Verehrter Freund.
Ich besitze Ihren Brief
und das Manuskript, vorher
erhielt ich auch eine Karte
Die Karte ist nicht überliefert.
und die 5 Stücke (cinq morceaux,
piano-pieces), bei Breitkopf.
Für alles besten Dank
und herzlichste Anerkennung. –
Ihre Phantasie verdient
den Namen, denn sie ist
phantasievoll, im ganzen
bedeutend, durchwegs
interessant, von großem
Zug und feinster Ausarbeitung. Diese Vorzüge
(und es sind nicht geringe)
anzuerkennen ist mir
eine Herzensfreude: ich
tue es unbeschränkt. –
Im Bau des Stückes
glaubte
ich zu bemerken,
dass die Verbindungsteile
zwischen den drei Sätzen
(an sich spannend und
inhaltsreich) doch vielleicht
über Gebühr ausgesponnen
sind, so dass man in
Wahrheit anstatt dreier
Stücke derer fünf
aufweisen kann.
Anderseits muss ich
bewundern, wie Sie den
organischen Zusammenhang
herstellen und wiederum
aus den drei Teilen einen
machen.
Nicht verschweigen darf
ich, dass Ihre Subjektivität
hie und da höchst subjektiv das Wort
redet; es ist, als ob Sie
in Ihren eigenen vier
Wänden allein und nur
für sich Musik machten.
Nur ein Publikum, das
Sie persönlich kennt und
liebt, wird solche Stellen
auffassen und genießen
können – ein solches
Publikum gibt es aber
nicht. Als ein prägnantes
Beispiel dieser Art sind
die Variationen VI und VII
anzuführen, die ich
wirklich ganz auszumerzen
raten würde. –
Dass ich mit meinen
geringen Kräften und
meinem noch geringeren
Einfluss für das Werk
eintreten werde, habe
ich wiederholt ausgesprochen, und ich
bleibe dabei. Auch
lasse ich mich nicht von
meinem Versprechen,
sondern von meiner
Überzeugung leiten.
Ich bin so beschäftigt,
dass ich enden muss,
so gerne ich weiter schriebe.
Am 8. März in Wien
werde ich das Vergnügen
haben, das Gespräch
mündlich fortzuführen.
Anlässlich des 25. Geschäftsjubiläums des Verlegers Gutmann reiste Busoni nach Wien, um am 8. März 1898 bei einem Wohltätigkeitskonzert aufzutreten (vgl. N. N. 1898d.)