eben empfing ich Ihren vortrefflichen Brief, indessen
der meine, an Sie gerichtete, zubei Ihnen
angelangt sein dürfte. Darin erlaubte
ich mir an Ihre Chronologie pro motu
contrario u. an dem Begriffe der „falschen“
Noten eigenmächtig zu nörgeln.Busoni bezieht sich hier auf Leichtentritts verschollenen Ben-Akiba-Aufsatz.
– Nachträglich
machte mich die von Ihnen berichtete Nach- richt stutzig, von den in physikalischen
Laboratorien hergestellten Zwischentönen.
Denn ich habe mich, jahrelang, vergeblich
bemüht, Dritteltöne in klangliche Erscheinung
treten zu lassen. Es gelang mir aber in New York,
als wo ein alter italienischer Orgelbauer
(und Dantekenner!)Bei Beaumont 1987 (231) Ausrufezeichen nicht übernommen.
mir derart abgestim̅te
Zungen verfertigte, die ich nun im Arbeits- kofferchen u. bei mir habe. – Gestatten Sie
daß ich gegen Ihre Durcheinanderwürfelung
von Drittelu.Viertel=Tönen auch Etwas
einwende; und daß ich für mich allein
das Vorrecht beanspruche, daß System
des Dritteltones in zwei Reihen, die
einen halben Tonen von einander abstehen,
theoretisch ersonnen zu haben! Bei Beaumont 1987 (231) Auslassungszeichen eingefügt: „[…]“, obwohl kein Text fehlt.
eben empfing
ich Ihren vortrefflichen Brief, indessen
der meine, an Sie gerichtete, bei Ihnen
angelangt sein dürfte. Darin erlaubte
ich mir, an Ihrer Chronologie pro motu
contrario und an dem Begriffe der „falschen“
Noten eigenmächtig zu nörgeln.Busoni bezieht sich hier auf Leichtentritts verschollenen Ben-Akiba-Aufsatz.
– Nachträglich
machte mich die von Ihnen berichtete Nachricht stutzig, von den in physikalischen
Laboratorien hergestellten Zwischentönen.
Denn ich habe mich, jahrelang, vergeblich
bemüht, Dritteltöne in klangliche Erscheinung
treten zu lassen. Es gelang mir aber in New York,
als wo ein alter italienischer Orgelbauer
(und Dante-Kenner!)
mir derart abgestimmte
Zungen verfertigte, die ich nun im Arbeitskofferchen und bei mir habe. – Gestatten Sie,
dass ich gegen Ihre Durcheinanderwürfelung
von Drittel- undVierteltönen auch etwas
einwende; und dass ich für mich allein
das Vorrecht beanspruche, das System
des Dritteltones in zwei Reihen, die
einen halben Ton voneinander abstehen,
theoretisch ersonnen zu haben!
Der Drittelton gibt nämlich eine
neue harmonische Grundlage, während der
Viertelton sich auf den Halbton
zurückführen lässt. Das erscheint mir als
wesentlicher Unterschied.
—
Was Sie mir von Henderson erzählen,
ist für den amerikanischen Ton, der
offenbar nur Ganzton ist und jeder
kultivierten Teilung entbehrt, bezeichnend!Leichtentritt hatte von einem Artikel des Kritikers Henderson zu seinem Aufsatz berichtet.
Es überrascht mich nicht, sondern erfreut
mich sehr, als Bestätigung alles dessen, das
ich dort erfuhr und gebührend zu schätzen lernte.In verschiedenen Briefen drückte Busoni seine Verachtung für die USA aus: „Sobald hier etwas leicht erreichbar ist, fällt es im Werth.“ (29.3.1915 an Egon Petri); „Sie können sich keine Vorstellung machen, wie sehr dieses Land ein beschränktes und beschränkendes ist. […] Ich gäbe 100 Vereinigte Staaten für einen alten europäischen Winkel.“ (23.6.1915 an Edith Andreae); Beaumont 1987, S. 203 / Briner 1976, S. 17f..
(Die prahlende Respektlosigkeit wurde mir
unerträglich.)
Herzlich erfreut mich die Aussicht auf
den geplanten Band für Breitkopf, zu
dem ich den Inhalt abgeben soll!
In kürzester Zusammenfassung hat
Hans Huber hier dieselbe wohltätige
Handlung verrichtet.
Was Sie von Ihrer eigenen Tätigkeit,
intimissime, mir anvertrauen, ist
ebenfalls beglückwünschenswert. Wenn
ich mir die Freiheit nehmen dürfte,
eine Ansicht zu äußern, so wäre es
diese: dass Sie Ihrem großen dramatischen
Werke, als Anlauf, ein in knapperen
Verhältnissen gehaltenes vorausschickten.Tatsächlich folgte LeichtentrittBusonis Rat und veröffentlichte seinen Einakter Der Sizilianer zuerst.
Der Konzertbericht war, endlich,
anregend und erweckte die Empfindung
der Zuverlässigkeit.
Für alles Dank.
Mit herzlich-achtungsvollen Grüßen,
Ihr ergebener
P.S. Es droht von zwei Seiten
die Publikation von sogenannten„Biographien“Ihres ergebenen Freundes.
Lassen wir sie faseln. Jedoch, es
wäre hiebei wünschenswert, dass
ein gediegenes Buch sein Gewicht
jenen entgegensetzte. Darum erlaube
ich mir, den Wunsch zu äußern, dass
Sie auf Grund Ihres Entwurfes (F. B.
ein Lebensbild), durch Ausführung und
Fortsetzung, das authentischere Werk
in die Welt setzten, das gefordert erscheint.Das Kapitel „Der Komponist“ in der Biographie beruht auf LeichtentrittsAufsatz.
Ich stünde gern mit Auskunft und
Material zu Ihrer Verfügung.
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<salute rend="align(center)"><rs key="E0300093">Verehrter Freund</rs>,</salute>
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<p>
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<lb/>ich mir<reg>,</reg> an Ihre<corr>r</corr> Chronologie <foreign xml:lang="la">pro motu
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<lb/>machte mich die von Ihnen berichtete Nach
<lb break="no"/>richt stutzig, von den in <rs key="E0600212">physikalischen
<lb/>Laboratorien</rs> hergestellten Zwischentönen.
<lb/>Denn ich habe mich, jahrelang, vergeblich
<lb/>bemüht, Dritteltöne in klangliche Erscheinung
<lb/>treten zu lassen. Es gelang mir aber in <placeName key="E0500031">New York</placeName>,
<lb/>als wo ein alter <placeName key="E0500013">italienischer</placeName> Orgelbauer
<lb/>(und <persName key="E0300215">Dante</persName><choice><orig>k</orig><reg>-K</reg></choice>enner!)
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<lb/>Zungen verfertigte, die ich nun im Arbeits
<lb break="no"/>kofferchen <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> bei mir habe. – Gestatten Sie<reg>,</reg>
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<lb/>einwende; und da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> ich für mich allein
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<lb/>des Dritteltones in zwei Reihen, die
<lb/>einen halben Ton<del rend="strikethrough">en</del> von<orig> </orig>einander abstehen,
<lb/>theoretisch ersonnen zu haben! <!-- Verweis auf den „Entwurf“ 1907, wo dies erläutert wird? -->
<note type="commentary" subtype="ed_diff" resp="#E0300622">Bei <bibl><ref target="#E0800060"/> (231)</bibl> Auslassungszeichen eingefügt: <q>[…]</q>, obwohl kein Text fehlt.</note>
</p>
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<stamp rend="round majuscule small">* The * Library * of * Congress *</stamp>
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2Faksimile
2Diplomatische Umschrift
2XML
* The * Library * of * Congress *
Der Drittelton gibt nämlich eine
neue harmonische Grundlage, während der
Viertelnoteon sich auf den Halbton
zurückführen läßt. Das erscheint mir als
wesentlicher Unterschied. —
Was Sie mir von Henderson erzählen
ist für den amerikanischen Ton, nTranskription unsicher.
der
offenbar nur Ganzton ist, u. jeder
kultiviertern Theilung entbehrt, bezeichnend!Leichtentritt hatte von einem Artikel des Kritikers Henderson zu seinem Aufsatz berichtet. Es überrascht mich nicht, sondern erfreut
mich sehr, als Bestätigung alles dessen, das
ich dochrt erfuhr u. gebührend zu schätzen lernte.In verschiedenen Briefen drückte Busoni seine Verachtung für die USA aus: „Sobald hier etwas leicht erreichbar ist, fällt es im Werth.“ (29.3.1915 an Egon Petri); „Sie können sich keine Vorstellung machen, wie sehr dieses Land ein beschränktes und beschränkendes ist. […] Ich gäbe 100 Vereinigte Staaten für einen alten europäischen Winkel.“ (23.6.1915 an Edith Andreae); Beaumont 1987, S. 203 / Briner 1976, S. 17f..
(Die prahlende Respektlosigkeit wurde mir
unerträglich.)
Herzlich erfreut mich die Aussicht auf
den geplanten Band für Breitkopf, der zu
[…]1 Zeichen: unvollständig.
dem ich den Inhalt abgeben soll!
In kürzester Zusammenfassung hat
Hans Huber hier dieselbe wohlthätige
Handlung verrichtet.
Was Sie von Ihrer eigenen Thätigkeit,
intimissime, mir anvertrauen, ist
ebenfalls beglückwünschenswerth. Wenn
ich mir die Freiheit nehmen dürfte
eine Ansicht zu äußern, so wäre es
diese: daß Sie Ihrem großen dramatischen
Werke, als Anlauf, ein in knapperen
Verhältnissen gehaltenes vorausschickten.Tatsächlich folgte LeichtentrittBusonis Rat und veröffentlichte seinen Einakter Der Sizilianer zuerst.
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<p rend="indent-first">
Der Drittelton gibt nämlich eine
<lb/>neue <hi rend="underline">harmonische</hi> Grundlage, während der
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<lb/>zurückführen lä<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice>t. Das erscheint mir als
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</p>
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<lb/>Es überrascht mich nicht, sondern erfreut
<lb/>mich sehr, als Bestätigung alles dessen, das
<lb/>ich do<subst><del rend="overwritten">ch</del><add place="across">rt</add></subst> erfuhr <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> gebührend <add place="above">zu</add> schätzen lernte.
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</note><!-- Literatur zu Busonis Amerika-Bild? → Wolfgang Rathert -->
<!-- Nachweis Petri-Brief? -->
</p>
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(Die prahlende Respektlosigkeit wurde mir
<lb/>unerträglich.)
</p>
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Herzlich erfreut mich die Aussicht auf
<lb/>den <rs key="E0800114">geplanten Band</rs> für <orgName key="E0600002">Breitkopf</orgName>, <del rend="strikethrough">der</del> zu
<lb/><del rend="none"><gap reason="incomplete" unit="char" extent="1"/></del> dem ich den Inhalt abgeben soll!
</p>
<p rend="indent-first">
In kürzester Zusammenfassung hat
<lb/><persName key="E0300125">Hans Huber</persName> hier dieselbe wohlt<orig>h</orig>ätige
<lb/>Handlung verrichtet.<!-- ist ein Busoni-Text Hubers aufspürbar? -->
</p>
<p rend="indent-first">
Was Sie von Ihrer eigenen T<orig>h</orig>ätigkeit,
<lb/><foreign xml:lang="it">intimissime</foreign>, mir anvertrauen, ist
<lb/>ebenfalls beglückwünschenswert<orig>h</orig>. Wenn
<lb/>ich mir die Freiheit nehmen dürfte<reg>,</reg>
<lb/>eine Ansicht zu äußern, so wäre es
<lb/>diese: da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> Sie Ihrem <rs key="E0400446">großen dramatischen
<lb/>Werke</rs>, als Anlauf, ein in knapperen
<lb/><seg rend="indent-3">Verhältnissen gehaltenes vorausschickten.</seg>
<note type="commentary" resp="#E0300622">Tatsächlich folgte <persName key="E0300093">Leichtentritt</persName> <persName key="E0300017">Busonis</persName> Rat und veröffentlichte seinen Einakter <title key="E0400451">Der Sizilianer</title> zuerst.</note>
</p>
</div>
3Faksimile
3Diplomatische Umschrift
3XML
Der Konzertbericht war, endlich,
anregend u. erweckte die Empfindung
der Zuverlässigkeit.Dieser Satz ist bei Beaumont 1987 (231) ohne Kennzeichnung ausgelassen.
Für Alles Dank.
Mit herzlich-achtungsvollen Grüßen
Ihr ergebener
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<p>
Der Konzertbericht war, endlich,
<lb/>anregend <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> erweckte die Empfindung
<lb/>der Zuverlässigkeit.
<note type="commentary" subtype="ed_diff" resp="#E0300622">Dieser Satz ist bei <bibl><ref target="#E0800060"/> (231)</bibl> ohne Kennzeichnung ausgelassen.</note>
</p>
<closer>
<salute rend="align(center)">
Für <choice><orig>A</orig><reg>a</reg></choice>lles Dank.
<lb/>Mit herzlich-achtungsvollen Grüßen<reg>,</reg>
<lb/>Ihr ergebener
</salute>
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<placeName key="E0500132">Zürich</placeName> – <placeName key="E0500189">Scheuchzerstrasse 36</placeName>.
</dateline>
</closer>
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</postscript></div>
4Faksimile
4Diplomatische Umschrift
4XML
P.S. Es drohetn von zwei Seiten
die Publikation von sogenannten BiographieenIhres ergebenen Freundes.
Lassen wir sie faseln. Jedoch, es
waere hiebei wünschenswerth, dass
ein gediegenes Buch sein Gewicht
jenen entgegen setzte. Darum erlaube
ich mir den Wunsch zu äussern, dass
Sie auf Grund Ihres Entwurfes, (F. B. ein Lebensbild) durch Ausführung und
Fortsetzung, das authentischere Werk
in die Welt setzten, das gefordert er- scheint.Das Kapitel „Der Komponist“ in der Biographie beruht auf LeichtentrittsAufsatz.
Ich steheünde gern mit Auskunft und
Material zu Ihrer Verfügung.
* The * Library * of * Congress *
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<p>
<seg rend="huge">P.S.</seg> Es droh<subst><del rend="overwritten">e</del><add place="across">t</add></subst><del rend="strikethrough">n</del> von zwei Seiten
<lb/><seg rend="indent-2">die Publikation von sogenannten</seg>
<lb/><soCalled rend="underline">Biographie<orig>e</orig>n</soCalled> <rs key="E0300017">Ihres ergebenen Freundes</rs>.
<!-- um welche Biographien handelt es sich? -->
<lb/>Lassen wir sie faseln. Jedoch, es
<lb/>w<choice><orig>ae</orig><reg>ä</reg></choice>re hiebei wünschenswert<orig>h</orig>, dass
<lb/>ein gediegenes Buch sein Gewicht
<lb/>jenen entgegen<orig> </orig>setzte. Darum erlaube
<lb/>ich mir<reg>,</reg> den Wunsch zu äu<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>ern, dass
<lb/>Sie auf Grund <rs key="E0800294">Ihres Entwurfes</rs><orig>,</orig> (<persName key="E0300017">F. B.</persName>
<lb/>ein Lebensbild)<reg>,</reg> durch Ausführung und
<lb/>Fortsetzung, das authentischere Werk
<lb/>in die Welt setzten, das gefordert er
<lb break="no"/>scheint.
<note type="commentary" resp="#E0300622">Das Kapitel <q>Der Komponist</q> in der <rs key="E0800114">Biographie</rs> beruht auf <persName key="E0300093">Leichtentritts</persName> <rs key="E0800294">Aufsatz</rs>.</note>
Ich st<subst><del rend="strikethrough">ehe</del><add place="above">ünde</add></subst> gern mit Auskunft und
<lb/><seg rend="align(right)">Material zu Ihrer Verfügung.</seg>
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Busoni erläutert sein Konzept des Dritteltons, ist im Besitz entsprechend gestimmter Orgelpfeifen aus New York; kritisiert an Amerika die „prahlende Respektlosigkeit“; ist erfreut über Leichtentritts Entschluss zu einer Busoni-Biographie bei Breitkopf & Härtel, bietet Auskunft und Material an; rät Leichtentritt zu einem kurzen Opernerstling.
Brief von Ferruccio Busoni an Hugo Leichtentritt (Zürich, 13. Januar 1916), bearbeitet von Kira Herbing, in: Briefwechsel Ferruccio Busoni – Hugo Leichtentritt, hrsg. von Christian Schaper und Ullrich Scheideler, Berlin: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, November 2022: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, https://busoni-nachlass.org/D0101507 (26. Februar 2024: zur Freigabe vorgeschlagen)
Download der bereinigten Lesefassung im PDF-Dateiformat (.pdf)
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<title xml:lang="de">Brief von Ferruccio Busoni an Hugo Leichtentritt (Zürich, 13. Januar 1916)</title>
<title xml:lang="en">Letter by Ferruccio Busoni to Hugo Leichtentritt (Zurich, 13 January 1916)</title>
<author key="E0300017">Ferruccio Busoni</author>
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<publisher>Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin</publisher>
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<title type="main">Ferruccio Busoni – Briefe und Schriften</title>
<title type="genre">Briefe</title>
<title type="subseries" key="E010009">Briefwechsel Ferruccio Busoni – Hugo Leichtentritt</title>
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<collection>Ferruccio Busoni Papers Additions, 1866–1924</collection>
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<summary><persName key="E0300017">Busoni</persName> erläutert sein Konzept des Dritteltons, ist im Besitz entsprechend gestimmter Orgelpfeifen aus <placeName key="E0500031">New York</placeName>; kritisiert an <placeName key="E0500093">Amerika</placeName> die <q>prahlende Respektlosigkeit</q>; ist erfreut über <persName key="E0300093">Leichtentritts</persName> Entschluss zu einer <rs key="E0800114"><persName key="E0300017">Busoni</persName>-Biographie</rs> bei <orgName key="E0600002">Breitkopf & Härtel</orgName>, bietet Auskunft und Material an; rät <persName key="E0300093">Leichtentritt</persName> zu einem kurzen Opernerstling.</summary>
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<measure type="folio">1 Bogen, 1 halbes Blatt Anhang</measure>
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<collation>Die vier Seiten des Bogens hat Busoni in der Reihenfolge 1, 3, 2 beschrieben, die abschließende Seite 2 dabei im Querformat.</collation>
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<handNote xml:id="major_hand" scope="major" medium="black_ink" scribe="author" scribeRef="#E0300017">Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.</handNote>
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<p>Erfassung von Briefen und Schriften von Ferruccio Busoni, ausgehend von Busonis Nachlass in der Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz.</p>
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<p>Worttrennungen an Zeilenumbrüchen im Original mit einfachen Bindestrichen.</p>
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<p>Alle im Text vorkommenden Interpunktionszeichen wurden beibehalten und werden in der diplomatischen Umschrift wiedergegeben. Bei Auszeichnung durch XML-Elemente wurden umgebende Satzzeichen nicht mit einbezogen.</p>
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<p>Anführungszeichen wurden i. d. R. nicht beibehalten; die Art der Zeichen wurde im Attribut <att>rend</att> der entsprechenden Elemente codiert.</p>
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<change when-iso="2022-11-23" who="#E0300314">Auszeichnungen korrigiert, zusätzliche Elemente und Entitäten</change>
<change when-iso="2022-11-24" who="#E0300314">Kommentarredaktion</change>
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<pb n="1"/>
<fw place="left" rend="align(center) space-below">
<orgName key="E0600024" rend="majuscule">Tonhalle-Gesellschaft</orgName>
<lb/><placeName key="E0500132" rend="majuscule">Zürich</placeName>
<milestone unit="section" style="–"/>
</fw>
<fw place="top-right" rend="small space-below">
<placeName key="E0500132" rend="majuscule">Zürich</placeName>, den <date when-iso="1916-01-13"><note type="dating" resp="#major_hand">13<reg>.</reg> Jan.</note> 191<note type="dating" resp="#major_hand">6</note></date>
</fw>
<opener rend="space-above">
<salute rend="align(center)"><rs key="E0300093">Verehrter Freund</rs>,</salute>
</opener>
<p>
<seg rend="align(right)">eben empfing</seg>
<lb/>ich <ref target="#D0101505">Ihren vortrefflichen Brief</ref>, indessen
<lb/><ref target="#D0101506">der meine</ref>, an Sie gerichtete, <subst><del rend="overwritten">zu</del><add place="across">bei</add></subst> Ihnen
<lb/><add place="margin-left">an</add>gelangt sein dürfte. Darin erlaubte
<lb/>ich mir<reg>,</reg> an Ihre<corr>r</corr> Chronologie <foreign xml:lang="la">pro motu
<lb/>contrario</foreign> <!-- Übersetzung? lat./it.? korrekt? --> <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> an dem Begriffe der <soCalled rend="dq-du">falschen</soCalled>
<lb/><fw place="margin-left" rend="rotate(-90) tiny">
Telegramm-Adresse: <hi rend="bold"><orgName rend="dq-du" key="E0600024">Tonhalle Zürich</orgName>.</hi>
</fw>
Noten eigenmächtig zu nörgeln.
<note type="commentary" resp="#E0300622"><persName key="E0300017">Busoni</persName> bezieht sich hier auf <persName key="E0300093">Leichtentritts</persName> verschollenen <persName key="E0300574">Ben-Akiba</persName>-Aufsatz.</note>
– Nachträglich
<lb/>machte mich die von Ihnen berichtete Nach
<lb break="no"/>richt stutzig, von den in <rs key="E0600212">physikalischen
<lb/>Laboratorien</rs> hergestellten Zwischentönen.
<lb/>Denn ich habe mich, jahrelang, vergeblich
<lb/>bemüht, Dritteltöne in klangliche Erscheinung
<lb/>treten zu lassen. Es gelang mir aber in <placeName key="E0500031">New York</placeName>,
<lb/>als wo ein alter <placeName key="E0500013">italienischer</placeName> Orgelbauer
<lb/>(und <persName key="E0300215">Dante</persName><choice><orig>k</orig><reg>-K</reg></choice>enner!)
<note type="commentary" subtype="ed_diff" resp="#E0300622">Bei <bibl><ref target="#E0800060"/> (231)</bibl> Ausrufezeichen nicht übernommen.</note>
mir derart abgesti<choice><abbr>m̅</abbr><expan>mm</expan></choice>te
<lb/>Zungen verfertigte, die ich nun im Arbeits
<lb break="no"/>kofferchen <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> bei mir habe. – Gestatten Sie<reg>,</reg>
<lb/>da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> ich gegen Ihre Dur<add rend="inline">c</add>heinanderwürfelung
<lb/>von <hi rend="underline">Drittel</hi><reg>-</reg> <hi rend="underline"><choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice></hi> <hi rend="underline">Viertel</hi><choice><orig><pc>=</pc>T</orig><reg>t</reg></choice>önen auch <choice><orig>E</orig><reg>e</reg></choice>twas
<lb/>einwende; und da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> ich für mich allein
<lb/>das Vorrecht beanspruche, da<choice><sic>ß</sic><corr>s</corr></choice> System
<lb/>des Dritteltones in zwei Reihen, die
<lb/>einen halben Ton<del rend="strikethrough">en</del> von<orig> </orig>einander abstehen,
<lb/>theoretisch ersonnen zu haben! <!-- Verweis auf den „Entwurf“ 1907, wo dies erläutert wird? -->
<note type="commentary" subtype="ed_diff" resp="#E0300622">Bei <bibl><ref target="#E0800060"/> (231)</bibl> Auslassungszeichen eingefügt: <q>[…]</q>, obwohl kein Text fehlt.</note>
</p>
<note type="stamp" place="bottom-right" resp="#lc_st_red">
<stamp rend="round majuscule small">* The * Library * of * Congress *</stamp>
</note>
<pb n="2"/>
<note type="stamp" place="top-right" resp="#lc_st_red">
<stamp rend="round majuscule small">* The * Library * of * Congress *</stamp>
</note>
<p rend="indent-first">
Der Drittelton gibt nämlich eine
<lb/>neue <hi rend="underline">harmonische</hi> Grundlage, während der
<lb/>Viertel<del rend="strikethrough">no</del>t<subst><del rend="overwritten">e</del><add place="across">o</add></subst>n sich auf den Halbton
<lb/>zurückführen lä<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice>t. Das erscheint mir als
<lb/>wesentlicher Unterschied. <milestone unit="section" style="—" rend="inline"/>
</p>
<p rend="indent-first">
Was Sie mir von <hi rend="underline"><persName key="E0300564">Henderson</persName></hi> erzählen<reg>,</reg>
<lb/>ist für den <placeName key="E0500093">amerikanischen</placeName> Ton, <subst><del rend="overwritten"><unclear cert="unknown">n</unclear></del><add place="across">d</add></subst>er
<lb/>offenbar nur Ganzton ist<orig>,</orig> <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> jeder
<lb/>kultivierte<subst><del rend="transformed">r</del><add place="transformed">n</add></subst> T<orig>h</orig>eilung entbehrt, bezeichnend!
<note type="commentary" resp="#E0300622"><persName key="E0300093">Leichtentritt</persName> hatte von einem <rs key="E0800298">Artikel</rs> des Kritikers <persName key="E0300564">Henderson</persName> zu seinem <rs key="E0800293">Aufsatz</rs> berichtet.</note>
<lb/>Es überrascht mich nicht, sondern erfreut
<lb/>mich sehr, als Bestätigung alles dessen, das
<lb/>ich do<subst><del rend="overwritten">ch</del><add place="across">rt</add></subst> erfuhr <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> gebührend <add place="above">zu</add> schätzen lernte.
<note type="commentary" resp="#E0300622">In verschiedenen Briefen drückte <persName key="E0300017">Busoni</persName> seine Verachtung für die <placeName key="E0500093">USA</placeName> aus: <q>Sobald hier etwas leicht erreichbar ist, fällt es im Werth.</q> (29.3.1915 an <persName key="E0300031">Egon Petri</persName>); <q>Sie können sich keine Vorstellung machen, wie sehr dieses Land ein beschränktes und beschränkendes ist. […] Ich gäbe 100 Vereinigte Staaten für einen alten <placeName key="E0500943">europäischen</placeName> Winkel.</q> (23.6.1915 an <persName key="E0300817">Edith Andreae</persName>); <bibl><ref target="#E0800060"/>, S. 203 / <ref target="#E0800400"/>, S. 17f.</bibl>.
</note><!-- Literatur zu Busonis Amerika-Bild? → Wolfgang Rathert -->
<!-- Nachweis Petri-Brief? -->
</p>
<p rend="indent-first">
(Die prahlende Respektlosigkeit wurde mir
<lb/>unerträglich.)
</p>
<p rend="indent-first">
Herzlich erfreut mich die Aussicht auf
<lb/>den <rs key="E0800114">geplanten Band</rs> für <orgName key="E0600002">Breitkopf</orgName>, <del rend="strikethrough">der</del> zu
<lb/><del rend="none"><gap reason="incomplete" unit="char" extent="1"/></del> dem ich den Inhalt abgeben soll!
</p>
<p rend="indent-first">
In kürzester Zusammenfassung hat
<lb/><persName key="E0300125">Hans Huber</persName> hier dieselbe wohlt<orig>h</orig>ätige
<lb/>Handlung verrichtet.<!-- ist ein Busoni-Text Hubers aufspürbar? -->
</p>
<p rend="indent-first">
Was Sie von Ihrer eigenen T<orig>h</orig>ätigkeit,
<lb/><foreign xml:lang="it">intimissime</foreign>, mir anvertrauen, ist
<lb/>ebenfalls beglückwünschenswert<orig>h</orig>. Wenn
<lb/>ich mir die Freiheit nehmen dürfte<reg>,</reg>
<lb/>eine Ansicht zu äußern, so wäre es
<lb/>diese: da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> Sie Ihrem <rs key="E0400446">großen dramatischen
<lb/>Werke</rs>, als Anlauf, ein in knapperen
<lb/><seg rend="indent-3">Verhältnissen gehaltenes vorausschickten.</seg>
<note type="commentary" resp="#E0300622">Tatsächlich folgte <persName key="E0300093">Leichtentritt</persName> <persName key="E0300017">Busonis</persName> Rat und veröffentlichte seinen Einakter <title key="E0400451">Der Sizilianer</title> zuerst.</note>
</p>
<pb n="3" rend="rotate(90)"/>
<p>
Der Konzertbericht war, endlich,
<lb/>anregend <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> erweckte die Empfindung
<lb/>der Zuverlässigkeit.
<note type="commentary" subtype="ed_diff" resp="#E0300622">Dieser Satz ist bei <bibl><ref target="#E0800060"/> (231)</bibl> ohne Kennzeichnung ausgelassen.</note>
</p>
<closer>
<salute rend="align(center)">
Für <choice><orig>A</orig><reg>a</reg></choice>lles Dank.
<lb/>Mit herzlich-achtungsvollen Grüßen<reg>,</reg>
<lb/>Ihr ergebener
</salute>
<signed rend="align(center)"><persName key="E0300017">F. Busoni</persName></signed>
<dateline>
<placeName key="E0500132">Zürich</placeName> – <placeName key="E0500189">Scheuchzerstrasse 36</placeName>.
</dateline>
</closer>
<postscript>
<pb n="4"/>
<p>
<seg rend="huge">P.S.</seg> Es droh<subst><del rend="overwritten">e</del><add place="across">t</add></subst><del rend="strikethrough">n</del> von zwei Seiten
<lb/><seg rend="indent-2">die Publikation von sogenannten</seg>
<lb/><soCalled rend="underline">Biographie<orig>e</orig>n</soCalled> <rs key="E0300017">Ihres ergebenen Freundes</rs>.
<!-- um welche Biographien handelt es sich? -->
<lb/>Lassen wir sie faseln. Jedoch, es
<lb/>w<choice><orig>ae</orig><reg>ä</reg></choice>re hiebei wünschenswert<orig>h</orig>, dass
<lb/>ein gediegenes Buch sein Gewicht
<lb/>jenen entgegen<orig> </orig>setzte. Darum erlaube
<lb/>ich mir<reg>,</reg> den Wunsch zu äu<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>ern, dass
<lb/>Sie auf Grund <rs key="E0800294">Ihres Entwurfes</rs><orig>,</orig> (<persName key="E0300017">F. B.</persName>
<lb/>ein Lebensbild)<reg>,</reg> durch Ausführung und
<lb/>Fortsetzung, das authentischere Werk
<lb/>in die Welt setzten, das gefordert er
<lb break="no"/>scheint.
<note type="commentary" resp="#E0300622">Das Kapitel <q>Der Komponist</q> in der <rs key="E0800114">Biographie</rs> beruht auf <persName key="E0300093">Leichtentritts</persName> <rs key="E0800294">Aufsatz</rs>.</note>
Ich st<subst><del rend="strikethrough">ehe</del><add place="above">ünde</add></subst> gern mit Auskunft und
<lb/><seg rend="align(right)">Material zu Ihrer Verfügung.</seg>
</p>
<note type="stamp" place="margin-left" resp="#lc_st_red">
<stamp rend="round majuscule small">* The * Library * of * Congress *</stamp>
</note>
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<pb n="5"/>
<note type="objdesc" resp="#E0300622">[Rückseite von Textseite 2, vacat]</note>
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