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Mein lieber, guter und
hochgeschätzter Freund Wegelius!
Trotzdem ich mitten wichtiger Konzerte
und eiliger Reisen, Familienherzensstürme und zahlreicher aufregender
und zeitraubender Festlichkeiten und
Wiedersehensfeiern – trotzdem ich in
Österreich, der Heimat meiner Kindheit
war – so ging mir doch dein Brief
keinen Moment aus dem Kopfe und,
eben zurückgekehrt, muss ich dir gleich
antworten.
Busoni reiste am 7. Februar mit Gerda und Benvenuto nach Wien, wo er am 11. und 17. Februar Klavierabende im Bösendorfer-Saal gab. Das erste Konzert bestand aus den Etüden op. 25 von Chopin, Beethovens c-Moll Sonate op. 111 und seiner Bearbeitung von Bachs Präludium und Fuge in D-Dur, sowie Liszts Bénédiction de Dieu dans la solitude und dessen Bearbeitung der Tannhäuser-Ouvertüre. Am zweiten Abend spielte Busoni Bachs Präludium und Tripelfuge in Es-Dur in seiner Bearbeitung, Beethovens Hammerklavier-Sonate und die Abegg-Variationen sowie die Toccata von Schumann. Neben kleineren Stücken von Chopin standen zudem die zwei Legenden Liszts und dessen Mephisto-Walzer auf dem Programm (vgl. Helm/Jentsch/Lvovský 1897, S. 4). Dazwischen spielte Busoni noch ein Konzert in Graz mit einem gemischten Programm der beiden Wien-Konzerte (vgl. von Hausegger 1897). Anschließend reisten sie für eine Woche nach Triest zu Busonis Eltern. In einem diesem Schreiben beigelegten Brief von Gerda an Martin und Hanna Wegelius schreibt diese, dass sie Ferruccio noch nie so unentschlossen gesehen habe, wie in der Findung dieser Entscheidung. Sie hätten über die gesamte Reise den Bau ihres Hauses in Helsinki geplant und Busoni würde keinen Moment zögern, wenn Helsinki etwas zentraler in Europa läge (vgl. Brief von Gerda Busoni an Martin Wegelius, 28. Februar 1897, im Nachlass Andersson, Otto 58 (I:4-5) der Åbo Akademi.
Die Antwort ist nicht
leicht und umso schwieriger,
wenn sie augenblicklich eine
entschiedene sein soll!
Dein Vorschlag ist ehrenvoll,
schmeichelhaft und vorteilhaft.
Er macht die denkbarsten Konzessionen
an meine Unabhängigkeit und
ich muss dir in diesem Sinne
zu großem Dank verpflichtet sein!
Die Vorteile und Nachteile
abgewogen, die ich dabei genießen
und erleiden würde,
würde sich folgende Bilanz
ergeben.
Von der Nachteilsschale:
- Gebundenheit (immerhin)
- Entfernung vom Zentrum
- Unmöglichkeit während
der fünf Jahre jede wenn
noch so wichtige andere Offerte
anzunehnehmen.
Aber auch die Vorteile werden
sehr verringert, wenn man
bedenkt:
Dass mein Einkommen
beinahe ganz zur Bezahlung des
Heims aufgeht, also illusorisch
wird.
Dass das Heim selbst, wenn ich es nach
dem 5. Jahre besitze, wieder
verlassen wird.
Wenn das Haus etwa 20 tausend
kostet, so kommt die innere
Einrichtung, kommen
einige Komfortartikel hinzu,
welche den Preis wenigstens
bis 30 tausend steigern. Das
ist also meine Gage.
Aber das wäre noch immer
vorteilhaft. Was mich
schreckt, ist die Entfernung
und die fünfjährige Gebundenheit.
Ich befinde mich gerade
in den Jahren des Aufsteigens
und eben die nächsten fünf
können Unerwartetes
bringen. Ich bin in der
Periode des „Zugreifens“
der Glücksgelegenheiten;
wenn sich mir während
dieser Zeit etwas präsentiert,
was dann für immer
verloren wäre, wenn
ich es nicht augenblicklich
erfasste, wie dann?
Kurz, die Antwort ist
mir gerade zu schmerzlich
zu entscheiden.
Ich neige etwas mehr
auf der Seite des Nein,
war auch schon entschlossen,
dir abzusagen und werde
wahrscheinlich verzichten
müssen.
Aber ich tue es heute
noch nicht. Gib mir noch ein
wenig Zeit. – Lass mich
sehen, ob und wie sich
London gestaltet, was
für Folgen davon zu erwarten
sind.
Busoni hatte für den Herbst seine erste Konzertreise nach London geplant, wo er trotz seiner Erfolge in Europa und Amerika gänzlich unbekannt war. Er war sich wohl bewusst, dass die Hürde für Erfolg in dieser hochkultivierten Weltstadt hoch war und er dort keine Garantie auf Erfolg besaß. Busoni stellte sich der Stadt zwischen dem 30. Oktober und dem 11. Dezember mit gleich sechs Konzerten vor, die sich letztlich nicht nur finanziell lohnten, sondern sein Debüt erfolgreich genug machten, um im folgenden Jahr Einladungen nach Paris, Budapest und erneut nach London zu erhalten (vgl. Couling 2005, S. 166 f.; Dent 1974, S. 121 f.).
Zum Beispiel: ist es
beinahe vorauszusehen,
dass ich innerhalb
der nächsten fünf
Jahre nach Amerika
für einen ganzen Winter
engagiert werde. Das
ist für mich, finanziell
gesprochen, eine Lebensfrage. Es kann mir die
Freiheit für das ganze Leben
geben! Wenn die Helsingforser
mich nicht fortlassen?
Auch innerhalb eines
jeden Jahres können
in kleinerem Maßstabe
solche Gelegenheiten
erscheinen.
Nun, wir wollen sehen.
Vorläufig Dank und
herzlichste Grüße und
der lebhafte Wunsch,
dass wir beide das Beste
treffen.
Gott zum Gruß.
Dein alter und treuer
Ferro