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                                                            N.Mus.Nachl. 30, 113 Mein verehrter Meister und Freund! Ich bitte Sie vor allem um Verzeihung, dass
               ich Ihre lieben Briefe
                                                                Vgl. die beiden vorherigen Briefe Busonis vom 4. März 1920 sowie vom 10. März 1920.
               
               so spät beantworte. Ich war
 in der letzten Zeit in etwas flacher Stimmung,
 was nicht zuletzt davon herrühren mag, dass
 ich vierzehn Tage lang im Stimmenmaterial
 meiner „Symphonia brevis“ Fehler abkratzte,
 – während ich so gern etwas andres getan hätte –
 und so aus dem Nachdenken über eine neue
 Arbeit herausgerissen wurde.
 – Ich musste kürzlich, um eine vergessene
               Adresse zu finden, meine Schubladen durchstöbern.
 Bei dieser Gelegenheit kam eine Anzahl Ihrer
 früheren Briefe zum Vorschein. Ich las sie
 wieder, es war ein schöner, klarer Augenblick.
 Ich sah, dass unsere Freundschaft – Sie erlauben
 mir, dieses Wort zu gebrauchen? – schon eine
 Geschichte hat. Zunächst die Geschichte von
 Entstehung, Aufführung und Druck von „Turan-
 dot“ u. „Arlecchino“, (in etwa dreissig Briefen
 festgehalten).
                                                                Busoni hatte Jarnach 1916 beauftragt, die Klavierauszüge für Turandot und Arlecchino zu erstellen; im Jahr 1917 wird der Briefwechsel von entsprechenden Korrekturanweisungen dominiert. Zudem war Jarnach auf Busonis Empfehlung hin als Korrepetitor am Zürcher Stadttheater engagiert worden, um die beiden Opern einzustudieren (vgl. Weiss 1996, S. 59 f.).
               
               – Dann, im wesentlichen, die Geschichte
 meiner Bekehrung zu ästhetischen Wahrheiten,
 denen ich 1916 noch recht fern stand, doch kurz
 darauf deutlich zu fühlen begann. Am 10 Februar
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               Mein verehrter Meister und Freund! Ich bitte Sie vor allem um Verzeihung, dass
                ich Ihre lieben Briefe
                                                                Vgl. die beiden vorherigen Briefe Busonis vom 4. März 1920 sowie vom 10. März 1920.
               
               so spät beantworte. Ich war
                in der letzten Zeit in etwas flacher Stimmung,
                was nicht zuletzt davon herrühren mag, dass
                ich vierzehn Tage lang im Stimmenmaterial
                meiner „Symphonia brevis“ Fehler abkratzte
                – während ich so gern etwas andres getan hätte –
                und so aus dem Nachdenken über eine neue
                Arbeit herausgerissen wurde. Ich musste kürzlich, um eine vergessene
                Adresse zu finden, meine Schubladen durchstöbern.
                Bei dieser Gelegenheit kam eine Anzahl Ihrer
                früheren Briefe zum Vorschein. Ich las sie
                wieder, es war ein schöner, klarer Augenblick.
                Ich sah, dass unsere Freundschaft – Sie erlauben
                mir, dieses Wort zu gebrauchen? – schon eine
                Geschichte hat. Zunächst die Geschichte von
                Entstehung, Aufführung und Druck von „Turandot“ und „Arlecchino“ (in etwa dreißig Briefen
                festgehalten).
                                                                Busoni hatte Jarnach 1916 beauftragt, die Klavierauszüge für Turandot und Arlecchino zu erstellen; im Jahr 1917 wird der Briefwechsel von entsprechenden Korrekturanweisungen dominiert. Zudem war Jarnach auf Busonis Empfehlung hin als Korrepetitor am Zürcher Stadttheater engagiert worden, um die beiden Opern einzustudieren (vgl. Weiss 1996, S. 59 f.).
               
               – Dann, im Wesentlichen, die Geschichte
                meiner Bekehrung zu ästhetischen Wahrheiten,
                denen ich 1916 noch recht fern stand, doch kurz
                darauf deutlich zu fühlen begann. Am 10. Februar
                  
                  
                  
                  1919 schrieben Sie: „Aus verstreuten Äußerungen, die Sie
                einmal und das andere getan, entnehme ich,
                wie Sie allmählich zu meinen Prinzipien
                gelangen.“ In demselben Brief nannten Sie die post-wagnersche Periode den „dämmernden Werktag“;
                                                                Busoni an Jarnach, 10. Februar 1919: „Aus verstreuten Aüsserungen die Sie, einmal und das andere, getan entnahm ich, wie Sie allmälig zu meinen Prinzipien gelangen. Verdoppelungen – Wiederholungen – Steigerungen – Mangel an Luft – all dieses Rüstzeug eines dämmernden u. bald vergangenen Werk-Tages erkennen Sie als hinderlich.“
               
                ein treffendes Wort, das Sie wahrscheinlich
                vergessen haben; es charakterisiert eine ganze
                Generation. Endlich – um die Periodizität der pianistischen
                Störungen zu illustrieren (Sie sprachen davon
                in Ihrem vorletzten Brief) – erinnere ich Sie
                an Ihr Epigramm: 
                  (19. Februar 1918)
                     „… Inzwischen: in des Schaffens Wüsten,Sind Oasen des Pianisten,
 Und die Partitur, sie stockt.
 Weiß und schwarz durch Fingerlasten
 Senken, heben sich die Tasten,
 Wenn der A.... am Stuhle hockt.“
 Sie fragen sich vielleicht verwundert, warum
                ich dies alles anführe. Mein lieber Meister, das
                ist eben meine Antwort auf Ihre Befürchtung,
               
                ich könnte die Ratschläge in Ihrem ersten
               
               
               
                
               
                Pariser Brief missverstehen. Missverständnisse
                auf diesem Boden kann es zwischen uns doch
                nicht geben! Es würde mich betrüben, wenn
                ich glauben müsste, dass Sie darüber wirklich
                im Zweifel sind. Sie unterschätzen mich wohl? Wenn ein Busoni von Kunst zu mir
                spricht, habe ich keine Zeit, empfindlich zu sein! Ich war im Marionettentheater;
                                                                Im Frühjahr 1920 spielte das Marionetten-Theater Münchner Künstler ein Faust-Puppenspiel im Kunstgewerbemuseum Zürich. Busoni hatte eine Vorstellung angesehen (vermutlich am 2. März, vgl. Beaumont 1987, Anmerkung 284/3, S. 304).
               
               auch auf
                mich machte das Faustspiel einen tiefen
                Eindruck. Am meisten frappierte mich die
                formale Geschlossenheit der einzelnen Szenen,
                die in seltsamem Kontrast zur scheinbaren
                Primitivität der Ausführung steht. – Dagegen
                fehlt etwas zwischen dem Akt in Parma
                und dem Schlussbild – das prächtig gebaut
                ist –, und ich merkte, wie Sie recht taten,
                dazwischen die Wirtschaftsszene einzuschalten.
                Erst dadurch erhält das Ganze auch äußere
                Abrundung.
                                                                Eine umfangreiche Erklärung zu den Übereinstimmungen und Abweichungen der Libretti des Doktor Faust und des Puppenspiels gibt Busoni in einem Brief an Gisella Selden-Goth (14. Mai 1920, vgl. Beaumont 1987, S. 308 f.).
            
             Die Münchner Bearbeitung scheint mir
                einige Details zu schwächen. Auch sehe ich
                die Notwendigkeit nicht ein. Dagegen war
                die Darstellung wundervoll. Die Faust-Idee
                überrumpelt unsere Blasiertheit – welche leider
                nicht immer eingebildet ist – stets aufs
               
               
               
               Neue; ich begreife, dass Sie, in dem ein
                großer Ausdruck dieser Idee reift, nach
                dieser Vorstellung den Zufall verwünschten,
                am nächsten Tag abreisen zu müssen.
                                                                Vgl. Busonis Brief vom 4. März 1920.
            
             Umso mehr freuten mich die Nachrichten,
                die Sie uns aus Paris geben. Ihre günstigen
                Eindrücke und der begeisterte Empfang werden
                Ihren Aufenthalt sicherlich zu einem behaglichen
                gemacht haben und auf Sie – trotz der
                Riesenaufgabe
                                                                Die sechs Solo-Rezitals, das Orchesterkonzert mit Busoni als Pianist und die beiden von ihm dirigierten Konzerte waren bereits vor Busonis Anreise ausverkauft, so dass zwei weitere Rezitals und ein weiteres zu dirigierendes Orchesterkonzert anberaumt wurden, Busoni also zwischen 4. März und 2. April 1920 neun Auftritte zu absolvieren hatte (vgl. Willimann 1994, S.119/122 f.; Beaumont 1987, Anmerkung 284/2, S. 304).
               
               – erfrischend wirken. In Ihrem
                   letzten Brief witterte ich förmlich die
                Pariser Frühlingsluft. – Es freut mich auch,
                dass ein Publikum, an das ich jeden
                Glauben verloren hatte, das Ereignis Ihrer
                Anwesenheit merkt und fühlt! 
               PS Das Manuskript v. D. werde ich an Andreae
                   weiterleiten. Die „Improvisation“ wurde von Hug
                   besorgt, da ich kein Exemplar besitze. (Ich hatte
                   seinerzeit ein Exemplar von Biolley geliehen.)
                                                                    Zu den genannten Musikalien vgl. die Kommentierung des vorherigen Briefes.
                  
                  Eine
                   Carmen-Phantasie? Sie sind an Ort und Stelle,
                   aber woher nehmen Sie die Zeit??
                | 
                                                            
                                                                <div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split">
            
            <note type="shelfmark" place="top-left" resp="#archive">N.Mus.Nachl. 30, 113</note>
            
            <opener>
               <dateline rend="align(right) space-above"><placeName key="E0500132">Zürich</placeName>, <date when-iso="1920-03-21">21<reg>.</reg> März 1920</date></dateline>
               <salute rend="align(center) space-above">Mein verehrter Meister und Freund!</salute>
            </opener>
            
            <p rend="indent-first space-above">Ich bitte Sie vor allem um Verzeihung, dass
               <lb/>ich Ihre lieben Briefe
               
               <note type="commentary" resp="#E0300616">Vgl. die beiden vorherigen Briefe <persName key="E0300017">Busonis</persName> vom <ref target="#D0101683"><date when-iso="1920-03-04">4. März 1920</date></ref> sowie vom <ref target="#D0101683"><date when-iso="1920-03-10">10. März 1920</date></ref>.</note>
               
               so spät beantworte. Ich war
               <lb/>in der letzten Zeit in etwas flacher Stimmung,
               <lb/>was nicht zuletzt davon herrühren mag, dass
               <lb/>ich vierzehn Tage lang im Stimmenmaterial
               <lb/>meiner <title key="E0400534" rend="dq-du">Symphonia brevis</title> Fehler abkratzte<orig>,</orig>
               <lb/>– während ich so gern etwas andres getan hätte –
               <lb/>und so aus dem Nachdenken über eine neue
               <lb/>Arbeit herausgerissen wurde.</p>
            <p type="pre-split"><orig>– </orig>Ich musste kürzlich, um eine vergessene
               <lb/>Adresse zu finden, meine Schubladen durchstöbern.
               <lb/>Bei dieser Gelegenheit kam eine Anzahl Ihrer
               <lb/>früheren Briefe zum Vorschein. Ich las sie
               <lb/>wieder, es war ein schöner, klarer Augenblick.
               <lb/>Ich sah, dass unsere Freundschaft – Sie erlauben
               <lb/>mir, dieses Wort zu gebrauchen? – schon eine
               <lb/>Geschichte hat. Zunächst die Geschichte von
               <lb/>Entstehung, Aufführung und Druck von <title key="E0400153" rend="dq-du">Turan
                  <lb break="no"/>dot</title> <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> <title key="E0400133" rend="dq-du">Arlecchino</title><orig>,</orig> (in etwa drei<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>ig Briefen
               <lb/>festgehalten).
               
               <note type="commentary" resp="#E0300616"><persName key="E0300017">Busoni</persName> hatte <persName key="E0300376">Jarnach</persName> <date when-iso="1916">1916</date> beauftragt, die Klavierauszüge für <title key="E0400153">Turandot</title> und <title key="E0400133">Arlecchino</title> zu erstellen; <date when-iso="1917">im Jahr 1917</date> wird der Briefwechsel von entsprechenden Korrekturanweisungen dominiert. Zudem war <persName key="E0300376">Jarnach</persName> auf <persName key="E0300017">Busonis</persName> Empfehlung hin als Korrepetitor am <orgName key="E0600037"><placeName key="E0500132">Zürcher</placeName> Stadttheater</orgName> engagiert worden, um die beiden Opern einzustudieren <bibl>(vgl. <ref target="#E0800350"/>, S. 59 f.)</bibl>.</note>
               
               – Dann, im <choice><orig>w</orig><reg>W</reg></choice>esentlichen, die Geschichte
               <lb/>meiner Bekehrung zu ästhetischen Wahrheiten,
               <lb/>denen ich <date when-iso="1916">1916</date> noch recht fern stand, doch kurz
               <lb/>darauf deutlich zu fühlen begann. <date type="pre-split" when-iso="1919-02-10">Am 10<reg>.</reg> Februar
                  
                  </date></p></div> | 
                                                
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                  1919 schrieben Sie: „Aus verstreuten Auesserungen die Sie,
               „einmal und das andere getan, entnehme ich,
 „wie Sie allmählich zu meinen Prinzipien
 „gelangen.“
 In demselben Brief nannten Sie die post-
               wagner’sche Periode den „dämmernden Werktag“;
                                                                Busoni an Jarnach, 10. Februar 1919: „Aus verstreuten Aüsserungen die Sie, einmal und das andere, getan entnahm ich, wie Sie allmälig zu meinen Prinzipien gelangen. Verdoppelungen – Wiederholungen – Steigerungen – Mangel an Luft – all dieses Rüstzeug eines dämmernden u. bald vergangenen Werk-Tages erkennen Sie als hinderlich.“
 ein treffendes Wort das Sie wahrscheinlich
 vergessen haben; es charakterisiert eine ganze
 Generation.
 Endlich – um die Periodizität der pianistischen
               Störungen zu illustrieren) (Sie sprachen davon
 in Ihrem vorletzten Brief) – erinnere ich Sie
 an Ihr Epigramm:
 
                  (19 Febr. 1918)
                     „.... Inzwischen: in des Schaffens Wüsten,„Sind Oasen des Pianisten,
 „Und die Partitur, sie stockt.
 „Weiss u. schwarz durch Fingerlasten
 „Senken, heben sich die Tasten,
 „Wenn der A.... am Stuhle hockt.“
 Sie fragen sich vielleicht verwundert, warum
               ich dies alles anführe. Mein lieber Meister, das
 ist eben meine Antwort auf Ihre Befürchtung,
                  Preußischer
 Staats-
 bibliothek
 zu Berlin
 Kulturbesitz
 ich könnte die Ratschläge in Ihrem ersten
 | 
                                                            
                                                                <div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p type="split"><date when-iso="1919-02-10" type="split">
                  
                  1919</date> schrieben Sie:</p>
            <quote rend="indent-2-first dq-du" source="#D0101669">Aus verstreuten <choice><orig>Auess</orig><reg>Äuß</reg></choice>erungen<reg>,</reg> die Sie<orig>,</orig>
               <lb rend="after:„"/>einmal und das andere getan, entnehme ich,
               <lb rend="after:„"/>wie Sie allmählich zu meinen Prinzipien
               <lb rend="after:„"/>gelangen.</quote>
            <p rend="indent-first">In <ref target="#D0101669">demselben Brief</ref> nannten Sie die post-
               <lb break="no"/><persName key="E0300006">wagner</persName><orig>’</orig>sche Periode den <q source="#D0101669" rend="dq-du">dämmernden Werktag</q>;
               
               <note type="commentary" resp="#E0300616"><cit><bibl><ref target="#D0101669"><persName key="E0300017">Busoni</persName> an <persName key="E0300376">Jarnach</persName>, <date when-iso="1919-02-10">10. Februar 1919</date></ref>:</bibl> <q source="#D0101669">Aus verstreuten Aüsserungen die Sie, einmal und das andere, getan entnahm ich, wie Sie allmälig zu meinen Prinzipien gelangen. Verdoppelungen – Wiederholungen – Steigerungen – Mangel an Luft – all dieses Rüstzeug eines dämmernden u. bald vergangenen Werk-Tages erkennen Sie als hinderlich.</q></cit></note>
               
               <lb/>ein treffendes Wort<reg>,</reg> das Sie wahrscheinlich
               <lb/>vergessen haben; es charakterisiert eine ganze
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            <p rend="indent-first">Endlich – um die Periodizität der pianistischen
               <lb/>Störungen zu illustrieren<orig>)</orig> (Sie sprachen davon
               <lb/>in <ref target="#D0101683">Ihrem vorletzten Brief</ref>) – erinnere ich Sie
               <lb/>an Ihr Epigramm:</p>
            <cit>
               <quote source="#D0101650" rend="dq-du">
                  <lg rend="indent">
                     <l><choice><orig>....</orig><reg>…</reg></choice> Inzwischen: in des Schaffens Wüsten,</l>
                     <l rend="after:„">Sind Oasen des Pianisten,</l>
                     <l rend="after:„">Und die Partitur, sie stockt.</l>
                     <l rend="after:„">Wei<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice> <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> schwarz durch Fingerlasten</l>
                     <l rend="after:„">Senken, heben sich die Tasten,</l>
                     <l rend="after:„">Wenn der A.... am Stuhle hockt.</l>
                  </lg>
               </quote>
               <bibl rend="align(right)"><ref target="#D0101650">(<date when-iso="1918-02-19">19<reg>.</reg> <choice><abbr>Febr.</abbr><expan>Februar</expan></choice> 1918</date>)</ref></bibl>
            </cit>
            <p type="pre-split" rend="space-above">Sie fragen sich vielleicht verwundert, warum
               <lb/>ich dies alles anführe. <rs key="E0300017">Mein lieber Meister</rs>, das
               <lb/>ist eben meine Antwort auf Ihre Befürchtung,
               
               <note type="stamp" place="margin-right" resp="#sbb_st_red">
                  <stamp rend="round border align(center) majuscule tiny">Preußischer
                     <lb/>Staats
                     <lb break="no"/>bibliothek
                     <lb/>zu <placeName key="E0500029">Berlin</placeName>
                     <lb/>Kulturbesitz
                  </stamp>
               </note>
               
               <lb/>ich könnte die Ratschläge in <ref target="#D0101683">Ihrem ersten</ref>
               
               </p></div> | 
                                                
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                                                                 N.Mus.Nachl. 30, 1132
               
               Pariser Brief  missverstehen. Missverständnisse
                auf diesem Boden kann es zwischen uns doch
                nicht geben! Es würde mich betrüben, wenn
                ich glauben müsste, dass Sie darüber wirklich
                im Zweifel sind. Sie unterschätzen mich wohl?
             Wenn ein Busoni von Kunst zu mir
               spricht, habe ich keine Zeit, empfindlich zu sein!
 Ich war im Marionettentheater;
                                                                Im Frühjahr 1920 spielte das Marionetten-Theater Münchner Künstler ein Faust-Puppenspiel im Kunstgewerbemuseum Zürich. Busoni hatte eine Vorstellung angesehen (vermutlich am 2. März, vgl. Beaumont 1987, Anmerkung 284/3, S. 304).
               
               auch auf
               mich machte das Faustspiel einen tiefen
 Eindruck. Am meisten frappierte mich die
 formale Geschlossenheit der einzelnen Szenen,
 die in seltsamem Kontrast zur scheinbaren
 Primitivität der Ausführung steht. – Dagegen
 fehlt etwas zwischen dem Akt in Parma
 und dem Schlussbild – das prächtig gebaut
 ist – und ich merkte wie Sie recht taten,
 dazwischen die Wirthschaftsszene einzuschalten.
 Erst dadurch erhält das Ganze auch aüssere
 Abrundung.
                                                                Eine umfangreiche Erklärung zu den Übereinstimmungen und Abweichungen der Libretti des Doktor Faust und des Puppenspiels gibt Busoni in einem Brief an Gisella Selden-Goth (14. Mai 1920, vgl. Beaumont 1987, S. 308 f.).
 Die Münchnerbearbeitung scheint mir
               einige Details zu schwächen. Auch sehe ich
 die Notwendigkeit nicht ein. Dagegen war
 die Darstellung wundervoll. Die Faust-Idee
 überrumpelt unsere Blasiertheit – welche leider
 nicht immer eingebildet ist – stets aufs
 | 
                                                            
                                                                <div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="space-above" type="split">
               
               <note type="shelfmark" place="margin-left" resp="#archive">N.Mus.Nachl. 30, 113</note>
               
               <lb/><note type="pagination" place="margin-left" resp="#major_hand" rend="space-below"><hi rend="underline">2</hi></note>
               
               <lb/><ref target="#D0101683"><placeName key="E0500012">Pariser</placeName> Brief</ref> missverstehen. Missverständnisse
               <lb/>auf diesem Boden kann es zwischen uns doch
               <lb/>nicht geben! Es würde mich betrüben, wenn
               <lb/>ich glauben müsste, dass Sie darüber wirklich
               <lb/>im Zweifel sind. Sie unterschätzen mich wohl?</p>
            <p rend="indent-2-first">Wenn ein <persName key="E0300017">Busoni</persName> von Kunst zu mir
               <lb/>spricht, habe ich keine Zeit, empfindlich zu sein!</p>
            <p rend="space-above indent-first">Ich war im Marionettentheater;
               
               <note type="commentary" resp="#E0300616">Im Frühjahr <date when-iso="1920">1920</date> spielte das <orgName key="E0600194">Marionetten-Theater <placeName key="E0500034">Münchner</placeName> Künstler</orgName> ein <rs key="E0400322"><title key="E0400431">Faust</title>-Puppenspiel</rs> im <placeName key="E0500785">Kunstgewerbemuseum <placeName key="E0500132">Zürich</placeName></placeName>. <persName key="E0300017">Busoni</persName> hatte eine Vorstellung angesehen (vermutlich am <date when-iso="1920-03-02">2. März</date>, <bibl>vgl. <ref target="#E0800060"/>, Anmerkung 284/3, S. 304</bibl>).</note>
               
               auch auf
               <lb/>mich machte das <rs key="E0400322">Faustspiel</rs> einen tiefen
               <lb/>Eindruck. Am meisten frappierte mich die
               <lb/>formale Geschlossenheit der einzelnen Szenen,
               <lb/>die in seltsamem Kontrast zur scheinbaren
               <lb/>Primitivität der Ausführung steht. – Dagegen
               <lb/>fehlt etwas zwischen dem Akt in <placeName key="E0500369">Parma</placeName>
               <lb/>und dem Schlussbild – das prächtig gebaut
               <lb/>ist –<reg>,</reg> und ich merkte<reg>,</reg> wie Sie recht taten,
               <lb/>dazwischen die Wirt<orig>h</orig>schaftsszene einzuschalten.
               <lb/>Erst dadurch erhält das Ganze auch <choice><orig>aüss</orig><reg>äuß</reg></choice>ere
               <lb/>Abrundung.
               
               <note type="commentary" resp="#E0300616">Eine umfangreiche Erklärung zu den Übereinstimmungen und Abweichungen der Libretti des <title key="E0400218">Doktor Faust</title> und des <rs key="E0400322">Puppenspiels</rs> gibt <persName key="E0300017">Busoni</persName> in einem Brief an <persName key="E0300457">Gisella Selden-Goth</persName> (<date when-iso="1920-05-14">14. Mai 1920</date>, <bibl>vgl. <ref target="#E0800060"/>, S. 308 f.</bibl>).</note>
            
            </p>
            <p type="pre-split" rend="indent-first">Die <placeName key="E0500034">Münchner</placeName><choice><orig>b</orig><reg> B</reg></choice>earbeitung scheint mir
               <lb/>einige Details zu schwächen. Auch sehe ich
               <lb/>die Notwendigkeit nicht ein. Dagegen war
               <lb/>die Darstellung wundervoll. Die Faust-Idee
               <lb/>überrumpelt unsere Blasiertheit – welche leider
               <lb/>nicht immer eingebildet ist – stets aufs
               
               </p></div> | 
                                                
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               Neue; ich begreife, dass Sie, in dem ein
               grosser Ausdruck dieser Idee reift, nach
 dieser Vorstellung den Zufall verwünschten,
 am nächsten Tag abreisen zu müssen. –
                                                                Vgl. Busonis Brief vom 4. März 1920.
 Um so mehr freuten mich die Nachrichten
               die Sie uns aus Paris geben. Ihre günstigen
 Eindrücke und der begeisterte Empfang werden
 Ihren Aufenthalt sicherlich zu einem behaglichen
 gemacht haben und auf Sie – trotz der
 Riesenaufgabe
                                                                Die sechs Solo-Rezitals, das Orchesterkonzert mit Busoni als Pianist und die beiden von ihm dirigierten Konzerte waren bereits vor Busonis Anreise ausverkauft, so dass zwei weitere Rezitals und ein weiteres zu dirigierendes Orchesterkonzert anberaumt wurden, Busoni also zwischen 4. März und 2. April 1920 neun Auftritte zu absolvieren hatte (vgl. Willimann 1994, S.119/122 f.; Beaumont 1987, Anmerkung 284/2, S. 304).
               
               – erfrischend wirken. In Ihrem
 letzten Brief witterte ich förmlich die
 Pariser Frühlingsluft. – Es freut mich auch,
 dass ein Publikum, an das ich jeden
 Glauben verloren hatte, das Ereignis Ihrer
 Anwesenheit merkt und fühlt!
 
               P.S. – Das Manuskript v. D. werde ich an Andreae
                  weiterleiten. Die „Improvisation“ wurde von Hug
 besorgt, da ich kein Exemplar besitze. (Ich hatte
 s. Z. ein Exemplar von Biolley geliehen.)
                                                                    Zu den genannten Musikalien vgl. die Kommentierung des vorherigen Briefes.
                  
                  Eine
 Carmen-Phantasie? Sie sind an Ort und Stelle,
 aber woher nehmen Sie die Zeit??
                     Preußischer
 Staats-
 bibliothek
 zu Berlin
 Kulturbesitz
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                                                                <div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
               
               Neue; ich begreife, dass Sie, in dem ein
               <lb/>gro<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>er Ausdruck dieser Idee reift, nach
               <lb/>dieser Vorstellung den Zufall verwünschten,
               <lb/>am nächsten Tag abreisen zu müssen.<orig> –</orig>
               
               <note type="commentary" resp="#E0300616">Vgl. <persName key="E0300017">Busonis</persName> <ref target="#D0101083">Brief vom <date when-iso="1920-03-04">4. März 1920</date></ref>.</note>
            
            </p>
            <p rend="indent-first">Um<orig> </orig>so mehr freuten mich die Nachrichten<reg>,</reg>
               <lb/>die Sie uns aus <placeName key="E0500012">Paris</placeName> geben. Ihre günstigen
               <lb/>Eindrücke und der begeisterte Empfang werden
               <lb/>Ihren Aufenthalt sicherlich zu einem behaglichen
               <lb/>gemacht haben und auf Sie – trotz der
               <lb/>Riesenaufgabe
               
               <note type="commentary" resp="#E0300616">Die sechs Solo-Rezitals, das Orchesterkonzert mit <persName key="E0300017">Busoni</persName> als Pianist und die beiden von ihm dirigierten Konzerte waren bereits vor <persName key="E0300017">Busonis</persName> Anreise ausverkauft, so dass zwei weitere Rezitals und ein weiteres zu dirigierendes Orchesterkonzert anberaumt wurden, <persName key="E0300017">Busoni</persName> also <date when-iso="1920-03-04/1920-04-02">zwischen 4. März und 2. April 1920</date> neun Auftritte zu absolvieren hatte <bibl>(vgl. <ref target="#E0800058"/>, S.119/122 f.; <ref target="#E0800060"/>, Anmerkung 284/2, S. 304)</bibl>.</note>
               
               – erfrischend wirken. In <ref target="#D0101684">Ihrem
                  <lb/>letzten Brief</ref> witterte ich förmlich die
               <lb/><placeName key="E0500012">Pariser</placeName> Frühlingsluft. – Es freut mich auch,
               <lb/>dass ein Publikum, an das ich jeden
               <lb/>Glauben verloren hatte, das Ereignis Ihrer
               <lb/>Anwesenheit merkt und fühlt!</p>
            
            <closer>
               <salute rend="indent-first">Tausend herzliche Grü<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>e an Sie
                  <lb/>und <persName key="E0300059">Frau Busoni</persName> von <persName key="E0300664">Ursula</persName> und</salute>
               <signed rend="align(center)">Ihrem
                  <lb/><persName key="E0300376">Philipp Jarnach</persName></signed>
            </closer>
            
            <postscript>
               <p>P<orig>.</orig>S<orig>. –</orig> Das Manuskript <persName key="E0300077">v. D.</persName> werde ich an <persName key="E0300129">Andreae</persName>
                  <lb/>weiterleiten. Die <title rend="dq-du" key="E0400286">Improvisation</title> wurde von <orgName key="E0600043">Hug</orgName>
                  <lb/>besorgt, da ich kein Exemplar besitze. (Ich hatte
                  <lb/><choice><abbr>s. Z.</abbr><expan>seinerzeit</expan></choice> ein Exemplar von <persName key="E0300173">Biolley</persName> geliehen.)
                  
                  <note type="commentary" resp="#E0300616">Zu den genannten Musikalien vgl. die Kommentierung <ref target="#D0101684">des vorherigen Briefes</ref>.</note>
                  
                  Eine
                  <lb/><title key="E0400479"><title key="E0400483">Carmen</title>-Phantasie</title>? Sie sind <rs key="E0500012">an Ort und Stelle</rs>,
                  <lb/>aber woher nehmen Sie die Zeit??
                  
                  <note type="stamp" place="margin-right" resp="#sbb_st_red">
                     <stamp rend="round border align(center) majuscule tiny">Preußischer
                        <lb/>Staats
                        <lb break="no"/>bibliothek
                        <lb/>zu <placeName key="E0500029">Berlin</placeName>
                        <lb/>Kulturbesitz
                     </stamp>
                  </note>
               </p>
               
               <closer>
                  <signed rend="align(center)"><rs key="E0300376">Der Obige</rs>.</signed>
               </closer>
            </postscript>
         </div> | 
                                                
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                                                                (Faust-Puppenspiel)
                        
                           Zürich […]
                                                                    mindestens 1 Zeichen: Papier fehlt. 22.III.20.–[…]
                                                                    mindestens 1 Zeichen: Papier fehlt.                   
            
                           Riesba[ch] | 
                                                            
                                                                <note xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="stamp" place="top-right" resp="#post">
                        <stamp xml:id="post_abs" rend="round border align(center) majuscule small">
                           <placeName key="E0500132">Zürich</placeName> <gap reason="paper-missing" unit="char" atLeast="1"/>
                           <lb/><date when-iso="1920-03-22">22.III.20</date>.–<gap reason="paper-missing" unit="char" atLeast="1"/>
                           <lb/><placeName key="E0500809">Riesba<supplied reason="paper-missing">ch</supplied></placeName>
                        </stamp>
                     </note>
                                                                <note xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="annotation" place="top-center" resp="#unknown_hand_red" rend="large"><hi rend="underline">(Faust-Puppenspiel)</hi></note>
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                        <addrLine>à monsieur <persName key="E0300017"><abbr>F.</abbr> Busoni</persName></addrLine>
                        <addrLine><placeName key="E0500764">48 rue de Villejust</placeName></addrLine>
                        <addrLine rend="align(right) space-above"><hi rend="underline"><placeName key="E0500012">Paris</placeName>.</hi></addrLine>
                     </address>
                                                             | 
                                                
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                                                            zu N.Mus.Nachl. 30, 113 
                                                                
                        Preußischer
                            Staats- bibliothek
                            zu Berlin Kulturbesitz
                        
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                                                                <address xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" rend="small space-below">
                        <addrLine><hi rend="underline"><persName key="E0300376">Philippe Jarnach</persName>. <placeName key="E0500779">Paulstr. 7</placeName>. <placeName key="E0500132">Zürich</placeName>. <placeName key="E0500092">Suisse</placeName>.</hi></addrLine>
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                                                                <note xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="shelfmark" resp="#archive" rend="indent">zu N.Mus.Nachl. 30, 113</note>
                                                                <lb xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0"/><note xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="stamp" place="bottom-left" resp="#sbb_st_red">
                        <stamp rend="round border align(center) majuscule tiny">Preußischer
                           <lb/>Staats
                           <lb break="no"/>bibliothek
                           <lb/>zu <placeName key="E0500029">Berlin</placeName>
                           <lb/>Kulturbesitz
                        </stamp>
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