L Ph J gestern war ich auf
dem Wege zur Ton-
halle, als ich mich anders entschloss,
(zu was Ausreden?); – der erste
Beweggrund war jedoch rein exter-
ner Art: ich hatte meine „Einladung“
zu Hause vergessen u. scheute mich,
vor einem mir unbekannten Thür⸗
Personal mich legitimieren zu müssen.
– Der zweite Grund war, dass ich
unterwegs von vorkommenden Lieder⸗
vorträgen erfuhr!
eigentliche) lag in mir selber: denn
ich bin ungesammelt, präoccupiert,
und mit meinem Denken schon
etwas weg von Zürich. – Trotzdem
und darum, bitte ich Sie meine
gestrige Versaümnis entschuldigen
zu wollen.
Ferruccio Busoni an Philipp Jarnach arrow_backarrow_forward
Zürich · 16. Mai 1920
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Diplomatische Umschrift
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N.Mus.Nachl. 30, 59 1
16 Mai 1920
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16. Mai 1920
L Ph J, gestern war ich auf
dem Wege zur Tonhalle, als ich mich anders entschloss
(zu was Ausreden?); – der erste
Beweggrund war jedoch rein externer Art: Ich hatte meine „Einladung“
zu Hause vergessen und scheute mich,
vor einem mir unbekannten Türpersonal mich legitimieren zu müssen.
– Der zweite Grund war, dass ich
unterwegs von vorkommenden Liedervorträgen erfuhr!
Ich möchte gerne etwas mehr
von Ihnen wissen: Nach etwa drei
Wochen rüste ich mich zu einer
abermaligen Reise nach London, über
Paris; von der ich erst Anfang Juli
zurück sein dürfte.
![]() Die schönste Schweizer Symphonie ist mir noch immer die Ouvertüre zu Wilhelm Tell. Haben Sie das Manifest des
neuen Direktors der Berliner Hochschule
– Schreker – im Berliner Tageblatt gelesen?
Da kommen Sätze vor wie:
„Schmerz und Sehnen, Glück und Leid“,
und es endet mit:
„Seid umschlungen, Millionen.“
Ich bemerkte, dieser Aufruf könne
nur vierstimmig gesungen wirken.
Wie würde ich mich in dieser
scheinbar unverbesserlichen Atmosphäre ausnehmen? Wie bitter
ärgern! Adieu, douce philosophie;
Zum Schluss: wie fänden Sie das Wort „Futu-purismus“? Ich prägte es mir, als eigene Étiquette. Grüßen Sie Frau Barbara, und Sie, Herr Latinus, seien freundschaftlich umarmt. Ihr F. Busoni |
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Ich möchte gerne Etwas mehr
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Haben Sie das Manifest des
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– Zum Schluss: wie fänden Sie das
– Grüssen Sie Frau Barbara und
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Quelle
- Überlieferung
- Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | N.Mus.Nachl. 30,59 |
- Zustand
- Der Brief ist gut erhalten.
- Umfang
- 3 Blatt, 3 beschriebene Seiten
- Kollation
- Nur die Vorderseiten sind beschrieben.
- Hände/Stempel
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- Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
- Hand Gerda Busonis, die auf der Rückseite mit Bleistift das Datum notiert hat
- Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen und eine Foliierung vorgenommen hat
- Bibliotheksstempel (rote Tinte)
Inhalt
- Zusammenfassung
- Busoni entschuldigt sein Fernbleiben von einem Konzert in der Tonhalle; kündigt Reise über Paris nach London an, außerdem seine für September geplante Rückkehr nach Berlin, trotz einer dort „scheinbar unverbesserlichen Atmosphäre“; schlägt für sein Komponieren, auf das die Schweiz als Ort seltsam wirkungslos geblieben sei, die Bezeichnung „Futu-purismus“ vor.
- Incipit
- „gestern war ich auf dem Wege zur Tonhalle“
Edition
- Inhaltlich Verantwortliche
- Christian Schaper Ullrich Scheideler
- bearbeitet von
- Stand
- 22. Dezember 2021: zur Freigabe vorgeschlagen (Auszeichnungen überprüft, korrekturgelesen)
- Stellung in diesem Briefwechsel
- Vorausgehend Folgend
- Benachbart in der Gesamtedition
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Vorausgehend Folgend
- Frühere Ausgaben
- Beaumont 1987, S. 309 f.
Erwähnte Entitäten
- Personen
- Institutionen
- Werke
- Orte