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Mus.ep. H. Leichtentritt 11 (Busoni-Nachl. B II) Mus.Nachl. F. Busoni B II, 2768
[1]
Berlin W. Winterfeldt Str. 25a
d. 7. Febr. 1916.
Sehr verehrter Meister Busoni!
Ich schulde Ihnen noch Antwort auf Ihren
letzten Brief. Daß Sie eine iIhrer Arbeiten
mir widmen wollen ist mir eine Ehre
und Genugtthuung und ich danke Ihnen
herzlich für die Auszeichnung. Es freut mich
auch aus Ihrem Briefe zu ersehen, daß wir
eigentlich einer Meinung sind was die
Diskussion über das Neue und die „falschen“
Töne anbetrifft. Beachten Sie, bitte, daß ich die
„falschen“ Töne immer mit Gänsefüßchen
einherspazieren lasse, um anzudeuten daß
ich sie nicht als absolut falsch will verstanden
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Berlin W., Winterfeldtstr. 25a
den 7. Februar 1916.
Sehr verehrter Meister Busoni!
Ich schulde Ihnen noch Antwort auf Ihren
letzten Brief. Dass Sie eine Ihrer Arbeiten
mir widmen wollen, ist mir eine Ehre
und Genugtuung, und ich danke Ihnen
herzlich für die Auszeichnung. Es freut mich
auch, aus Ihrem Briefe zu ersehen, dass wir
eigentlich einer Meinung sind, was die
Diskussion über das Neue und die „falschen“
Töne anbetrifft. Beachten Sie, bitte, dass ich die
„falschen“ Töne immer mit Gänsefüßchen
einherspazieren lasse, um anzudeuten, dass
ich sie nicht als absolut falsch will verstanden
haben, sondern nur als falsch im Ansehen der
Leute gemeinhin. Auch ich glaube mit
Ihnen, dass alle nur möglichen Töne
in der Musik einen Platz finden können,
nur kommt es darauf an, ein System
dieser neuen Töne zu finden, einen
Boden zum natürlichen Wachstum ihnen zu
bereiten, damit sie nicht wie Fabelwesen
vom Monde her in unsere brave Musik
hineinplatzen und als kuriose outsiders
betrübt dastehen. Mit den Viertel- und
Dritteltönen habe ich mich nicht so intensiv
abgegeben, dass ich etwas Gewichtiges darüber
ausführen könnte. Ich entsinne mich aber
aus früheren Jahren, als ich mich ein
wenig mit den akustischen Dingen
befasste, dass ich im Psychologischen Institut unserer Universität
Leichtentritt studierte u. a. an der Harvard University und der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität. Hier dürfte Letztere gemeint sein, an der Leichtentritt seit 1898 studierte und 1901 promoviert wurde. An der Harvard University existiert ein Department of Psychology erst seit 1934.
ein,
wenn ich mich recht erinnere, auf elektrischem Wege betriebenes
Harmonium sah, auf dem man Töne von jeder beliebigen
Schwingungszahl spielen konnte. Darunter müssen auch die Viertel-
und Dritteltöne sein. Zwischen g mit 376 Schwingungen und
a mit 435 kann man z. B. alle Zwischentöne darstellen, selbst
Unterschiede von einer Schwingung lassen sich darstellen. Dann
gibt es auch in der Königl. Hochschule für Musik ein neues
Harmonium, auf dem man klanglich den Unterschied
zwischen der reinen und temperierten Stimmung herstellen
kann in beliebigen Akkordfolgen, Modulationen. Ich habe
einmal darauf spielen hören, die Bruchteile der ganzen
Töne sind darauf deutlich hörbar.
Vor kurzer Zeit erhielt ich Nachricht aus
Amerika, dass mein Essay über Ihre
Werke nach einer langen Reise endlich
angekommen ist. Dies setzt mich in
die Lage, wegen der deutschen Arbeit mich
mit Breitkopfs zu verständigen. Nachrichten
aus Berlin wird Ihnen Rita wohl
ausführlich gebracht haben. Das Allerneueste
ist der große Krieg der Kritiker, Weißmann contra L. Schmidt;
Am 3. Februar 1916 wurde ein Beitrag von Adolf Weißmann in der Schaubühne veröffentlicht, in dem er mit seinem Kollegen Leopold Schmidt abrechnet (vgl. ausführlicher Kommentar zum Brief von Hans Huber an Ferruccio Busoni vom 11. Februar 1916).
der erste Akt
ist mit einem starken Schlusseffekt schon
vorbeigegangen, was die späteren Akte
bringen werden, erwarten wir hier
gespannt, denn es handelt sich dabei
um mehr als ein bloß persönliches Gezanke.
Der Rat, den Sie mir in Betreff meiner
dramatischen Pläne geben, ist gut. Die
Dichtung ist zu drei Vierteln fertig, wenigstens im ersten Entwurf. Ich werde
aber versuchen, einen flotten, kleinen,
lustigen Einakter zu bauen, den ich
als heiteres Praeludium und auch zur eigenen Erholung von der langen und schwierigen
größeren Arbeit vorher vom Stapel
schieben möchte.
Ich begrüße Sie und Ihre Familie
herzlichst.
Ihr sehr ergebener
H. Leichtentritt.
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haben, sondern nur als falsch im Ansehen der
Leute gemeinhin. Auch ich glaube mit
Ihnen, daß alle nur möglichen Töne
in der Musik einen Platz finden können,
nur kommt es darauf an, ein System
dieser neuen Töne zu finden, einen
Boden zum natürlichen Wachstum ihnen zu
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
bereiten, damit sie nicht wie Fabelwesen
vom Monde her in unsere brave Musik
hineinplatzen und als kuriose outsiders
betrübt dastehen. Mit den Viertel und
Dritteltönen habe ich mich nicht so intensiv
abgegeben, daß ich etwas gewichtiges darüber
ausführen könnte. Ich entsinne mich aber
aus früh[…]
1 char: cancelled.
eren Jahren, als ich mich ein
wenig mit den akustischen Dingen
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befaßte, daß ich im Psychologischen Institut unserer Universität
Leichtentritt studierte u. a. an der Harvard University und der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität. Hier dürfte Letztere gemeint sein, an der Leichtentritt seit 1898 studierte und 1901 promoviert wurde. An der Harvard University existiert ein Department of Psychology erst seit 1934.
ein
wenn ich mich recht erinnere auf elektrischem Wege betriebenes
Harmonium sah, auf dem man Töne von jeder beliebigen
Schwingungszahl spielen konnte,. Darunter müssen auch die Viertel⸗
und Drittel Töne sein. Zwischen g mit 376 Schwingungen und
a mit 435 kann man z. B. alle Zwischentöne darstellen, selbst
Unterschiede von einer Schwingung lassen sich darstellen. Dann
giebt es auch in der Königl. Hochschule für Musik ein neues
Harmonium, auf dem man klanglich den Unterschied
zwischen der reinen und temperierten Stimmung herstellen
kann in beliebigen Akkordfolgen, Modulationen. Ich habe
ein mal darauf spielen hören, die Bruchteile der ganzen
Töne sind darauf deutlich hörbar.
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ein<reg>,</reg>
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<lb/>Harmonium sah, auf dem man Töne von jeder beliebigen
<lb/>Schwingungszahl spielen konnte<subst><del rend="strikethrough overwritten">,</del><add place="across">.</add></subst> Darunter müssen auch die Viertel<pc>⸗</pc>
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<lb/>a mit 435 kann man z. B. alle Zwischentöne darstellen, selbst
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<lb/>Harmonium, auf dem man klanglich den Unterschied
<lb/>zwischen der reinen und temperierten Stimmung herstellen
<lb/>kann in beliebigen Akkordfolgen, Modulationen. Ich habe
<lb/>ein<orig> </orig>mal darauf spielen hören, die Bruchteile der ganzen
<lb/>Töne sind darauf deutlich hörbar.
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Vor kurzer Zeit erhielt ich Nachricht […]
1 char: overwritten.
aus
Amerika, daß mein Essay über Ihre
Werke nach einer langen Reise endlich
angekommen ist. Dies setzt mich in
die Lage wegen der deutschen Arbeit mich
mit Breitkopf’s zu verständigen. Nachrichten
aus Berlin wird Ihnen Rita wohl
ausführlich gebracht haben. Das Allerneueste
ist der große Krieg der Kritiker, Weiss- mann contra L. Schmidt;
Am 3. Februar 1916 wurde ein Beitrag von Adolf Weißmann in der Schaubühne veröffentlicht, in dem er mit seinem Kollegen Leopold Schmidt abrechnet (vgl. ausführlicher Kommentar zum Brief von Hans Huber an Ferruccio Busoni vom 11. Februar 1916).
der erste Akt
ist m[…]
at least 1 char: overwritten.
it einem starken Schlußeffekt schon
vorbei gegangen, was die späteren Akte
bringen werden, erwarten wir hier
gespannt, denn es handelt sich dabei
|
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Vor kurzer Zeit erhielt ich Nachricht <subst><del rend="overwritten"><gap extent="1" unit="char" reason="overwritten"/></del><add place="across">a</add></subst>us
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<lb/>Werke nach einer langen Reise endlich
<lb/>angekommen ist. Dies setzt mich in
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<lb/>mit <orgName key="E0600002" rend="latin">Breitkopf<orig>’</orig>s</orgName> zu verständigen. Nachrichten
<lb/>aus <placeName key="E0500029" rend="latin">Berlin</placeName> wird Ihnen <persName key="E0300351" rend="latin">Rita</persName> wohl
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<lb/>vorbei<orig> </orig>gegangen, was die späteren Akte
<lb/>bringen werden, erwarten wir hier
<lb/>gespannt, denn es handelt sich dabei
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zu: Mus.ep. H. Leichtentritt 11B II, 2768
[3]
um mehr als ein bloß persönliches Gez äanke.
Der Rat, den Sie mir in Betreff meiner
dramatischen Pläne geben, ist gut. Die
Dichtung ist zu drei vierteln fertig, wenig⸗ stens im ersten Entwurf. Ich werde
aber versuchen einen flotten kleinen
lustigen Einakter zu bauen, den ich
als heiteres Praeludium und auch zur eige⸗ nen Erholung von der langen u. schwierigen
größeren Arbeit vorher vom Stapel
schieben möchte.
Ich begrüße Sie und Ihre Familie
herzlichst.
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
Ihr sehr ergebener
H. Leichtentritt.
|
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<lb/>Der Rat, den Sie mir in Betreff <rs key="E0400446">meiner
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<lb/>Dichtung ist zu drei <choice><orig>v</orig><reg>V</reg></choice>ierteln fertig, wenig
<lb break="no"/>stens im ersten Entwurf. Ich werde
<lb/>aber versuchen<reg>,</reg> einen flotten<reg>,</reg> kleinen<reg>,</reg>
<lb/>lustigen <rs key="E0400451">Einakter</rs> zu bauen, den ich
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<lb/>schieben möchte.
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[Rückseite von Textseite 5]
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Mus.Nachl. F. Busoni B II, 2768-Beil.
Mus.ep. H. Leichtentritt 11
Nachlaß Busoni B II
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