Ferruccio Busoni to Philipp Jarnach arrow_backarrow_forward

Zürich · June 21, 1917

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N.Mus.Nachl. 30, 15
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„Das Wandbild“

LJ ich habe die erste rohe
Idee zu einem Szenarium
gefasst und bin zu zwei wichtigen
Erkenntnissen gelangt:

  • 1) die erste Szene sollte –
    um die Wirklichkeit von der
    Unwirklichkeit greifbar zu sondern

    nicht im chinesischen Tempel,
    sondern etwa in dem Antiquitäten
    Laden einer modernen Grossstadt
    spielen. Ich dachte hiebei an ein
    Milieu, wie Balzac’s la peau
    de chagrin
    . Der Priester sollte der
    Antiquar sein, die jungen Leute
    Pariser Studenten., die sich die Kuriositäten
    besichtigen.
  • 2) Das Unwirkliche sollte
    in den Hauptzügen als
    „Pantomime“
    dargestellt werden.
    Vielleicht sogar nur diese mit
    Musik
    ; Vorspiel u. Nachspiel als gesprochen.

„Das Wandbild“

LJ

ich habe die erste rohe Idee zu einem Szenarium gefasst und bin zu zwei wichtigen Erkenntnissen gelangt:

  • 1) die erste Szene sollte – um die Wirklichkeit von der Unwirklichkeit greifbar zu sondern – nicht im chinesischen Tempel, sondern etwa in dem Antiquitätenladen einer modernen Großstadt spielen. Ich dachte hiebei an ein Milieu wie Balzacs La Peau de chagrin. Der Priester sollte der Antiquar sein, die jungen Leute Pariser Studenten, die sich die Kuriositäten besichtigen.
  • 2) Das Unwirkliche sollte in den Hauptzügen als „Pantomime“ dargestellt werden. Vielleicht sogar nur diese mit Musik; Vorspiel und Nachspiel gesprochen.

Hierdurch wären wir in der Möglichkeit – und selbst in der Rechtfertigung – einer Dramatisierung einen guten Schritt weitergekommen.

Ein Szenarium habe ich bereits auf drei solchen Bogen aufgezeichnet; derart, dass es sich bühnenhaft ausführen lässt, ohne besondere technische Schwierigkeiten. Es ist aber nicht rund genug, um es Ihnen noch zu lesen zu geben.

Inzwischen schreiben Sie Ihren Eindruck von meinen Versuchen, oder kommen Sie selbst zu Ihrem

herzlichst grüßenden

FB

21. Juni 1917.
                                                                
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N.Mus.Nachl. 30, 15
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Hierdurch wären wir in der
Möglichkeit – u. selbst in der
Rechtfertigung – einer Drama-
tisierung einen guten Schritt
weitergekommen.

Ein Szenarium Beaumont 1987 (262) übersetzt „Szenarium“ hier mit „synopsis“ („Zusammenfassung“). habe ich bereits
auf drei solchen Bogen aufgezeichnet;
derart, dass es sich bühnenhaft
ausführen lässt, ohne besondere tech-
nische Schwierigkeiten. Es ist aber
nicht rund genug, um es Ihnen noch
zu lesen zu geben.

Inzwischen schreiben Sie Ihren
Eindruck von meinen Versuchen
oder kommen Sie selbst zu Ihrem

herzlichst grüssenden

FB

21 Juni 1917.
                                                                
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Document

doneStatus: candidate XML Facsimile Download / Cite

Provenance
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | N.Mus.Nachl. 30,15 |

proof Kalliope

Condition
Der Brief ist gut erhalten.
Extent
2 Blatt, 2 beschriebene Seiten
Collation
Nur die Vorderseiten sind beschrieben.
Hands/Stamps
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen und eine Foliierung vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
  • Hand Gerda Busonis, die auf der Rückseite von Blatt 2 mit Bleistift das Datum notiert hat
Image source
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 1234

Summary
Busoni hat zum Wandbild ein Szenarium entworfen; erläutert den Schauplatz („nicht im chinesischen Tempel, sondern etwa in dem Antiquitätenladen einer modernen Großstadt“).
Incipit
ich habe die erste rohe Idee

Editors in charge
Christian Schaper Ullrich Scheideler
prepared by
Revision
October 29, 2021: candidate (coding checked, proofread)
Direct context
Preceding Following
Near in this edition
Previous editions
Beaumont 1987, S. 262