Philipp Jarnach to Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

Zürich · October 24, 1917

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N.Mus.Nachl. 30, 96

Mein lieber, verehrter Meister!

Ich bitte Sie, mir wegen meines langen
Ausbleibens nicht böse zu sein. Ich wurde
in den letzten Tagen mit Beschäftigungen
überhäuft, welche mir zur Not wohl die
Zeit zu einem Besuche gelassen hätten, da-
gegen aber eine so schlechte Vorbereitung zu
einem künstlerischen Erlebnis waren, dass
ich es vorzog einen ruhigen Tag abzuwarten
wo ich, besserer Laune und nicht so müde
(vor allem in geistig empfänglicherem Zustande)
zu Ihnen kommen kann. Sie wissen wie ich
im Voraus mich freue, das erste Bild Ihrer
neuen Partitur zu lesen.

Wir sind auch dadurch sehr gestört dass – da
wir zum 1:n Nov noch immer ohne
Dienstbote sind – meine Frau u. ich wegen
des Kindes nie zu geleicher Zeit ausgehen
können. – Ich hoffe dennoch noch diese Woche
zu Ihnen zu kommen. Sie sind doch bis

Mein lieber, verehrter Meister!

Ich bitte Sie, mir wegen meines langen Ausbleibens nicht böse zu sein. Ich wurde in den letzten Tagen mit Beschäftigungen überhäuft, welche mir zur Not wohl die Zeit zu einem Besuche gelassen hätten, dagegen aber eine so schlechte Vorbereitung zu einem künstlerischen Erlebnis waren, dass ich es vorzog, einen ruhigen Tag abzuwarten, wo ich, besserer Laune und nicht so müde (vor allem in geistig empfänglicherem Zustande), zu Ihnen kommen kann. Sie wissen, wie ich im Voraus mich freue, das erste Bild Ihrer neuen Partitur zu lesen.

Wir sind auch dadurch sehr gestört, dass – da wir zum 1. November noch immer ohne Dienstbote sind – meine Frau und ich wegen des Kindes nie zu gleicher Zeit ausgehen können. – Ich hoffe dennoch, noch diese Woche zu Ihnen zu kommen. Sie sind doch bis drei Uhr jeden Tag anzutreffen?

Unter diesen Umständen will die Ritterburg noch immer nicht fertig werden. Und doch wäre es die Sache vier oder fünf guter Arbeitstage. Ihre Untersuchungen über die kontrapunktischen Möglichkeiten des Choralsthemas helfen mir sehr viel. Ich baue den Satz in … eigentlich in Rondoform, mit der einfachen Formel: A – B – A – C – A – D – A, wobei die Wiederkehr des Motivs jedesmal mit einem neuen Kontrapunkt versehen ist.

Meine Frau lässt Sie, wie Frau Busoni, herzlichst grüßen, und ich bin, wie immer, Ihr treuer

PHJ. Alternative Lesart des mittleren Buchstaben: „R“ für Jarnachs zweiten Vornamen Raphael (so bei Weiss 1996, S. 376).

Den 24. Okt. 1917.
                                                                
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drei Uhr jeden Tag anzutreffen?

Unter diesen Umständen will die Ritterburg
noch immer nicht fertig werden. Und
doch wäre es die Sache vier oder fünf
guter Arbeitstage. Ihre Untersuchungen
über die kontrapunktischen Möglichkeiten
des Choralsthemas helfen mir sehr viel.
Ich baue den Satz in … eigentlich in
Rondoform, mit der einfachen Formel: A – B –
A – C – A – D – A, wobei die Wiederkehr des
Motivs jedesmal mit einem neuen Kontra-
punkt b versehen ist.

Meine Frau lässt Sie, wie Frau
Busoni
, herzlichst grüssen, und ich bin,
wie immer Ihr treuer

PHJ. transcription uncertain. alternative reading:
PRJ.
Alternative Lesart des mittleren Buchstaben: „R“ für Jarnachs zweiten Vornamen Raphael (so bei Weiss 1996, S. 376).

Den 24 Okt. 1917.
                                                                
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Document

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Provenance
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | N.Mus.Nachl. 30,96 |

proof Kalliope

Condition
Der Brief ist gut erhalten.
Extent
1 Blatt, 2 beschriebene Seiten
Hands/Stamps
  • Hand des Absenders Philipp Jarnach, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signatur eingetragen hat

Summary
Jarnach bedauert, es nicht geschafft zu haben, Busoni zu besuchen; erläutert den Bauplan seines Prologs zu einem Ritterspiele.
Incipit
Ich bitte Sie, mir wegen meines

Editors in charge
Christian Schaper Ullrich Scheideler
prepared by
Revision
October 21, 2021: candidate (coding checked, proofread)
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