Verehrung

Editors in charge
Christian Schaper Ullrich Scheideler
prepared by
in collaboration with
Revision
November 29, 2017: proposed (transcription and coding done, awaiting proofreading)
Direct context
Preceding Following
Near in this edition
Previous editions
Refardt 1939, S. 45