Ich schulde Ihnen noch Antwort auf Ihren
letzten Brief. Daß Sie eine iIhrer Arbeiten mir widmen wollen ist mir eine Ehre
und Genugtthuung und ich danke Ihnen
herzlich für die Auszeichnung. Es freut mich
auch aus Ihrem Briefe zu ersehen, daß wir
eigentlich einer Meinung sind was die
Diskussion über das Neue und die „falschen“ Töne anbetrifft. Beachten Sie, bitte, daß ich die
„falschen“ Töne immer mit Gänsefüßchen
einherspazieren lasse, um anzudeuten daß
ich sie nicht als absolut falsch will verstanden
Ich schulde Ihnen noch Antwort auf Ihren
letzten Brief. Dass Sie eine Ihrer Arbeiten
mir widmen wollen, ist mir eine Ehre
und Genugtuung, und ich danke Ihnen
herzlich für die Auszeichnung. Es freut mich
auch, aus Ihrem Briefe zu ersehen, dass wir
eigentlich einer Meinung sind, was die
Diskussion über das Neue und die „falschen“
Töne anbetrifft. Beachten Sie, bitte, dass ich die
„falschen“ Töne immer mit Gänsefüßchen
einherspazieren lasse, um anzudeuten, dass
ich sie nicht als absolut falsch will verstanden
haben, sondern nur als falsch im Ansehen der
Leute gemeinhin. Auch ich glaube mit
Ihnen, dass alle nur möglichen Töne
in der Musik einen Platz finden können,
nur kommt es darauf an, ein System
dieser neuen Töne zu finden, einen
Boden zum natürlichen Wachstum ihnen zu
bereiten, damit sie nicht wie Fabelwesen
vom Monde her in unsere brave Musik
hineinplatzen und als kuriose outsiders
betrübt dastehen. Mit den Viertel- und
Dritteltönen habe ich mich nicht so intensiv
abgegeben, dass ich etwas Gewichtiges darüber
ausführen könnte. Ich entsinne mich aber
aus früheren Jahren, als ich mich ein
wenig mit den akustischen Dingen
befasste, dass ich im Psychologischen Institutunserer UniversitätLeichtentritt studierte u. a. an der Harvard University und der BerlinerFriedrich-Wilhelms-Universität. Hier dürfte Letztere gemeint sein, an der Leichtentritt seit 1898 studierte und 1901 promoviert wurde. An der Harvard University existiert ein Department of Psychology erst seit 1934.
ein,
wenn ich mich recht erinnere, auf elektrischem Wege betriebenes
Harmonium sah, auf dem man Töne von jeder beliebigen
Schwingungszahl spielen konnte. Darunter müssen auch die Viertel-
und Dritteltöne sein. Zwischen g mit 376 Schwingungen und
a mit 435 kann man z. B. alle Zwischentöne darstellen, selbst
Unterschiede von einer Schwingung lassen sich darstellen. Dann
gibt es auch in der Königl. Hochschule für Musik ein neues
Harmonium, auf dem man klanglich den Unterschied
zwischen der reinen und temperierten Stimmung herstellen
kann in beliebigen Akkordfolgen, Modulationen. Ich habe
einmal darauf spielen hören, die Bruchteile der ganzen
Töne sind darauf deutlich hörbar.
Vor kurzer Zeit erhielt ich Nachricht aus
Amerika, dass mein Essay über Ihre
Werke nach einer langen Reise endlich
angekommen ist. Dies setzt mich in
die Lage, wegen der deutschen Arbeit mich
mit Breitkopfs zu verständigen. Nachrichten
aus Berlin wird Ihnen Rita wohl
ausführlich gebracht haben. Das Allerneueste
ist der große Krieg der Kritiker, Weißmann contra L. Schmidt;Am 3. Februar 1916 wurde ein Beitrag von Adolf Weißmann in der Schaubühne veröffentlicht, in dem er mit seinem Kollegen Leopold Schmidt abrechnet (vgl. ausführlicher Kommentar zum Brief von Hans Huber an Ferruccio Busoni vom 11. Februar 1916).
der erste Akt
ist mit einem starken Schlusseffekt schon
vorbeigegangen, was die späteren Akte
bringen werden, erwarten wir hier
gespannt, denn es handelt sich dabei
um mehr als ein bloß persönliches Gezanke.
Der Rat, den Sie mir in Betreff meiner
dramatischen Pläne geben, ist gut. Die
Dichtung ist zu drei Vierteln fertig, wenigstens im ersten Entwurf. Ich werde
aber versuchen, einen flotten, kleinen,
lustigen Einakter zu bauen, den ich
als heiteres Praeludium und auch zur eigenen Erholung von der langen und schwierigen
größeren Arbeit vorher vom Stapel
schieben möchte.
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<lb/>Töne anbetrifft. Beachten Sie, bitte, da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> ich die
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<lb/>einherspazieren lasse, um anzudeuten<reg>,</reg> da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice>
<lb/>ich sie nicht als absolut falsch will verstanden
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2Faksimile
2Diplomatische Umschrift
2XML
[2]
haben, sondern nur als falsch im Ansehen der
Leute gemeinhin. Auch ich glaube mit
Ihnen, daß alle nur möglichen Töne
in der Musik einen Platz finden können,
nur kommt es darauf an, ein System
dieser neuen Töne zu finden, einen
Boden zum natürlichen Wachstum ihnen zu
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin bereiten, damit sie nicht wie Fabelwesen
vom Monde her in unsere brave Musik
hineinplatzen und als kuriose outsiders
betrübt dastehen. Mit den Viertel und
Dritteltönen habe ich mich nicht so intensiv
abgegeben, daß ich etwas gewichtiges darüber
ausführen könnte. Ich entsinne mich aber
aus früh[…]1 Zeichen: durchgestrichen.
eren Jahren, als ich mich ein
wenig mit den akustischen Dingen
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haben, sondern nur als falsch im Ansehen der
<lb/>Leute gemeinhin. Auch ich glaube mit
<lb/>Ihnen, da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> alle nur möglichen Töne
<lb/>in der Musik einen Platz finden können,
<lb/>nur kommt es darauf an, ein System
<lb/>dieser neuen Töne zu finden, einen
<lb/>Boden zum natürlichen Wachstum ihnen zu
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<lb/>bereiten, damit sie nicht wie Fabelwesen
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<lb/>hineinplatzen und als kuriose <foreign xml:lang="en" rend="latin">outsiders</foreign>
<lb/>betrübt dastehen. Mit den Viertel<reg>-</reg> und
<lb/>Dritteltönen habe ich mich nicht so intensiv
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<lb/>aus früh<del rend="strikethrough"><gap extent="1" unit="char" reason="strikethrough"/></del>eren Jahren, als ich mich ein
<lb/>wenig mit den akustischen Dingen
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3Diplomatische Umschrift
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befaßte, daß ich im Psychologischen Institutunserer UniversitätLeichtentritt studierte u. a. an der Harvard University und der BerlinerFriedrich-Wilhelms-Universität. Hier dürfte Letztere gemeint sein, an der Leichtentritt seit 1898 studierte und 1901 promoviert wurde. An der Harvard University existiert ein Department of Psychology erst seit 1934.
ein
wenn ich mich recht erinnere auf elektrischem Wege betriebenes
Harmonium sah, auf dem man Töne von jeder beliebigen
Schwingungszahl spielen konnte,. Darunter müssen auch die Viertel⸗
und Drittel Töne sein. Zwischen g mit 376 Schwingungen und
a mit 435 kann man z. B. alle Zwischentöne darstellen, selbst
Unterschiede von einer Schwingung lassen sich darstellen. Dann
giebt es auch in der Königl. Hochschule für Musik ein neues
Harmonium, auf dem man klanglich den Unterschied
zwischen der reinen und temperierten Stimmung herstellen
kann in beliebigen Akkordfolgen, Modulationen. Ich habe
ein mal darauf spielen hören, die Bruchteile der ganzen
Töne sind darauf deutlich hörbar.
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ein<reg>,</reg>
<lb/>wenn ich mich recht erinnere<reg>,</reg> auf elektrischem Wege betriebenes
<lb/>Harmonium sah, auf dem man Töne von jeder beliebigen
<lb/>Schwingungszahl spielen konnte<subst><del rend="strikethrough overwritten">,</del><add place="across">.</add></subst> Darunter müssen auch die Viertel<pc>⸗</pc>
<lb/>und Drittel<choice><orig> T</orig><reg>t</reg></choice>öne sein. Zwischen g mit 376 Schwingungen und
<lb/>a mit 435 kann man z. B. alle Zwischentöne darstellen, selbst
<lb/>Unterschiede von einer Schwingung lassen sich darstellen. Dann
<lb/>gi<orig>e</orig>bt es auch in der <orgName key="E0600156">Königl. Hochschule für Musik</orgName> ein neues
<lb/>Harmonium, auf dem man klanglich den Unterschied
<lb/>zwischen der reinen und temperierten Stimmung herstellen
<lb/>kann in beliebigen Akkordfolgen, Modulationen. Ich habe
<lb/>ein<orig> </orig>mal darauf spielen hören, die Bruchteile der ganzen
<lb/>Töne sind darauf deutlich hörbar.
</p>
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4Diplomatische Umschrift
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Vor kurzer Zeit erhielt ich Nachricht […]1 Zeichen: überschrieben.
aus
Amerika, daß mein Essay über Ihre
Werke nach einer langen Reise endlich
angekommen ist. Dies setzt mich in
die Lage wegen der deutschen Arbeit mich
mit Breitkopf’s zu verständigen. Nachrichten
aus Berlin wird Ihnen Rita wohl
ausführlich gebracht haben. Das Allerneueste
ist der große Krieg der Kritiker, Weiss- mann contra L. Schmidt;Am 3. Februar 1916 wurde ein Beitrag von Adolf Weißmann in der Schaubühne veröffentlicht, in dem er mit seinem Kollegen Leopold Schmidt abrechnet (vgl. ausführlicher Kommentar zum Brief von Hans Huber an Ferruccio Busoni vom 11. Februar 1916).
der erste Akt
ist m[…]mindestens 1 Zeichen: überschrieben.
it einem starken Schlußeffekt schon
vorbei gegangen, was die späteren Akte
bringen werden, erwarten wir hier
gespannt, denn es handelt sich dabei
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Vor kurzer Zeit erhielt ich Nachricht <subst><del rend="overwritten"><gap extent="1" unit="char" reason="overwritten"/></del><add place="across">a</add></subst>us
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<lb/>Werke nach einer langen Reise endlich
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<lb/>mit <orgName key="E0600002" rend="latin">Breitkopf<orig>’</orig>s</orgName> zu verständigen. Nachrichten
<lb/>aus <placeName key="E0500029" rend="latin">Berlin</placeName> wird Ihnen <persName key="E0300351" rend="latin">Rita</persName> wohl
<lb/>ausführlich gebracht haben. Das Allerneueste
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<lb/>bringen werden, erwarten wir hier
<lb/>gespannt, denn es handelt sich dabei
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5Diplomatische Umschrift
5XML
zu: Mus.ep. H. Leichtentritt 11B II, 2768
[3]
um mehr als ein bloß persönliches Gezäanke.
Der Rat, den Sie mir in Betreff meiner
dramatischen Pläne geben, ist gut. Die
Dichtung ist zu drei vierteln fertig, wenig⸗ stens im ersten Entwurf. Ich werde
aber versuchen einen flotten kleinen
lustigen Einakter zu bauen, den ich
als heiteres Praeludium und auch zur eige⸗ nen Erholung von der langen u. schwierigen
größeren Arbeit vorher vom Stapel
schieben möchte.
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um mehr als ein bloß persönliches Gez<subst><del rend="strikethrough-part">ä</del><add place="remainder">a</add></subst>nke.
<lb/>Der Rat, den Sie mir in Betreff <rs key="E0400446">meiner
<lb/>dramatischen Pläne</rs> geben, ist gut. Die
<lb/>Dichtung ist zu drei <choice><orig>v</orig><reg>V</reg></choice>ierteln fertig, wenig
<lb break="no"/>stens im ersten Entwurf. Ich werde
<lb/>aber versuchen<reg>,</reg> einen flotten<reg>,</reg> kleinen<reg>,</reg>
<lb/>lustigen <rs key="E0400451">Einakter</rs> zu bauen, den ich
<lb/>als heiteres <hi rend="latin">Praeludium</hi> und auch zur eige
<lb break="no"/>nen Erholung von der langen <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> schwierigen
<lb/><rs key="E0400446">größeren Arbeit</rs> vorher vom Stapel
<lb/>schieben möchte.
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Ich begrüße Sie und <rs type="persons" key="E0300059 E0300060 E0300153">Ihre Familie</rs>
<lb/>herzlichst.
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<lb/>Staatsbibliothek
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Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 2768 | olim:
Mus.ep. H. Leichtentritt 11 (Busoni-Nachl. B II)
|
Leichtentritt dankt für die angetragene Widmung von BusonisBach-Studie; stellt sein Verständnis der „falschen Töne“ klar; beschreibt die Möglichkeiten des Harmoniums zur Darstellung von Zwischentönen; will sich mit Breitkopf & Härtel über die geplante Busoni-Biographie verständigen; äußert sich zum Streit von Adolf Weißmann und Leopold Schmidt; macht Fortschritte mit dem Libretto seiner Oper; plant zuvor, Busonis Rat folgend, einen Einakter.
Incipit
„Ich schulde Ihnen noch Antwort auf Ihren letzten Brief“
Brief von Hugo Leichtentritt an Ferruccio Busoni (Berlin, 7. Februar 1916), bearbeitet von Juliane Imme, in: Briefwechsel Ferruccio Busoni – Hugo Leichtentritt, hrsg. von Christian Schaper und Ullrich Scheideler, Berlin: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, : Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, https://busoni-nachlass.org/D0101508 (14. November 2020: zur Freigabe vorgeschlagen)
Download der bereinigten Lesefassung im PDF-Dateiformat (.pdf)
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<title xml:lang="de">Brief von Hugo Leichtentritt an Ferruccio Busoni (Berlin, 7. Februar 1916)</title>
<title xml:lang="en">Letter by Hugo Leichtentritt to Ferruccio Busoni (Berlin, 7 February 1916)</title>
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<publisher>Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin</publisher>
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<title type="main">Ferruccio Busoni – Briefe und Schriften</title>
<title type="genre">Briefe</title>
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<handNote xml:id="major_hand" scope="major" medium="black_ink" scribe="author" scribeRef="#E0300093">Hand des Absenders Hugo Leichtentritt, Brieftext in schwarzer Tinte, in deutscher Kurrentschrift.</handNote>
<handNote xml:id="archive_sig" scope="minor" medium="pencil" scribe="archivist">Hand des Archivars, der die Signaturen mit Beistift eingetragen hat.</handNote>
<handNote xml:id="archive_fol" scope="minor" medium="pencil" scribe="archivist">Hand des Archivars, der die Foliierung mit Bleistift vorgenommen hat.</handNote>
<handNote xml:id="archive_red" scope="minor" medium="red_pen" scribe="archivist">Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift eingetragen hat.</handNote>
<handNote xml:id="dsb_st_red" scope="minor" medium="red_ink" scribe="archivist">Bibliotheksstempel (rote Tinte)</handNote>
<handNote xml:id="sbb_st_blue" scope="minor" medium="blue_ink" scribe="archivist">Bibliotheksstempel (blaue Tinte)</handNote>
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<del rend="strikethrough">
Mus.ep. H. Leichtentritt 11
<lb/><handShift new="#sbb_st_blue"/>Nachlaß Busoni <handShift new="#archive_red"/>B II
</del>
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<origPlace key="E0500029">Berlin</origPlace>
<origDate when-iso="1916-02-07"/>
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<p>Erfassung von Briefen und Schriften von Ferruccio Busoni, ausgehend von Busonis Nachlass in der Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz.</p>
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<hyphenation eol="hard" rend="dh">
<p>Worttrennungen an Zeilenumbrüchen im Original mit Doppelbindestrichen (⸗).</p>
</hyphenation>
<punctuation marks="all" placement="external">
<p>Alle im Text vorkommenden Interpunktionszeichen wurden beibehalten und werden in der diplomatischen Umschrift wiedergegeben. Bei Auszeichnung durch XML-Elemente wurden umgebende Satzzeichen nicht mit einbezogen.</p>
</punctuation>
<quotation marks="none">
<p>Anführungszeichen wurden i. d. R. nicht beibehalten; die Art der Zeichen wurde im Attribut <att>rend</att> der entsprechenden Elemente codiert.</p>
</quotation>
<p>Die Übertragung folgt den Editionsrichtlinien des Projekts. <ptr target="http://www.busoni-nachlass.org/E1000003"/></p>
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<persName ref="http://d-nb.info/gnd/116878363" key="E0300093">Leichtentritt, Hugo</persName>
<date when="1916-02-07"/>
<placeName ref="http://www.geonames.org/2950159" key="E0500029">Berlin</placeName>
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<persName ref="http://d-nb.info/gnd/118518011" key="E0300017">Busoni, Ferruccio</persName>
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<change when-iso="2020-09-11" who="#E0300327">Kommentierung abgeschlossen; status="proposed".</change>
<change when-iso="2020-11-14" who="#E0300314">Durchsicht abgeschlossen; status="candidate"</change>
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<del rend="strikethrough">Mus.ep. H. Leichtentritt 11 (Busoni-Nachl. <handShift new="#archive_red"/>B II<handShift new="#archive_sig"/>)</del>
<add place="below">Mus.Nachl. F. Busoni B II, 2768</add>
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<note type="foliation" place="top-right" resp="#archive_fol" rend="space-below">[1]</note>
<opener>
<dateline rend="right align(center) latin">
<address rend="space-above">
<addrLine>
<placeName key="E0500634">Berlin W.<reg>,</reg> Winterfeldt<choice><orig> S</orig><reg>s</reg></choice>tr. 25<hi rend="sup underline2">a</hi></placeName>
</addrLine>
</address>
<date when-iso="1916-02-07">
<choice><abbr>d.</abbr><expan>den</expan></choice> 7. <choice><abbr>Febr.</abbr><expan>Februar</expan></choice> 1916.
</date>
</dateline>
<salute rend="align(left)">Sehr verehrter Meister <persName key="E0300017" rend="latin">Busoni</persName>!</salute>
</opener>
<p rend="indent-first">
Ich schulde Ihnen noch Antwort auf <ref target="#D0101507">Ihren
<lb/>letzten Brief</ref>. Da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> Sie <rs key="E0400456">eine <subst><del rend="overwritten">i</del><add place="across">I</add></subst>hrer Arbeiten</rs>
<lb/>mir widmen wollen<reg>,</reg> ist mir eine Ehre
<lb/>und Genugt<sic>t</sic><orig>h</orig>uung<reg>,</reg> und ich danke Ihnen
<lb/>herzlich für die Auszeichnung. Es freut mich
<lb/>auch<reg>,</reg> aus <ref target="#D0101507">Ihrem Briefe</ref> zu ersehen, da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> wir
<lb/>eigentlich einer Meinung sind<reg>,</reg> was die
<lb/>Diskussion über das Neue und die <soCalled rend="dq-du">falschen</soCalled>
<lb/>Töne anbetrifft. Beachten Sie, bitte, da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> ich die
<lb/><soCalled rend="dq-du">falschen</soCalled> Töne immer mit Gänsefüßchen
<lb/>einherspazieren lasse, um anzudeuten<reg>,</reg> da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice>
<lb/>ich sie nicht als absolut falsch will verstanden
<pb n="2"/>
<note type="foliation" place="top-right" resp="#archive_fol">[2]</note>
haben, sondern nur als falsch im Ansehen der
<lb/>Leute gemeinhin. Auch ich glaube mit
<lb/>Ihnen, da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> alle nur möglichen Töne
<lb/>in der Musik einen Platz finden können,
<lb/>nur kommt es darauf an, ein System
<lb/>dieser neuen Töne zu finden, einen
<lb/>Boden zum natürlichen Wachstum ihnen zu
<note type="stamp" place="margin-left" resp="#dsb_st_red">
<stamp rend="round border align(center) small rotate(90)">
Deutsche
<lb/>Staatsbibliothek
<lb/><placeName key="E0500029"><hi rend="spaced-out">Berlin</hi></placeName>
</stamp>
</note>
<lb/>bereiten, damit sie nicht wie Fabelwesen
<lb/>vom Monde her in unsere brave Musik
<lb/>hineinplatzen und als kuriose <foreign xml:lang="en" rend="latin">outsiders</foreign>
<lb/>betrübt dastehen. Mit den Viertel<reg>-</reg> und
<lb/>Dritteltönen habe ich mich nicht so intensiv
<lb/>abgegeben, da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> ich etwas <choice><orig>g</orig><reg>G</reg></choice>ewichtiges darüber
<lb/>ausführen könnte. Ich entsinne mich aber
<lb/>aus früh<del rend="strikethrough"><gap extent="1" unit="char" reason="strikethrough"/></del>eren Jahren, als ich mich ein
<lb/>wenig mit den akustischen Dingen
<pb n="3"/>
befa<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice>te, da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> ich im <orgName key="E0600212">Psychologischen Institut</orgName> <rs key="E0600171">unserer Universität</rs>
<note type="commentary" resp="#E0300327"><persName key="E0300093">Leichtentritt</persName> studierte u. a. an der <orgName key="E0600157">Harvard University</orgName> und der <placeName key="E0500029">Berliner</placeName> <orgName key="E0600171">Friedrich-Wilhelms-Universität</orgName>. Hier dürfte Letztere gemeint sein, an der <persName key="E0300093">Leichtentritt</persName> seit <date from-iso="1898">1898</date> studierte und <date when-iso="1901">1901</date> promoviert wurde. An der <orgName key="E0600157">Harvard University</orgName> existiert ein Department of Psychology erst seit <date when-iso="1934">1934</date>.</note>
ein<reg>,</reg>
<lb/>wenn ich mich recht erinnere<reg>,</reg> auf elektrischem Wege betriebenes
<lb/>Harmonium sah, auf dem man Töne von jeder beliebigen
<lb/>Schwingungszahl spielen konnte<subst><del rend="strikethrough overwritten">,</del><add place="across">.</add></subst> Darunter müssen auch die Viertel<pc>⸗</pc>
<lb/>und Drittel<choice><orig> T</orig><reg>t</reg></choice>öne sein. Zwischen g mit 376 Schwingungen und
<lb/>a mit 435 kann man z. B. alle Zwischentöne darstellen, selbst
<lb/>Unterschiede von einer Schwingung lassen sich darstellen. Dann
<lb/>gi<orig>e</orig>bt es auch in der <orgName key="E0600156">Königl. Hochschule für Musik</orgName> ein neues
<lb/>Harmonium, auf dem man klanglich den Unterschied
<lb/>zwischen der reinen und temperierten Stimmung herstellen
<lb/>kann in beliebigen Akkordfolgen, Modulationen. Ich habe
<lb/>ein<orig> </orig>mal darauf spielen hören, die Bruchteile der ganzen
<lb/>Töne sind darauf deutlich hörbar.
</p>
<pb n="4"/>
<p>
Vor kurzer Zeit erhielt ich Nachricht <subst><del rend="overwritten"><gap extent="1" unit="char" reason="overwritten"/></del><add place="across">a</add></subst>us
<lb/><placeName key="E0500093">Amerika</placeName>, da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> mein <rs key="E0800294">Essay</rs> über Ihre
<lb/>Werke nach einer langen Reise endlich
<lb/>angekommen ist. Dies setzt mich in
<lb/>die Lage<reg>,</reg> wegen der <rs key="E0800114">deutschen Arbeit</rs> mich
<lb/>mit <orgName key="E0600002" rend="latin">Breitkopf<orig>’</orig>s</orgName> zu verständigen. Nachrichten
<lb/>aus <placeName key="E0500029" rend="latin">Berlin</placeName> wird Ihnen <persName key="E0300351" rend="latin">Rita</persName> wohl
<lb/>ausführlich gebracht haben. Das Allerneueste
<lb/>ist der große Krieg der Kritiker, <persName key="E0300277" rend="latin">Wei<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>
<lb break="no" rend="sh"/>mann</persName> <hi rend="latin">contra</hi> <persName key="E0300032" rend="latin">L. Schmidt</persName>;
<note type="commentary" resp="#E0300327">Am <date when-iso="1916-02-03">3. Februar 1916</date> wurde ein <rs key="E0800101">Beitrag</rs> von <persName key="E0300277">Adolf Weißmann</persName> in der <orgName key="E0600029">Schaubühne</orgName> veröffentlicht, in dem er mit seinem Kollegen <persName key="E0300032">Leopold Schmidt</persName> abrechnet (vgl. ausführlicher Kommentar zum <ref target="#D0100135">Brief</ref> von <persName key="E0300125">Hans Huber</persName> an <persName key="E0300017">Ferruccio Busoni</persName> vom <date when-iso="1916-02-11">11. Februar 1916</date>).</note>
der erste Akt
<lb/>ist m<subst><del rend="overwritten"><gap atLeast="1" unit="char" reason="overwritten"/></del><add place="across">it</add></subst> einem starken Schlu<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice>effekt schon
<lb/>vorbei<orig> </orig>gegangen, was die späteren Akte
<lb/>bringen werden, erwarten wir hier
<lb/>gespannt, denn es handelt sich dabei
<pb n="5"/>
<note type="shelfmark" place="top-left" resp="#archive_sig">
<subst>
<del rend="strikethrough">zu: Mus.ep. H. Leichtentritt 11</del>
<add place="inline" rend="indent">B II, 2768</add>
</subst>
</note>
<note type="foliation" place="top-right" resp="#archive_fol">[3]</note>
um mehr als ein bloß persönliches Gez<subst><del rend="strikethrough-part">ä</del><add place="remainder">a</add></subst>nke.
<lb/>Der Rat, den Sie mir in Betreff <rs key="E0400446">meiner
<lb/>dramatischen Pläne</rs> geben, ist gut. Die
<lb/>Dichtung ist zu drei <choice><orig>v</orig><reg>V</reg></choice>ierteln fertig, wenig
<lb break="no"/>stens im ersten Entwurf. Ich werde
<lb/>aber versuchen<reg>,</reg> einen flotten<reg>,</reg> kleinen<reg>,</reg>
<lb/>lustigen <rs key="E0400451">Einakter</rs> zu bauen, den ich
<lb/>als heiteres <hi rend="latin">Praeludium</hi> und auch zur eige
<lb break="no"/>nen Erholung von der langen <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> schwierigen
<lb/><rs key="E0400446">größeren Arbeit</rs> vorher vom Stapel
<lb/>schieben möchte.
</p>
<closer rend="indent-first">
Ich begrüße Sie und <rs type="persons" key="E0300059 E0300060 E0300153">Ihre Familie</rs>
<lb/>herzlichst.
<note type="stamp" place="bottom" rend="indent" resp="#dsb_st_red">
<stamp rend="round border align(center) small">
Deutsche
<lb/>Staatsbibliothek
<lb/><placeName key="E0500029"><hi rend="spaced-out">Berlin</hi></placeName>
</stamp>
</note>
<salute rend="align(right)">Ihr sehr ergebener</salute>
<signed rend="latin align(right)"><persName key="E0300093">H. Leichtentritt</persName>.</signed>
</closer>
<pb n="6"/>
<note type="objdesc" resp="#E0300327">[Rückseite von Textseite 5]</note>
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<stamp>Nachlaß Busoni</stamp>
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